HANDL-GALLUS, Jacobus

  • Ein großer, heute leider nahezu vergessener Komponist ist Jacobus Handl-Gallus (auch Handl, Hándl, Händl, Hähnel, Handelius; eigtl. (slow.) Petelin) (1550-1591).



    Um 1568 lebte er als Kapellsänger im Kloster Melk und wurde ab 1574 Mitglied der Wiener Hofkapelle; 1579 schließlich wurde er bischöflicher Chordirektor in Olmütz. Nach seiner Übersiedelung nach Prag (1585) übernahm er das Kantorat an der Kirche St. Johann, welches er bis zu seinem frühen Tod verwaltete.
    Heute gilt Handl-Gallus als einer der großen Vertreter des venezianischen mehrchörigen Stils und als wichtiger Meister der katholischen Kirchenmusik. Sein Werk umfasst Messen, Passionen, Motetten sowie andere geistliche Kompositionen. Ferner war Handl-Gallus Mitglied des Jesuitenordens (seit 1581).

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Hallo Eure allerkatholischste Majestät...


    Kenne den Handl/Gallus bisher nicht, werde dem mal nachgehen.


    Bist Du Dir sicher mit der Schreibweise Handl-Gallus?
    Wäre ja eigentlich so doppeltgemoppelt wie Schütz-Sagittarius...

  • Zitat

    Original von ThomasBernhard
    Hallo Eure allerkatholischste Majestät...


    Kenne den Handl/Gallus bisher nicht, werde dem mal nachgehen.


    Bist Du Dir sicher mit der Schreibweise Handl-Gallus?
    Wäre ja eigentlich so doppeltgemoppelt wie Schütz-Sagittarius...


    Hallo,


    also eigtl. hast Du recht, Gallus ist ja die lat. Form von Handl (Hahn :D), aber die meisten der wenigen CDs schreiben Handl-Gallus bzw. Handl Gallus.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich habe mich auch gewundert, da ich ihn bis jetzt nur als Jacobus Gallus vernommen habe.


    Ich kenne ein paar Chöre von ihm, die haben mich jetzt aber nicht gerade vom Hocker gerissen.



    Gruß, Peter.

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  • Hallo ihr,
    von Jacobus Gallus oder Jakob Handl gibt es einige schöne Motten für drei Tenöre und zwei Bässe. Die sind wirklich interessant. Ok, sie sich nicht zum vom-Hocker-reißen, das stimmt schon, aber mit einem Sänger pro Stimme in einer gotischen Kirche, wie zum Beispiel dem Dom zu Meißen, klingt das nur noch gut. :yes:


    Mit lieben Grüßen, momo

    "Orgel spielen heißt, einem mit dem Schauen der Ewigkeit erfüllten Willen offenbaren!"
    Charles-Marie Widor

  • Hallo


    Vielleicht mal eine Anmerkung zum Namen:


    Der komponist ist unter folgenden Namen bekannt:


    Gallus, Handl, Händl, Carniolus, Petelin. (Vorname: Jacobus)


    Mit Petelin sind wir beim eigentlichen Namen angelangt, der auf slowenisch HAHN bedeutet, alle anderen Namen sind Eindeutschungen, Latinisierungen, Verballhornungen.


    "Das neue Lexikon der Musik" spricht in Zusammenhang mit seinen Werken von "kühner Harmonik"...


    LG


    aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich kenne nichts von Jacobus Gallus - wenn ich mal davon absehe, dass mir ein kleiner Ausschnitt durch den "Arrangeur" Georg Friedrich Händel untergekommen ist. So zitiert der Hallenser/Londoner Meister im "Funeral Anthem for Queen Caroline" (The ways of Zion do mourn) bei der Stelle "but their name leveth evermore" aus Gallus' Motette "Ecce quomodo moritur justus".


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Ich kenne Jacobus Gallus sehr wohl, und das schon sehr lange.
    Nachdem ich mit 16 Jahren in meinen ersten Kirchenchor eingetreten war (im Juni 1962), lernte ich darauffolgenden Winter den Satze: "Ecce, quomodo moriturs justus" kennen, der in der Krwoche, meist in der Karfreitagsliturgie, aufgeführt wird. Seit vielen Jahren singen wir ihn auch in meinem zweiten Chor, dem ich Anfang 1989 beigetreten bin und seit 1994 unter unserem heutigen Dirigenten singe. Heute war es wieder soweit, und wir haben mit den Poben für die Karwoche just mit diesem, meinem absoluten Lieblingssatz aus dieser Liturgie begonnen. Hier der Text:


    Ecce, quomodo moritur justus, Sehet, wie der Gerechte stirbt, Jesaja 57, 1-2
    et nemo percipit corde und niemand nimmt es zu Herzen.
    Viri justi tolluntur, Die Gerechten werden hinweg genommen
    et nemo considera, und niemand bedenkt es.
    A facie iniquitatis Von dem Antlitz der Gottlosigkeit
    sublatus est justus ist der Gerechte hinweg genommen,
    et erit in pace memoria eius: und sein Andenken wird in Frieden sein.


    in pace factus est locus eius In Frieden ward sein Ort Ps 76,3
    et in Sion habitatio eius und seine Wohnung auf dem Zion
    et erit in pace memoria eius. und sein Andenken wird in Frieden sein.


    deutsche Übersetzung kursiv!


    Hier eine angemessene Interpretation:



    Seit damals hat mich diese Komposition gefesselt, und ich freue mich jedes Mal, wenn wir es wieder memorieren. Ich sinde es seit vielen jahren auswendig und bin jedes Mal tief bewegt, wenn es wieder gelingt.


    Lieber musikwanderer, ist mit "their name liveth evermore" nicht die letzte Textzeile "et erit in pace memoria eius" (und sein Andenken wird in Frieden sein) gemeint?


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi,


    Lieber musikwanderer, ist mit "their name liveth evermore" nicht die letzte Textzeile "et erit in pace memoria eius" (und sein Andenken wird in Frieden sein) gemeint?


    diese an mich gerichtete Frage kann ich leider nicht beantworten, weil ich die Motette 'Ecce, quomodo moritur justus' von Gallus nicht kenne. Ich weiß halt nur aus dem Beiheft der CD, dass Händel für die von mir zitierte Textstelle aus dem 'Funeral Anthem for Queen Caroline' (8. gesungener Satz 'Their bodies are buried in peace: but their name leveth evermore') die musikalische Anleihe bei Gallus gemacht hat...


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

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  • Hallo,


    "Ecce quomodo..." hat auch G. P. Palestrina sehr ansprechend vertont (habe ich mitgesungen).
    Leider gibt es bei YouTube nur ziemlich schlechte Einspielungen, die ich nicht einstelle.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Bislang kannte ich weder den Komponistren, noch den Satz "Ecce quomdo moritur justus". Will's angeregte Aufnahme habe ich jetzt mehrfach gehört, ein tief berührendes Werk. Zur Auswahl bei der Anschaffung steht nun neben der CD von dem Kings College Choire die Platte eine jungen Leipziger Vokalensembles "Thios Omilos"

    Was mich nun interessiert: warum variieren bei den verscheidenen Aufnahmen ,die Spieldauern zwischen 2:35 min (wie etwa bai Thios Omilos") und 4:03 (Kings College)?


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Zitat

    Thomas Pape: Was mich nun interessiert: warum variieren bei den verscheidenen Aufnahmen ,die Spieldauern zwischen 2:35 min (wie etwa bai Thios Omilos") und 4:03 (Kings College)?


    Ich glaube, lieber Thomas,


    dass es sich dabei so ähnlich verhält wie bei der Sonate Nr. 21 B-dur D.960 von Schubert, wo der erste Satz genau wie dieses Werk von Jacobus Gallus mit "Molto moderato" überschrieben ist. Im entsprechenden Schubert-Thread haben wir "lang und breit" darüber diskutiert und sind doch zu keinem Ergebnis gekommen.
    Wir dürften in unserem Chor so etwa bei 3 1/2 Minuten liegen. Ich persönlich finde dieses Tempo angemessen, denn ein einigermaßen getragenes Tempo sollte es bei diesem Text und seiner Bedeutung schon sein.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Hallo,


    https://de.wikipedia.org/wiki/Jacobus_Gallus


    https://de.wikipedia.org/wiki/Venezianische_Mehrchörigkeit


    (Ich halte nichts davon individuell zu posten, was in Wikipedia-Links schon ausführlich beschrieben ist.) 7830880


    Handl verbindet in den Chorsätzen homophone (a), polyphone (b), kanon (c)-, fugen (d)- und echoartige (e) Satzstrukturen und unterscheidet dabei auch noch nach Chor- und Einzelstimmen (f). Es kommt also z.B. vor, dass in einem Chorsatz 4 oder 5 oder 6 Chorstimmen polyphon geführt werden, aber die Einzelstimmen, z.B. im Sopran, echoartig geführt sind oder in einem homophonen Chorsatz (SATB) mit kanonartigen Einsätzen z.B. die Altstimme polyphon gesetzt ist..


    Das kann optimal nur dann funktionieren bzw. hörbar werden, wenn im Aufführungsraum die Einzelchöre getrennt aufgestellt werden können und keine allzu große Überakustik besteht. Dass es auch noch eine sehr gute Chorleitung braucht, um die Dynamik innerhalb der Chorstimmen „im Griff“ zu haben und, soweit erforderlich, die unterschiedlichen Timbres/Vibratos der Sänger /innen zu einem abgerundeten Chorklang zu bringen.
    Vorbildlich erfüllt vom „Ensemble Musica Nova“- je 2 x Cantus, Contratenor, Tenor, Bass; ergänzt bei Bedarf um je 1 Contratenor und Tenor


    Leider gibt es noch keine YouTube-Einspielung; ich habe auch keine downloadbaren Noten gefunden, sodass ich die Eingruppierung nach Kompositionsstrukturen (s.o. a -f) nur nach meinem Gehör vornehmen kann, was ohne ein Notenbild noch schwieriger für mich ist. (Korrekturen sind wie stets, hier aber besonders, erwünscht.)


    Nicht zu allen auf der CD befindlichen17 Motetten, aus dem aus 374 Motetten bestehenden
    "Opus Musicum“ (=OM) für den kirchlichen Jahrkreis, weder ich kurz posten.




    Track 1 – Aspiciens a longe (OM Teil I,1), eine prägnante Melodie, mit zeittypischer, aber nicht allzu gewöhnungsbedürftiger Harmonik – a, b, c, e


    Track 2 - Iocundare filia Syon OM… I,7), frohe Melodie, erkennbar - trotz b, deswegen Textverständlichkeit eingeschränkt, Harmonik wie Track 1 – a, b, f


    Track 4 – Egredietur virga (OM… 1,22), durchgängiges Tempo, etwas karge Harmonik – c, a


    Track 6 – Dies est laetitieae (OM… 1,29), bessere Textverständlichkeit als wenn es b wäre, Harmonik ähnlich Track 1 - c, a


    Track 7 - Miserere mei Deus (OM… 1,82), trotz variabler Harmonik litaneiähnlich –
    a mit wenig b+c


    Track 8 - Plaxit David (OM… III,29), ähnlich einer Strophenvertonung mit Wiederholungen einzelner Textstellen - a


    Track 9 - Filae Jerusalem (OM… II,3), im Teil (Strophe) 2 deutlich lebhaftere/s Harmonik, Melodik und Tempo – a, c




    Fortsetzung folgt


    Viele Grüße
    zweiterbass


    Nachsatz: Den Kauf der CD kann ich sehr empfehlen.

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Handl Jakobus Gallus Fortsetzung

    Track10 – Passio Domini (OM Teil lI, 1,2), am Ende des 16. Jhd. war es noch möglich eine Passion in 12:16 (das umfangreichste Werk der CD) „abzuwickeln“. Der Text ist in 58 Abschnitte unterteilt +3 Mal Amen, die jeweils abwechselnd vom Chorus superior (= Sopran- und Contratenorstimmen), Chorus inferior (=Tenor- und Bassstimmen) und Tutti (= Gesamtchor) gesungen werden, meist a, sehr wenig b - z.T. mutet es fast wie eine strophenartige Vertonung an mit in den Textlängen entspr. Variationen. Bei wenigen markanten Textabschnitten, z.B. „abiit autem judas…, Dixit ille Jesus…, Ait Pilatus…, Et crucifixerunt eum…, gibt es bei Tempo und Dynamik vage Anzeichen einer textgebundenen Vertonung, was auch für die Charakteristik der 3 Amen gilt.


    Track 11 – O vos omnes (OM…II,4), fast durchgängig b


    Track 12 – Recessit pastor noster (OM…II,12), strophenartige Vertonung mi Textwiederholungen, a


    Track 14 – Christus surrexit (OM…II,39), alle 3 Strophen b, c


    Track 16 – Quid ploras mulier (OM…II,55), Textwiederholungen a, c


    Track 17 – Cum rex gloria (OM…II,30), b, c, e




    Es ist schon erstaunlich, welche Klagfülle dieses relativ kleine Ensemble (Gründung 2000)zustande bringt, dabei hat die Aufnahmetechnik ihren Anteil. Die absolute Intonationsreinheit ist aber ausschließlich Sache von „Ensemble Musica Nova“ und bei der Verwirklichung seines auf dem neuesten Stand befindlichen Interpretationsansatzes ist der Leiter „Lucien Kandel“ auf sein Ensemble angewiesen.



    Die CD kann ich sehr empfehlen.



    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

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