'Ja, fällt denen denn gar nichts mehr ein' - vom Unsinn und Sinn der Wiederholung

  • zugegeben, ein wenig zugespitzt formuliert ... aber für mich ein ernstes thema ..


    wie fast alle menuette (siehe dortigen thread) langweilen mich (die seelenlosen)wiederholungen ungemein ... und damit meine ich nicht kurze motive oder einige wenige takte, die wiederholt werden ,sondern die typische aba form etc.


    und noch etwas zugespitzter, wer kennt nicht das gefühl (hauptsächlich im barock und auch der klassik): endlich ist die arie oder das orchesterstück rum (wenn sie/es denn soweiso nicht ergreifend war oder gefallen hat) und dann gehts schon wieder los ... :stumm:


    deshalb die - sehr - ernst gemeinten fragen:


    1. was war sinn und zweck der wiederholung (zeitgewinn (aus 10 minuten mach 20) ; mangelnder einfall; oder sinnvolle kompositionsidee


    die anlehnung an die theologischen ursprünge des dreier- oder vierertaktes und eine diesbezgl aba-form etc. kann ich noch nachvollziehen, aber nur in der religiösen musik und gerade noch bis zur klassik ....


    2. wurden wiederholungen nur wiederholt (so wie heute fast generell; die krönung bei cds sind dann immer: anhängen des bereits aufgenommenen teils :kotz: )
    oder: - so könnte ichs nachvollziehen und goutieren - die ausschmückung, verzierung des vorherigen, eine variatio in tempo, ausdruck, gestaltung?


    wer weiß hier mehr im musikhistorischen/aufführungstechnischen bescheid?


    danke im voraus :hello:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • hallo,


    musik soll nicht langweilen ! wiederholungen geben dem auditorium die möglichkeit, sich mit dem material vertrauter zu machen. damals gab es ja noch keine 'konserven'. andererseits hat der interpret die möglichkeit, bei der wiederholung etwas an der dynamik und/oder phrasierung zu feilen.


    gruß, siamak

    Siamak

  • hallo, wenn er das denn täte ...


    denkst du wirklich, daß das der historische grund war? aber dann müßte doch (fast) alles wiederholt werden .... ein interessanter aspekt aber auf jeden fall ....


    lg
    jörg

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Salut,


    dazu gibt es verschiedenes zu sagen:


    Grundsätzlich haben sich die Formen so entwickelt, dass sie dem Publikum 'geläufig' waren. Beim Menuett z.B. werden Teil A und B im ersten Durchlauf wiederholt, dann folgt das Trio [ursprünglich spielten nur drei Instrumente oder drei Stimmen], ebenfalls aus zwei Teilen, die wiederholt werden. Danach wird der ganze Kram erneut ohne Wiederholungen und ohne das Trio gespielt. Der neueste Schrei ist aber, dass ALLES wiederholt wird - weil's so schön ist, sagt man. Das Publikum wusste also genau, was es zu erwarten hat - eben aus dem Grund ist ja Joseph Haydn für Überaschungseffekte bekannt geworden. Und an Einfällen hat es ihm bestimmt nicht gemangelt, bei 104 Sinfonien, rund 60 Quartetten, Klaviersonaten etc. kommt er schätzungsweise auf mindestens 200 Menuette. Ein Menuett wäre kein Menuett ohne die etablierte Form. Zudem würde die Musik aus den Fugen geraten, "zu viele Noten..." :D Man musste dem Publikum dosiertes Material füttern, damit es sich auf Neues freuen konnte und nicht nach einem Menuett bereits übersättigt war...


    Ebenso war die klassische Arie in der Opera Seria vorgeschrieben dreiteilig. Der Seria-Guru J. D. Heinichen warnte sogar 1712 ausdrücklich davor, in einer Oper auch nur eine einzige Melodie zu wiederholen [außer den Wiederholungen natürlich :D ].


    Bei den ausgeschriebenen [!] Wiederholungen der Barockzeit sollten, wie Du richtig gesagt hast, Auszierungen gespielt werden. Das sollte Sinn der Sache sein. Ich glaube Leclair war es, der dann damit anfing, diese Verzierungen auszuschreiben, da viele Spieler es ausliessen oder übertrieben. :D Daraus entstand dann quasi die "Variation".


    Die Wiederholungen im "klassischen Sinfonien" [Mozart, Haydn etc.] waren, das habe ich kürzlich erst gelesen, angeblich "ad libitum" [Mozart hat ja auch bei der Haffner die Wiederholungszeichen im 1. Satz gestrichen]. Allerdings habe ich für diese These noch keinen Beweis gefunden.


    Wiederholte Grüßle
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • hallo, ulli, ebenfalls sehr interessant, also lag es 'wirklich' am auffassungsvermögen des publikums, das man damit berücksichtigte...?


    ich hätte eher an den theolog. ursprung (aba) gedacht, der dann einfach auf alles übertragen wurde im laufe der zeit ...
    bleibt spannend das thema ...


    danke da capo :hello:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

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  • Es gibt bei Tovey eine großartige Stelle, wo er etwas überspitzt schreibt, dass man ja auch nicht den linken Gebäudeflügel abreißt, nur weil sich dort die gleiche Struktur wiederholt wie im rechten Teil :D
    Zwei Gründe, warum manche von uns sich vielleicht bei Wiederholungen langweilen:
    - Wir haben die Musik schon zigmal gehört, meist auf Konserve
    - Wir sind durch (spät)romantische und moderne Musik daran gewöhnt, dass es immer etwas verändert weitergeht (Gibts nicht von Schönberg einen Spruch in die Richtung? Jedenfalls lästern Schönberg, Adorno &Co regelmäßig über die "maschinenähnliche" Wiederholung von Motiven bei Strawinsky u.a.)


    Ich persönlich habe nur mit zwei Fällen manchmal leichte Probleme:


    -Doppelstrich.-Wdh. bei ohnehin schon sehr repetitiver Musik oder langen Sätzen, Hauptsünder hier Schubert, Bruckner schafft indes auch repetitiv zu sein mit ausgeschriebenen Wdh. :stumm: :D


    -Wdh. von Durchführung und Reprise. Ich weiß einfach nicht, ob Haydn und Mozart hier ein System haben; ich kann keins erkennen, aber ich glaube einfach nicht, dass Mozart gedankenlos in andante und Finale der Sinfonie #40 beide Teile wiederholen läßt, im Kopfsatz nur die Exposition. Dennoch ist, besonders in dramatischen Hauptsätzen oder Finali die erneute Wiederholung irgendwie unplausibel: Man hat ja Höhepunkt und Lösung des Dramas gehört, wieso das Ganze nochmal (für die Expo gilt das natürlich nicht.
    Ich glaube aber nicht, dass die Wdh. damals gemacht wurden, um eine erwünschte Länge zu erreichen, sondern eher aus Gründen wie Siamak sie nennt: Bei Arien und in einigen langsamen Sätzen wurden Wdh. vermutlich auch improvisatorisch verziert. Bei barocken Suiten, die ja eh für Hausmusik gedacht waren, konnte man soviele (variierte) Wdh. spielen, wie man Lust hatte (in der ersten Englischen von Bach wird das ja angedeutet)
    Bei Sonatensätzen glaube ich das jedoch nicht; hier dürften sie zur Verdeutlichung der Struktur und zum besseren Erfassen des Materials für das Publikum (denn diese Sätze sind ja meist die komplexesten) gedient haben.

    Wenn 2 min Menuett-Hauptteil nach dem Trio wiederholt werden, finde ich das völlig unproblematisch. Wenn die Musik gefällt und die Länge insgesamt nicht zu sehr ausgedehnt ist, warum nicht nochmal hören :D


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Drittes Hauptstück: Vom Vortrage


    §2


    Man kan durch die Verschiedenheit desselben einerley Gedancken dem Ohre so veränderlich machen, daß man kaum mehr empfindet, daß es einerley Gedancken gewesen sind.


    §31


    Das Probe=Stücke aus dem F-Dur ist ein Abriß, wie man heute zu Tage die Allegros mit 2 Reprisen das andere mahl zu verändern pflegt. So löblich diese Erfindung ist, so sehr wird sie gemißbrauchet. Meine Gedancken hiervon sind viele: Man muß nicht alles verändern, weil es sonst ein neu Stück seyn würde. [...] Alle Veränderungen müssen dem Affeckt des Stückes gemäß seyn. Sie müssen allezeit, wo nicht besser, doch wenigstens ebensogut, als das Original seyn. [...]



    C. Ph. E. Bach: "Versuch..."


    :jubel:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Wahrscheinlich stellt es sich doch wohl so dar, daß in den wirklich bedeutenden Werken die Wiederholungen nie um der Wiederholungen willen komponiert werden, um gewissermaßen das Werk auf die gewünschte Länge zu bringen. Mein erster Gedanke bei Lektüre dieses Threads gehörte den Goldbergvariationen. Zweifellos ein Gipfelpunkt der Klavierliteratur, dem ein meisterhafter Plan zugrundeliegen dürfte. Die dreißig Variationen werden von einer Arie und einer Aria da capo umrahmt, wobei niemand überhaupt auf den Gedanken kommen würde die Aria da capo als bloße sinnentleerte Wiederholung zu spielen. Die Mittelachse markiert Variation 16 (französische Ouvertüre), die gleichzeitig die zweite Hälfte des Werkes eröffnet. Alle Variationen, deren Zahl durch drei teilbar ist, sind mit Ausnahme von Nr. 30 kanonisch mit zwei streng imitatorischen Oberstimmen und einer freien Baßlinie und und und. Hat denn der Interpret in einem derartig stimmigen Werk überhaupt noch die Wahl die Wiederholungen nicht zu spielen? Ich meine nein!

  • Zitat

    Original von tom
    Wahrscheinlich stellt es sich doch wohl so dar, daß in den wirklich bedeutenden Werken die Wiederholungen nie um der Wiederholungen willen komponiert werden, um gewissermaßen das Werk auf die gewünschte Länge zu bringen. Mein erster Gedanke bei Lektüre dieses Threads gehörte den Goldbergvariationen. Zweifellos ein Gipfelpunkt der Klavierliteratur, dem ein meisterhafter Plan zugrundeliegen dürfte. Die dreißig Variationen werden von einer Arie und einer Aria da capo umrahmt, wobei niemand überhaupt auf den Gedanken kommen würde die Aria da capo als bloße sinnentleerte Wiederholung zu spielen. Die Mittelachse markiert Variation 16 (französische Ouvertüre), die gleichzeitig die zweite Hälfte des Werkes eröffnet. Alle Variationen, deren Zahl durch drei teilbar ist, sind mit Ausnahme von Nr. 30 kanonisch mit zwei streng imitatorischen Oberstimmen und einer freien Baßlinie und und und. Hat denn der Interpret in einem derartig stimmigen Werk überhaupt noch die Wahl die Wiederholungen nicht zu spielen? Ich meine nein!


    Natürlich wird niemand die Aria da capo weglassen (hoffentlich...). Aber die Aria und (soweit ich weiß) jede einzelne Variation (wie in fast allen Variationszyklen) hat die Form //:A://:B:// D.h. hier kann man alle möglichen Wiederholungen spielen oder weglassen (Gould läßt die meisten weg, aber auch nicht alle)


    viele Grüße


    JR

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    (Bob Dylan)

  • Salut,


    schwierig wird es dann, eine Wiederholung auszulassen, wenn es eine Klammer 1 und 2 gibt = null Chance.


    :P


    Aber warum sollte man überhaupt die Wiederholungen weglassen? Wir haben doch Zeit im Konzert... oder? Außerdem kann man manches nicht oft genug hören... Die Repeat-Taste am CD-Player bewirkt auch nichts anderes...


    :hello:


    LG
    Ulli

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    (Vincenzo Geilomato Hundini)

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  • Zitat

    Original von Johannes Roehl


    Natürlich wird niemand die Aria da capo weglassen



    Natürlich nicht!!!! Freilich bieten die vorgeschriebenen Weiderholungen in den Variationen dem Interpreten eine Vielzahl von Möglichkeiten Dynamik und Stimmengewichtung zu variieren, was für mich einen Großteil der Bedeutung dieses Werkes ausmacht.


    Hinsichtlich Gould bevorzuge ich deshalb auch seine zweite Studioaufnahme aus 1981. Seine erste Aufnahme von 1955 nannte er selbst die „am meisten überschätzte Aufnahme aller Zeiten". Er revidierte die Tempi und den Ausdruck für seine Neueinspielung, nahm sich viel mehr Zeit für einzelne Variationen, gestattete sich Wiederholungen und ging das Stück nach meiner Einschätzung viel strenger an.


    Liebe Grüße

  • Mir fällt vor allem bei Tschaiwkosky auf, dass sich das Material oft viel zu oft wiederholt. Und dann nicht wie bei Brahms & co. in variierter Form, sondern oft genau gleich.


    Die Wiederholungen bei Mozart und Haydn sind wohl eher, weil das damalige Publikum wie schon gesagt natürlich noch keine CD-Player o.ä. hatte und die Stücke nur auf einem Konzert hören konnte. Da bot es sich an, die Musik durch Wiederholungen etwas zu verlängern.
    Bsp.: Ein Begeisterter Mozart Fan geht in ein Mozartkonzert (zur damaligen Zeit) und hört eine tolle Sinfonie. Die kann er womöglich lange Zeit nie wieder hören. Deswegen freut er sich sicherlich, wenn zumindest die Exposition wiederholt wird.

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Zitat

    Original von Ulli
    Salut,


    schwierig wird es dann, eine Wiederholung auszulassen, wenn es eine Klammer 1 und 2 gibt = null Chance.


    :P


    Nein, leider auch nicht.
    Als Beispiel seien die Sinfonien Nr. 2 von Brahms und Nr. 9 von Dvorák genannt. Beide mit Klammerwiederholungen, sehr oft werden die Wiederholungen (aus Zeitgründen?) weggelassen.


    Ich hörte vor einiger Zeit Harnoncourt im Interview erklären, wie er es sieht.
    Da wird zum Beispiel im A-Teil gesagt, dass es einem schlecht geht. Nun wird im B-Teil erklärt, warum es denn so ist. Der A-Teil wird nun wiederholt und man nimmt diese Information, dass es einem schlecht geht, nun ganz anders wahr.


    Ob er es nun speziell auf Wiederholungen oder auf die Sonatenform bezogen hat, weiß ich nicht mehr. Aber das könnte eine weiterer Erklärungsversuch sein.



    Gruß, Peter.

  • eine Frage wäre, wann die Interpreten damit begonnen haben, eine Wiederholung nur mehr wortwörtlich - ohne Verzierungen auszuführen.
    Gerade bei Mozart stellt sich die Frage nach dem Sinn der WIederholungen sehr oft. Hier wurde wahrscheinlich der Beethovensche Einfluß, alles 100%ig zu notieren, rückwirkend angewandt.


    IMO sollte man auch bei Bach, der schon viele Verzierungen ausgeschrieben hatte, Variationen machen, wenigstens in der Ausführung der Ornamente.


    die ABA Form ist IMO die Ursprungsform der Improvisation: ein Thema, dann einen Kontrast, und wieder eine Reprise - wenn man "wieder zurückfindet.."


    auch Schönberg hat in seiner Suite op.25 Wiederholungen und Da Capos zugelassen - es hilft dem Verständnis der Musik.


    ich denke, ohne WH wäre das Publikum völlig überfordert, würde nichts im Gedächtnis behalten...


    auch die Publikumsforderung nach Wiederholung, von der z.B: Mozart berichtet, scheint eine natürliche Reaktion zu sein, etwas Schönes gleich ein zweites Mal erleben zu wollen.

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

  • Wiederholungen können wirklich alles kaputtmachen.
    Das Gesamtkonzept muss stimmen. Wenn man eher dezent und langsam spielt,
    sollte man keine Vatiationen anhängen.


    Anhand der Goldbergvariationen kann man das ganz gut darstellen.
    Ragna Schirmer's "Versuch" der Annäherung an die Goldbergvariationen
    , bei dem sie extrem langsam, gefühlskalt und statisch spielt, und
    dann, wenn man froh ist, das die Qual vorbei ist, noch eine genauso langweilige Variation (natürlich nach einigen Sekunden der qualvollen Hoffnung
    auf ein baldiges Fortsetzten) wiederholt (die Bedeutung des Wortes "Wie-
    derholung" ist wohl das Einzige, was sie verstanden hat) , so dass die Gesamtspielzeit bei
    knapp 2 Stunden liegt, kann man das nicht aushalten.


    Die einzige Entschuldigung wäre, das sie versucht hat zu zeigen, dass
    man das Werk nicht zerstören kann, was ihr aber leider auch nicht gelungen
    ist.


    Wenn man allerdings erstens recht zügig und unterhaltsam spielt und/oder
    die Wiederholung durch Veränderungen "aufpeppt" (Stadtfeld), dann
    sind diese durchaus ein legitimes Mittel.

    "Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten" Gustav Mahler

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  • Zitat

    Original von petemonova


    Nein, leider auch nicht.
    Als Beispiel seien die Sinfonien Nr. 2 von Brahms und Nr. 9 von Dvorák genannt. Beide mit Klammerwiederholungen, sehr oft werden die Wiederholungen (aus Zeitgründen?) weggelassen.


    Banausen eben. Würde ich nie kaufen, sowas.


    :hello:


    Cordialement
    Ulli

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    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Salut,


    Zitat

    Original von tastenwolf
    eine Frage wäre, wann die Interpreten damit begonnen haben, eine Wiederholung nur mehr wortwörtlich - ohne Verzierungen auszuführen.


    schon zu C. Ph. E. Bachs Zeiten - s.o.


    Zitat


    Gerade bei Mozart stellt sich die Frage nach dem Sinn der WIederholungen sehr oft. Hier wurde wahrscheinlich der Beethovensche Einfluß, alles 100%ig zu notieren, rückwirkend angewandt.


    Auch bei Mozart sind bei den Wiederholungen teils Auszierungen angebracht - aber nicht zwingend erforderlich. Seine Schwester "beschwerte" sich ab und zu über die "stupide Wiederholung" und so zierte er z.B. bei der Klaviersonate 332 das Adagio in der Reprise aus.


    Zitat


    auch die Publikumsforderung nach Wiederholung, von der z.B: Mozart berichtet, scheint eine natürliche Reaktion zu sein, etwas Schönes gleich ein zweites Mal erleben zu wollen.


    Ja, das ist richtig. Oft ist zu lesen, dass in Opern einige Arien oder Ensembles oder in Klavierkonzerten die Mittelsätze "wiederhollet" werden mussten.


    :hello:


    Cordialement
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • interessant ...also doch alles eher praktische erwägungen, denn musiktheoretisch, -philosophische hintergründe ... .danke für die ersten 'erhellungen' ... :hello:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Sagitt meint:


    Ein spezieller Aspekt sind wiederholte Akkorde zum Schluss eines Stücks,Beethoven zB bei der fünften wiederholt so, dass man denkt, findet er zum Schluss oder nicht ?
    Ein wunderbar irobnische Variante gab es zum Hundersten der Berliner von Loriot, der einen Hobby-Dirigenten spielte, der nach Platte dirigierte und von solchen Schlussakkorden auch dann noch traktiert wurde, als er die Platte längst abgeschaltet hatte. Das führte zu erheblicher Heiterkeit.

  • Salut,


    im Verhältnis zu Popsongs [oder wie man das nennen will] finde ich den Anteil an wiederholtem Material pro Werk im Bereich der Klassischen Musik verschwindend gering. Ein Popsong besteht in der Regel aus einer mehr oder weniger eingängigen Melodie, gefolgt von einem nervtötenden Refrain - und das Ganze dudelt abwechselnd so lange, bis es jemand endlich ausblendet... für jene, die den Hals dennoch nicht voll haben können, gibt es dann die Singleauskoppelung, da geht's dann noch ein paar Minuten länger. Naja, es gibt schon hervorragende Ausnahmen.


    Cordialement
    Ulli

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    (Vincenzo Geilomato Hundini)

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  • Ja, hier haben wir ein Thema das mich vorallem als großer Schubert Hörer betrifft.
    Bei Schubert können die ewigen Wiederholungen wirklich nerven, vorallem die langen Wiederholungen in den Kopfsätzen mancher Sonaten.
    Zb. der Kopfsatz von D.960:
    Eine musikalische Idee wird knappe 5 Minuten lang gespielt, schön und gut, aber dann folgt eine kurze Überleitung und dasselbe kommt erneut, wieder 5 Minuten vorbei.
    Weiter geht es dann mit einem neuen Mittelteil der endlich Abwechslung reinbringt, dieser dauert zirka 4 Minuten.
    Danach folgt aber dann wieder genau das Gleiche wie am Anfang, erneut 5 Minuten plus ein kurzes Ende.


    Das ist für mich leider einfach zuviel des Guten, so sehr ich diese Sonate insgesamt auch mag.
    Deswegen finde ich auch Brendels Version gut, der einfach die erste Wiederholung weglässt, zwar leider auf Kosten des kurzen, interessanten, aufwühlenden Übergangs, aber um Opfer kommt man hier bedauerlicherweise nicht herum.


    Ich finde zum Beispiel auch, dass der Kopfsatz der Jupiter Symphonie aus zu vielen Wiederholungen besteht.
    Hier könnte man auch etwas kürzen und hätte dann insgesamt schließlich ein kompakteres Ergebnis mit größerem Wert. :stumm: -gg-
    Jetzt bitte nicht schlagen. ^^


    mit Grüßen
    Christoph


    PS: Ulli, ich glaube mit Popsongs sollten wir das wirklich nicht vergleichen. -g-

  • Hallo Christoph,


    die Wiederholung der Kopfsatz-Exposition aus D. 960 ist ja ein alter Streifall, spätestens seit Brendel sie verweigert hat - allerdings, wenn ich mich richtig erinnere, nicht mit dem Argument "der Satz wird sonst zu lang bzw. zu eintönig", sondern mit der Aussage (nur sinngemäß wiedergegeben), die Überleitungstakte zur Wiederholung stünden völlig isoliert innerhalb des Satzes da und zerstörten die Einheit der einzigartigen Klanglichkeit.


    Dieses Argument fand ich schon immer befremdlich, weil gerade dieser verstörende Ausbruch nach den tastenden, immer wieder stockenden Anläufen am Ende der Exposition für kurze Zeit einen Abgrund aufreißt, der sonst nur unterirdisch grummelnd zu erahnen ist (der Basstriller). Gerade dieser anarchische Ausbruch, der im weiteren Verlauf des Satzes und der Sonate kein Echo mehr findet, ist bezeichnend für Schubert. Eine geniale Idee, diese Takte ausgerechnet in der Überleitung zur Wiederholung der Exposition unterzubringen - als eine mögliche, aber nicht zwingende Variante des Satzverlaufs.


    Deine Beschreibung des Satzes kann ich nur teilweise nachvollziehen. Der Kardinalfehler scheint mir in den Worten "endlich Abwechslung" zu liegen. Schubert verfolgt hier eben keine Ästhetik der verdichteten Form, der Kontraste (wie - oft, aber auch nicht immer - Beethoven), sondern er erzeugt ein immer wieder durch Stillstand gefährdetes musikalisches Fließen, mit einem minimalen, subtilen Variieren von Details - eine "Klanglandschaft", kein Entwicklungsroman. Deshalb überzeugen mich die Interpreten am meisten, die sich auch im Tempo (Molto moderato) zurückhalten und sich (zumindest scheinbar) in der Musik verlieren - Afanassiev, Uchida, mit Abstrichen auch S. Richter. Dagegen hat man bei Brendel manchmal den Eindruck, als könne er nicht schnell genug zum Ende des Satzes kommen.


    Viele Grüße


    Bernd

  • Hallo, Christoph!


    Zitat

    Original von Hayate
    Bei Schubert können die ewigen Wiederholungen wirklich nerven, vorallem die langen Wiederholungen in den Kopfsätzen mancher Sonaten.


    Aber Du als Schubert-Freund solltest doch wissen, daß das himmlische Längen sind! :angel:


    Im Ernst: Mich stören diese "Längen" in den Schubert-Sonaten gar nicht, ich genieße sie.


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Der Franzl hat mir eben folgendes ins Ohr geflüstert:
    "Jetzt hab ich extra einen Fortissimo-Triller in eine extra lange prima volta gesetzt und mir gedacht, dass dann niemand mehr so blöd sein kann, die Wiederholung wegzulassen - er müsste dann ja auch diesen Triller streichen. Aber da hab ich wohl nicht mit den Herren Brendel usw. gerechnet.
    Ja was soll ich denn noch machen? Da fällt mir wirklich gar nichts mehr ein."



    Bernd hat ja schon überzeugend dargelegt, dass eine drohend aufkommende Langeweile nicht ein Problem der Wiederholung, sondern der Interpretation ist. Bei Brendel wird mir schon beim ersten Mal langweilig, bei Afanassiev nie (bei ihm sind die beiden Male auch spürbar in Nuancen unterschiedlich).


    Mir geht es jedenfalls genau anders herum als Christoph. Ich fasse das Streichen von Wiederholungen als handfesten Betrug auf. Wer sich zu so etwas veranlasst sieht, weil es ihm anders nicht ins Konzept passt, sollte besser die Finger ganz von einem Werk lassen.
    Ich kenne jedenfalls nur zwei Beweggründe, beide für mich nicht akzeptabel:
    1. falsches Konzept (z.B. Musikdrama statt klassische Sinfonie)
    2. Faulheit
    Und, mal konsequent weitergedacht: Wenn schon kürzen, warum nicht gleich auch die Reprise abkürzen? Kennen wir doch eh alles schon... (Feiglinge!)


    In Ullis Thread Aspekte zu "Wiederholungszeichen" werde ich hoffentlich irgendwann mal einen größeren Beitrag bringen können, wird leider noch etwas dauern, weil ich noch nicht weiß wie ich meine Notenbeispiele einbinden kann. Vorläufig muss es bei solchen kleinen Sticheleien bleiben, die ich mir allerdings nicht verkneifen kann.


    Gruß, Khampan

  • Zitat

    Original von Khampan
    Bernd hat ja schon überzeugend dargelegt, dass eine drohend aufkommende Langeweile nicht ein Problem der Wiederholung, sondern der Interpretation ist. Bei Brendel wird mir schon beim ersten Mal langweilig, bei Afanassiev nie (bei ihm sind die beiden Male auch spürbar in Nuancen unterschiedlich).


    Vielleicht sollte ich wirklich mal Afanassiev hören.
    Ich habe hier schon so viel über diesen Pianisten gelesen, besitze aber leider noch keine Compact Disc von ihm.
    Vielleicht schafft er es ja meine Langeweile während den Wiederholungen in puren Hörgenuss umzuwandeln, bisher kenne ich von D.960 nur Michael Endres und Alfred Brendels Version.


    mit Grüßen
    Christoph

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  • Salü, wegen besonderem Interesse besonders an Khampan,


    in einem meiner Festeticsbeihefte [die ich jetzt auch mal überflogen habe], steht:


    [...] blabla... sahen wir uns gezwungen, das dritte Quartett (c-moll) und das vierte (D-Dur) auszutauschen. Durch diese Lösung konnten wir die Streichung von Wiederholungen vermeiden, die ansonsten notwendig geworden wäre, um die Originalreihenfolge zu erhalten. [...]


    Dabei geht es um die Unterkunft von 6 Quartetten auf 2 CDs.


    Achja: Der Nachsatz ist urkomisch, wie ich finde:


    Erfahrene Hörer können beim Abhören die tatsächliche Reihenfolge der Quartette wiederherstellen.


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hi Ulli,


    :D :D :D
    wirklich drollig.
    Hier zeigt sich mal wieder die Tragik der gegenwärtigen Situation: Man muß sich noch immer dafür rechtfertigen, alle Wiederholungen zu spielen
    :boese2:


    Daß wegen der CD-Spielzeit Reihenfolgen umgestellt werden, ist doch völlig üblich und in Ordnung. Si tacuissent...


    :hello: Khampan

  • Salü,


    ich las dies zunächst an Deine Frage denkend, ob denn die festetix auch alle Wiederholungen spielen? Ob sie sie wirklich spielen, müsste ich nochmals genau erhören [das war ja Deine eigentlcihe Frage], jedenfalls war es das Bestreben der Produzenten und der festetix, dass alles eingespielt ist - dann kam erst das Problem mit der zu klein geratenen CD1...


    :hello:


    Ulli

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    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Die A-B-A Form ist im Barock, ich beziehe mich jetzt mal auf den Gesang, vermute aber, dass andere Soloinstrumente ähnlich verfahren sind, eine beliebte, da sie dem Interpreten nach dem Vortrag des Gefühles (barocke Stücke sind unter Berücksichtigung von drei Modi komponiert worden... eines davon ist das Gefühl, dass in einem Stück immer das gleiche bleibt) erlauben, reiche Verzierungen anzubringen und dem Publikum ihre Virtuosität darzubieten. Heute wird das eher selten, dass ein Sänger bei der Wiederholung tatsächlich Koloraturen en masse einbaut und atemberaubende (!) Fermaten hält. Im Barock war das Virtuosentum ausschlaggeben. Heute nicht mehr.

  • trotzdem...


    ich machs mal ähnlich allgemein:
    Egal welche Musikepoche, ein guter Interpret reagiert mit jeder Note, die er spielt, irgendwie auf alle Noten, die er vorher gespielt hat.
    Und jetzt einfach weiterdenken.


    Es müssen nicht immer gleich Verzierungen sein. Allein schon die Tatsache, daß der Interpret sich von dem Gefühl tragen läßt, das während des Spiels entsteht, bringt automatisch leichte Veränderungen mit sich. Typisch ist z.B. eine Zunahme des Tempos in vielen gut gespielten Wiederholungen. Natürlich muß das nicht sein, schon gar nicht gewollt, aber eben sehr häufig. Umgekehrt ist ein allzu stabiles Tempo (nicht immer, aber oft) ein Zeichen für totproduzierte CD-Künstlichkeit.
    Am allerschlimmsten sind simpel kopierte Wiederholungen, auf die Ulli angespielt hat. Beispiele hierzu werden gerade von mir akribisch gesammelt und dereinst in einem speziellen Skandal-Thread veröffentlicht.


    Gruß, Khampan

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