Richard Strauss: Metamorphosen

  • Ich versuche gerade für mich unter meinen Aufnahmen der Metamorphosen von Richard Strauss, die beste herauszufinden. Was liegt da näher, als einen öffentlichen Thread daraus zu machen...


    Die Metamorphosen sind ein ca. fünfundzwanzigminütiges Adagio für 23 Solostreicher. "Kern" der Komposition ist das Trauermarschthema aus Beethovens Eroica, das bei Strauss manigfache Wandlungen erfährt. "Eins zu eins" wird das Thema freilich nicht übernommen. [Nachtrag: Doch! Kurz vor Schluß spielen die Kontrabässe einigermaßen origninal kurz das Beethovenoriginal an]


    Die Metamorphosen sind ein erstaunliches Alterswerk des greisen Strauss. Angeblich hatte der Anblick des zerstörten Münchens 1945 Strauss zu dieser Komposition verleitet. Es ist ein resignatives (aber auch tröstliches, schwelgerisches) Werk ohne strahlenden Höhepunkt (?) (wo gibt es das schon bei Strauss...).


    Wie steht ihr zu diesem Werk? Wie steht es kompositionstechnisch da in Straussens Gesamtwerk und Entwicklung?


    Eine der besten Aufnahmen ist sicherlich die von Otto Klemperer.
    Philharmonia Orchestra, 1961. 28:04


  • Wie immer bei Strauss: wenn jemand die Kempe-Box hat, muss nicht mehr weitersuchen (jetzt auch bei Blilliant Classics erhältlich!).



    Eine sehr schöne Interpretation gibt es von Herbert von Karajan (insbesondere die CD mit den vier letzten Liedern mit Gundula Janowitz).

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Die Metamorphosen sind ein erstaunliches Alterswerk des greisen Strauss.



    Ja, sicher sehr gut anhörbar und gefällig.


    Die Aufnahme von HvK finde ich im Vergleich zu Zinman (ich habe nur diese beiden) um Längen besser.




    Zitat

    Angeblich hatte der Anblick des zerstörten Münchens 1945 Strauss zu dieser Komposition verleitet.



    Mag ja sein, gleichwohl halte ich diese angebliche Trauerverarbeitung für reichlich verspätet und eigentlich auch unglaubwürdig, denn als selbstlos agierender Komponist ist Strauss nach meiner Kenntnis während seiner Jahrzehnte andauernden Karriere eigentlich nicht hervorgetreten.

  • Hallo Tom,


    auch ich schätze die Einspielung von Karajan.


    Ich weiß bloß nicht recht, was ein "selbstlos agierender Komponist" sein soll; oder warum Richard Strauss mit den Metamorphosen nur "angeblich" Trauerarbeit geleistet habe.
    So weit mir bekannt ist, hat Strauss sich sehr wohl auch für andere Komponisten eingesetzt (wie Gustav Mahler) oder auch für Librettisten - falls das mit "selbstlos agierend" gemeint gewesen sein sollte.


    Und dass der Anblick einer niedergebrannten Stadt erschütternd ist, dürfte nachvollziehbar sein. Wenn ein Komponist dies in einer Komposition verarbeitet, finde ich das nicht per se unglaubwürdig. Auch nicht, wenn man Strauss' Rolle zumindest zu Beginn der Nazi-Herrschaft reflektiert. Das mag ihn für viele endgültig als "Charakterschwein" entlarvt haben - ihm deshalb jedwede ehrliche Empfindung absprechen zu wollen, geht mir persönlich etwas zu weit.


    Den Hinweis auf Kempe habe ich nun schon mehrfach gelesen; ich werde mir diese Einspielung bald mal anhören. Vielen Dank für den Hinweis.


    Gruß, l.

    "Jein".

    Fettes Brot

  • Hallo Richard Strauß-Freunde,


    als absoluter R.Strauss-Fan habe ich die EMI-Kempe-CD-Box natürlich auch (von Brillant Magapreiswert).


    Aber die absolute ultimative Aufnahme der Metharmorphosen findet man auf einer lange gestrichenen
    Decca-CD mit Dohnanyi / Wiener PH, die in meiner Decca-5CD-Box der R.Strauss Sinf.Dichtungen integriert ist.
    Hier eine Abb der Einzel-CD, die bei amazon noch greifbar ist:


    Erst diese Aufnahme hat mich zu dem Werk, zu dem ich in anderen Aufnahmen nie den rechten Zugang finden konnte, bekehrt.
    Die DDD-Klangqualität ist zudem umwerfend gut. Die CD ist einfach perfekt (DonJuan ebenfalls neben Solti, Karajan, Kempe Spitzenleistung; Tod und Verklärung hat hingegen im Vergleich zu Karajan/WienerPH auf Decca nicht ganz diese Tiefe, ist aber besser als die von tom abgebildete DG-Karajan-Aufnahme).

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Ich hatte die Metamorphosen im letzten Jahr in Köln live gehört (Thielemann mit den Münchnern), BBB hatte darüber auch hier eine Rezension geschrieben.
    Seit diesem Ereignis lässt mich das Werk nicht mehr los. Ich hatte vorher eine Aufnahme (Previn/Wiener) in meinem Bestand, und habe zwischenzeitlich aufgestockt.


    Den Klemperer, den ich ja erst seit gestern besitze, kann ich noch nicht abschliessend beurteielen. Die Aufnahme ist jedem Fall etwas Besonderes.


    Die Einspielung mit David Zinman/Tonhalle Orchester Zürich hat mich nicht so sehr überzeugt, wie andere Aufnahmen, Zinmann schafft das Werk in 28 Minuten und 50 Sekunden. Mir sind die Violinen hier zu "tänzerisch", und auch, wenn das Werk keinen eigentlichen Höhepunkt hat, sind bei anderen Aufnahmen Steigerungen und Stimmungsschwankungen deutlicher.





    Sehr gefreut habe ich mich, als ich in meiner Bruckner-Sammlung auch noch eine "Matamorphose" entdeckt habe, und zwar auf der #8 Sinopoli mit der Staatskapelle Dresden.



    Die Aufnahme ist insgesamt "düsterer" als der Zinman, was dem Werk aber entgegenkommt. Bei geschlossenen Augen zumindest habe ich bei Sinopoli eher die Bilder vor Augen, die angeblich Strauss zu diesem Werk inspiriert haben.


    Ich werde mir Previn und noch eine weitere sowie die Klemperer-Aufnahme auch heute noch einmal vornehmen. In jedem Falle werde ich mich auf die Suche nach der Dohnany-Aufnahme und nach einer Karajan Aufnahme machen.

  • Hallo Metamorphosen-Freunde,


    die vielgerühmte Klemperer-Aufnahme rauscht bei mir leider sehr stark, ich habe sie via "Musik-runterladen" beim rosa Riesen als 128er wma besorgt (war auch nicht gerade preiswert :wacky: ), Frage an die Origial-CD Besitzer: Ist die Klangqualität auf der Audio CD besser, oder rauscht es auch so? Im Moment tendiere ich zu Sinopoli, den ich auch gerade höre ;(

  • Also bei mir hatte ich den Eindruck, daß die Klempereraufnahme angenehm wenig rauscht, bin diesbezüglich aber auch nicht der alleranspruchsvollste.

  • Da erhebt sich natürlich die Frage, wie reagiert eine leicht rauschende Aufnahme auf Datenreduktion? Denn wenn ich Holger recht verstanden habe, besitzt er eine Datei mit 128kb/s. Ich könnte mir vorstellen, dass ein Rauschen bei Datenreduktion subjektiv deutlicher wird, da es spektral anders aussieht als das ursprüngliche Bandrauschen und dem Ohr somit fremd ist.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • ThomasBernhard:


    Zitat

    Wie steht ihr zu diesem Werk? Wie steht es kompositionstechnisch da in Straussens Gesamtwerk und Entwicklung?


    Otto Klemperer liess die "Metamorphosen" als einziges Spätwerk von Richard Strauss gelten, die anderen Arbeiten seiner Spätzeit, dieser "Pseudo-Mozart-Kram" sei nichts wert...


    Ich könnte das, (mit Ausnahme der "4 letzten Lieder") so bedenkenlos unterschreiben, denn die späten Konzerte für Horn, Oboe, Doppelkonzert für Klarinette und Fagott) sind für mich sehr schwer nachvollziebar als Musik am "Ende aller denkbaren Katastrophen" und ihre "Heiterkeit" scheint mir gewollt, gekünstelt und aufgesetzt.


    Deshalb bilden die "Metamorphosen" auch die große Ausnahme im Spätschaffen des Richard Strauss, eben weil sie sich nicht an missverstandenen mozartschen Parametern messen, sondern zurück zur klassischen Polyphonie, den alten Meisten, Bach und Beethoven drängen.


    Dem 81jährigen Strauss gelang damit ein eindrucksvolles Bekenntniswerk
    voll von bitterer Süsse und beinahe ungehemmtem Schmerz
    , das durch allzu schwelgerischen Luxus (Karajan) ebenso enstellt werden kann wie durch orchestergewandte Teilnahmslosigkeit (Rattle).


    In den mir bekannten Aufnahmen mit durchaus verschiedener Lesart
    werden Klemperer, Suitner Sanderling, Marriner und ganz gewiss auch Kempe, dessen Einspielung ich allerdings nicht kenne, dem Werk gerecht.


    Ich hoffe, daß Thielemann die "Metamorphosen" auch in absehbarer Zeit auf Tonträger nachreichen wird, die Leistung, die er im Nov. in Köln geboten hatte, war eine Sternstunde in der Interpretationsgeschichte des Werkes.

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

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  • Dieses Werk übt auch auf mich schon länger eine große Faszination aus.
    Erstaunt bin ich allerdings, dass bisher noch niemand die Einspielung mit Furtwägler genannt hat!
    Ohne weitere Vergleichsaufnahmen zu kennen, nimmt diese Aufnahme doch unter den vielen Furtwängler-Aufnahmen, die ich kenne, einen sehr hohen Stellenwert ein.
    Ob es daran liegt, dass Furtwängler vielleicht die Empfindungen von Strauss sehr gut nachempfinden konnte (gemeint sind Zeit und Umstände der Komposition) oder auch einfach nur, weil Furtwängler schon immer ein herrausragender Strauss-Dirigent war?


    :jubel: :jubel: :jubel:


    Berliner Philharmoniker/ W. Furtwängler (rec.1947, live!)


    aus dieser Box

    Hören, hören und nochmals hören: sich vertraut machen, lieben, schätzen.
    Keine Gefahr der Langeweile, im Gegensatz zu dem, was viele glauben, sondern vielmehr Seelenfrieden.
    Das ist mein bescheidener Rat. (S. Richter, 1978)

  • Zitat

    Original von pt_concours


    ..., weil Furtwängler schon immer ein herrausragender Strauss-Dirigent war?


    Für einen Dirigenten, der gerade 4 Orchesterwerke und ein paar Lieder eingespielt hat, erscheint mir die Bezeichnung "herausragender Strauss-Dirigent" reichlich übertrieben. Das ist eher eine Strauss-Verweigerung seitens Furtwängler.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Auch ich halte die Furtwängler-Aufnahme für d i e Aufnahme, die den Tiefgang dieses Werkes auslotet;
    Krauss mit den Bambergern und Gielen mit den Berlinern, ebenso der späte Karajan sind ebenfalls hervorragend.
    Im übrigen hat sich Furtwängler seit Beginn seiner Dirigententätigkeit für Strauss eingesetzt, sodass von einer Verweigerung nicht die Rede sein kann. Ein Blick in Furtwänglers Konzertauflistung könnte Theophilus darüber Aufschluss geben, bevor der Unwissenheit freien Lauf gelassen wird.


    :hello:Heldenbariton

    Wie aus der Ferne längst vergang´ner Zeiten
    GB

  • Zitat

    Original von Theophilus


    Für einen Dirigenten, der gerade 4 Orchesterwerke und ein paar Lieder eingespielt hat, erscheint mir die Bezeichnung "herausragender Strauss-Dirigent" reichlich übertrieben. Das ist eher eine Strauss-Verweigerung seitens Furtwängler.


    Guter Geschmack? :D
    Im Ernst, aus der Anzahl der Einspielungen von Studioverweigerern, die 1954 verstorben sind, allzu weitreichende Schlüsse zu ziehen, scheint mir voreilig.
    (Ich weiß allerdings wirklich nicht, was und wie häufig Furtwängler im Konzert gespielt hat, allein dass es einen Mitschnitt von einem auch heute nicht gerade beliebten Schinken wie der Sinfonia Domestica gibt, läßt mich aber vermuten, dass er kein Verweigerer war)
    Welcher Dirigent des Vor-Stereo-Zeitalters hat wesentlich mehr Strauss als die Handvoll der bekanntesten Orchesterstücke eingespielt? Da fällt mir eigentlich nur Krauss ein. Und bei der Oper hat sich WF ja anscheinend nicht erst in seinen letzten Jahren auf ein ziemlich enges Repertoire beschränkt.


    Wenn man danach geht, was umfassend in Einspielungen oder Mitschnitten dokumentiert vorliegt, war WF ein Verweigerer von allem außer Beethoven, Wagner, Bruckner und Brahms ;)


    Also vermutlich kein Strauss-Vorkämpfer wie Krauss und vielleicht später Böhm (bei den Opern), aber Verweigerer auch nicht. Außerdem kann jemand ein herausragender Dirigent von X sein, ohne eine Menge Einspielungen/Konzerte hinterlassen zu haben. Sonst könnte man von Carlos Kleiber bei gar keinem Komponisten sagen, er habe ihn herausragend dirigiert ;)


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Theophilus


    Für einen Dirigenten, der gerade 4 Orchesterwerke und ein paar Lieder eingespielt hat, erscheint mir die Bezeichnung "herausragender Strauss-Dirigent" reichlich übertrieben. Das ist eher eine Strauss-Verweigerung seitens Furtwängler.


    Im Prinzip haben meine beiden "Vorredner" sdcon meine geplante Erwiederung vorweggenommen. Ergänzend möchte ich nur noch sagen, dass für mich sogar ein Musiker, der nur ein Werk eines Komponoisten in Referenz einspielt als herrausragender xy-Interpret angesehen werden kann (Qualität zählt, nicht Quantität).


    Ansonsten nochmal zum mitzählen:


    Sinfonia Domestica
    Don Juan
    Till Eulenspiegel
    Tod und Verklärung
    Metamorphosen
    Vier Orchesterlieder (Anders)

    :D


    Von Schubert, Schumann oder Bruckner hat Furtwängler übrigends (meines Wissens) auch nur fünf oder sechs Werke "eingespielt" trotzdem halte ich ihn für einen heraussragenden "SchuSchuBru-Dirigenten"


    Wobei das ja mit dem "eingepielt" so eine Sache ist, wo es nur Live-Mitschnitte gibt, bleibt die Frage, warum wurde ein Werk mitgeschnitten ein anderes aber nicht. (Ich kenne leider Furtwänglers Konzertprogramme kaum, meine aber dass er ein gealtiges Repertoire abdeckte.)


    Gruß pt_concours

    Hören, hören und nochmals hören: sich vertraut machen, lieben, schätzen.
    Keine Gefahr der Langeweile, im Gegensatz zu dem, was viele glauben, sondern vielmehr Seelenfrieden.
    Das ist mein bescheidener Rat. (S. Richter, 1978)

  • Ich habe zwar auch keinen Zugang zu Furtwänglers Konzertprogrammen, aber in John Ardoins "The Furtwängler Record" (1992) heißt es auf S. 265:


    Even though Furtwängler and Strauss were contemporaries, one does not connect them in the same sense as one links Furtwängler to Wagner. Yet he conducted more pieces of Strauss and programmed Strauss more often. In fact, in terms of numbers, his performances of Strauss´ music rank just below those of Beethoven and Brahms. In his repertory at one time or another was music from all periods of Strauss´writing, from the early tone poems and operas to the late Metamorphosen (...) But only three Strauss works were allowed a place in his programs from the earliest years through the last; these were also the only works by Strauss he recorded commercially - Don Juan, Tod und Verklärung and Till Eulenspiegel.


    Also eher keine "Strauss-Verweigerung".


    :hello:


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Nachdem dieser Thread zu einem sehr bedeutenden Werk leider in dem Bermuda-Dreieck Strauss- Nazis - Furtwängler versunken ist, möchte ich ihn wiederbeleben, indem ich ein Posting aus dem Rätselthread Metamorphosen - der Rätsel Verwandlung zur Lösung hierher kopiere, wo er noch besser aufgehoben ist:


    Bekanntlich schrieb Strauss dieses knapp halbstündige, melancholische Instrumentalstück, das wegen seiner freien Form bei gleichzeitig strenger Konsequenz und einer intensiven Emotionalität sogar von vielen hoch geschätzt wird, die diesem Komponisten sonst nicht so viel abgewinnen können, im letzten Kriegsjahr als Ausdruck seiner Trauer über die Zerstörung der Opernhäuser in Berlin, Dresden, München und anderen deutschen Städten. Ausgangspunkt dieser ungewöhnlichen Variationen war ein anlässlich der Bombardierung Münchens begonnenes Adagio für Streicher, dessen Trauermotiv Strauss später abtrennte und in seinem "München" - Walzer verwandte. Es war ihm nämlich aufgefallen, dass sein eigentliches Thema eine nahe Verwandtschaft mit den ersten Takten des Trauermarsches zu Beginn des zweiten Satzes von Beethovens dritter Sinfonie Es-Dur op. 55, der EROICA, hatte.


    Beethovens Motiv wird hier aber nicht, wie üblich, zu Beginn vorgestellt und dann variiert, sondern erscheint in originaler Form erst kurz vor Schluss, und dort auch nur in den tiefen Stimmen. Statt dessen entwickelt Strauss keine Variationen, sondern lässt ein kurzes Motiv, das zuerst von den beiden Bratschen angestimmt wird, sich wandeln und im weiteren Verlauf mit drei anderen Themenfragmenten verweben, bis sie gegen Ende in das, ganz bescheiden angebotene, Beethoven-Thema münden. Dadurch entsteht ein bemerkenswertes Konglomerat aus Spannung in Ungewissheit und gleichzeitig empfundener Zwangsläufigkeit, die auch den musikalisch ungebildeten Hörer unwillkürlich fesselt. Auch, wer von all dem gar nichts weiß und wissen will, wird sich von der Melancholie des Werkes, die keineswegs wie ein Grauschleier über ihm liegt, sondern auch etwas sehr Tröstliches hat, gerne gefangen nehmen lassen und vielleicht an ein Adagio von Strauss' Antipoden Gustav Mahler erinnert fühlen. Nicht von ungefähr haben die Berliner Philharmoniker es anlässlich der Trauerfeier für Herbert von Karajan gespielt.


    Die METAMORPHOSEN gehören schon seit sehr früher Zeit zu den mir liebsten Kompositionen von Richard Strauss, und haben seither diesen Rang unangefochten gehalten. Von den nicht wenigen Aufnahmen dieses Werkes, die ich seither habe oder gehört habe, sind mir drei sehr am liebsten, die gegensätzlicher kaum sein könnten.


    Die erste, von manchen als zu klangschön empfundene, stammt von Herbert von Karajan und den Berliner Philharmonikern:



    Die höre ich trotz der bei Karajan üblichen Weichzeichnung, welche die Partitur aber gut verträgt, schon deswegen am liebsten, weil sie mit dem anderen großen Alterswerk von Richard Strauss, den von Gundula Janowitz hinreißend gesungenen VIER LETZTEN LIEDERN, und zudem mit dem frühen Komplementärwerk TOD UND VERKLÄRUNG op. 24 gekoppelt sind. Da die Lieder eigentlich Pflichtprogramm für jeden sind, der Orchesterlieder und großartige Stimmen liebt, wird diese Aufnahme nicht nur bei Anhängern des Dirigenten, sondern auch bei vielen Liebhabern des Komponisten am häufigsten zu finden sein, und nur wenige dürften bereuen, sie zu besitzen.


    Natürlich gehört, wie bei eigentlich allen Instrumentalwerken von Richard Strauss, die Einspielung von Rudolf Kempe mit der Staatskapelle Dresden zu den besonders empfehlenswerten. Inzwischen gibt es sie auch in einer sehr günstigen und unbedingt erstrebenswerten Brillant-Box. Ich habe noch die älteren EMI-Boxen, die auch in Einzelauskopplungen günstig zu haben sind:



    Allerdings finde ich da die Kopplung ausgerechnet mit dem TILL EULENSPIEGEL und den Walzerfolgen aus dem ROSENKAVALIER absolut unverständlich. Ich jedenfalls mag diese grundverschiedenen Stücke und Stimmungen nicht hintereinander hören. Dafür aber ist Kempe kaum verantwortlich zu machen, wohl aber für die poetische Anmutung, die das Werk bei völliger Durchhörbarkeit der instrumentalen und thematischen Strukturen unter seiner Stabführung erreicht.


    Meine erste und bs heute hoch geschätzte Aufnahme des Werkes steht dazu in einem fast strengen Gegensatz, der das Gewichtige des Werkes hervorkehrt ohne seine melancholische Grundstimmung zu leugnen. Otto Klemperer, der auf dieser Aufnahme das New Philharmonia Orchestra dirigiert, war niemand, der außermusikalische Bezüge gelten ließ, und konzentriert er sich auf die Entwicklung der Themen, die wie einsame Wanderer, welche sowohl den TRISTAN als auch die ARABELLA kennen, aufeinander treffen, zu einer kleinen Gruppe zusammenwachsen, und nach einem kurzen Aufbäumen in einem heftigen Agitato wieder in die resignative Melancholie des ursprünglichen Adagio zurück sinken.



    Auch Klemperers Aufnahme hat den großen Vorteil, in TOD UND VERKLÄRUNG den idealen Kompagnon zu haben. Da noch eine hervorragende Aufnahme von Gustav Mahlers neunter Sinfonie mitgeliefert wird, ist auch diese Aufnahme rückhaltlos mindestens all denen zu empfehlen, die den Mahler noch nicht haben sollten.


    Ob das vielleicht dazu anregt, sich hier wieder mit dem Werk selbst zu beschäftigen?


    :hello: Jacques Rideamus

  • Kammermusikalisch, ohne unnotierte Mehrfachbesetzungen, außerordentlich transparent, nicht schwerer, als eh schon die Partitur die Geschütze auffährt:
    Previn mit einem gestrichen Maß an Wienern.


    Leider nur noch antiquarisch zu haben.






    audiamus



    .

  • Über dieses wunderbare Alterswerk wurde schon viel gesagt. Was mir noch fehlt, ist die beschäftigung mit dem Particell (für 7 Solostreicher - je zwei Violinen, Violen und Celli sowie ein K'baß), das der Solocellist des (leider ehemaligen) Wiener Streichsextetts, Rudolf Leopold, "ausgegraben" hat.


    Diese Fassung, die das Wiener Streichsextett mit Alois Posch am K'baß gelegentlich aufgeführt hat, zeichnet sich durch besondere Transparenz, gepaart mit gefühlvollem Musizieren aus und hat mich noch tiefer berührt als die Originalfassung.


    Das andere Extrem bot wieder einmal Karajan, der die Metamorphosen mit vergrössertem Streicherapparat im Musikverein aufführte. Hatte auch seinen Reiz, aber die Originalfassung (Hörgewohnheit?) ziehe ich eindeutig vor.

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • Angeregt durch eine Radioaufzeichnung des Eröffnungskonzertes zum diesjährigen Richard-Strauss-Festival Garmisch-Partenkirchen im Rahmen des ARD-Radiofestivals wollte ich eigentlich etwas ausführlicher über Strauss Metamorphosen (Studie für 23 Solostreicher) und verschiedene Aufnahmen (Kempe, Barbirolli, Karajan) schreiben. Da ich jedoch nicht weiß, ob, wann und wie ich in der nächsten Zeit dazu komme, möchte ich hier alle Interessierten auf o.g. Eröffnungskonzert aufmerksam machen: Gespielt wurden im ersten Teil eben jene Strauss'schen Metamorphosen von der Akademie für alte Musik(!), auch bekannt als AkAMus, unter der Stabführung der aktuellen Richard-Strauss-Festival-Leitung Alexander Liebreich. Das Besondere an der Aufnahme, die hier noch bis zum 16.09.2018 nachzuhören ist, dass die AkAMus natürlich auf ihren historischen Instrumenten mit Darmsaitenbespannung spielt. Tatsächlich ist dies für die Metamorphosen im ersten Eindruck recht gewöhnungsbedürftig, bekommt jedoch nach mehrmaligem Hören einen ganz besonderen kammermusikalischen Charakter, der eher an ein Streichquartett, denn an 23 Solo-Streicher gemahnt. Insofern ist diese Interpretation ungewollt vermutlich näher an dem oben von Milletre genannten Particell, als alles andere, was an gängigen Aufnahmen auf dem Markt zu finden ist.


    (Alle externen Links zuletzt aufgerufen am 22.08.2018)

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

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  • Guten Morgen Michael, danke für die Hinweise. Ich habe mir die Metamorphosen angehört, obwohl das vielleicht nicht die Musik ist für einen erwachenden Tag. Die Begründungen des Dirigenten Alexander Liebreich für historische Streichinstrumente haben mich zwar überzeugt, das das Resultat aber nicht so sehr. Ich vermisse Farbe und Tiefe wie bei den meisten traditionellen Besetzungen. Da spielt der Karajan, den ich via Spotify gleich mal gegenhöre, doch in einer anderen Liga. Obwohl mir sein Vortrag etwas gelackt erscheint, ist da mehr Strauss drin. Allerdings kann ich nicht sicher beurteilen, ob er - wie von Milletre kritisch vermerkt - auf dieser Einspielung der DG den Apparat auch erweitert hat. Ich vermute aber mal - nicht.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Guten Morgen Michael, danke für die Hinweise. Ich habe mir die Metamorphosen angehört, obwohl das vielleicht nicht die Musik ist für einen erwachenden Tag. Die Begründungen des Dirigenten Alexander Liebreich für historische Streichinstrumente haben mich zwar überzeugt, das das Resultat aber nicht so sehr. Ich vermisse Farbe und Tiefe wie bei den meisten traditionellen Besetzungen. Da spielt der Karajan, den ich via Spotify gleich mal gegenhöre, doch in einer anderen Liga. Obwohl mir sein Vortrag etwas gelackt erscheint, ist da mehr Strauss drin. Allerdings kann ich nicht sicher beurteilen, ob er - wie von Milletre kritisch vermerkt - auf dieser Einspielung der DG den Apparat auch erweitert hat. Ich vermute aber mal - nicht.

    Mir erging es beim ersten Hören ähnlich. Allerdings bleibe ich dabei, dass die AkAMus-Aufnahme nach und nach gewinnt. Und was die Spieltechnik angehnt, höre ich da im Vergleich z.B. zu Karajan/BP keinen Klassenunterschied ;) Wie schon oben angedeutet, habe ich in den letzten Tagen ein paar verschiedene Aufnahmen gehört und tatsächlich empfinde ich die Einspielung unter Karajan mit den BPO (aus 1971?), welche hier im Thread ja meistensteils gelobt wird, im Vergleich vor allem zu Kempe und der "Wunderharfe" eher als schwach: Karajan setzt m.E. zu wenig Akzente und das Ganze klingt ein wenig "vermatscht" (Barbirolli liegt irgendwo dazwischen, näher zu Kempe, denn zu Karajan) - Leider fehlt mir grad die Zeit, meine Eindrücke an einigen markanten Beispielen zu verdeutlichen. Bei Kempe spüre ich deutliche Emotionalität, keine Spur von "Gelacktheit"; fast, dass er das Werk in die Nähe von Wagners Tristan-Vorspiel & Liebestod rückt. Ein Vergleich, der mir sowieso sehr naheliegend erscheint (mehr, als etwa der zu Barbers Adagio for strings). Vielleicht schaffe ich es heute abend, in die alternative Kombination Karajan/WP hineinzuhören



    Um jedoch nochmals auf die AkAMus-Variante zurückzukommen, so stimmt es einerseits, dass hier in einem gewissen Sinne weniger Farben und Tiefe zu Verfügung stehen, der Interpretation "fehlt" dadurch natürlich das Schwelgerische. Auf der anderen Seite gewinnt das Stück für mich durch das Transparente teils unvermittelt Schroffe - einzelnen Stimmen lassen sich bis in Details hinein verfolgen - insbesondere vor dem werkhistorischen Hintergrund seiner Entstehung (Kriegsende, Zerstörung, Münchner Nationaltheater etc.) an Ehrlichkeit und Plausibilität. Klar ist jedenfalls, das AkAMus hier nicht um des HIPen Selbstzwecks oder der Selbstdarstellung Willen (vgl. etwa die aktuelle Diskussion im Currentzis-Thread), sondern mit einem spürbaren Anliegen an das Werk musiziert. - Wobei, es wäre natürlich auch spannend, was Currentzis aus den Metamorphosen machen würde ...

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.