Eine Zeitreise durch die Musikgeschichte, wer darf mitfahren?

  • Liebe Taminos,


    den gestrigen Sonntag habe ich meinen Naxos CDs von Stefan Schaub gewidmet, "Klassik kennenlernen".
    Dabei habe ich mir die CD "Musikgeschichte in Klangbeispielen" vorgeknöpft.


    Anhand kurzer Klangbeispiele von Palestrina bis Bartok versucht Schaub, dem "Aktivhörer" die Unterschiede der verschiedenen Stilepochen klarzumachen. Klar, daß dafür eine CD mit 70 Minuten Länge nicht ausreicht.


    Ich habe mir deswegen folgendes Projekt ausgedacht:



    Wir haben eine Zeitmaschine, die in der Renaissance (von mir aus auch im Mittelalter) startet.
    Der Auftrag lautet, aus jeder Stilepoche maximal drei Werke mitzubringen, die typisch für diese Epoche sind.


    Der Auftraggeber, der die Zeitreise finanziert, und keine Ahnung von Musik hat, soll hinterher in der Lage sein, anhand dieser Werke auch andere Werke zeitlich einzuordnen.


    Der Einfachheit halber (und bitte jetzt keine Diskussion über Stilepochenunterteilung) sind die Epochen:


    - Mittelalter
    - Renaissance
    - Barock
    - Klassik
    - Romantik
    - Moderne


    Erlaubt sind alle jemals auf CD erschienenen Werke, die aktuell noch gelistet sind.


    Falls jemand nicht für alle Stilepochen eine Idee hat, können auch Einzelvorschläge gemacht werden.


    Ich möchte das Ergebnis dieser Reise hinterher in die Realität umsetzen, und eine "Zeitreise-Box" daraus machen.



    Es soll nicht darum gehen, welche Werke die schönsten oder die Bedeutendsten sind, sondern um solche, die die Stilmerkmale der Epochen am deutlichsten tragen.
    ... die Reise kann beginnen :hello:

  • Meine Vorschlagsliste:


    Mittellalter:



    Leonin: Hymnus "Benedicamus Domino"
    Dufay: Motette "O Gemma Lux"
    Ockeghem: Missa pro Defiunctis


    Renaissance:
    Josquin Desprez: Missa "L´homme arme sexti toni"
    Palestrina: "Stabat Mater"
    Byrd: "Messe zu 4 Stimmen"


    Barock:
    Monteverdi: Vespro della beata vergine (Frühbarock)
    Biber: Missa Salisburgensis (Hochbarock)
    Bach: Messe h-moll (Spätbarock)


    Klassik:
    Johann Stamitz: Sinfonie Nr. 1 aus op. 4
    J. Haydn: Sinfonie "Lamentatione" ("Sturm und Drang-Sinfonien")
    Beethoven: Klaviersonate c-moll op. 13


    Romantik:
    Schubert: Sinfonie C-Dur (Grosse)
    Schumann: Rheinische Sinfonie
    Wagner: Tristan


    Moderne:
    Mahler: Sinfonie Nr. 9
    Schoenberg: Die Erwartung
    Webern: 6 Stücke für gr. Orchester op. 6


    Ausgewählt wurden Werke, die sowohl in ihrer Zeit wie auch darüber
    hinaus stilprägend wirkten und deren Wiedererkennungswert hoch ist.


    Da die wesentliche Emanzipation der Instrumentalmusik erst im 18. jahrhundert einsetzte, wurden für die Epochen bis dahin ausschliesslich
    Vokalwerke ausgewählt.


    Die Rubriken "Romantik" und "Moderne" sind in sich schon derart breit gefächert, daß mir, da die Zahl 3 nicht überboten werden durfte,
    Selbstbeschränkung auf die GRUNDSTRÖME der Romantik und auf das Gebiet, was gemeinhin als "Klassische Moderne" definiert ist das einzige probate Mittel für eine in sich geschlossene Auswahl schien.
    Werke, die nach 1945 entstanden, konnten demzufolge NICHT aufgenommen werden.

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Ich finde das eine interessante Idee, aber drei Werke ist natürlich für 150 Jahre "Barock" und 100 Jahre "Romantik" außerordentlich wenig.
    Zu Mittelalter und Rennaissance kann ich eh nichts sagen.
    Ich vermisse aber ein weltliches Vokalwerk aus Renaissance/Frühbarock (Madrigal) und Opern. Daher würde ich im Barock statt dem Biber eine Oper von Händel, z.B. Alcina vorschlagen


    Klassik:
    Haydn Streichquartett op. 64,5
    Mozart: Die Hochzeit des Figaro
    Beethoven 4. Klavierkonzert


    Romantik:
    Berlioz Sinfonie Fantastique
    Schumann: Carnaval
    Wagner: Tristan ist o.k.


    Moderne
    Debussy: La Mer
    Bartok: Musik f. Saiteninstrumente etc.
    Berg: Lyrische Suite


    Aber es ist dennoch absurd. Der Zeitreisende kennt so keine einzige italienische oder französische Oper des 19. Jhds., kein slawisches Werk, kein Kunstlied usw. Mit 10 pro Epoche käme man vielleicht einigermaßen hin (aber dann kommen wir wieder zu unseren allseits beliebten Kernrepertoire-Listen...)


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Mittelalter
    Ein gregorianisches Alleluja
    Leoninus: Benedicamus Domino
    Ockeghem: Missa prolationum


    Renaissance
    Josquin Desprez: Missa L'homme armé
    Gesualdo: 5. Madrigalbuch
    Giovanni abrieli: Eine mehrchörige Sonata


    Barock
    Monteverdi: "L'incoronatione"
    Bach: Wohltemperiertes Clavier
    Händel: Wassermusik


    Klassik
    Haydn: Eine frühe Symphonie, vorzugsweise "Lamentatione"
    Mozart: "Zauberflöte"
    Beethoven: Große Fuge


    Romantik
    Schubert: Streichquintett
    Wagner: "Tristan"
    Mussorgskij: "Bilder" (orig. Klavierfassung; normalerweise würde ich "Boris" sagen, aber die Oper ist durch Wagner abgedeckt.)


    Moderne
    Mahler: Adagio 10.
    Berg: "Wozzeck"
    Messiaen: "Des canyons aux étoiles"


    Versuch, jedes Haupt-Genre durch ein Werk abzudecken - nicht ganz konsequent durchgehalten. Bei der Moderne kommt "Des canyons" zum Zug, weil Messiaen zahlreiche stislistische Möglichkeiten bis zur modifizierten Serialität summiert und der Klavierpart auch diese Sparte abdeckt.

    ...

  • Mittelalter
    Oswald von Wolkenstein: Lieder
    Ludwig Senfl: Lieder
    Anonym: Carmina Burana


    Renaissance


    John Dowland: Lautenlieder
    Praetorius: Terpsichore


    Barock
    Vivaldi: I quattri Stagione
    Bach: Weihnachtsoratorium
    Händel: Wassermusik


    Klassik
    Haydn: Die Jahreszeiten
    Mozart: Sinfonie Nr 35 "Prager"
    Beethoven: Klavierkonzert Nr 5


    Romantik
    Schubert: Sinfonie Nr 9 in C-dur "Die Große"
    Mendelssohn-Bartholdy: Sinfonie Nr 4 "Italienische"
    Schubert: Die Schöne Müllerin



    Moderne
    Orff: Carmina Burana
    Bartok: Konzert für Orchester
    Strawinsky: L Sacre du printemps

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Mittelalter:


    Walther von der Vogelweide: Lieder
    Léonin: Viderunt omnes


    Renaissance:


    Machault: Messe de Nostre Dame
    Prätorius: Musae Sioniae


    Barock:


    Monteverdi: L'Orfeo
    Telemann: Tafelmusik
    Bach: Messe h-Moll


    Klassik:


    Haydn: Klaviersonate D-Dur
    Mozart: Don Giovanni
    Beethoven: Sinfonie Nr. 7 A-Dur


    Romantik:


    Mendelssohn: Sommernachtstraum
    Brahms: Sinfonie Nr. 1 c-Moll
    Grieg: Klavierkonzert a-Moll


    Moderne:


    Messiaen: Turangalîla
    Strawinsky: Sacre
    Schostakowitsch: Präludien und Fugen



    Gruß, Peter.

  • Hallo zusammen,


    da hatte ich gestern Mittag noch gedacht, dieser Thread verschwindet ganz schnell im Nirvana, aber jetzt sind ja tatsächlich ein paar Vorschläge gekommen.


    Ich weiss, daß mit drei Werken die Möglichkeiten eingegrenzt sind, aber die Idee war, genau wie Johannes anmerkte, eine Diskussion über das Grundrepertoire zu verhindern.


    als weitere Anregung hier mal die Liste von Prof. Schaub:
    --------------------------------------------------------------------
    Palestrina_ _Missa Papae Marcelli_ (1562).mp3
    Gabrieli_ Musik für Bläser (1597).mp3
    Monteverdi_ L`Orfeo_ (1607).mp3
    Banchieri_ Contrapunto bestiale (1608 ).mp3
    Vivaldi_ Flötenkonzert RV 443 (ca.1730).mp3
    J.S. Bach_ _Magnificat_ (1724).mp3
    Stamitz_ Sinfonie op.4 Nr.6 (1753).mp3
    J.Chr. Bach_ Sinfonie op.6 Nr.5 (1770).mp3
    Haydn_ Streichquartett op.33 Nr.1 (1781).mp3
    Mozart_ Klavierkonzert Nr.17 (1784).mp3
    Beethoven_ Klaviersonate op.109 (1820).mp3
    Schubert_ _Der Wanderer_ (1816).mp3
    Rossini_ _La Cenerentola_ (1817).mp3
    Berlioz_ _Symphonie Fantastique_ (1830).mp3
    Schuhmann_ Sinfonie Nr.3 op.97 (1850).mp3
    Brahms_ Strechsextett op.18 (1860).mp3
    Verdi_ Quartett aus _Rigoletto_ (1851).mp3
    Wagner_ Tristan-Vorspiel (1857).mp3
    Bruckner_ Sinfonie Nr.7 (1884).mp3
    Smetana_ Klaviertrio op.15 (1884).mp3
    Debussy_ _Prelude a l apres-midi dun faune (1894).mp3
    Puccini_ _Tosca_ (1890).mp3
    Mahler_ Sinfonie Nr.3 (1896).mp3
    Schönberg_ Klavierstück op.11 Nr.3 (1909).mp3
    Prokofieff_ Klavierkonzert Nr.5 op.55 (1932).mp3
    Bartok_ Musik für Streicher, Schlagzeug und Celesta (1937).mp3
    -------------------------------------------------------------------------------------------


    Bis jetzt habe ich die h-Moll Messe von Bach den Tristan und die "Grosse" im Koffer.


    Bei den anderen Epochen scheint es sehr unterschiedliche Meinungen zu geben, welche Werke die Epoche stilistisch am besten repräsentieren.


    Ich freue mich auf weitere Vorschläge!

  • Hallo Holger,


    na dann will ich auch mal :




    Mittelalter:


    I: Carmina Burana
    II: Cantigas de Santa Maria
    III: Dies Irae ( Gregorianik )


    Renaissance


    I: Desprez: "Missa l'Homme arme"
    II: Palestrina: "Missa Papae Marceli"
    III: Susato: Tänze


    Barock


    I: Monteverdi: Vespro delle beata Vergine
    II: Telemann: Die Tafelmusik
    III: Händel: Alcina, Opera Seria in 3 Akten


    Klassik


    I: Haydn: die Schöpfung
    II: Kraus: Sinfonie in c-moll VB 142
    III: Mozart: Le nozze di Figaro


    Romantik


    I: Schubert: Symphonie No.9 in C-Dur ( die Große )
    II: Verdi: Don Carlos
    III: Brahms: Symphonie No. 1 in c-moll


    Moderne


    Stravinsky: Le Sacre du Printemps
    Górecki: Symphonie No. 3
    Stockhausen: Dritte Musik für Violine und Orchester



    absolut unmöglich das zu schaffen....
    Das Label harmonia mundi france hat ja mal versucht die Musik des Barock auf 15 (!) CD's vorzustellen - und selbst dass war äußerst knapp und recht unvollständig - kaum eine Chance jede Epoche mit 3 Werken abzudecken.



    :hello:

  • Zitat

    Original von der Lullist
    [...]absolut unmöglich das zu schaffen....
    Das Label harmonia mundi france hat ja mal versucht die Musik des Barock auf 15 (!) CD's vorzustellen - und selbst dass war äußerst knapp und recht unvollständig - kaum eine Chance jede Epoche mit 3 Werken abzudecken.


    Die "Box" hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit, soll eben nur bestmöglich die Merkmale der Epochen darstellen.


    Statt der Zeitreise kann man an das Projekt auch anders herangehen:


    Morgen trifft ein Komet die Erde... danach wird nichts mehr sein.
    Du hast die Möglichkeit, für andere Welten oder spätere Generationen eine Kapsel ins All zu schiessen, um der Nachwelt etwas zu hinterlassen. In diese Kapsel passen aber nur 18 CD´s (den Tristan machen wir als mp3 ) :D

  • Hallo Holger,


    die Schaubsche Liste beginnt ganz offensichtlich erst mit Musik aus der Renaissance und die ausgewählten Beispiele scheinen mir doch eher willkürlich zu sein. Wichtig für MEINE Auswahl war es, Musik vorzustellen, die einerseits ihre Epoche so vollkommen wie möglich repräsentiert und zum anderen erkennbare Keimzellen für Zukünftiges in sich trägt:


    Ein Hymnus des Leonin über einem ostinaten Baß, (H.Besseler vermutete, ausgehend vom Erscheinungsbild der Orgeln im Frühmittelalter, daß dieser Ton einfach nur am Instrument "festgesteckt" wurde, trägt in sich ALLE Merkmale, die die unterschedlichen Strömungen der Gregorianik ausmachnen IN Kombination mit dem, was als "frühe Mehrstimmigkeit" bezeichnet wird.
    Die Auswahl Peters "Viderunt Omnes" halte ich für noch geglückter als meine, ich denke, in dieser Komposition werden die Absichten des Leoninus am vollkommensten verwirklicht.


    Josquins "Missa L´homme arme" taucht hier mehrfach auf, völlig berechtigt, wie ich denke, ist sie doch eines der ersten Werke der Renaissance, daß die polyphonen Prinzipien, die dann für Generationen gültig sein sollten, mustergleich ausgebildet hat, und dieses OHNE auf ein retrospekives Augenwenden auf die Vergangenheit zu verzichten.


    EINE der isorhythmischen Motetten des Guillaume du Fay gehört auf jeden Fall auch mit "ins Boot", diese Werke schufen den Grundstock
    der "niederländischen Schulen", die fast 200 Jahre lang das musikalische Geschehen in Europa beherrschten.


    Etwas "untergegangen" scheint mir jedoch, daß im Barock definitiv eine Dreiteilung zwischen Früh-Hoch- und Spätbarock unternommen werden muss, denn anders wird man dieser vleischichtigen (und vielgesichtigen) Epoche nicht gerecht. Den zeitlichen Rahmen (Überlappungen bleiben da nicht aus), könnte man so festlgen:


    1600-1650: Frühbarock
    1650-1720: Hochbarock
    1720-1750:Spätbarock


    Vielfach wird übersehn, daß Bach, Vivaldi und Händel Exponenten des Spätbarock sind. So deckt z.B. Alfreds Liste nur einen sehr kleinen Bereich jener bedeutsamen Epoche ab, die mit den ersten gedruckten Sonaten des G. Gabrieli (1597) begann und mit den letzten Großwerken
    Telemanns und Rameaus endet.


    Die Einlassung von Johannes Roehl, daß in der Barockzeit (zumindest in meiner Auflsitung) die Oper unterrepräsentiert ist, hat ihre Berechtigung, deshab würde ich gerne die "Missa Salisburgensis" durch Henry Purcells "Dido and Aeneas" (1682) ersetzen, ein Werk, das den Zeitstil mit allen Aus- und Rückblicken auf geradezu vollkommene Weise repräsentiert. Händels "Alcina" ist , am Anfang der Opernkarriere des Meisters geschrieben, KEIN Werk, das einen geistesgeschichtlichen Zusammenhang zwischen alt und neu darzustellen vermag.


    Meine Wahl der 9. Sinfonie Mahlers ist in gewisser Weise Schönberg verpflichtet, der sagte, dieses Werk sei das erste Werk einer wirklich "neuen" und gleichzeitig das letzte der "alten" Musik.


    Über "Tristan" scheint ja wetgehend Übereinkunft zu bestehen, also der wird wohl ganz gewiss im "Boot" sein !

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

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  • Alcina ist eine ziemlich späte Oper Händels (vielleicht meintest Du Aggrippina). Mir kommt es aber gar nicht auf das Stück an. Natürlich hast Du völlig recht, für den normalen Musikhörer bedeutet "Barock" Spätbarock. Aber das ist ja keine reine Willkür, sondenr zeigt eben die Rezeption dieser Epochen in den letzten 250 Jahren. Der Spätbarock ist sozusagen die erse Epochen, die nicht "vergessen" wurde. Ich kenne mich wie gesagt in MA und Renaissance nicht gut genug aus, aber die italienische Oper war die wichtigste weltliche Musikform des Barock und ist daher durch ein großartiges, aber doch irgendwie quer stehendes Stück wie Purcells englischsprachige Dido nicht angemessen vertreten. Und da die einzigen Vertreter der Gattung, die heute regelmäßig gespielt werden, Monteverdi und Händel (also Früh- und Spätbarock) sind, hat der Hochbarock m.E. halt Pech gehabt.


    Das Argument geht übrigens völlig analog im 19. Jhd.: Wenn Holger fordert, der Hörer solle durch die drei Stücke, in der Lage sein, andere der Epoche zu identifizieren, wie soll er eine Donzietti-Arie identifizieren, wenn "Romantik" durch Bruckners 8. oder Tristan vertreten ist oder umgekehrt?
    Oder inwiefern zeigen Beethovens Große Fuge (Edwin) oder eine höchst ungewöhnliche experimentelle Sonate wie op. 109 (Schaub) exemplarisch, wie klassische (oder auch romantische) Quartette und Sonaten aussehen?
    Nicht sehr deutlich, meiner Meinung nach.


    Ebnso halte ich eine frühe, ziemlich skurrile Haydn-Sinfonie wie Lamentatione für eine seltsame Wahl. Sie mag sehr schön den Spagat zwischen Spätbarock und Frühklassik demonstrieren, nicht aber den reifen Stil der Wiener Klassik zwischen 1780 und 1820.
    Ich halte es für problematisch, hauptsächlich "Übergangswerke" zu verwenden, denn wenn die paradigmatischen Exemplare fehlen, kann man ja gar nicht erkennen, wie ein solches Werk mit je einem Bein in verschiedenen Epochen steht!


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
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    (Bob Dylan)

  • Mittelalter
    irgendwas einstimmiges (da kenn ich mich nicht aus)
    Perotin: viderunt omnes
    Machaut: Messe


    Renaissance
    Dufay
    Josquin
    Gesualdo
    Die Stückwahl überlasse ich kompetenteren Personen ...


    Barock
    Monteverdi: Orfeo
    Corelli: Triosonaten
    Rameau: Nouvelles Pieces pour clavecin


    Klassik
    Gluck: Orfeo
    Haydn: irgendein Streichquartett
    Beethoven: 7. Symphonie


    Romantik
    Wagner: Tristan
    Brahms: 4 Klavierstücke op. 119
    Wolf: Italienisches Liederbuch


    Moderne
    Schönberg: 5 Stücke op. 16
    Debussy: Jeux
    Strawinsky: Sacre


    Das ganze geht absichtlich nur bis 1914. Dass 5 Stücke zwischen 1890 und 1914 liegen, soll anzeigen, dass es ab 1890 mit den repräsentativen Stücken schwierig wird.

  • Ich würde den Thread einfach überschreiben mit:


    IMPOSSIBLE MISSION


    JEDE Auswahl endet aus musikhistorischer Sicht mit einem Fiasko,


    Wiener Klassik ohne Mozart ? BRRRRRRR :motz:


    Wer zählt bei Barock als Fixstarter, von Bach mal abgesehen ?


    Man hätte Opern ausklammern müssen... etc etc.



    Im Prinzip baue ich meine CD Sammlung nach ähnlichen Gesichtspunkten auf, wie Holger Grinz es geschrieben hat -
    Mein Szenario ist jedoch realistischer:
    Bei mir gibt es keine Raumkapsel - keine Arche etc ..-
    lediglich die Aufgabenstellung:


    Angenommen irgend jemand - eine zukünftige Generation von Managern, Politikern etc. erklärt "Klassische Musik" als nicht mehr vermarktbar und daher als nicht mehr "wünschenswert"
    Es wird also keine Tonaufnahmen mehr geben, altes wird vernichtet..
    (Tendenzen dazu gibt es):


    Welche Werke, welche Interpreten werden dann - für mich - überleben ?


    Hier muß ich sagen - trotz ca 2000 CDs -das Ergebnis befriedigt mich nicht -es isr grade mal das Notwendigste vorhanden - manches hab ich verpasst. Wie sollte ich dann die CD-Box von Holger als befriedigend finden ? Selbstverständlich hab ich aber mitgemacht...


    LG
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • JR:


    Zitat

    Alcina ist eine ziemlich späte Oper Händels


    Und ich Depp hab "Alcina" (1735) mit der frühen Hamburger "Almira" (1705) verwechselt. "Dido" von Purcell enthält ALLE wesentlichen Elemente der damals bekannten italienischen UND franzöischen Opernschule(n) und ist für Holgers "Zweck" allein deshalb shcon besten geeignet.

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Zitat

    Wiener Klassik ohne Mozart ? BRRRRRRR :motz:


    Gerade die musikgeschichtliche Sicht hat das bei mir verschuldet. Bei Mozart müßte man eine Oper nehmen. Andererseits ist Gluck als wichtigster "Frühklassiker" zwangsläufig mit einer Oper vertreten (so wie Monteverdi und Wagner). Somit ist mit einem Haydnstreichquartett und einer Beethovensymphonie das Feld besser abgesteckt ...


    Und wenn ich die Dreiteilung Früh- Mittel- Hochbarock, wie vorgeschlagen, berücksichtige, hat es Bach schwer, gegen "aktuellere" Tendenzen eines Scarlatti und Rameau (vor allem, wenn man noch keinen Franzosen hat). Wenn ich statt Corelli Lully nähme, könnte Bach wieder ins Spiel kommen. Aber wahrscheinlich würde ich dann Scarlatti nehmen ...

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  • Alfred und die anderen,


    es geht um ein Experiment!


    Ich möchte einem neunjährigen Kind, das noch nie mit Kunstmusik in Berührung gekommen ist, diese "Box" zusammenstellen.


    Dann soll er sich 4 Wochen lang da durcharbeiten, aber nichts anderes hören, (auch kein WDR 3 :-).


    Er wird die Namen der Stücke und die Komponisten nicht erfahren, sondern nur wissen, welche Stücke zu welcher Epoche gehören (die Epochen werde ich nicht nennen, sondern die Kategorien uralt, sehr alt alt, alt, nicht ganz so alt, fast neu und neu betiteln)


    Danch werde ich ihm andere Werke aus den Stilepochen vorspielen, und er soll versuchen, die Musik epochal oder stilistisch zuzuordnen.


    Wenn das Experiment glückt, findet das Experiment vielleicht Einzug in ein curriculum, und ihr habt dann mitgeholfen :D

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    Na, hoffentlich gewöhnst Du dem Kind nicht systematisch die ernste Musik ab.


    Dann ist es Eure Schuld :D


    Nein, im Ernst, vielleicht sind 4 Wochen zu wenig, ich selber hänge seit drei Wochen am Parsifal und habe ihn noch nicht intus. Vielleicht muss ich den Tristan über Bord werfen, obwohl es schade wäre....

  • Zitat

    Na, hoffentlich gewöhnst Du dem Kind nicht systematisch die ernste Musik ab.


    Das lässt sich nicht vorhersagen, persönlich habe ich ohnedies mal Schelt dafür bekommen weil ich behauptet habe, die Liebe zur klassischen Musik sei angeboren....


    Aber wahrscheinlich wäre meine Auswahl etwas anders ausgefallen, wenn ich das Ziel gekannt hätte.


    Sehr glücklich bin ich aber - unter den genannten Umständen über die Wahl


    Mittelalter: Oswald von Wolkenstein


    und über Schuberts : Schöne Müllerin


    so wie über die "Zauberflöte", die ein anderer Forianer empfohlen hat.


    Aber vielleicht schätzen wir Kinder völlig verkehrt ein:


    Welchen Musikgeschmak würde beispielsweise das Kind eines Musikers entwickeln, in dessen Haushalt ausschließlich Musik des 20. Jahrhunderts
    (ab 1930 !!!) zu hören wäre ???


    Ich kann diese Frage nicht beantworten


    LG


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von BigBerlinBear
    JR:


    Und ich Depp hab "Alcina" (1735) mit der frühen Hamburger "Almira" (1705) verwechselt. "Dido" von Purcell enthält ALLE wesentlichen Elemente der damals bekannten italienischen UND franzöischen Opernschule(n) und ist für Holgers "Zweck" allein deshalb shcon besten geeignet.


    Dido enthält keine hochvirtuosen Arien für Diven oder Kastraten, sondern ist von Anfang bis Ende in einer Art intimen Kammerstil gehalten, dazu ist eine typische Seria der Zeit mindestens dreimal so lang (ich sage immer Dido ist die großartigste Oper unter einer Stunde Dauer). Ich bin wirklich kein Experte, aber das hört jeder Esel, wenn er Dido z.B. mit Rinaldo u.ä. vergleicht.
    Wenn es einem Kind vorgesetzt werden soll, dann spricht natürlich alles für Dido (war ja fürs Mädchenpensionat..) :D


    Aber Holger, was soll das Experimente mit Kindern? ?( Ich dacht, du woltest mit dir selbst experimentieren ;) (die einzige Art von Menschenexperimenten, die evtl. ethisch vertretbar ist..)


    viele Grüße


    JR

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    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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  • Experiment ist das falsche Wort, bezeichnen wir es als außerschulischen Unterricht.


    Es geht nicht darum, Geschmack zu entwickeln, sondern wirklich nur darum, alleine durch Hören und ohne Sekundärinformationen Merkmale zu erkennen und anschliessend den Transfer zu leisten.


    BTW:
    Ich werde mich selbst natürlich auch dieser Prüfung unterziehen. :hello:

  • nochmal zur Alcina, ich habe sie ausgewählt weil sie wohl Händels schönste Oper ist, was aber nur ein nebensächlicher Grund ist.
    Viel wichtiger: Sie enthält alles was eine typische Opera Seria des Barock ausmacht, darüber hinaus enthält sie auch recht viele frz. Stilelemente, wie das Ballett und Chöre.



    Für ein Kind, oder jemand der noch nie solche Musik gehört hat würde ich aber vorsichtig mit kompletten Werken sein - ich denke einzelne Sätze wären da angebrachter... jedenfalls mache ich das immer so - und es funktioniert :D
    Ich bevorzuge da eine ausgewogene Mischung zwischen bekannten Melodien und eher unbekanntem Repertoire.


    Ich habe ein Programm für eine doppel CD mit Barockmusik zusammengestellt die bisher immer sehr großen Anklang bei Neulingen gefunden hat und auch oft das Interesse für diese Musik geweckt hat.
    Natürlich ist das auch alles andere als universell, aber zumindest eine kleine Annäherung.
    bei Bedarf poste ich hier mal die Trackliste...


    :hello:

  • Zwischenstand:


    Was haltet Ihr von dieser Zusammenstellung?


    Mittelalter:


    Leonin, benedicamus domino
    Wolkenstein, 2-3 Lieder
    Ockeghem, einen Teil aus der "Missa pro defunctis", welchen??


    Renaissance:
    Palestrina, stabat mater
    Gesualdo, 5. Madrigalbuch
    Dowland, Lautenlieder


    Barock
    Monteverdi, Vespro della beata vergine
    Bach, Teile aus der h-mol-Messe, welche???


    Klassik
    irgendetwas aus einer Mozart Oper, aber was????
    einen Satz aus einer Beethoven-Symphonie
    etwas aus den Haydnschen Jahreszeiten
    etwas aus einer Beethovenschen Klaviersonate
    n.n.


    Romantik
    ein Schubert Lied, welches???
    den 1. Satz aus der "Grossen"
    den ersten Satz aus der Rheinischen
    aus dem Tristan, was bietet sich an????
    evtl. etwas aus der fantastique??



    Moderne
    etwas aus Mahlers 9ter
    Messiaen, Des canyons aux étoiles



    bei den Fragezeichen dürft Ihr gerne nochmal helfen, ich galube, BBBs Liste trifft sehr gut die Anfangsfragestellung, vielleicht habe ich den eigentlichen Zweck zu spät genannt, weil es zudem noch kindertauglich sein sollte.

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  • Hallo Holger,


    also aus Ockeghems "Missa" empfehle ich den 1. Satz !


    Das von mir heiss geliebte 5.Buch von Gesualdo MUSS leider entfallen, es
    passt ledigilich von der Form her ins Bild, überhaupt nicht jedoch von der Harmonik, die geht völlig eigne, renaissance-untypische Wege !


    Anstelle der Wolkenstein-Lieder böte sich als Beispiel für früheste Mehrstimmigkeit der englische "Summer-Canon" (Summer is incomen in) an !!


    Aus Monterverdis Marien-Versper das abschliessende "Magnificat"; die komplette Vesper ist viel zu lang.


    Anstelle eines Teils aus der hamollmesse käm auch das Bachsche "Magnificat" als strahlendes Besipiel für Spätbarock infrage.


    Vom "Tristan" das Vorspiel und aus der 9. Mahler den Schlusssatz...

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Zitat

    Das von mir heiss geliebte 5.Buch von Gesualdo MUSS leider entfallen


    Da bin ich anderer Meinung: Ich glaube, dass Gesualdo zeigt, wie weit die Renaissance gehen konnte. Es gab ja auch andere Madrigalisten, die stellenweise "Verrücktheiten" einbauten, wenn auch nicht so oft und so konzentriert. Zwischen den harmonisch avancierten Blöcken stehen Abschnitte, die durchaus im Geschmack der Zeit verfasst sind. Meiner Meinung nach bietet Gesualdo also einen Überblick über das, was im Madrigal möglich war, er ist also eine Summe der Möglichkeiten und als solches ein guter Überblick über eine Gattung.

    ...

  • Hallo, ich habe mir die Gesualdo-CD gerade angeschaut, leider kann ich die Tracks nicht entziffern, als Kompromiss möchte ich zwei oder drei Stücke daraus in den Koffer packen, welche sollen es sein?


    Falls sie nicht ins Projekt fliessen, kann ich sie ja hinterher als "Gegenproben" verwenden. :hello:

  • So, hier nun meine Auswahl, wenn jemand noch Verbesserungsvorschäge hat, bitte bis Gründonnerstag feedback.
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    Mittelalter:


    Leonin, benedicamus domino
    Von dieser CD

    Dauer: 2:31


    Wolkenstein, 2-3 Lieder
    Von dieser CD

    Dauer: ca. 08-09 Minuten


    Ockeghem, Introitus aus der "Missa pro defunctis"
    Von dieser CD

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    Renaissance:
    Palestrina, stabat mater
    CD-Empfehlung??
    Dauer: ca. 11 Minuten


    Gesualdo, O Dolorosa Gioia, Merce Grido Piangendo und O Tenebroso Giorno aus dem 5. Madrigalbuch
    Von dieser CD


    Dauer: ca. 7 Minuten


    Dowland, Lautenlieder, Auswahl von 3 Titeln
    Von dieser CD

    Dauer: ca. 7:30 Minuten
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    Barock
    Monteverdi, Magnificat aus der „Vespro della beata vergine“
    Von dieser Doppel CD

    Dauer: ca. 50-60 Minuten


    Bach, Teile aus der h-moll-Messe, welche???
    Von dieser CD:


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    Klassik
    Mozart, Zauberflöte
    Von dieser CD

    Dauer: Ca. 15 Minuten


    Beethoven, 1. Satz aus der 7. Symphonie
    Haydns Jahreszeiten, Frühling komplett
    Beethoven Klaviersonate c-Moll


    Dauer: ca. 1 Stunde??
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    Romantik
    ein Schubert Lied, welches???
    den 1. Satz aus der "Grossen"
    den ersten Satz aus der Rheinischen
    aus dem Tristan das Vorspiel
    Dauer: ca. 70 Minuten


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    Moderne
    Mahler aus der 9. den 1. Satz
    Messiaen, Des canyons aux étoiles
    Schoenberg, die Erwartung
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    Das sind bei einem kompletten Durchgang ca. 6 Stunden Musikgenuss pur, oder habe ich mich vertan?


    So, das sind dann „meine“ Referenzwerke, irgendwelche weiteren Kritikpunkte, die nicht genereller Art sind (ich weiss um die Problematik des Projektes)?


    Gibt es preiswerte Empfehlungen für die modernen Werke (ausser Mahler, da bin ich gut bestückt)?

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