Liebe Forianer/-innen,
nun ist es soweit: die Premiere der ‚Alle sprechen über...-Serie’. Zwar einen Tag später als geplant (Entschuldigung!), aber genauso begeistert, möchte ich heute am Ostersonntag mit Ravel ‚Daphnis und Chloé’ starten.
Doch zunächst noch einige Worte zu Ravel im allgemeinen, wobei ich hier gerne z.T. auf Wikipedia, Harenberg und (auch für das Ballett) auf diverse Internetbeiträge zurückgreifen möchte. Ihnen allen sage ich Dank. Doch nun in medias res:
Maurice Ravel wurde am 7. März 1875 als Sohn eines Franzosen und einer Baskin in Ciboure im Département Pyrénées-Atlantiques geboren und begann nach seinem Studium am Pariser Konservatorium (u.a. bei Fauré) eine beeindruckende Laufbahn als Pianist und Dirigent, die jedoch durch eine Lähmung 1933 beendet werden musste.
Seitdem lebte er zurückgezogen als Komponist in einem kleinen Dorf. Musikalische Anregungen empfing er vor allem von Debussy aber auch von Strawinsky, Schönberg und Rimski-Korsakow sowie von (spanischer) Folklore und Jazz. Geistreiche Form und sensibles Klangempfinden kennzeichnen seinen Stil. Die Oper "Die spanische Stunde" (1911), das Ballett "Daphnis et Chloé" (1912), die Orchesterwerke "Rhapsodie espagnole" (1907), "La Valse" (1920) und "Boléro" (1928 ) gehören zu seinen bekanntesten Werken, wobei der Boléro sicherlich das wohl populärste Orchesterwerk des 20. Jahrhunderts ist.
Daneben schuf er Kammermusik, mehrere bedeutende Klavierzyklen (die oft später orchestriert wurden) und Lieder. Ravel gilt als Hauptvertreter des französischen Impressionismus nach Debussy. Orgiastischer Klangrausch, allerhöchste Instrumentationskunst, musikalischer (typisch französisch geprägter) Geschmack findet sich in seinen Werken wie verhaltene Sinnlichkeit, rhythmische Raffinesse und polyphone Durchdringung.
Wichtiges Anliegen war ihm zudem, alten barocken Formen mit neuen Inhalten zu versehen. Musik sollte für Ravel ihrem Wesen nach ausschließlich Musik bleiben und keiner philosophischen oder metaphysischen Hintergründe bedürfen. Am 28. Dezember 1937 erlag Ravel einem Gehirnleiden in Paris.
Zwischen 1909-1912 komponiert, ist ‚Daphnis und Chloé’ „sicherlich nicht nur eines der besten Werke Ravels, sondern auch eines der schönsten Erzeugnisse der französischen Musik überhaupt’. Mit diesem Zitat Igor Strawinskys – dem m.E. kaum etwas hinzuzufügen ist -, möchte ich nun Ravels Meisterwerk näher vorstellen. Dabei war es gar nicht sicher, dass das Projekt auch verwirklicht werden sollte, denn zahlreiche Meinungsverschiedenheiten zwischen Ravel auf der einen sowie Fokin und dem Ausstatter Bakst auf der anderen Seite trugen zu keiner entspannten Atmosphäre bei der Komposition bei. Doch zum Glück wurde der Welt dennoch ein Meisterwerk sondergleichen geschenkt.
Und Ausgangspunkt war: Diaghilew, zu dem anscheinend ab 1909 alle Wege zu führten schienen – zumindest für die meisten Komponisten, die in den ersten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts in Paris tätig waren. So war Serge Diaghilew, der Leiter der berühmten "Ballets russes", stets auf der Suche nach begabten Komponisten, die ihm interessante Ballettpartituren liefern konnten. Auch Ravels "Daphnis und Chloé" entstand (ein Jahr nach Strawinsky Feuervogel) auf Anregung des großen Impresarios. Gemeinsam mit dem Choreographen und Tänzer Michail Fokin entwickelte er den Plan zu einem Ballett nach einem Hirtenroman des antiken Dichters Longos aus dem zweiten oder dritten Jahrhundert v. Chr.
Und darin begab es sich, dass Daphnis und Chloé als Bauernkinder nicht weit voneinander entfernt aufwuchsen. Als sie vierzehn und dreizehn Jahre alt sind, erfaßt sie ein Gefühl, das sie zunächst nicht zu deuten wissen. Im ersten Teil seiner Partitur schildert Ravel diese zart knospende unschuldige Liebe so einfühlsam wie das Erwachen der Natur im Frühling. Gleichzeitig malt er mit luftigen Pastelltönen eine bukolische Idylle.
Der zweite Teil illustriert das Hereinbrechen der Piraten, den Raub Chloés und anderer Mädchen aus dem Heiligtum des Pan, das Erscheinen des rächenden Gottes und der helfenden Fabelwesen, das Entfesseln wilder Naturkräfte sowie die Flucht der Piraten mit wunderbaren melodischen Einfällen und impressionistischen Klangvaleurs.
Der dritte Teil beginnt mit einem faszinierenden naturmystischen Sonnenaufgangs-Hymnus, der überleitet in den Tanz von Daphnis und Chloé zu Ehren des Gottes Pan. Der Tanz enthält zudem eine Pantomime der Nymphe Syrinx, die in ein Schilfrohr verwandelt wird, um der Nachstellung des Gottes zu entgehen. Unter allgemeinem Jubel und im "Danse generale" geht die Musik voller tänzerischer Eleganz, brillanter Rhythmik und allerhöchstem Raffinement zu Ende.
Ravel und Fokin waren sich einig, daß die Partitur nichts mit den herkömmlichen "Nummernballetten" gemeinsam haben sollte. Ravel schrieb somit eine dreiteilige, knapp einstündige Partitur, die er treffend als "Choreografische Sinfonie" bezeichnete. Zum großen Orchester, dem größten, das Ravel jemals verwenden sollte: u.a. 15 verschiedene Schlaginstrumente sowie Windmaschine) tritt ein textloser Chor vor und hinter der Bühne, der indes (wie auch in den beiden nachfolgenden Suiten mit den ‚Höhepunkten des Balletts) durch Instrumente ersetzt werden kann.
Ravel bemerkte zu seinem Werk: "Als ich die Musik dazu schrieb, war es meine Absicht, ein ausgedehntes Klangfresko zu komponieren, wobei es mir weniger um Archaisches ging als um Treue gegenüber dem Griechenland meiner Träume, das genau jenem Griechenland entspricht, wie es sich die französischen Künstler am Ende des 18.Jahrhunderts vorgestellt und gemalt haben."
"Daphnis" klingt demgemäß auch weniger griechisch als vielmehr typisch französisch und äußerst sinnlich, gar erotisch - von einer impressionistisch schillernden Klanglichkeit, wie man sie so bei Ravel und seinem ansonsten klaren, zeichnerischen Stil nicht oft findet. Beispielgebend ist nicht nur m.E. der bereits erwähnte herrliche Beginn des dritten Teils, der die Morgendämmerung schildert und sich wie ein großes Gemälde vor dem Hörer entfaltet.
Wie unschwer zu erkennen, liebe ich dieses Werk über alle Maßen. Doch, wie geht es Euch. Was haltet ihr davon? Welche Einspielungen mögt Ihr, welche weniger? Was gibt es noch zum Ballett zu sagen? Welche ähnlichen Werke (und da gibt es zumindest eine interessante ‚Kopie’...) kennt Ihr?
ich habe im übrigen folgende einspielungen:
claudio abbado, london symphony orchestra, dg, 469 354 2 (3discs)
pierre boulez, new york philharmonic, sony, 45842 (3 discs)
james levine, wiener phil., dg, 429 982 2
andre previn, london symphony orchestra, emi, 7 63887 2
pierre boulez, berliner phil, dg 447 057 2
charles dutoit, orch. symphonique de montreal, decca, 475 6891 (4discs)
eliahu inbal, orchestre national de france, brillant 6430 (4 discs)
seji ozawa, boston symphony orchestra, dg 439 342 2 (3 discs)
yan pascal tortellier, ulster orchestra, chandos 9206 (4 discs)
Ich bin gespannt und wünsche frohe Auferstehungstage