Boulez, Bernstein & Co - Dirigent UND Komponist

  • Hallo,


    Boulez und Bernstein - das sind die beiden Namen, die mir spontan als erstes einfallen, wenn ich an jene Menschen denke, die in Personalunion Komponist und Dirigent waren oder sind - im 20. Jahrhundert wohlgemerkt. Wo aber seht Ihr deren hauptsächliche Meriten? Gibt es Probleme, sowohl "schöpferischer" als auch "nachschöpferischer" Künstler - um mit W. Stresemann zu sprechen - gleichzeitig zu sein? Überstrahlt vielleicht die Leistung auf einem Gebiet diejenige auf dem anderen? Vielleicht mögen manche denken, dass Boulez als Komponist unerträglich ist, sein Ravel-Dirigat aber erste Sahne. Oder dass Lenny einen tollen Mahler-Zyklus (und nicht nur einen) eingespielt, mit der West Side Story aber Broadway-Kitsch abgeliefert hat? Nicht, dass das meine Meinung wäre...


    Auch Wilhelm Furtwängler hat komponiert, José Serebrier und Andre Previn fallen mir ein - gibt es noch weitere, die es eventuell zu beachten gilt? Und ich meine nicht Komponisten, die ihre eigenen Werke dann auch dirigiert haben, wie etwa Milhaud, Lutoslawski, Walton usw.


    Liebe Grüße
    B.

  • Hm, ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich die Abgrenzung der komponierenden Dirigenten oder vice versa, die Du im letzten Satz beschrieben hast, zu den vorher genannten verstehe. Vielleicht kannst Du Deine Intention verdeutlichen?


    Otto Klemperer fällt mir ein. Er selbst hat gesagt: "Ich bin hauptsächlich ein Dirigent, der auch komponiert. Natürlich würde ich mich freuen, wenn man sich an mich als Dirigenten und Komponisten erinnerte. Aber ohne arrogant sein zu wollen, würde ich mich nur dann freuen, wenn man mich als guten Komponisten in Erinnerung behielte."


    Aber in welche Kategorie fällt Klemperer? ?(

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Hallo


    Mir fällt in diesem Zuammenhang ein Name ein, der mir lediglich als Dirigent in Erinnerung blieb, von dem ich aber weiß, daß er auch komponierte: Igor Markevitch (1912-1983)


    Es ist vielleicht nicht uninteressant sich mit diesem Mann uind seinem Werk näher zu befassen (??)


    Freundliche Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Na da fällt mir doch glatt Giuseppe Sinopoli ein. Der hat z.B. für München die Oper Lou Salomé komponiert.


    Ebenso ist Michael Gielen nebenberuflich Komponist. Ich glaube überhaupt, dass das mehr Dirigenten machen, als allgemein bekannt ist. Sie machen halt teils mehr, teils weniger Aufhebens von dieser Tatsache.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Na gut, wenn wir zu den Wurzeln zurückgehen, muss neben Mahler natürlich auch Richard Strauss genannt werden (der ebenso wie Gustav Mahler komponierender Dirigent war; allerdings war er im Unterschied zu Mahler mit seinen Kompositionen derart erfolgreich, dass er zum dirigierenden Komponisten mutierte).


    Ach ja, dann gab es ja auch Anton Bruckner, Hector Berlioz, Ludwig van Beethoven, Wolfgang Amadeus Mozart, und ein paar andere wollen mir jetzt gerade nicht einfallen...


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • ad Markevitch
    Nahezu alle seine Werke sind Jugend-Werke bzw. die Werke eines sehr frühreifen Genies. Die Musik Markevitchs ist unglaublich! Die Harmonik ist modern, stark chromatisch, die Funktionstonalität ist aufgehoben. Die Melodien entwickeln sich in eigenwilligen Kurven. Die Instrumentierung ist farbintensiv, aber primär so ausgewählt, dass die Struktur der Musik deutlich wird, einen Eigenwert hat die Farbgebung sehr selten. In der Erstfassung von "L'Envole d'Icare" verwendet Markevitch auch Vierteltöne. Und der in ruhiger pannung gehaltene Schlusssatz ist eine Art Gamelan.
    Markeitch, der plötzlich zu komponieren aufhörte, hat sich als Dirigent für seine Werke nie besonders eingesetzt. Davon wurde oft abgeleitet, dass er selbst sie für minderwertig hielt (was nicht der Fall war, er sagte "meine Musik kann warten"), weshalb man sie kaum aufführte. Und damit beraubt man sich einiger der schönsten und kühnsten Werke, die in dieser Zeit entstanden.


    ad Boulez
    Er hat immer die Elemente eines Werkes dirigiert, die für ihn kompositorisch interessant waren. Als sich Boulez kompositorisch mit den Möglichkeiten befasste, aus einer rhythmischen Zelle einen größeren Abschnitt zu formen, hat er auch Beethoven nur in Hinblick auf Manipulation rhythmischer Zellen dirigiert.
    Umgekehrt hat ihn die dirigentische Analyse von Debussy dazu gebracht, bestimmte formale Aspekte des Werks neu zu überdenken - und den Klang als gestalterischen Eigenwert zu definieren.


    Wer mir jetzt noch als Personalunion Komponist/Dirigent einfällt, ist Dimitri Mitropulos, von dem ich eine sehr interessante Oper in einer durchaus persönlichen Debussy-Nachfolge habe, und natürlich Benjamin Britten. Von dem russischen Komponisten Alexander Glasunow heißt es, wenn man ihm schmeicheln wollte, musste man ihn als Dirigenten loben. Das war nämlich seine eine große Leidenschaft. Die andere war der Wodka - was zu etwas ungleichmäßigen Resultaten bei der Orchesterleitung führte.

    ...

  • Paul Hindemith war auch Dirigent, er hat. u. a. "L´Orfeo" von Monteverdi im Wiener Konzerthaus dirigiert, was in jeder anständigen Harnoncourt-Biographie erwähnt wird.


    Und Lorin Maazel komponiert auch, führt seine Orchesterwerke gerne selber auf.


    Herzlicher Gruß
    Alexander

    Freundlicher Gruß
    Alexander

  • Bruckner hat meines Wissens nur im Notfall Orchester dirigiert, was auch meistens im Debakel endete...


    Hindemith hat z.B. die Bruckner Symphonien 3,4 und 7 dirigiert (Orchester des Nationaltheaters Mannheim, RSO Frankfurt, New York Philharmonic), das war in den 1960ern.


    Salonen hat mich als Komponist bisher mehr überzeugt denn als Dirigent, sein "Insomnia" gehört zu meinen Lieblingswerken.

  • Hallo Holger,


    symphonisch hat Bruckner wohl nicht viel dirigiert, aber meines Wissens hat er seine Messen des öfteren selbst dirigiert und er war in jüngeren Jahren Chorleiter.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Mir fällt spontan noch Mendelssohn ein, der wohl auch ein komponierender Dirigent bzw. komponierender dirigierender Instrumentalist war - wie ja schon zahlreiche große Meister vor ihm, wie Beethoven und Mozart - und später aufgrund seines Erfolges zum dirigierenden Komponisten gemacht wurde.

  • ad Salonen
    Ganz meine Meinung.
    Übrigens sind einige der komponierenden Dirigenten in Wirklichkeit dirigierende Komponisten. Einige mussten, um ihre Werke aufführen zu können, Ensembles zusammenstellen und selbst dirigieren. So kamen sie dann zum Dirigentenberuf. Bei Salonen dürfte es so gewesen sein, seine ersten Schallplatten-Veröffentlichungen waren als Komponist, der sich selbst dirigierte.


    Boulez wiederum komponierte für das Theater von Jean-Louis Barrault und musste seine Schauspielmusiken auch selbst dirigieren. Dabei lernte Boulez, der nie eine herkömmliche Dirigentenausbildung gemacht hat, Zeichen so zu geben, dass sie verstanden werden - und er lernte, blitzschnell umzudenken, wenn es nicht klappte. Bis heute verwendet Boulez von Orchester zu Orchester unterschiedliche Zeichengebungen für bestimmte Vorkommnisse in der Partitur.


    Auch Britten war zuerst in eigener Sache Dirigent - und später auch Peter Maxwell Davies, über dessen Zeichengebung die Orchester allerdings in Verzweiflung geraten.


    Was man vielfach übersieht: Auch Bernstein war zuerst einmal Komponist. Nicht nur ein paar kleinere Nebenwerke, sondern auch ein zentrales Werk wie die Erste Symphonie entstanden, ehe Bernstein seinen dirigentischen Ambitionen nachgab. So erklärt sich auch, weshalb Bernsteins Musik, anders als die etwa von Maazel oder Previn, keine "Dirigentenmusik" ist, also nicht eine Kompilation der Stile bedeutender Komponisten, man so in der Zeit dirigiert hat, sondern eine eigene Ästhetik entwickelt.


    Das ist für mich auch am Komponisten Furtwängler reizvoll. Furtwängler sagte von sich, wenn er die Wahl hätte, als Dirigent oder als Komponist in die Musikgeschichte einzugehen, wäre ihm der Komponist lieber.
    Die meisten Forianer wissen aus anderen Threads, dass ich Furtwängler als Dirigenten nicht mag. Aber ich mag ihn als Komponisten. Ich halte seine Zweite Symphonie und das Klavierkonzert für wirklich bedeutende Werke der Nachromantik, die eine durchaus eigene, kantige Sprache sprechen - vielleicht eine Spur zu ausufernd, eine Spur zu bedeutungsschwanger in der Instrumentierung, aber IMHO den Werken eines Richard Strauss (von geringeren Komponisten der deutschen Nachromantik ganz zu schweigen) ebenbürtig.

    ...

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    ad Markevitch
    Nahezu alle seine Werke sind Jugend-Werke bzw. die Werke eines sehr frühreifen Genies. Die Musik Markevitchs ist unglaublich! Die Harmonik ist modern, stark chromatisch, die Funktionstonalität ist aufgehoben. Die Melodien entwickeln sich in eigenwilligen Kurven. Die Instrumentierung ist farbintensiv, aber primär so ausgewählt, dass die Struktur der Musik deutlich wird, einen Eigenwert hat die Farbgebung sehr selten. In der Erstfassung von "L'Envole d'Icare" verwendet Markevitch auch Vierteltöne. Und der in ruhiger pannung gehaltene Schlusssatz ist eine Art Gamelan.
    Markeitch, der plötzlich zu komponieren aufhörte, hat sich als Dirigent für seine Werke nie besonders eingesetzt. Davon wurde oft abgeleitet, dass er selbst sie für minderwertig hielt (was nicht der Fall war, er sagte "meine Musik kann warten"), weshalb man sie kaum aufführte. Und damit beraubt man sich einiger der schönsten und kühnsten Werke, die in dieser Zeit entstanden.


    Kannst Du vielleicht mal eine oder zwei CDs empfehlen? Ist der Flug des Ikarus erhältlich?
    Ich habe zwar keine Ahnung, ob mich das ansprechen würde, halte Markevitch aber für einen großartigen und (besonders gegenüber gewissen Marketinggenies...) sehr unterschätzten Dirigenten, daher reizt mich das durchaus.


    Furtwängler sah sich selbst (oder redete es sich ein...) hauptsächlich als Komponist und gab vor zu bedauern, dass ihm zum Komponieren zu wenig Zeit bliebe...Ich habe in einer Box seine 2. Sinfonie (von ihm selbst dirigiert), indes nur einmal oder so gehört. In einem anderen Forum beschrieb es jemand mal als "Bruckner auf Anabolika" :D


    Von Klemperer kenne ich nur einen (nicht ganz ernst gemeinten ) "Merry Waltz". Mindestens eine oder zwei Gielensche Werke habe ich auch irgendwo (ist aber nicht mein Fall...)


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Von Klemperer kenne ich nur einen (nicht ganz ernst gemeinten ) "Merry Waltz".


    Der "Merry Waltz" stammt aus der 2. Szene von Klemeprers niemals aufgeführten Oper "Das Ziel" und spielt laut seiner Aussage in der Halle eines Sanatoriums, in der die Patienten zu ihrer Unterhaltung tanzen.


    Klemperers Werke, die er für hinterlassenwert hielt, umfassen ca. 100 Lieder, acht Streichquartette, sechs Sinfonien und oben erwähnte Oper.


    Bekannt ist so gut wie nichts davon. Klemperer selbst hat einige seiner Werke für die Schallplatte aufgenommen. So wurde seine 2. Sinfonie und sein 7. Sterichquartett beispielsweise mit Mahlers 7. gekoppelt.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Hallo Johannes,
    Bei Marco Polo ist Markevitchs gesamtes Orchesterwerk erschienen - aber eine Überprüfung ergab, dass es offenbar Stück für Stück gestrichen wird bzw. wurde.
    Versuche, an die CD mit "Envol d'Icare" heranzukommen (ich glaube, es war die zweite CD von insgesamt, wenn ich mich recht erinnere, sieben). "Icare" ist die Zweitfassung des Werkes ohne Vierteltöne - auch noch sehr interessant, aber eben entschärft.
    Ein Meisterwerk ist "Lorenzo il Magnifico", eine Art Symphonische Solokantate, auf der Marco Polo-CD mit dem großartigen Psalm gekoppelt.
    Die Aufnahmen sind Marco Polo-Standard - was für mich heißt: Aufnahmetechnisch etwas schwammig, wahrscheinlich mit wenigen Proben, ergo etwas pauschaler Sauberkeit durchgeführt. Aber es gibt keine Alternative...


    Die Aufnahme von Furtwänglers Zweiter, die mich von dem Werk überzeugt hat, ist die unter Barenboim. Sicher - Bruckner. Aber nicht imitiert, sondern weitergedacht und zu eigentümlichen Konsequenzen kommend. Für mich wahrhaftig nicht unspannend!

    ...

  • Ich beziehe mich auf Wulfs letzte Fragestellung.
    Ich glaube, es ist, pardon, eine von vorneherein falsche Fragestellung, weil sie Äpfeln mit Birnen vergleichen will. Es entspräche der Frage, ob Carlos Kleiber nun besser dirigiert als Richard Wagner komponiert habe.


    Zum Komponisten Bernstein habe ich ein etwas ambivalentes Verhältnis: Es gibt echte Meisterwerke im populäreren Bereich wie "Candide" und "West Side Story", es gibt Werke von unschlagbarer Originalität wie "Songfest", es gibt im symphonischen Bereich "Kaddish", "Halil" - und es gibt sogar ein fast avantgardistisches Werk mit ziemlich konsequenter Reihentechnik, nämlich das Ballett "Dybbuk". Und es gibt obendrein eine wirklich ambitionierte, vielleicht nicht in allen Teilen gelungene, aber auf ihre Weise große Oper "A Quiet Place", die stellenweise darunter leidet, worunter auch Bernsteins späte dirigentische Arbeit leidet: Ein Übermaß an Pathos, das sicher echt ist, aber mitunter schwer verdaulich.


    :hello:

    ...

  • Hallo Edwin,


    eine etwas unglückliche Überschrift. Gemeint war: Ist der Komponist Bernstein bedeutender als der Dirigent Bernstein vice versa?
    Ich bin v.a. in seinen Einspielungen desöfteren ambivalent: Haydn großartig, Brahms-Symphonien: na ja.


    Ob er nun als Komponist oder als Dirigent bedeutender war, vermag ich nicht zu beurteilen.


    So dürfte die Fragestellung doch jetzt kein Apfel-Birnen-Kompott mehr sein, oder?? :wacky:


    :hello:
    Wulf

  • Lieber Wulf,
    jetzt wird's schon klarer.
    Aber das ist eine der teuflischesten Fragen, die man stellen kann...
    Wenn ich mir anhöre, was in den USA an Musik der konservativeren Richtung geschrieben wird, ist der Einfluß Bernsteins ungeheuer. Und zwar nicht der Einfluß des rhythmischen Drives, sondern der Einfluß seiner Lyrismen. Ich kenne keine einzige neuere Oper eines US-Komponisten, die nicht an "Songfest" (quasi Bernsteins verhinderte Oper) oder "Quiet Place" angelehnt wäre. Bernstein nimmt für diese Komponisten eine ähnliche Stellung ein wie Britten in Großbritannien: Entweder eine ganz andere Richtung einschlagen oder den Treueeid leisten...
    Bernsteins Bedeutung als Dirigent ist hingegen internationaler. Und es ist für mich interessant, wie viele europäische Dirigenten sich mit den Lippen zu Karajan bekennen, in ihrer Gestik und Interpretationsanlage aber Bernstein-Nachahmer sind.
    Ich glaube allerdings auch, daß der ungeheure Einfluß, den Bernstein auf die Interpretationen genommen hat (meiner Meinung nach wesentlich mehr als Karajan - man denke nur an die mit exzessivem Körpereinsatz erzeugten Langsamkeits- und Pathos-Orgien so vieler jüngerer Dirigenten, während sich kaum einer zum Hohepriester eines geglätteten Schönklangs stilisiert), nicht unbedingt vorteilhaft ist. Kurz: Meiner Meinung nach wird Bernsteins extreme Subjektivität, die in Zusammenhang mit ihm überzeugt, allzu oft als Vorwand für wesentlich weniger überzeugende Willkür genommen.
    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Ich glaube allerdings auch, daß der ungeheure Einfluß, den Bernstein auf die Interpretationen genommen hat (meiner Meinung nach wesentlich mehr als Karajan - man denke nur an die mit exzessivem Körpereinsatz erzeugten Langsamkeits- und Pathos-Orgien so vieler jüngerer Dirigenten, während sich kaum einer zum Hohepriester eines geglätteten Schönklangs stilisiert), nicht unbedingt vorteilhaft ist. Kurz: Meiner Meinung nach wird Bernsteins extreme Subjektivität, die in Zusammenhang mit ihm überzeugt, allzu oft als Vorwand für wesentlich weniger überzeugende Willkür genommen.
    :hello:


    Mit Verlaub, aber mit dieser These stehst Du allein. Wenn einer der jüngeren Dirigenten langsam und mit Pathos diigiert, dann denkt er an Furtwängler. Andere Erklärungen habe ich noch nicht gehört. Niemand denkt an Bernstein, außer vielleicht Michael Tilson Thomas. Und dass Karajan eine ganze Generation und Kulturlandschaft mit einem kultivierten Orchesterklang, einer neuen Orchesterkultur maßgeblich geprägt hat, ist nun wirklich hinlänglich bekannt und von vielen Dirigenten bestätigt.


    Loge

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Zitat

    Original von Loge
    Und das Karajan eine ganze Generation und Kulturlandschaft mit einem kultivierten Orchesterklang, einer neuen Orchesterkultur maßgeblich geprägt hat, ist nun wirklich hinlänglich bekannt und von vielen Dirigenten bestätigt.


    Kann man die Tatsache, daß HIPpe Musik heute öfter ausgeführt wird, darauf zurückführen? Daß man nicht den kutlivierten Orchesterklang i.e. den Karajanklang hören will, sondern den Klang wie sie vom Komponisten gedacht war.

  • Zitat

    Original von musicophil
    Kann man die Tatsache, daß HIPpe Musik heute öfter ausgeführt wird, darauf zurückführen? Daß man nicht den kutlivierten Orchesterklang i.e. den Karajanklang hören will, sondern den Klang wie sie vom Komponisten gedacht war.


    Nein, das hat damit nichts zu tun. Denn es spielen ja nicht die großen Symphonieorchester HIP, sondern neue und kleinere Ensembles, die es geschafft haben, dafür einen Markt zu schaffen und zu bedienen.


    Hast du das Concertgebouw Orchest schon einmal unkultiviert spielen gehört? Das macht keines der großen Orchester, im Gegenteil, aber man kopiert auch nicht den Karajan-Sound. Zum einen, weil er zur Zeit vielleicht tatsächlich nicht so gefragt ist, zum anderen aber, weil eine schlechte Kopie niemanden interessiert und weit und breit niemand zu sehen ist, der diesen Stil auf Karajan-Niveau weiter entwickeln könnte.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat


    Loge
    Mit Verlaub, aber mit dieser These stehst Du allein. Wenn einer der jüngeren Dirigenten langsam und mit Pathos diigiert, dann denkt er an Furtwängler. Andere Erklärungen habe ich noch nicht gehört. Niemand denkt an Bernstein, außer vielleicht Michael Tilson Thomas. Und dass Karajan eine ganze Generation und Kulturlandschaft mit einem kultivierten Orchesterklang, einer neuen Orchesterkultur maßgeblich geprägt hat, ist nun wirklich hinlänglich bekannt und von vielen Dirigenten bestätigt.


    Ich glaube auch, dass die exzessiven Interpretationen Bernsteins vor Nachahmung eher zurückschrecken lassen i.S. von "Ja, das hat er so gemacht und war auch großartig, ist aber nicht meins".
    Andernfalls: wer sind dann diese Dirigenten, die sich explizit zum "Vorbild Bernstein" etwa vergleichbar zum "Vorbild Celibidache" bekennen?
    Außerdem ist nicht verwunderlich, daß ein aus der Tradition kommendes Kapellmeistersystem und damit verbundene Interpretationsmodell a la Karajan (zumindest in Europa) wesentlich stärker verbreitet ist. Kein Wunder also, daß Loge "mit links" drei große Dirigenten anführen kann, die offenbar dem "Hohepriester eines geglätteten Schönklangs" auf den Leim gehen, die Armen... :hahahaha:

  • Zitat

    Zitat Loge
    Wenn einer der jüngeren Dirigenten langsam und mit Pathos diigiert, dann denkt er an Furtwängler. Andere Erklärungen habe ich noch nicht gehört.


    Mit Verlaub - dann hast Du mit anderen Dirigenten gesprochen als ich. Es mag sich aber um ein Mißverständnis bei Dir handeln: Ich spreche nicht von den international berühmten Top-Pultstars, sondern von teilweise jüngeren oder an der Peripherie arbeitenden Dirigenten, die vielleicht nicht so sehr in Deinem Bewußtsein sind.


    Außerdem gibt es mitunter einen Denkfehler: Wenn jemand über einen anderen etwas Positives sagt oder ihn bewundert, heißt das noch lange nicht, daß er dessen Interpretationskonzepte oder dessen Schlagtechnik übernimmt. Wenn mir jemand einreden will, Mariss Jansons etwa sei von Karajan stärker geprägt als von seinem Vater Arvid Jansons und von seinem Lehrer Karl Österreicher, kann ich dazu nur schmunzeln. Die Fakten zählen nämlich für mich mehr als irgendwelche Aussagen, und seien sie noch so prominent platziert.


    Abgesehen davon sollten wir uns in diesem Thread mit dem Titel "Dirigent UND Komponist" erst dann wieder über Karajan und seine allfälligen Nachfolger oder Doch-Nicht-Nachfolger unterhalten, wenn wir deren Werke als Komponisten kennengelernt haben, also etwas wie einen "Anif-Walzer für großes philharmonisches Orchester und Studio-Equipment" oder die symphonische Dichtung "Seekrank auf Helisara" oder Ähnliches.


    :hello:

    ...

  • Hallo Edwin,


    HvK war doch tatsächlich auch als Notenversetzer tätig. So soll er doch im Auftrage Helmut Kohls die "Europa-Hymne" (soll eine gewisse Ähnlichkeit zu Beethovens Neunter aufweisen) für dicke-Backen-unter-Stahlhelmen-Orchester arangiert haben.


    :D :hello: