Oh hätt ich meiner Tochter nur geglaubt - Carl Orff: Die Kluge

  • Liebe Forianer


    Die Geschichte von dem König und der klugen Frau ist ein uralter Stoff, bekannt in unzähligen Fassungen.Orff wählt für seine Oper die Fassung der Gebrüder Grimm "Die kluge Bauerntochter"
    Der Text ist vom Komponisten, die Strolche sind seine Hinzufügung.


    Interessant ist , dass Orff hier seine individuelle Tonsprache in geradezu idealer Form mit dem Inhalt des Werkes verknüpft hat.
    Egal ob man die Musik mehr oder weniger liebt, man kann sich ihrer Faszination nicht entziehen, weil sie eine geradezu hypnotische Wirkung ausübt, zumindest auf mich. (und das obwohl ich das Werk nur von CD her kenne) Es ist wahrscheinlich die schon von der Carmina Burana her bekannte Mischung von Derb-Volkstümlichen und lyrisch-zarten Passagen gewürzt durch "exotische" Klangelemente.


    Die Uraufführung fand am 18. Februar 1943 in Frankfurt statt, somit ist "die Kluge" das "modernste" Werk in meiner Sammlung. =)


    Mir liegt die Oper in einer Aufnahme von Berlin Classics aus dem Jahre 1976 unter Herbert Kegel vor, die ich für (mangels an mir bekannten Alternativen ??) maßstäblich halte.



    Ich habe für Euch gestöbert und die DOPPEL-CD bei Amazon um 9.99 Teuro gefunden.
    Ein Werk für alle Opernfreunde, die sich an der "Carmina Burana" bereits "sattgehört" haben..... :)


    Freundliche Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich kaufte Orffs "Kluge" in der Koppelung mit "Der Mond" Anfang der 90er Jahre in einer Aufnahme der Ariola eurodisc, die mittlerweile als BMG firmiert. Carl Orff hat in beiden Aufnahmen Regie geführt. Das Münchner Rundfunkorchester - das jetzt im wahrsten Sinne eingestampft werden soll (ein eigenes, skandalöses Thema) - spielt unter Kurt Eichhorn - mit den Solisten Lucia Popp, Frick, Th. Stewart bzw. van Kesteren, Crass. Hier erlebt man den nicht allzu häufigen Fall, daß ein Komponist die Interpretation seines Werks absegnete.
    Ich erinnere mich an eine weitere exzellente Aufnahme der EMI unter Sawallisch mit Schwarzkopf, Prey, Kusche, Frick, Neidlinger, die wohl aus den späten 50er Jahren stammt. Auch diese Aufnahme wurde von Orff authorisiert.


    Florian

  • Die Einspielungen der beiden Opern von Wolfgang Sawallisch werden nicht so leicht zu überbieten sein. Sie sind besser als die von Eichhorn, der dafür den besseren Klang bietet. Die Kluge von Kegel kenne ich persönlich nicht, weiß aber, dass die LP-Version in audiophilen Kreisen sehr geschätzt wird, da sie eine der klanglich spektakulärsten Opernaufnahmen sein soll.


    Ciao

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Über die Aufnahme der "Klugen" läßt sich wohl nicht mehr diskutieren.


    Die Einspielung unter Wolfgang Sawallisch ist eine absolute Referenz=


    Aufnahme, die wohl nie wieder erreicht wird.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Hallo zusammen,


    meint ihr diese Aufnahme, die inzwischen recht preiswert zu haben ist?


    Carl Orff (1895-1982)
    Die Kluge


    Elisabeth Schwarzkopf, Marcel Cordes, Gottlob Frick,
    Georg Wieter, Philharmonia Orchestra, Wolfgang Sawallisch
    Label: Line , AAD/m, 1956




    Bei EMI sieht sie wohl so aus


    Carl Orff (1895-1982)
    Die Kluge
    +Der Mond
    Cordes, Frick, Schwarzkopf, Wieter (Kluge) & Christ, Schmitt-Walter, Graml, Hotter (Mond),
    Philharmonia Orchestra, Sawallisch
    Label: EMI , ADD, m




    :hello:


    Elisabeth

  • Ja, das ist die Aufnahme die nicht übertroffen werden kann, und für Interessenten dieses in der Opernliteratur einzigartig dastehenden Werk's ein Anschaffungsmuß.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Leider muss man noch einige Jährchen warten, bis man auch das EMI-Komplettpaket incl. dem Mond nach Auslaufen des Urheberrechts so günstig bekommen kann...


    :hello:
    Stefan

    Viva la libertà!

  • Wozu jammern? Die EMI-Box ist doch auch sehr günstig und man bekommt zu den beiden Opern noch ein ordentliches Textbüchlein mitgeliefert...

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Na ja, für eine hautsächlich urheberrechtsfreie Aufnahme ist es schon noch recht teuer im Mittelpreisbereich und für Mono eben auch...


    Außerdem hast Du wohl kein Anwärtergehalt :wacko: :rolleyes:


    :hello:
    Stefan

    Viva la libertà!

  • Hallo Stefan


    Da bin ich nicht deiner Meinung. Du bekommst bei der EMI für nicht einmal 20 Euro zwei Opern in Referenzaufnahmen und erstklassigen Transfers. Dazu eine ordentliche Box und ein recht umfangreiches Büchlein mit den Libretti. Wenn das nicht 10,-- pro Scheibe Wert ist, dann weiß ich nicht, welchen Wert Musik überhaupt noch hat.


    Wenn du Die Kluge alleine bei einem Billiglabel etwas günstiger bekommen kannst, wirst du kaum irgendwelche Zusatzinformation und schon gar nicht ein Libretto dabei haben. Außerdem solltest du bedenken, dass die Aufnahme selbst zwar frei ist, das Label aber natürlich nicht einfach die EMI-CD kopieren konnte, sondern einen Transfer von einer alten LP machen musste (ich glaube nicht, dass die sich die Lizenzgebühren geleistet haben, um eine Originalkopie bei EMI zu kaufen). Du bekommst daher auch noch etwas reduzierte Qualität. Ist das die zwei oder drei Euro Ersparnis Wert? Und wie kommst du dann in absehbarer Zeit überhaupt an den Mond?


    Für solche Schätze muss man halt eine andere CD aufs nächste Monat verschieben, wenn es auch schwer fällt.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


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  • Hallo Theo,


    Zitat von Theophilus

    Dazu eine ordentliche Box und ein recht umfangreiches Büchlein mit den Libretti. Wenn das nicht 10,-- pro Scheibe Wert ist, dann weiß ich nicht, welchen Wert Musik überhaupt noch hat.

    Man gewöhnt sich wohl langsam an die Dumpingpreise bei älteren Aufnahmen...



    Zitat

    ...etwas reduzierte Qualität. Ist das die zwei oder drei Euro Ersparnis Wert? Und wie kommst du dann in absehbarer Zeit überhaupt an den Mond?

    Ja, da hast Du Recht - die Klangqualität bei diesen Label ist teilweise suboptimal; und der Mond das eigentlich Problem, dem ich hinterher trauere und der mich eventuell doch schwach werden lässt...


    :hello:
    Stefan

    Viva la libertà!

  • Bitte Vorsicht vor der EMI-Box unter Sawallisch!
    Da wird zwar mit großen Namen geglänzt, aber große Namen und Verständnis für Orffs spezifischen Deklamationsstil sind mitunter zweierlei. Abgesehen davon ist der "Mond" in einer früheren Fassung enthalten. Der einzige "Mond" in der letzten Fassung ist meines Wissens nach der unter Eichhorn.


    Womit wir beim Thema sind. Wenn es nicht unbedingt preisgünstig zugehen muß: Zu Eichhorn greifen! Auch bei der "Klugen" (obwohl die Kegel-Aufnahme blendend ist, IMO weit besser als Sawallisch). Und so arg teuer ist der Eichhorn ja auch wieder nicht.



    Der Vorteil bei Eichhorns "Kluger" ist natürlich Lucia Popp, die bei weitem natürlicher singt als die Schwarzkopf. Schließlich haben wir es mit der schlauen Tochter eines Bauern zu tun, nicht mit einer parfümierten noblen Frau Gräfin, die ihre Berater fragt, was sie machen soll. Dazu Thomas Stewart als König - besser geht's nun wirklich nicht. Glänzende Dialogregie in den Sprechszenen und der von Eichhorn mit wirklichem Biß dirigierte Orchesterpart tun ein Übriges, daß die Sawallisch-Aufnahme dagegen nur noch nett und etwas edel-verstaubt wirkt.
    Im "Mond" fällt der Vergleich übrigens noch deutlicher zugunsten Eichhorns aus...


    :hello:

    ...

  • Lieber Edwin,


    ich finde die Sawallisch-Aufnahme trotz Deiner Einwände, die ich nicht teilen kann, optimal, das heißt, unübertrefflich.


    :hello: Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Lieber Herbert,


    sicher, wenn man ein Schwarzkopf-Fan ist, ist das die ideale Aufnahme.
    Wenn man ein Orff-Fan ist (so wie ich), greift man besser zu Eichhorn oder Kegel... :D


    :hello:

    ...

  • Lieber Edwin,


    es geht in der Aufnahme nicht nur um Schwarzkopf, die allerdings in ihrem tranceartigen Gesang berückend klingt. Auch der König von Marcel Cordes ist in seiner süffisant vorgetragenen Rätselszene und auch in seinen komischen Wutausbrüchen der Idealfall für diese Rolle. Das ist keinesfalls ein Heldenbariton. Alle kleineren Partien sind auch optimal besetzt. Das ist zwar nicht nur meine Meinung, aber Du darfst natürlich, wie meistens, eine andere
    Meinung haben. :D


    :hello: Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Lieber Herbert,


    tranceartig ist der Gesang von der Schwarzkopf. Es ist nur die Frage, ob das von Orff so gewollt ist. Ich halte es für ein Mißverständnis. Orffs Deklamation kommt nicht von tranceartigen Zuständen, sondern vom gesteigerten Sprechen. Die Popp versteht das sehr genau und differenziert ihre Deklamation auch dann, wenn es im Wesentlichen eine Ein-Ton-Rezitation ist. Daher ist die Rätselszene in einem anderen Tonfall gesungen als der Dialog mit dem Maulesel-Mann, das Schlaflied und das Erwachen des Königs.
    Bei der Schwarzkopf stimmt meiner Meinung nach nicht einmal das Schlaflied, denn nicht die Kluge schläft (in Trance), sondern sie singt den König in Schlaf, sie hypnotisiert ihn geradezu. Nicht der Hypnotiseur ist in Trance sondern der Hypnotisierte. Das bringt die Popp meiner Meinung nach ausgezeichnet herüber, während die Schwarzkopf auf mich nach gelangweilter höheren Tochter klingt. Man vergleiche nur den Jubel der Popp am Schluß und das auf kühlen Schöngesang bedachte artifizielle Intevalldurchmessen der Schwarzkopf.


    Wenn es um Cordes geht - nun, da fragt sich, wie man den König sieht. Cordes ist gar nicht schlecht, für mich aber zu sehr der Polterer des älteren Typus. Stewart hingegen legt den König als fast etwas lüsternen Beinahe-Psychopathen an, was meinem Gefühl eher entgegenkommt.


    Die kleineren Partien sind bei Sawallisch gut besetzt, zweifellos. Aber im Dialog erscheinen sie mir etwas bieder und blaß, während bei Eichhorn der Dialog erstaunlich scharf klingt (was sicher auch daran liegt, daß Orff bei der Eichhorn-Aufnahme als Berater mitgewirkt hat - und er hat sie auch autorisiert, und das trotz seines sehr guten Verhältnisses zu Sawallisch).


    Womit eben Sawallisch insgesamt für mich zu einer braven, biederen netten Aufnahme wird, alles sehr schön und richtig, während bei Eichhorn doch sehr vitales und anspringendes Musiktheater gemacht wird. Aber es ist mir schon klar, daß man auch für den "schöneren" Sawallisch schwärmen kann. Schlecht ist seine Einspielung ja nun wirklich nicht!


    :hello:

    ...

  • Die Sawllisch-Aufnahme ist immerhin vom Komponisten autorisiert. Ich glaube, die Eichhorn-Aufnahme auch, also haben wohl beide ihre Meriten. Zum Glück sind nicht alle Aufnahmen gleich.


    :hello: Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Vor einigen Jahren habe ich die Oper im Düsseldorfer Opernhaus gesehen - eine wunderschöne Inszenierung, hervorragend gesungen. Schade, dass diese Oper so selten auf der Bühne realisiert wird! (In meinem Fall übrigens in Kombination mit Puccinis "Gianni Schicchi")


    1974 brachte das Deutsche Fernsehen die "Kluge" als Aufführung des Münchener Marionettentheaters (Regie: Rudolf Dumont du Voitel) - eine sehr gelungene Puppenspiel-Inszenierung nicht nur für Kinder! Als Soundtrack wurde übrigens die Tonaufnahme von 1970 unter Kurt Eichhorn verwendet, bei dessen Einspielung übrigens Carl Orff selbst Regie geführt hat)


    Diese Marionetten-Inszenierung ist später übrigens auch als VHS und dann als DVD erschienen - interessanterweise unter Verwendung des Sondtracks der Sawallisch-Aufnahme von EMI (vermutlich aus irgendwelchen Urheberrechts-Gründen). Leider ist diese DVD inzwischen wieder aus den Katalogen der Händlerfirmen verschwunden.

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Hallo Herbert,

    Zitat

    Die Sawllisch-Aufnahme ist immerhin vom Komponisten autorisiert.


    Oh weh, jetzt kommt eine Wortklauberei, die mir gar nicht liegt, aber im Fall Orff mitunter sein muß.
    Also: Auf meiner EMI-Aufnahme (Schallplatte) ist vermerkt: "Aufgenommen in Anwesenheit des Komponisten". Was logisch ist, da Orff ja mitgewirkt hat (er spricht den Einleitungssatz "Die Geschichte..." und den Schlußsatz "Das war die Geschichte..."). Eine Autorisierung ist auf meiner Aufnahme jedoch nicht vermerkt. Kann sein, daß die EMI später die Anwesenheit des Komponisten stillschweigend in eine Autorisierung verwandelt hat, aber das weiß ich nicht und will ich auch nicht unterstellen.


    Expressis verbis autorisiert ist nur die Eichhorn-Aufnahme.


    Orff gab seine Autorisierungen ausschließlich jenen Aufnahmen, die er als in jedem Punkt in seinem Sinn gültig eingestuft hat. Das ist bei "Carmina", "Mond", "Kluge", "Ludus de nato" und "Christi resurrectione" Eichhorn, bei "Antigonae", "Trittico" und "Prometheus" Leitner, beim "Oedipus" Kubelik.
    Mehrfache Autorisierungen hat er meines Wissens nach nicht vergeben.


    :hello:

    ...

  • Zitat von Edwin Baumgartner

    Orff gab seine Autorisierungen ausschließlich jenen Aufnahmen, die er als in jedem Punkt in seinem Sinn gültig eingestuft hat. Das ist bei "Carmina", "Mond", "Kluge", "Ludus de nato" und "Christi resurrectione" Eichhorn, bei "Antigonae", "Trittico" und "Prometheus" Leitner, beim "Oedipus" Kubelik.
    Mehrfache Autorisierungen hat er meines Wissens nach nicht vergeben.


    Lieber Edwin,


    er autorisierte auch die (vorzügliche) Jochum-Aufnahme der Carmina Burana. :hello:


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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  • Soweit mir bekannt ist autorisierte Carl ORFF alles was ihm unter die Finger kam - und er hatte aus meiner Sicht allen Grund dazu:


    Einerseits ist nicht vielen Komponisten des 20. Jahrhunderts zu Lebzeiten von Publikum und Schallplattenindustrei soviel Wohlwollen und Symathie entgegengebracht worden wie gerade Carl Orff (Ich oute mich hiemit als Orff-Anhänger)
    Andrerseits sind die meisten mir bekannten Aufnahmen wirklich vorzüglich - trotzt Edwins Einwänden. So möchte ich beispielsweise behaupten, Hypnotiseur UND Hypnotisierter sind in einer Art Trance, anders kann es gar nicht funktionieren.


    Orff freute sich über jede Einspielung - einerseits der Tantiemen wegen, andererseits auch wegen der verschiedenen Deutungen seiner Kompositionen. Hierin war er Richard Strauß nicht unähnlich, der ebenfalls jeden Dirigenten, der seine Werke einspielte über alle Maßen lobte.......


    Ich besitze übrigens Die Kegel- und die Sawallisch-Aufnahme


    Die Kegel-Aufnahme war meine erste, somit prägende.
    Eigentlich war nicht geplant eine weitere Version anzuschaffen, aber wider Erwarten war ich vom Werk begeistert - und außerdem wollte ich die legändere Sawallisch-Aufnahme besitzen.
    Sie wurde keine Enttäuschung - jede der beiden Aufnahmen hat ihre Meriten - aber sie konnte dennoch die Kegel-Aufnahme nicht aus meinem Herzen verdrängen, die ich hiermit nachdrücklich empfehle...


    mfg aus Wien


    Alfred



    PS: Die Sawallisch-Aufnahme (zumindest in der originalen EMI Ausagebe) ist STEREO, und keineswegs MONO. Ich weise ferner darauf hin, daß die Klangqualität von Aufnahmen der späten 50er/frühen sechziger Jahre immer besser sein muß, wenn man (intakte) Masterbänder zur Verfügung hat. Wenn von einer bestehenden Langspielplatte überspielt wird, dann kommen Störgeräusche dazu bzw die Dynamik sinkt, wird jedoch von einer CD abgekupfert, welche neu remastert ist, dann wird das Urheberrecht verletzt (nämlich des Tontechnikers) !!!!

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber Alfred, lieber Felipe,


    Orff autorisierte keineswegs, was ihm unter die Finger kam. Er autorisierte dann, wenn er in einer Art beratenden Funktion mitarbeitete oder wenn die Aufnahme zumindest zu seinen Bedingungen entstand. (Etwa bei der "Antigonae" Leitners, bei der erstmals tatsächlich sechs Klaviere verwendet wurden - ausführbar wäre der Part der Klaviere auch mit vier Instrumenten, und so wurde es in allen Aufführungen bis dahin auch gehandhabt.)


    Felipe hat die einzige Ausnahme einer doppelten Autorisierung gefunden - die "Carmina". Genau genommen ist es in diesem Fall sogar eine dreifache Autorisierung. Oder doch auch nicht wirklich. Nämlich:
    1) Jochum. Orff war mit dieser Aufnahme wirklich glücklich - wer sie kennt, kann sich vorstellen, warum. Es ist die Aufnahme, die Maßstäbe setzt.
    2) Leitner. Orff autorisiert nicht expressis verbis die "Carmina", sondern die Einspielung der "Trionfi", bekanntlich bestehend aus "Carmina burana", "Catulli carmina" und "Trionfo di Afrodite". Damit sind die Leitner-"Carmina" mitautorisiert, obwohl ich vermute, daß es Orff eher um die endlich geglückte Umsetzung seines damaligen Schmerzenswerkes "Trionfo" ging, den Karajan ja bei der Uraufführung grausam verstümmelt hatte, wie man in Orffs autobiografischen Schriften nachlesen kann.
    3) Eichhorn. Orff stellte sich voll hinter diese Einspielung, die in Zusammenhang mit einer filmischen Umsetzung durch Jean-Pierre Ponnelle entstand.


    Orff autorisierte also auch im Fall der "Carmina" nicht wirklich mehrfach, sondern er autorisierte drei Aspekte: Reine Schallaufzeichnung der "Carmina" (Jochum); "Carmina" im Verband mit den beiden anderen "Trionfi"-Werken (Leitner); "Carmina" in optisch-akustischer Aufzeichnung (Eichhorn/Ponnelle).
    Meines Wissens nach ging Orff sogar soweit, Mutis "Carmina"-Aufnahme nicht zu autorisieren, weil er bereits die Jochums autorisiert hatte und eine doppelte Autorisierung einer reinen Schallaufzeichnung vermeiden wollte.


    Weshalb er die Sawallisch-"Kluge" nicht autorisiert hat, weiß ich nicht. Prinzipiell hätte er allen Grund dazu gehabt: Er wirkte selbst mit, er überwachte die Dialogregie (über das Ergebnis kann man geteilter Meinung sein), am Pult stand ein Spezl aus Bayern, mit dem Orff eine lebenslange Freundschaft verband. Orff muß also mit irgendeiner anderen Facette der Einspielung unzufrieden gewesen sein.


    :hello:

    ...

  • Bei den "Carmina Burana" gibt es noch die Sawallisch-Aufnahme (EMI, mono, 1957), an deren Ende (CD-Fassung) sich noch eine Ansprache Orffs vor versammelter Mannschaft anschließt, in der er allen Mitwirkenden in geradezu überschwenglicher Weise für die geleistete Arbeit dankt. Trägt die Aufnahme dann also auch Orffs "seal of approval"? Wobei das für mich auch nicht immer ein gültiger Qualitätsmaßstab ist. Bei der "Antigonae" finde ich den Uraufführungsmitschnitt unter Fricsay viel spannender und stimmlich weit besser besetzt als die wiederum sehr gut klingende Leitner-Studioaufnahme.


    Beim Eichhornschen "Mond" ragt für mich vor allem der Erzähler John van Kesteren heraus, dessen Kopfstimme geradezu seraphisch schön klingt.


    :hello:


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Hallo Giselher,


    offenbar dankt er, autorisiert aber nicht.
    Ein guter Bekannter Orffs erzählte mir einmal, Orff sei extrem heikel gewesen nicht nur in Bezug auf die richtigen Noten sondern noch mehr in Bezug auf Stimmfärbungen und Vortragsweise. Es gab Aufführungen, die er gut fand, die er aber wegen irgend eines Details nicht als "werkdeckend" empfand.


    So war es mit der "Antigonae"-Uraufführung: Sie fand nach Orffs Empfinden im falschen Haus statt, hatte nicht die volle Besetzung des Instrumentariums, war gekürzt - und nicht mit den Sängern besetzt, die Orff haben wollte. Daher opponierte Orff gegen diese Aufführung so scharf wie sonst nur noch gegen die Karajan-"Trionfi" in Mailand (Quelle ist Orffs mehrbändige Autobiographie).


    Die erste "Antigonae", die Orff als gültig emfand, war die Stuttgarter Aufführung (die auch auf CD vorliegt), bei der aber ebenfalls nur 4 Klaviere zum Einsatz kamen.


    Erst als Leitner dann bei der DG-Aufnahme die volle Besetzung von Klavieren und Schlagzeugen zur Verfügung stand, hörte Orff den Klang seines Orchesters so, wie er ihn sich in allen Details vorgestellt hatte. Und er bekam es mit Sängern zu tun, die sich seinen Vorstellungen von Deklamation anpaßten.
    Das dürfte zur Autorisierung geführt haben - obwohl meiner Meinung nach ebenfalls Fricsay, aber auch Solti und Leitner/Stuttgart, um Klassen spannender sind als die für meinen Geschmack etwas trockene DG-Aufnahme.
    Man darf dabei aber auch nicht übersehen, daß zu Lebzeiten Orffs diese Opernhaus-Mitschnitte in Archiven lagen und nicht zugänglich waren. Auf dem Tonträgermarkt zählten nur die "legal" im Studio gemachten Aufnahmen. Wenn Orff also eine "Antigonae"-Aufnahme autorisieren wollte, blieb ihm keine andere Möglichkeit als Leitner/DG.
    Bei "Carmina burana", "Mond" und "Kluge" allerdings hatte Orff eine größere Wahlmöglichkeit.


    :hello:

    ...

  • Ergänzend zu meinem gestrigen Posting: Das Marionettenspiel "Die Kluge" aus München wird von "OperaShare" als Video zum Download angeboten. Die Aufnahme kommt aus Italien und ist mit italienischen Untertiteln versehen. Als Tonaufnahme liegt die Eichhorn-Aufnahme dem Puppenspiel zugrunde.


    Übrigens... Orffs "Der Mond" steht als Puppenspiel auf dem Spielplan des Düsseldorfer Marionettentheaters (ebenfalls unterlegt mit der Einspielung unter Eichhorn)


    GiselherHH
    - erstaunlich, dass Dir die Stimme von John van Kesteren als Erzähler in dieser "Mond"-Aufnahme gefällt! In den mir bekannten Kritiken wurde das immer als Schwachpunkt bezeichnet. Umso mehr freue ich mich, dass ich mit meiner Meinung über Kesteren nicht allein stehe.

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Hallo Harald,

    Zitat

    Umso mehr freue ich mich, dass ich mit meiner Meinung über Kesteren nicht allein stehe.


    Dann sind wir schon zu dritt. Ich finde das schlechthin ideal gesungen. Das ist mit einer wundervollen ironischen Distanz im Ausdruck - und doch wie beschwörend, als würden alte Geheimnisse aus den Tiefen des Gedächtnisses hervorgeholt und einer verschworenen Gemeinschaft weitergesagt.

    Sollte man, um hier nicht zuviel Mond-Schau zu betreiben, diesem Werk vielleicht einen eigenen Thread widmen...?


    :hello:

    ...

  • Nur selten ergibt sich die Gelegenheit, Orffs Werk auf der Bühne zu sehen. Deshalb ist es dem Staatstheater Darmstadt hoch anzurechnen, dieses Werk neu herauszubringen:


    Die Kluge
    Die Geschichte von dem König und der klugen Frau |
    Text und Musik von Carl Orff
    Musikalische Leitung Lukas Beikircher |
    Inszenierung und Bühne
    John Dew |
    Kostüme José-Manuel Vázquez
    mit Serfling | Daum, Durst, Ehrke, Hönisch, Mehnert, Meyer,
    Porcher, Prytolyuk




    Premiere 31. Dezember | Großes Haus - Darmstadt
    (anschließend Dinner for One | Tanz bis in die Morgenstunden)

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Zitat

    ...
    Seit seiner Uraufführung 1943 erfreut sich das ebenso komische wie tiefsinnige, auch mit kritischen Passagen durchsetzte Stück weltweiter Beliebtheit.


    Nun, so beliebt scheint es doch wieder nicht zu sein, sonst wäre es nicht so selten auf der Bühne zu sehen. Der Grund könnte in der unglücklichen Länge liegen. Für einen ganzen Abend ist es etwas kurz und für eine Kombination mit einer anderen Oper wieder etwas lang....

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Nun, so beliebt scheint es doch wieder nicht zu sein, sonst wäre es nicht so selten auf der Bühne zu sehen.


    So stimmt das nicht ganz: "Die Kluge" war bis tief in die 60er-Jahre wirklich ein Renner, und zwar wirklich weltweit. (Man kombinierte mit dem "Mond", mit Strawinskijs "Oedipus", mit einem Ravel-Einakter und sogar mit "Gianni Schicchi".)
    Dann ist Orff allmählich aus der Mode gekommen, und damit hat auch "Die Kluge" an Boden verloren.


    Die Beobachtung von Theophilus' mit der unangenehmen Spieldauer stimmt freilich: "Kluge" allein macht einen sehr kurzen Abend. Und Kombinationen mit anderen Werken machen einen sehr langen Abend. Oder einen sehr ungleichgewichtigen Abend, denn natürlich kann man "Die Kluge" mit Menottis "Telefon" kombinieren oder mit Holsts "Savitri" - aber es haut dann von den Relationen her nicht hin. Etwa halbstündige Werke mit voller Orchesterbesetzung sind eben extreme Mangelware...
    :hello:

    ...

  • Zitat von Edwin Baumgartner

    ...
    So stimmt das nicht ganz: "Die Kluge" war bis tief in die 60er-Jahre wirklich ein Renner, und zwar wirklich weltweit.
    ...


    Und das ist, ob man es glaubt oder nicht ;) , vierzig Jahre her! Ich habe in meinem musikalischen Leben eine Inszenierung erlebt. Mal sehen, ob ich noch eine schaffe...

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


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