Laienchöre... warum wissen die nie, was sie nicht können?

  • Alle sich zu sehr betroffen fühlenden bitte ich um Nachsicht: das Thema ist für mich etwas wie Vergangenheitsbewältigung...


    Laut, falsch und mit Begeisterung, das ist für sehr viele der inoffizielle Leitsatz...


    die Laienchöre...


    von unschätzbarem Wert, was die alltägliche Beschäftigung mit klassischer Musik betrifft.
    in vielen Fällen - Anlaß, um aus den eigenen 4 Wänden raus zu kommen, unter Leute zu gehen und zu kommunizieren und...auch zu singen.


    Besonders häufig - Kirchenchöre
    die haben ein paar Mal im Jahr den großen Auftritt, da wird zum Ostersonntag, zum Patronatsfest der Kirche, zu Weihnachten ... ein Gottesdienst gestaltet...


    So weit, so schön. Nur was singen diese Leute da? (ich rede von meinem Wiener Umfeld...)
    Eigenartigerweise ist der Ehrgeiz, klassische Orchstermessen aufzuführen, so stark verwurzelt, daß es fast keine Alternativen gibt.
    Ich gestehe, auch selbst einen Bogen um A-Capella Motetten und ähnliches zu machen (nicht nur aus intonationsgründen...)


    bei besonders ehrgeizigen Chorleitern bleibt es nicht dabei. Wenn auch noch zusätzlich Konzerte veranstaltet werden - und auch noch ein Budget vorhanden ist, dann ist der Griff zu einem Oratorium sehr naheliegend.


    und so kommt man in den Genuß, von kleinen Wiener Kirchenchören den Messias, Mendelssohn Elias etc. vorgesetzt zu bekommen...
    Natürlich auch die Monstermessen der Romantik: Schubert Es-Dur, Bruckner e-Moll...
    Der Großteil des Konzertpublikums besteht natürlich aus Verwandten und Bekannten des Chores bzw. dem Umfeld der Pfarre...


    Aber wenn man die Aufführungsbedingungen kennt, höchstens zwei Orchesterproben, die (schlecht vorbereiteten) Solisten aus dem Bekanntenkreis des Chorleiters (sonst würden sie ja nicht um ein Butterbrot singen...)
    und vor allem: der Chor (trotz Verstärkung mit Studenten...) hoffnungslos überfordert


    Vor kurzem habe ich bei einem Trauergottesdienst Schuberts Deutsche Messe vom Volksopernchor gehört und war sehr bewegt - wahrscheinlich die bis dahin schönste Aufführung für mich.


    Warum macht man es sich so leicht mit den schweren Werken?
    Allein das Mozart Requiem hat schon riesige Hürden (Kyrie Fuge)


    Grundsätzlich habe ich mit der Chortenorstimme ein Problem: von Laien sind die Anforderungen nicht zu bewältigen!! Ohne Ausnahme!*
    Dazu kommt ein überbesetzter Sopran (von Überalterung will ich gar nicht anfangen zu reden...)
    von homogenem Klang ist nichts zu hören.
    Daher finde ich den Großteil der Chorliteratur heutzutage von Laien nicht aufführbar!



    * das Tenorproblem sehe ich so: es gibt gar keinen Mangel an Tenören, wie oft behauptet. Jedoch hat die Tenorstimme die größten Schwierigkeiten (von allen) mit den Übergangslagen.
    ein weiteres Problem ist die mangelnde Bereitschaft von Männern, sich mit dem SIngen zu beschäftigen... mir kommt es vor: entweder ganz oder gar nicht - d.h. wenn Männer Stimmbildung nehmen, dann wollen sie gleich "ganz professionell" arbeiten - wechseln sofort das Ensemble (wenn möglich, in einen bezahlten Chor) oder versuchen sich (leider) als Solisten. (am Zentralfriedhof...)
    Aber Singen als Hobby scheint für Männer ein Problem zu sein...
    die andere Seite ist - Chorproben, als VOrwand, nachher ins Wirtshaus zu gehen... über die Qualität brauch ich nicht reden...

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

  • Hallo Wolfgang,


    sehr amüsant geschrieben, danke! Tja, ich bin eigentlich Deiner Meinung.
    Meine Eltern haben in den letzten Jahren auch in so einem überalterten kleinen Kirchenchor am Rande Frankfurts mitgebrüllt: Vivaldis berühmtes Gloria und Mozarts Krönungsmesse (als Konzertprogramm in der Kirche gegeben, nicht innerhlab einer Messe). Klar, daß es nicht immer wirklich erfreulich klingt, Disziplin während der Chorprobe ist wohl auch eine Fehlanzeige, aber was letztlich dabei rauskommt, macht doch den Beteiligten Spaß und verursacht den Zuhörenden kaum Schmerzen... die beiden genannten Konzerte waren sogar besser als ich erwartet hatte. Mit einem deutlich besseren Frankfurter Kirchenchor hatte ich vor vielen Jahren das Mozartrequiem gehört, was mich tief beeindruckte und nicht ganz unschuldig an meiner wachsenden Leidenschaft an der Musik war.
    Wenn man bedenkt, daß überalterte mittelmässige Kirchenchöre intonatorisch oft sogar an den einfachsten Liedchen scheitern, dann gönn ich ihnen doch den Spaß an einem Repertoire, daß sie vollkommen überfordert und das dann am Ende vielleicht doch sogar halbwegs aktzeptabel klingt. Das eigentliche Problem scheint zu sein, daß viele Kirchenchorleiter zum Größenwahnsinn neigen.


    :D :hello:

  • Du triffst den Nagel auf den Kopf!


    Ich beteilige mich derzeit als Gast am Projekt "KV 317" einer Kirchengemeinde,um den Ostergottesdienst mitzugestalten.


    Werde nach Ostern meine gemachten Erfahrungen schildern.

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Als "ehrgeiziger" Chorleiter möchte ich mich hier auch mal zu Wort melden.


    Ich sehe die Sache so:
    Die Aufgabe von Kirchenchören ist nicht die, das anspruchsvolle Ohr des Semiprofessionellen oder gar des Profis zu liebkosen, sondern Spaß am singen zu haben und die liturgischen Inhalte des jeweiligen Festes mit Gesang zu betonen.
    Dabei muss man berücksichtigen dass die meisten Menschen die Chorprobe als Entspannung nach einem harten Arbeitstag sehen und nicht als ihre Berufung um die Musikwelt zu bereichern.
    Es geht einfach darum soziale Kontakte zu knüpfen und bei manchen spielt eben auch die Liebe zur Musik eine Rolle.


    Die musikalische Qualität nun hängt einzig und allein vom Chorleiter ab!
    Ich habe es am eigenen Leib erfahren als ich bei meinem Chor anfing.
    10 Soprane, 8 Altistinnen, 2 Tenöre und 2 Bässe singen den Psalm 150 von Cesar Franck. Und wie!
    Dabei können die meisten von ihnen noch nicht mal richtig Notenlesen.
    Alles eine Sache der Chorleitung.
    Als ich eine Woche später anfing klappte selbst ein simpler 4-stimmiger Choral nicht. Erst als ich mich eingearbeitet hatte und der Chor auf mich zu reagieren gelernt hatte, konnte ich auch anspruchsvollere Werke in Angriff nehmen.


    Die Kritik sollte also nicht den Chören gelten, sondern den Dirigenten/Chorleitern! Es spricht zwar nichts dagegen auch mal den Messias zu versuchen jedoch nicht "weil man es schon immer mal dirigieren wollte", sondern nur dann wenn man glaubt (noch besser weiß!) dass der Chor dazu fähig ist. Und so passiert es leider immer häufig, dass schlecht ausgebildete Dirigenten ihre musikalischen Wünsche auf den Chor übertragen wollen und ihren Vorbildern mit den großen Werken der geistlichen Chormusik nacheifern. Nur so kann ich mir das erklären.


    Was man jedoch auch nicht außer Acht lassen sollte ist der Termindruck.


    Tastenwolf schrieb:
    "die haben ein paar Mal im Jahr den großen Auftritt, da wird zum Ostersonntag, zum Patronatsfest der Kirche, zu Weihnachten ... ein Gottesdienst gestaltet..."


    Das ist einfach nicht richtig! Die meisten Kirchenchöre singen im Jahr 10-15 Konzerte bzw Messen.
    Ich habe dieses Jahr mit meinem Chor 20 Auftritte zu bewältigen! Wo soll da die Zeit bleiben neues einzuüben?
    Und dabei bin ich noch gut bedient. Es gibt Chöre in unserer Umgebung die jede 2. Messe gestalten müssen.
    So bleibt wenig Zeit neben den liturgischen Aufgaben sich auch wirklich um "Musik" zu kümmern!


    Das sollte man imho bei aller Kritik nicht vergessen.

  • Sagitt meint:


    Ich habe in vielen Kirchenchören gesungen. Die Analyse ist vollkommen richtig. Meist werden Werke gesungen, die vom Chor kaum bewältigt werden. Das ist nun einmal der Grössenwahn des Chorleiters, der auch einmal in seinem Leben eine h-moll Messe machen will. Interessanterweise bleibt die Missa solemnis meist verschont, weil die einfach nicht zu packen ist.
    Soweit richtig.
    Aber: ich habe viermal in meinem Sängerleben die Marienvesper singen dürfen. Es war jedesmal ein Erlebnis. Für uns- die Chorsänger. Als Zuhörer sollte man nicht dorthin gehen, wenn man eine wirklich gute Interpretation hören, aber dem Sänger macht es ungeheuren Spass. Gleiches bei einer Tournee mit der Matthäus-Passion. Jeden Abend ein Schauer über den Rücken, wenn die lange Reise durch die Passion begann. Die Zuhörer taten mir leid- es war in Frankreich. Die wussten wohl nicht, wie lange diese dauert. Aber wenn man mitsingt, ist es ein Drei-Stunden-Abenteuer.Grossartig -auch das Gefühl der Verbundenheit zu den anderen, gemeinsam dieses Werk bewältigt zu haben.

  • Zitat

    Laienchöre... warum wissen die nie, was sie nicht können?


    Salut,


    wahrscheinlich, weil's ihnen niemand sagt.


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • MatthiasR

    Zitat

    ich rede von meinem Wiener Umfeld...)

    ...wenn du mir schilderst, was dein Aufgabenfeld ist, kann ich darauf eingehen.
    Ich habe einige Jahre in der Augustinerkirche Wien korrepetiert, in der jeden Sonntag ein Hochamt gestaltet wird. Dieser Chor hatte zwar ein großes Repertoire, aber jeweils nur 2 Proben für jede Aufführung, dazu noch Konzerte...
    Was auffallend war - die unglaubliche Selbstüberschätzung der Chorsänger, die sogar in Arroganz ausartete...


    ein Anlaß für den Threadtitel ist die Frage, warum Laien scheinbar solche Monsterstücke brauchen, um sich für ein Projekt zu motivieren?


    Ulli: tatsächlich findet sich niemand, der vernünftige Kritik übt - und wenn, dann gibts ausweichende Antworten


    Zitat

    Zitat Sagitt:
    Es war jedesmal ein Erlebnis. Für uns- die Chorsänger. Als Zuhörer sollte man nicht dorthin gehen, wenn man eine wirklich gute Interpretation hören, aber dem Sänger macht es ungeheuren Spass.


    Daß das Mitsingen riesigen Spaß machen kann, bestreite ich nicht,
    interessant finde ich, wie man mit einem halben oder eben nicht voll ausgearbeiteten Ergebnis zufrieden sein kann...

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

  • Sagitt meint:


    interessant finde ich, wie man mit einem halben oder eben nicht voll ausgearbeiteten Ergebnis zufrieden sein kann..( Zitat Tastenwolf).


    Das finde ich auch. Wäre sicher ein interessantes Thema für die Wahrnehmungsforschung. Es fäntr schon beim Hören der eigenen Stimme an. Es gibt subjektives Hören und die "objektive" Stimme und selbst Sänger bringen dies nur begrenzt überein. Die Wahrnehmung ist beim Selbtertun schlicht eine andere. Wenn ich die Marienvesper mitsinge, denke ich nicht an den Monteverdichoir,sondern sehe, dass ich im Lauda nicht aus dem Takt gerate.Meine Aufmerksamkeit ist eine ganz andere.
    Was ich allerdings nie mache: ich höre mir nie eine Aufnahme meines Tuns ab. Wenn ich das einmal gemacht habe, stellte sich grosse Enttäuschung ein, weil dann das Zuhör-Ohr diese Aufnahme hörte und sofort an den Monteverdichoir dachte und es schrecklich fand..

  • Zitat

    Die Wahrnehmung ist beim Selbtertun schlicht eine andere.


    kann ich voll und ganz bestätigen...
    ich finde es sogar von Vorteil, sich nicht selbst zuzuhören beim Musizieren, obwohl ich lange Zeit dieser sofortigen Rückmeldung vertraut habe.


    Entscheidend ist, daß man in dem Moment genau weiß, was man tut.


    die Beurteilung eigener Aufnahmen ist eine bittere Angelegenheit. oft muß ich lange warten, bis ich der Leistung neutral genug gegenüberstehe - und bin trotzdem enttäuscht.


    Meistens ist man während des Musizierens in einer Hochstimmung - erst nachher nimmt man Details wahr.

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

  • Hallo,


    mal ganz blöd gefragt: Was wäre die Alternative? Sollen die Laien-Chöre nur Silcher singen? Ich bin grundsätzlich und entschieden der Meinung: Laien dürfen alles. Sie dürfen sich insbesondere ungeniert an allem verheben. Hauptsache sie haben Spaß daran und lernen Repertoire kennen.


    Ich finde es übrigens symptomatisch, dass dieses Thema von jemandem aus einer Großstadt aufgebracht wird. Lieber Tastenwolf, Du hast ja keine Ahnung, welches Glück es für einen Siebzehnjährigen Gymnasiasten ist, sich durch den Messias, die Johannes-Passion oder die Schöpfung knödeln zu dürfen! Ich bin auf dem Land aufgewachsen. Da sind solche Laien-Chöre echte Kulturträger, weil die nächste Großstadt mit professionellem Chor 50 bis 100 km entfernt ist (und der professionelle Chor auch nur der des Stadttheaters ist...).


    Laien dürfen singen, was sie wollen. Und sie haben einen Schonraum verdient, in dem Sinne, dass niemand ihnen das Singen durch überzogene Kritik madig machen sollte.


    Wenn ich in das Konzert eines Laienchores gehe, dann weiß ich doch, dass ich keine professionelle Leistung erwarten kann?!


    Freundliche Grüße


    Heinz Gelking (ex-Laienchorsänger)

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  • heinz.gelking:


    Zitat

    mal ganz blöd gefragt: Was wäre die Alternative? Sollen die Laien-Chöre nur Silcher singen?


    Nein, warum gleich so extrem ?? :D Ich registriere jetzt um diese Tage wieder folgendes: Man hat derzeit in Berlin die Möglichkeit, sich ca. 50 mittelmäßige Matthäus-Passionen, 5 grausige Johannes-Passionen und einmal die "7 Worte Jesu am Kreuz" anzuhören, weil der Chorleiter,der das aufführen lässt,irgendwann einmal gesagt bekam, das Schütz "leicht" ist...


    Ich denke, Selbstüberschätzung der Chorleiter spielen da ebenso eine Rolle
    wie falscher Ehrgeiz, das real Machbare um ein vielfaches überbieten zu wollen:


    Von Seth Calvisius bis zu Paul Hindemith gibt es ein Repertoire an Chorwerken, das bei gemässigtem Schwierigkeitsgrad trotzdem höchstes muikalisches Niveau garantiert !!!!!!!!

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • ob ich eine Ahnung habe?


    erneut beziehe ich mich auf meinen Satz:

    Zitat

    ich rede von meinem Wiener Umfeld...)


    denn ähnlich wie von BBB geschildert gibts auch in Wien eine Menge Laienchöre, aber auch eine sehr lebhafte professionelle Chorszene.
    Gut, den Schönbergchor lasse ich beiseite - wenn man also was professionelles hören will, sind der und der Chorus sine nomine sicher erste Adressen


    Immerhin sind der "Singverein" des Wr. Musikvereins und der Chor des Konzerthauses (hab den Namen vegessen) ebenfalls Laienchöre - mit der Einschränkung, daß es Aufnahmsprüfungen gibt und regelmäßige Stimmbildung geboten und erwartet wird...


    Tja, dann gibts daneben noch einige Großchöre, die immer wieder durch entsprechende Aufführungen auffallen: z.B: Wiener Bachgemeinde, Schola Cantorum, díe Chorvereinigung St.Augustin (wo ich gearbeitet habe) -seltsamer Name - ehemaliger Kirchenchor von St.Augustin, Chorleiter wurde entlassen, der Chor ging mit...


    dann gibts verschiedene Schulen, die ebenfalls Projekte mit Orchester versuchen, weil sie das Erlebnis eines Konzerts im Musikverein bieten wollen...


    und die diversen Kirchenchöre... :stumm:


    Der Streitpunkt ist für mich, daß manche dieser Chöre sich Konzerte in größtem Rahmen (goldener Saal/Musikverein) gönnen - auch Publikum dafür bekommen - und sich irgendwas darauf einbilden


    aber wahrscheinlich sollte ich den rein emotionalen Wert solch eines Konzerts beachten...

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

  • Sagitt meint:


    Chor oder Leiter ? In der Regel bestimmen doch die Leiter wann, was und wo. Ich habe es jedenfalls nie anders erlebt.
    Wer die Erwartung weckt, hier werde Professionelles geboten, der muss auch mit entsprechenden Reaktionen rechnen.
    Wer als Publikum zu einem solchen Chor geht und Professionelles erwartet, darf sich nicht beschweren.
    Gerade beim Chorgesang sind die Maßstäbe in den letzten dreissig Jahren enorm nach oben verschoben worden. Mit grösserer Wirkung hat dies der Monteverdi-choir eingeleitet, der ja seit 1974 in Erscheinung tritt ( damals mit einer imo sehr schlechten Marienvesper). Diese reinen Profi-Chöre machen selbst den Semi-Profichören, wie den Gächingern das Leben schwer. Am Beispiel der Bach-Motetten:Wenn man die Verzierungen alle aussingen will, muss die Stimme geschult sein, sonst unterbleibt das oder geht schief.


    Wenn das ambiente stimmt, soll auch ein Laien-Chor das Werk singen dürfen. Die Freude der Menschheit wird vergrössert, wenn Laien dies als Gemeinschaftswerk bewältigen. Angehörige, die kommen, hören mit den Ohren eines Angehörigen- no problem.

  • Vielleicht seid ihr doch etwas zu streng mit den Laienchören.


    Gestern erst eine Aufführung des Magnificat von Bach im Altenberger Dom gehört, ein Laienchor hatte genug Geld eingeworben, um ein gutes Orchester und ebenfalls gute Solisten bezahlen zu können - und die 45 Leute des Chores sangen das nicht gerade anspruchslose Werk so frisch und fröhlich, es kam soviel Musik und Stimmung rüber, daß alles, was ein Kritikaster dazu hätte sagen können, einfach totgesungen wurde.


    Und es kostete gerade mal 12,50 €.


    Unschlagbares Preis- Leistungsverhältnis. Bei absolut sehr ansprechender Leistung. Nix herumzukritteln ! Mehr davon!

  • Ich bin ganz der Meinung von Heinz, bei einem Laienchor ist die Freude am eigenen Tun ausschlaggebend und nicht der künstlerische Anspruch. (Wenn ich eine Ausstellung von Hobbymalern besuche, erwarte ich mir dort ja auch nicht lauter Van Goghs! ;) )
    Ganz konkret: Wenn unser Männergesangsverein in der Provinz (Durchschnittsalter 65) das Brindisi aus "La Traviata" anstimmt, müsste ich als Opernfan eigentlich mit faulen Eiern werfen oder mit gesträubten Nackenhaaren die Flucht ergreifen. Aber ich sehe 30 fröhliche ältere Herren auf der Bühne stehen, die voll Enthusiasmus ihr Bestes geben, und da denke ich nicht an den Staatsopernchor o.ä. sondern gönne ihnen einfach den Spaß. Natürlich müssten sie nicht Verdi vergewaltigen, sondern könnten auch "Hoch auf dem gelben Wagen" singen, aber dem Maestro tut's sicher nicht mehr weh und mir in diesem speziellen Fall auch nicht.
    Bei Kirchenmusik liegt der Fall vielleicht ein bisschen anders, weil man da doch mit einer anderen Erwartungshaltung hingeht als zu einem bunten abend, aber wenn nur Profis singen dürften, gäbe es wohl überwiegend Wortgottesdienste.....
    lg Severina :hello:

  • Sicherlich liegt es am Chorleiter welche Literatur er von seinem Chor verlangen kann. Manchmal ist ein kleiner Kirchenchor überfordert mit schwerer Literatur, doch es motiviert auch die Sänger, sich mal an ein Werk zu wagen, was nicht so leicht ist.


    Es ist doch oft so, dass die Besucher dieser Konzerte aus dem eigenen Umfeld sind, Angehörige und Freunde, die sich immer freuen, wenn ihre Leute singen, egal was es ist.


    Da steht der Chor, fein gekleidet, die Damen in weißen Blusen und schwarzen Röcken, frisch vom Friseur und die Herren mit Fliege. Sie tragen stolz ihre schwarzen Chormappen und heben sich schon so von den Besuchern ab. Ein schönes Bild und ein Erlebenis für Sänger und Zuhörer. Nach dem Konzert sitzt man gerne noch zusammen.


    Auch wenn andere Chöre vielleicht die vorgetragene Literatur besser singen, so ist es doch eine Freude dem Chor zuzuhören und zu sehen, wieviel Freude es ihnen macht. Sie leisten etwas wofür sie lange gearbeitet haben.


    Wenn ich ein anspruchsvolles Konzert hören möchte, ohne Fehl und Tadel, dann suche ich mir einen entsprechenden Chor aus, da sind die Erwartungen höher gesteckt.


    Liebe Grüsse

  • Hallo!


    Ich singe seit vielen Jahren in einem Laienchor. Wir haben das Glück einen Chorleiter zu haben, der uns zwar immer wieder zu Höchstleistungen bringt, aber nicht wirklich über unsere Grenzen geht.
    Klar singt ein Profichor sicher besser als wir, wozu hätten sie sonst auch ihre Ausbildung gemacht?
    Wenn wir Laien nicht so manche Lieder singen würden oder auch Kirchenwerke, hättet auch ihr Profis weniger zuhörer.
    Denn durch die Messen und Konzerte bringen wir vielen Menschen die Chormusik näher. Ich wohne auf dem Land und wenn wir nicht singen würden, täte es keiner tun, denn die so hochgelobten Profichöre kommen nicht zu uns aufs Land...........schon gar nicht Ostern oder Weihnachten.


    Ich denke auch, wer einem Laienchor zuhört, weiß das es ein solcher ist und verlangt keine Perfektion.
    Und zuhören, ohne dass Profis das grauen kommt, kann man einigen Laienchören.


    lg Manu!

  • Also erstmal würde ich nicht alle Laienchöre über einen Kamm scheren. Es gibt durchaus welche, die wirklich gut sind und die große Oratorienliteratur im Griff haben. Ich habe früher in einem solchen gesungen, in dem den Mitglieder neben einem SINNVOLLEN Einsinge auch die Möglichkeit geboten wurde, Stimmbildung wahrzunehmen und "Vom-Blatt-Singen" zu lernen. Es ist nämlich schonmal ein großer Vorteil, wenn der Großteil der Beteiligten mit den schwarzen Punkten und Strichen, die über dem Text stehen, etwas anfangen können :D....


    Das Ungleichgewicht zwischen den einzelnen Stimmgruppen, wie es hier angesprochen wurde, ist tatsächlich ein Problem. Zu viele Soprane (wer geht schon freiwillig in den Alt, da sind doch nur die, die nicht hoch singen können :evil: ), Tenöre "die nicht gelernt haben, wie Männer zu singen" (der Spruch ist nicht von mir, sondern vom Chorleiter des Extrachores der Staatsoper Berlin...) usw. usw.


    Grundsätzlich würde ich sagen, die Konzertlandschaft wäre ärmer ohne ambitionierte Laienchöre. Allerdings gibt es tatsächlich ziemlich gruselige Aufführungen - aber auch diese machen vielen Zuhören Freude und man sollte nicht allzu hart mit dem uns eigenen geschulten Ohr darüber urteilen. Und auch professionelle Chöre liefern nicht immer zufriedenstellende Ergebnisse ab.


    LG
    Rosenkavalier

  • Lieber Tastenwolf,


    ich finde Dein Urteil bezüglich der Laienchöre viel zu hart.


    Schauen wir uns zuerst an, welchen Anteil die Aufführungen der Laienchöre in der Oratorien- und Messen-Musikkultur in Deutschland haben: den größten!


    Neben vielen Messen und Requiems sind vor allem das Weihnachtsoratorium oder die Matthäuspassion zu echten Institutionen für das Volk geworden. Es ist nicht nur Musik, die aufgeführt wird, es ist die Einstimmung in eine Jahreszeit, auf ein Fest, auf religiöse Belange. Und es besteht eine große Nachfrage nach eben dieser Art der Einstimmung! Profi-Chöre könnten diese Nachfrage keinesfalls bedienen! Die meisten Konzerte dieser Art sind stets sehr gut gefüllt, selbst wenn es die 27. Aufführung in 3 Wochen des Weihnachtsoratorium in Berlin ist. Dort findet kein elitärer vollvergeistigter Kunstgenuss statt sondern es ist tatsächlich Musik fürs Volk. Das, finde ich, ist ein sehr schöner Aspekt.


    Die meisten Kirchenchöre bewältigen dabei die chorsinfonischen Werke durchaus passabel. Die Musik läuft sauber ohne Hänger durch, die Intonation ist dank stützendem Orchester annehmbar. Zuletzt spürt man den Enthusiassmuss der Laiensänger beim Singen, was bei Profi-Chören oft eher fehlt. Dazu kommt, das den meisten Zuhörern diese Mängel kaum oder gar nicht auffallen. Und das ist keineswegs schlimm sondern eigentlich ein echter Segen.


    Der eine oder andere stellt natürlich höhere Ansprüche an das Ensemble und die Interpretation. Beschäftigt man sich intensiv mit Musik, kann man sich, leider, nicht mehr so sehr über detonierende Tenöre (nein..sie explodieren nicht, obwohl man das ob der hochroten Köpfe bei den hohen Stellen manchmal befürchten muss) und scheppernde Soprane freuen. Aber man kann sich als Zuhörer im Vorfeld informieren und einstellen. Singt die Kantorei Klein-Veckenstedt das Brahmsrequiem, kann man sicher erahnen, das weder Chor noch Orchester von allererstem Weltrang sein werden. Entweder man ist gewillt, die zu erwartenden Mängel zu ertagen oder man bleibt der Aufführung einfach fern und gibt lieber Geld für eine Konzertkarte mit den Rundfunkchor des MDR o.ä. aus.


    Noch ein Wort zu den stimmlichen Möglichkeiten von Laienchören:
    Intontaion ist nicht nur die Stimmingkeit der Einzelstimmen und Stimmgruppen untereinander sondern auch das Halten der Tonart bei langen acapella-Passagen oder -Werken. Gerade das ist von sehr vielen Faktoren abhängig (allgemeine Stimmung, Aufführungsort, Akkustik, sogar Lichtverhältnisse, Sicherheit etc..) und für Chöre sehr schwer zu erlernen.
    Chorsinonik dagegen bietet dem Chor ein stützenden Tonkorsett, wodurh Mängel der Intonation gar nicht erst auftreten können. Chorsinfonische Werke sind daher von Chören oft deutlich leichter zu bewältigen als Acapella-Werke.


    Eine Aufnahme eines mittelmäßigen Laienchores anzuhören ist sicher ein Graus. Live fällt das aber viel weniger ins Gewicht. Man erlebt begeisterte Menschen beim musizieren, und die Begeisterung strahlen sie auch auf das Publikum aus. Ob dieser Begeisterung verzeiht auch der geübte Zuhörer gerne scheppernde Soprane oder mulmende Bässe. Gut kann man diesen Effekt bei Liedermachern beobachten, die selten über hervorragende stimmliche Möglichkeiten verfügen, was ihnen jedoch eben wegen ihrer Austrahlung und den Texten kaum jemand nachtragen mag.


    Ein Wort noch zu den Solisten:
    Bei den Laienchor-Aufführungen, die ich kenne, waren immer fähige Solisten am Werke. Mindestens Gesangsstudenten, meist aber gestandene Berufssänger sind möglicherweise nicht immer herausragend gut, bewältigen aber die Partin zumindest mehr oder weniger souverän. Es ist ist hier eben wie bei den Chören: Die Masse an Künstlern ist Mittelmaß, und nur eine kleine Gruppe verfügt über außergewöhnliche Begabungen, die sie vor anderen hervorscheinen lassen.


    P.S.: Du solltest einmal einen Chorwettbewerb besuchen. Dort wirst Du ausschließlich NICHT-Berufschöre erleben, und es wird Dir die Schuhe ausziehen, welches unglaublich hohe Niveau dort geboten wird..


    Liebe Grüße, der Thomas. :hello:

  • Unser verehrter Orchesterdirigent beim Musikverein Langenfeld, Alfred Gillessen, konnte zornig werden, wenn irgendein Buchstabenquäler wieder einmal meinte, uns als Laienorchester bezeichnen zu müssen. Die Bezeichnung Laie fand er unangemessen, wir seien ein Orchester von Liebhabern.


    Wer jahre- und jahrzehntelang im Chor singt, viele bis ungezählte Aufführungen hinter sich gebracht hat, wöchentlich manchmal mehrmals und auch an ganzen Wochenenden zur Probe geeilt ist, Stimmbildung betrieben und sich dem Willen seines Dirigenten unterworfen hat, der ist beim schlechtesten Willen kein Laie mehr.


    Zitat

    Wikipedia meint:
    Ein Laie ... ist
    im allgemeinen Sprachgebrauch jemand, der auf einem bestimmten Gebiet keine Fachkenntnisse hat – also das Gegenteil eines Fachmanns ...


    Und genau diese Fachkenntnisse eignet sich der interessierte Liebhaberchorist im Laufe seiner chorischen Tätigkeit doch gerade an. Und er wird sie auch nach seinen Kräften und Fähigkeiten einsetzen, sonst würde ihm das Ganze schon bald keinen Spaß mehr machen - behaupte ich mal einfach so.


    Was macht nun den Liebhaber aus?


    Zitat

    Wikipedia meint:
    Ein Amateur (franz. für „Liebhaber“) ist eine Person, die – im Gegensatz zum Profi – eine Tätigkeit aus Liebhaberei ausübt, ohne einen Beruf daraus zu machen bzw. Geld für seine Leistung (zu erhalten).


    Der Begriff sagt wenig über die Sachkenntnis von Amateuren aus, die durchaus professionelles Niveau haben kann. Dagegen wird der Begriff amateurhaft abwertend im Sinne von „nicht auf professionellem Niveau“ gebraucht. Aus diesem Grund wird zur Beschreibung einer zwar als Amateur ausgeübten, aber dennoch als professionell anzusehenden Leistung häufig der Begriff der „Semi-Professionalität“ verwendet.


    Im Bonner und im Kölner Raum können wir uns über eine ganze Reihe semi-professioneller Liebhaberchöre freuen. Dass solche Chöre landes- oder deutschlandweit im direkten Vergleich bestehen können, beweisen sie durch ihre Platzierungen z. B. im Deutschen Chorwettbewerb, Internationalen Chorwettbewerb in Montreux, etc. Jedem am Chorsingen Interessierten kann nur empfohlen werden, einmal einige Urlaubstage auf den Besuch des Deutschen Chorwettbewerbs - die Wertungssingen und Veranstaltungen sind öffentlich - zu verwenden. Das sind Leistungen, die wahrgenommen werden sollten, und die nicht mit dem Etikett Laienchor = :kotz: abgetan werden können.


    Die semi-professionellen Liebhaberchöre, aber auch die sonstigen Liebhaberchöre, sind - in der Stadt und ganz sicher noch viel mehr auf dem Land - ein unverzichtbarer Kulturträger in unseren unter der Etatschraube ächzenden Strukturen; was uns ohne diese Chöre verloren ginge, wäre möglicherweise nicht wiederherzustellen.


    Allerdings: Darin kann ich Tastenwolf wohl zustimmen: Teil der Semi-Professionalität ist die Auswahl für den konkreten Chor unter dessen konkretem Leiter geeigneter Literatur. Die geeignete Auswahl mag einem Frauenkammerchor repertoirebedingt leichter fehlerlos gelingen, als dem gemischten Chor, der sich Repertoirebegehrlichkeiten gegebenenfalls widerstandloser ergeben wird.


    Nur scheint mir dies eben die richtige Reihenfolge in der Sichtweise zu sein: Zunächst einmal ist der Wert unserer Liebhaberchöre, und der semi-professionellen allzumal, hervorzuheben. Erst dann müssen zu Recht die natürlichen Beschränkungen des Liebhabertums zur Sprache gebracht werden.


    Liebe Grüße, Ulrich

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  • Zitat

    Original von Ulrich Kudoweh


    Wer jahre- und jahrzehntelang im Chor singt, viele bis ungezählte Aufführungen hinter sich gebracht hat, wöchentlich manchmal mehrmals und auch an ganzen Wochenenden zur Probe geeilt ist, Stimmbildung betrieben und sich dem Willen seines Dirigenten unterworfen hat, der ist beim schlechtesten Willen kein Laie mehr.


    Liebe Grüße, Ulrich


    Da muss ich dir widersprechen, auch wer Jahrzehnte lang in einem Chor singt und auch Stimmbildung genießt, ist in meinen Augen kein Profi.


    Sogar in einem Semi Profichor sind viele Sänger, die eine Gesangsausbildung haben und ich möchte den Sänger sehen, der sich in einem solchen Semi Profichor bewirbt und die Aufnahmebedingungen erfüllt.


    Gesangsausbildung und Stimmbildung sind zwei Paar Schuhe und es wäre einfach, käme man mit Stimmbildung in einen Profichor.


    Sicherlich gibt es Unterschiede zwischen Chor/Gesangverein/Kirchenchor und einen z.B. "Konzertchor, Bachchor" oder wie sie alle heißen, die schon sehr professionell singen, die aber, wie schon oben gesagt, oft mit Gesangsausbildung zum Semichoristen heranwachsen.


    Doch ich glaube, die Eingangsfrage bezog sich nicht auf Semi Profichöre, sondern auf kleinere Chöre/kirchenchöre.


    So ist es ja auch bei den Solisten, sie haben teilweise eine Gesangsausbildung privat genossen und betrachten das Singen als Hobby, Freizeit, doch es sind keine Vollprofis, die von eingem z.B. Agenten vermittelt werden. Sie singen aus Freude am Gesang und auch da wird manchmal in der Literatur zu hoch gegriffen, doch man sollte auch sie nicht vergleichen mit Vollprofis.


    Doch eines ist gewiss, ob Laienchor, Liebhaberchor oder Semiprofessionelle oder kleiner Kirchenchor, sie alle singen gerne und möchte das auch in die Öffentlichkeit präsentieren.


    Liebe Grüsse

  • Zitat

    Original von musika
    auch wer Jahrzehnte lang in einem Chor singt und auch Stimmbildung genießt, ist in meinen Augen kein Profi.


    Gesangsausbildung und Stimmbildung sind zwei Paar Schuhe und es wäre einfach, käme man mit Stimmbildung in einen Profichor.


    doch es sind keine Vollprofis, die von eingem z.B. Agenten vermittelt werden. Sie singen aus Freude am Gesang und auch da wird manchmal in der Literatur zu hoch gegriffen, doch man sollte auch sie nicht vergleichen mit Vollprofis.


    Liebe Musika,


    schön, dass wir uns so einig sind :pfeif: .


    Ich habe ja auch kein einziges Wort über Profis, Vollprofis und Profichöre verloren, sondern mich ausschließlich über den Wert von Liebhaberchören und semi-professionellen Liebhaberchören ausgelassen.


    Liebe Grüße, Ulrich

  • Hallo Urlich,


    ich komme selber aus der Gegend Leverkusen und Langenfeld. In diesem Gebiet gibt es sehr gute Laienchöre die große Konzerte veranstalten die auch immer gut besucht sind. Der Anspruch dieser Chöre ist natürlich größer als ein kleiner Gesangverein. Ich finde es sehr gut, dass diese Laienchöre sich an große Werke trauen und sie auch super singen. Ich war oft Solistin in diesen Chören bei Oratorien und es ist super, den Ergeiz der Chorleiter und der Sänger zu sehen, auch wenn die Proben manchmal sehr hart sind.


    Liebe Grüsse

  • Zitat

    Original von Ulrich KudowehWer jahre- und jahrzehntelang im Chor singt, viele bis ungezählte Aufführungen hinter sich gebracht hat, wöchentlich manchmal mehrmals und auch an ganzen Wochenenden zur Probe geeilt ist, Stimmbildung betrieben und sich dem Willen seines Dirigenten unterworfen hat, der ist beim schlechtesten Willen kein Laie mehr.


    Lieber Ulrich, schön das es noch jemanden gibt, der für die "Laienchöre" eine Lanze brechen mag. Ich habe mich auch häufiger über diesen Begriff geärgert. Am Ende sagt er aber nach meiner Ansicht lediglich aus, dass die Musiker in einem Laienensemble ihr Geld nicht damit bestreiten, sondern in ihrer Freizeit musizieren. Leider wird das von vielen Leuten im Qualitätssinn abwertend gemeint.


    Zitat

    Im Bonner und im Kölner Raum können wir uns über eine ganze Reihe semi-professioneller Liebhaberchöre freuen. Dass solche Chöre landes- oder deutschlandweit im direkten Vergleich bestehen können, beweisen sie durch ihre Platzierungen z. B. im Deutschen Chorwettbewerb, Internationalen Chorwettbewerb in Montreux, etc. Jedem am Chorsingen Interessierten kann nur empfohlen werden, einmal einige Urlaubstage auf den Besuch des Deutschen Chorwettbewerbs - die Wertungssingen und Veranstaltungen sind öffentlich - zu verwenden. Das sind Leistungen, die wahrgenommen werden sollten, und die nicht mit dem Etikett Laienchor = :kotz: abgetan werden können.


    Hier möchte ich einen weiteren Aspekt hinzufügen:
    Das chorisch wirklich unheimlich hohe Niveau, welches bspw. beim Deutschen Chorwettbewerb zu erleben ist, ist in Deutschland nahezu ausschließlich bei Nicht-Berufschören zu erleben! Im acapella-Chorgesang geht es um Homogenität, Zusammenklang, Unterordnung des Einzelnen für den Gesamtklang. Dafür muss der Einzelne einen sehr reinen und recht vibratoarmen Ton produzieren. Solistisch ausgebildete Sänger sind dazu häufig nicht mehr in der Lage. Das hat zur Folge, dass viele acapelle-Chormusik von Berufschören nicht wirklich klangschön bewältigt werden kann, weil diesen Chören stimmliche Möglichkeiten fehlen. Ser wenige ausnahmen wie bspw der RIAS-Kammerchor oder der Stuttgarter Kammerchor (hier bin ich mir jedoch nicht sicher, ob es ein echter Berufschor ist) sollen aber dennoch hier genannt werden. Die Rundfunkchöre, aber vor allem die Opernchöre in Deutschland sind meines Erachtens für einen Großteil der acapella-Literatur ungeeignet!


    Hier ist also der eigentümliche Effekt zu beobachten, dass die Ausbildung der Profis sich offensichtlich negativ und nicht positiv auf die Möglichkeiten zur Gestaltung bestimmter Musik auswirkt. Was zusätzlich untermauert: Nichtprofis sind keineswegs per se schlechter als Profis!

  • ich habe jahrelang in einem Laienchor gesungen (Berliner Cappella - Peter Schwarz). Ja, wir waren technisch nicht perfekt. Ja, wir haben Stücke gesungen, denen wir technisch schlichtweg nicht gewachsen waren.
    Aber: das Engagement des Chorleiters hat uns in einem Maße die Musik nahegebracht, daß die Interpretation selbst vieles wettmachte.


    Heute, in einer Zeit der Technikdominanz, ist das schwer vorstellbar ...


    Ciao
    tuonela

  • Jeder "Laienchor", der sich an eine schwierige Literatur wagt, kann nur das zu Gehör bringen, was die Sänger sind imstande zu singen. Jeder Chorleiter kennt seinen Chor und weiß, was er ihm zumuten kann. Von Sonderproben angefangen über Wochenendproben ist alles vertreten und sie bewältigen ihre Aufgaben so, dass sie wirklich schöne Konzerte singen. Sie sind alle voll dabei und es macht ihnen Freude, auch mal größere Werke zu singen, es ist ein Anreiz für sie und sie haben ein Ziel.


    Von Wettbewerben halte ich nicht viel, viele Chöre, die nicht daran teilnehmen, sind genau so qualifiziert, auch ohne Titel.


    Liebe Grüsse

  • Zitat

    Original von musikaVon Wettbewerben halte ich nicht viel, viele Chöre, die nicht daran teilnehmen, sind genau so qualifiziert, auch ohne Titel.


    Auch hier :untertauch: möchte ich Dir widersprechen.


    Chorwettbewerbe sind sicher im ersten Sinne eben dies: Wettbewerbe, bei denen man gegeneinander antritt. Aber es ist mehr als das! Es ist ein großes Treffen von chorbegeisterten menschen, es ist ein großes Miteinander von Menschen, die ihr Hobby pflegen. Es ist Inspiration, gute Chöre zu erleben, es ist Motivation, einen guten Platz zu erreichen. Es ist eine große Stärkung der Chorgemeinschaft, weil man lange zusammen an einem Ziel arbeitet, welches man GEMEINSAM erreicht.


    Die Vorbereitung zu einem Wettbewerb ist sehr anstrengend, aber auch entsprechend fundiert und gründlich. Selten (höchstens noch vor einer CD-Produktion) arbeitet man derart umfangreich und umfassend an Literatur, Chorklang und Artikulation. Die Vorbereitungen für einen Wettbewerb bringen den Chor ein großes Stück wieter in seiner Entwicklung.


    Eine Teilnahme an einem Chorwettbewerb ist also in jedem Fall ein Gewinn für den Chor..aber auch für das Gengre Chormusik ansich, welches, trotz der vielen tausen Chöre allein in Deutschland, immer noch ein Mauerblümchendasein fristet. :(


    Zuletzt sind Chorwettbewerbe ein wundervolles Forum für alle die Chormusik lieben. Man entdeckt neue tolle Chöre aus der ganzen Welt, unbekannte Werke von unbekannten Komponisten. Man kan sich zu seinem liebsten Hobby (sei es aktiv als Sänger oder passiv als Zuhörer) austauschen. Und man erlebt die pure Begeisterung aller Anwesenden. Die STimmung bei den Großveranstaltungen von Chorwettbewerben ist ungeheuer fröhlich und ausgelassen. Es ist wirklich die gelebte Freude an der Musik. Und das bei Menschen von einem Alter zwischen 6 und 100 Jahren. Musik verbindet, das erlebt man bei diesen Veranstaltung auf einer sehr tiefe Weise.


    Liebe Grüße, der Thomas. :hello:


  • Lieber Thomas,


    ich habe im Sängerbund viele Chöre von der anderen Seite erlebt, aus der Sicht der Jury. Ich habe auch viele enttäuschte Gesichter gesehen, die nach all der Arbeit für den Wettbewerb leer ausgingen. Frust tat sich auf und es gibt viele Chöre, die ihren Sängern und Sängerinnen das nicht mehr zumuten wollten. Es ist ein Stress und viele Chöre stehen unter hohem Leistungsdruck das Ziel zu erreichen, bei den ersten Plätzen zu sein.


    Ein Ziel zu erarbeiten, gemeinsam, ist ganz schön und wertvoll, doch wenn man aus der Bahn geworfen wird, kann das gemeinsame Musizieren und die Motivation dazu, schnell nach hinten los gehen.


    Viele Tränen sind schon geflossen und man konnte es nicht verstehen und für die Jury ist es sehr schwer für gleich gute Chöre die Plätze zu vergeben.


    Liebe Grüsse

  • Lieber Thomas,


    danke für Deine Worte. Besser kann man es kaum fassen, was die Vorbereitung auf eine Wettbewerbsteilnahme für einen Chor bedeuten kann.


    Aber auch Dir, liebe Musika,


    muss ich beipflichten, einerseits natürlich darin, dass es genügend hervorragende Chöre gibt, die - aus welchen Gründen auch immer - nicht an Wettbewerben teilnehmen. Ich habe einen Chor erlebt, der nach einem erfolglosen - vom Chor als ungerecht bewertet empfundenen - Wettbewerb geschworen hat, nie mehr zu einem Wettbewerb zu fahren - zum Glück hat der Schwur nicht gehalten.


    Zum anderen sprichst Du zu Recht die Tränen an, die fließen, wenn die ablehnende Entscheidung der Jury vom Chor nicht verstanden wird. (Man kann natürlich schon die Frage stellen, ob die Jurys sich nicht bemühen könnten, ihre Entscheidung über das Chorleitergespäch hinaus für die Teilnehmer verständlicher, transparenter zu machen - aber dies zu klären, wäre ein weites Feld.) Jedenfalls: Dann braucht es eine/n starke/n ChorleiterIn, die/er den Haufen zusammenhält und neu motiviert - keine leichte Aufgabe, nicht beneidenswert. Aber wenn das gelingt - und bei einem Chor, der lange zusammen ist, wird es gelingen - ist der Zusammenhalt, die Verschwörung, um so fester und gibt neue Kraft.


    Allerdings: die Jury ist auch nicht immer leicht zu verstehen für so einen armen Chor. So kann die Jury einen Chor ablehnen, weil er alle Stücke auswendig singt statt vom Blatt. Oder weil der Jury die Chorkleidung nicht gefällt. Wie soll ein Chor, der vom Saalpublikum recht weit vorne gesehen/gehört wird, damit schon sinnvoll umgehen? Dass das zu Missmut und bis zu Tränen führt, versteht sich.


    Nur: ein Argument gegen die Teilnahme am Wettbewerb kann ich hierin nicht sehen. Der Stress ist riesig - und stärkt den Chor für die kommenden vier Jahre.


    Liebe Grüße, Ulrich

  • Zitat

    Die geeignete Auswahl mag einem Frauenkammerchor repertoirebedingt leichter fehlerlos gelingen, als dem gemischten Chor, der sich Repertoirebegehrlichkeiten gegebenenfalls widerstandloser ergeben wird.



    Lieber Ulrich,


    diese Aussage verstehe ich nicht ganz. Meinst du, die Sängerinnen ließen sich leichter auswählen?!


    Ansonsten gebe ich dir bei deinen meisten Ausführungen absolut recht. Ich war bis 2004 im Münchner Frauenchor, der 2002 und 2006 jeweils einen 2. Preis im Dt. Chorwettbewerb geholt hat. Das gleiche auch im Internationalen Chorwettbewerb in Llangollan/Wales (bei diesem vom Königshaus finanzierten Musikwettbewerb - nicht nur Chöre - wurde u.a. Bryn Terfel entdeckt). Wie du richtig bemerkst, ist bei beiden absolute Höchstleistung gefordert, schon, um überhaupt hinzukommen.

    D,h.z. B., Vierstimmigkeit ist das Grundgerüst, Doppelchörigkeit gang und gäbe, und das bei nicht mal 40 Sängerinnen. Den wirklichen Unterschied zur Kapazität von vergleichbaren Berufschören sehe ich allenfalls in deren größerer Häufigkeit an Konzerten und Aufführungen. bei Amateuren ist naturgemäß der Zeitfaktor ein anderer, es dauert länger, ein programm aufzubauen, weil nicht in beruflichem Umfang geprobt werden kann, sondern i.d.R einmal wöchentlich.


    In diesen Wettbewerben dürfen nur Amateure teilnehmen. Natürlich dürfte es Chöre geben, die sich da messen könnten, aber nicht teilnehmen, jedoch entscheiden sie eben selbst.


    Das ist das obere Ende der Bandbreite zum Begriff "Laienchor", den ich hier gar nicht nehmen möchte in Snne der genannten Definitionen. Der Begriff Amateur gefällt mir hier rein sachlich besser, obwohl auch er schon abwertende Tendenz hat und somit Semi - Profi die derzeit angemessene bezeichnung sein dürfte (obwohl es auch nicht mal geringfügige Entlohnung gibt).


    Probleme bei der Einschätzung des "Laienchortums" macht hier die enorme Bandbreite des Könnens und auch der Ambitionen (vor allem wohl diese). Beim Chor hängt es von sehr vielen Faktoren - sehr maßgebend vom Chorleiter - ab, wie hoch sein Niveau ist. Der Faktor der Einzelstimme ist schon wesentlich geringer anzusetzen, aber nicht zu vernachlässigen. Auch bei hochmusikalischer Auffassung von Chorleitern passiert es, dass die SängerInnen an klangliche Grenzen stoßen. In Wettbewerbschören geht ohne Stimmbildung m. E. gar nichts mehr.


    Dass Choristen i.d.R. leicht motivierbar sind (und eine gehörige Portion Masochismus mit sich tragen; ich war dazu schließlich nicht mehr bereit) ist auch nicht neu.


    Es trifft durchaus zu, dass sich manche wirkliche "Laienchöre" zuweilen übernehmen, aber auch hier sollte man sich, wenn man zum Zuhören hingeht, vorher Gedanken machen, was man erwartet.


    LG


    Ulrica

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