Und dann macht's plötzlich 'klick' - wie aus 'Ladenhütern' Lieblingswerke werden

  • hallo, sicherlich geht es anderen auch so wie mir ..


    seit ewigkeiten hat man eine einspielung zuhause. sie gefiel einem nie oder wenig, man konnte nichts damit anfangen, obwohl man evtl. andere werke des gleichen komponisten mag. man hat sie viell. sogar schon mehrere male gehört...und nichts passierte ... aber dann: von einem mal auf das andere : 'klick' , der schalter im ohr (oder gehirn) dreht sich um: man ist begeistert, findet zugang, es wird viell. sogar zu einem der lieblingswerke ... (ging mir z.b. bei der straussens frau ohne schatten so)


    wie passiert das ? hat man sich geändert? ist man 'reifer' geworden (oder 'abgestumpft', ist es der gewöhnungseffekt), ist man an diesem speziellen tag einfach 'besser drauf', konzentrierter, ist es ein mix aus allem ...?


    ich finde, ein interessanter vorgang..


    bei welchen werken oder gar komponisten ging euch das auch so? und woran könnte es liegen?


    :hello:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Hallo,


    Zum ersten:


    Ja mir ging es gelegentlich so.


    Ich kann mich an mindestens 2 Fälle konkret erinnern - und für mich persönlich hab ich sogar eine Erklärung gefunden.....



    Fall eins: Es handelte sich um Sinfonien von RAFF.


    Anfangs fand ich sie belanglos und öde - Konfektionsware gewissermaßen - kein Wiedererkennungswert - keine "schönen Stellen" - keine Originalität - kurz: nichts was mich zu fesseln imstande war....


    Erst nach öfterem Hören öffnete sich mir die Schönheit, wobei mir besonders die Klangfarben der Instrumentation gefielen...



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    Der zweite Fall betraf Schostakowitsch - ich war damals noch in einem andern Forum - weil ich dieses noch nicht gegründet hatte - und wollte auf jeden Fall vermeiden über wichtige Werke der Musikgeschichte uninformiert zu bleiben (heute habe ich diesen Anspruch nicht mehr :P )


    Ich legte die Sinfonie Nr 1 von Schostakowitsch auf - die beinahe ein Jahrzehnt ungehört im Regal verbracht hatte (soll heissen, ich hatte sie nach dem Kauf gehört - und dann nie wieder das Bedürfnis verspürt das zu wiederholen...)


    Ahhhh - sowas - - - Einmal will man was Modernes hören - uind dann ist die CD verwechselt - die Sinfonie die da spielt - das ist mir irgendwie vertraut - das kenn ich. Leider fällt mir im Moment nicht ein was das ist.
    Kleinigkeit- schaut man halt aufs Label: AHA Schostakowitch Sinfonie Nr 1 !!!! - Boing


    Vielleicht sollte ich anmerken, da ich in diesen beiden Fällen mit Kopfhörer gehört habe. Kopfhörer bringen feinste Klangnuancen heraus - die auch von teuren Lautsprechern üblicherweise unterschlagen werden. - aber das ist eine ganz andere Geschichte.


    Freundliche Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich kann von einem "privaten" und einem "öffentlichen" Fall berichten.


    Der private (ist aber sehr lange her): Äh, Bruckner, hat das mit Musik zu tun? Nur unter Androhung von körperlicher Folter höre ich mir so etwas an. Dann ergibt es sich, dass ich in einem Konzert eine 9. höre - Tränen in den Augen, und um meine Bruckner-Ablehnung war's geschehen. Jetzt ist das Gegenteil der Fall - aber die Bekehrten sind ja immer die schlimmsten Fanatiker!


    Der öffentliche (auch nicht gerade gestern passiert): Eine an Klassik völlig desinteressierte Bekannte macht Urlaub bei Verwandten in Polen und bringt mir im Wissen, dass ich mich für Neue Musik interessiere, eine zweifellos willkürlich ausgewählte Schallplatte mit dem Werk eines zeitgenössischen polnischen Komponisten mit. Recht hübsch, schöne Klänge, darüber schöne Sopranmelodie, ja, kein Jahrhundertwerk, aber etwas, was man kennen gelernt haben kann, ohne sich dafür genieren zu müssen. Ich spiele das Ding ein paar Bekannten vor, alle recht angetan, manche bis zur (von mir nicht geteilten) Begeisterung. Ein paar Jahre später stürmt das Werk die englischen Pop-Charts! Es war die Klagelieder-Symphonie von Gorecki.

    ...

  • Ich habe jahrelang überhaupt nichts an Opern gemocht. Ganz besonders nicht die von Mozart. Sie erschienen mir irgendwie "seicht", gar zu eingängig.


    Jetzt bekomme ich wieder Freude an einzelen Stücken aus Mozarts "Zauberflöte". Besonders Papagenos "Ein Mädchen...", deren Heiterkeit mir gut tut. Und auch Sarastros "Die Strahlen der Sonne..", bei dem mich die tiefe Freude / Erleichterung wohlig berührt. Und auch die Registerarie aus "Don Giovanni" mag ich wieder gut leiden; hier spricht mich auch die Leichtigkeit, eine gewisse Ironie an.


    Ausgelöst wurde dies durch ein Seminar mit Musik zu Mozart. Und durch einen Hinweis (Antwort auf einen meiner Beiträge) hier im Forum.


    Bei uns in Kalrsruhe gibt es zur Zeit die Zauberflöte auch im Theater. Vielleicht gehe ich da mal hin demnächst.

    Anna-Beate

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  • Wagner ja gut, ich habe mir vorgestellt, ich bekäme die von mir in der Jugendzeit geschätzten "Deutschen Sagen" vorgesetzt - und wunderte mich, dass ich nichts damit anfangen konnte - Bayreuther Festspiele am Radio. Es langweilte mich nur.
    Irgendwann lernte ich immerhin die symphonischen Teile seiner Opern und Musikdramen schätzen - und die Schlüsse seiner Werke.


    Dann gab es Karten von der Theatergemeinde für "Tristan und Isolde". Es muss um 1980 gewesen sein. Ich stand nach der Aufführung, ich weiß nicht wie lang, wie berauscht vor der Deutschen Oper am Rhein zu Düsseldorf und hatte im wahrsten Sinne des Wortes die Haare zu Berge stehen. Ich weiß auch nicht, wie ich nach Hause kam. Aber ich weiß, dass ich unrettbar verloren war und bin, wenn ich diese Klänge höre. Ich werde von einer großen Welle weggetragen. Ganz weit weg. Doch wo ich dann bin, das kann ich Euch nicht sagen... ?(


    Liebe Grüße
    hemmi

  • Ähnliches ist mir bei mindestens zwei Stücken bzw. Komponisten passiert. Als ich ein kleiner Junge war, wohl noch keine 10 Jahre alt, machte ich Bekanntschaft mit Schostakowitschs Sinfonie Nr.11. Damals hörte ich überwiegend das klassische Standardrepertoire, Beethoven, Mozart, Haydn, Brahms etc. Kein Wunder also, dass mich dieses Stück zutiefst verstörte. Schon im ersten Satz hatte ich ein ungutes Gefühl, bei den Schlagzeugkanonaden des 2. Satzes stellte ich den CD-Player aus. Seitdem war Schostakowitsch für mich erst mal tabu. Ein paar Jahre später stand eben Schostakowitschs Elfte auf dem Programm eines Abonnementskonzertes. Vorsichtig machte ich einen Versuch, mich mit der Musik im Vorhinein vertraut zu machen - und war völlig mitgerissen und begeistert! Seitdem schätze ich Schostakowitsch sehr.


    Der zweite Fall betrifft Boris Tschaikowski. Vor einigen Jahren schaffte ich mir die 13-CD-Box "The Russian Years" mit Aufnahmen von Rostropowitsch an, wo eine CD Boris Tschaikowski gewidmet war. Die Cellosuite gefiel mir ja noch ganz ordentlich, dann hörte ich mir das Cellokonzert an und stellte schon im ersten Satz fast schon empört aus. Im Januar 2005 fiel mir eine LP-Einspielung von Tschaikowskis Sewastopoler Sinfonie in die Hände (im Rahmen eines Tausches einiger vergriffener Aufnahmen). Ich begann zu hören und war überwältigt von der Schönheit dieser Musik. Als die Sinfonie wenig später auf CD erschien, war das für mich ein Fest. Auf das Cellokonzert bin ich auch zurückgekommen und finde es mittlerweile ganz ausgezeichnet. Ich bin heute ein großer Anhänger dieses Komponisten.


    Viele Grüße
    Holger

  • Bei mir habe ich einen solchen "Klick-Prozess" schon einmal bei Verdis Grand Opéra Don Carlos vor ca. 13 Jahren beobachten können:


    Zunächst konnte ich monatelang mit der mir als Geschenk zugegangenen Gesamtaufnahme (die "legendäre" EMI-Einspielung aus den frühen 70er Jahren mit Placido Domingo und Montserrat Caballé!) nix rechtes anfangen - ich war zu dem Zeitpunkt an den Verdi-Tonfall von La Traviata und Rigoletto gewöhnt und der ganz andere Stil vom Don Carlos irritierte mich bei Hören zutiefst... Schulterzucken - erstmal wieder weggelegt nach einmaligem Hören.


    Nach ein paar Monaten - diesmal auf Kassette im Auto auf zahlreichen Fahrten zur Berufsschule mangels anderer musikalischer Alternativen :D - wurden mir die Schönheiten dieser Oper irgendwie von Mal zu Mal bewusster.
    Der ganze unglaubliche musikalische Reichtum, der in dieser genialen Oper steckt, entfaltete sich quasi Blütenblatt für Blütenblatt - bald wusste ich gar nicht mehr, welche der zahlreichen Stellen, die ich besonders gern hörte, denn nun meine allerliebste sein könnte :]


    Im Nachhinein kann ich gar nicht mehr nachvollziehen, dass ich beim ersten Hören mit dem Don Carlos gar nix anfangen konnte....


    Also ein "Klick", der sich über ein paar Wochen hinzog - bin ich froh, dass ich es damals etwas weiter zur Berufsschule hatte ;)

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

  • Ich hatte es mit Klaviertrios. Bis ich ein (welches ?( ) von Haydn hörte, gespielt von Beaux Arts Trio. Sofort kaufte ich mir den ganzen LP-Box (± 13 LPs drin). Auf CD sind es insgesamt noch immer 10 CDs in der Box. Aber soooo schön.


    LG, Paul