[Pavel Vranický [1756-1808]
Pavel Vranický spielte in Mozarts posthumen Geschehnissen eine interessante und beneidenswerte Nebenrolle: Gemäß Kontrakt vom 08.11.1799 zwischen Constance Witwe Mozart und dem Wiener Verleger Johann Anton André nahm er den musikalischen Nachlass W. A. Mozarts zu Beginn des Jahre 1800 in Empfang, um ihn an den Verleger zu überbringen. Einer der größten Werttransporte ging also durch die Hände dieses Mannes.
Pavel Vranický* erblickte am 30. Dezember 1756 in Neureisch [heute: Nová Ríse] das Licht der Welt. Man hatte ihn in frühen Jahren bereits für den Priesterstand bestimmt. Eine kluge Entscheidung weiser Eltern damals: So konnte man der bestmöglichen Ausbildung sicher gehen und für die Zukunft in Gottes Händen war gesorgt! P. Vranický besuchte in seinem Geburtsort das Gymnasium im Prämonstratener-Stift, etwa 1770 wechselte er nach Iglau, um dort ersten Gesangs-, Orgel- und Violinunterricht zu erhalten. Das eigentliche Theologiestudium vertiefte er in Olmütz, aber nicht nur das: Er mauserte sich dort auch zu einem hervorragenden Violinisten, wie es heißt. 1776 kam P. Vranický nach Wien und trat ins dortige theologische Seminar ein. Man trug ihm die Stelle des Musikdirektors des Seminars an, er nahm dankend an und vertiefte seine musiktheoretischen und kompositorischen Kenntnisse und Fertigkeiten. 1783 soll Joseph Martin Kraus und Joseph Haydn zu seinen Lehrern gezählt haben. Seine Erfolge als Komponist und Dirigent überredeten ihn, die Musikerlaufbahn einzuschlagen, spätestens 1785 wurde er Musikdirektor des Grafen Johann Nepomuk Esterházy von Galantha [nicht zu verwechseln mit dem Fürsten Esterházy, in dessen Diensten der vorerwähnte Joseph Haydn stand]. Etwa ab 1790 war er Konzertmeister im Burg- und Kärntnertor-Theater.
P. Vranický gehörte, wie Wolfgang Amadeus Mozart, seit 1784 zur Freimaurerloge „Zur gekrönten Hoffnung“ Er trat gemeinsam mit dem Kollegen bei Logenfeiern auf. Auch zu Joseph Haydn, der ebenfalls Mitglied der Freimaurer war, pflegte er eine enge Freundschaft. P. Vranický dirigierte 1799 die erste öffentliche Aufführung der Schöpfung von Joseph Haydn. Ein ebenfalls freimaurerisch begründeter Kontakt bestand zum Theatermann Emanuel Schikaneder, für den er das von Gieseke nach Christoph Martin Wieland gearbeitete Libretto Oberon vertonte. Wieland war für Schikaneder ausschlaggebend mit der Publikation der Märchensammlung Dschinnistan, aus deren Stoffen er das Zauberflötenlibretto „erfand“. Auch Johann Wolfgang von Goethe wandte sich 1796 mit seiner Fortsetzung der Zauberflöte zwecks eines Vertonungsgesuches an P. Vranický. Daraus wurde bekanntlich nichts, da Goethe sein Libretto nicht vollendete. Das Singspiel Oberon jedoch wurde am 15. Oktober 1790 in Frankfurt/Main anlässlich der Krönung Leopolds II. aufgeführt. Am Vormittag desselben Tages führte Wolfgang Amadeus Mozart, ebenfalls zu den Krönungsfestivitäten anwesend, eine grosse Symphonie aus [vermutl. KV 543, 550 oder 551] und war sogar vielleicht abends in der Opernvorstellung?
Knapp zehn Jahre später dirigierte P. Vranický die Uraufführung von Ludwig van Beethovens Sinfonie Nr. 1 am 2. April 1800.
P. Vranickýs Œuvre ist immens, daher hier nur eine übersichtliche Auswahl:
Eine Vielzahl von Sinfonien, drei Violinkonzerte, ein Violoncellokonzert, ein La Chasse für Klavier, 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Clarinetten, 2 Hörner, 2 Fagotte und Pauken, weiterhin eine Sinfonie mit obligatem Cembalo und obligater Violine, ein Flötenkonzert, ein Konzert für zwei Flöten, eine Concertante für Flöte, Oboe und Orchester, Ouvertüren, Divertimenti, eine Gallopade auf die Art wie der Altvater für zwei Violinen, Bass, Flöte, Piccolo, Tambour militaire und Pauken, Tänze aller Art, jede Menge Streichquartette, Quintette und Trios, Bühnenwerke: Achmet und Zenide, L’amore paterno, Cyrus und Tomyris, Die Dienstpflicht, Der dreifache Liebhaber, Die drei Buckligen, Die Erkenntlichkeit, Das Fest der Lazaronen, Die geraubte und wiedereroberte Braut, Die gute Mutter, Johanna von Montfaucon, Jolantha, Das listige Bauernmädchen, Die Luftfahrer, Macbeth, Das Maroccanische Reich, Rollas Tod, Rudolph v. Felseck, Der Schreiner, Das Urteil des Paris [Ballett], Der Zauber der beiden Bildnisse, Das Waldmädchen, Walmir und Gertraud, Die Weinlese, Der Tyroler Jahrmarkt, Zelina und Gorano, Oberon.
Pavel Vranický starb am 26. September 1808 in Wien.
* * *
Antonín Vranický* wurde am 13. Juni 1761, ebenfalls in Neureisch, geboren. Zusammen mit seinem älteren Bruder Pavel [Paul] drückte er die Schulbank im Prämonstratenser-Kloster. Antonín sang auch im Chor der dortigen Domes. Das Violinspiel erlernte er von seinem älteren Bruder. In Brünn absolvierte er erfolgreich das Studium der Philosophie, etwa um 1785 folgte er seinem Bruder nach Wien, wo er bei Wolfgang Amadeus Mozart, Joseph Haydn und Johann Georg Albrechtsberger Kompositionsunterricht erhielt. Er vervollkommnete sein Violinspiel und wurde als Virtuose auf seinem Instrument sehr geschätzt. Etwa 1790 trat er in die dienste des späteren Beethoven-Gönners Fürst Joseph Franz Maximilian von Lobkowicz. Am 1. August 1814 übernahm A. Vranický die Leitung des Orchesters im Theater an der Wien und führte zugleich [1812-1816] den k. k. Hoftheater-Musik-Verlag. Nach dem tode des Fürsten wurde A. Vranický von dessen Nachfolger, Fürst Ferdinand Joseph Johann von Lobkovicz übernommen.
Antonín Vranický war es, der die Streichquartettfassung von Joseph Haydns Schöpfung anfertigte, mit der sich Haydn ganz zufrieden zeigte. Ebenfalls, wie sein älterer Bruder, pflegte er einen freundschaftlichen Kontakt zu Ludwig van Beethoven und nahm regelmässig an Aufführungen dessen Werke teil. Auch mit Carl Maria von Weber, dem Cousin Constance Mozarts, war A. Vranický freundschaftlich verbunden, er besuchte ihn sogar 1819 in Dresden.
Sein Œuvre ist vergleichbar mit der Menge an Werken seines Bruders:
Zahlreiche Sinfonien, darunter eine J. v. Lobkowicz gewidmet, etwa ein Dutzend Violinkonzerte, ein Konzert für zwei Violinen [für ihn und seinen Bruder?], zwei Concertonen für Violine und Violoncello, eine solche für zwei Violinen und Violoncello, eine Concertone für zwei Violen, eine für Violoncello allein, weiters Serenaden, Divertimenti, Notturni, Tänze jeder Art, Märsche, Quartette, Quintette,, Streichtrios, Sextette, Duos, Klaviervariationen, , Arien, Kantaten, Harmoniemusiken, Messen sowie das pädagogische Werk Violin Fundament nebst Einer vorhergehenden Anzeige über die Haltung sowohl der Violin, als auch des Bogens [Wien, 1804].
Antonín Vranický starb am 6. August 1820 in Wien.
Es sind einige Werke der Gebrüder Vranický eingespielt worden, teils auf einer CD. Wer kennt sie?
Ulli
*auch Wranitzky, Wraniczky, Wranisky, Wraniszky, Wranizki, Wranizky
Ergänungen und notwendige Korrekturen sind gerne gesehen.
Quellen: MGG und Guy Wagner: Bruder Mozart sowie Mozart-Briefe [dtv]