Hallo, liebe Musikfreunde,
heute möchte ich einen litauischen Komponisten vorstellen, der für Litauen eine ähnliche Bedeutung hat wie Grieg, Dvorak oder Sibelius für ihre Länder. Ciurlionis lebte 1875 – 1911. Er wuchs in Varena, einer Kleinstadt in Litauen auf, wo sein Vater Ortsorganist war. Dort waren noch die reichen Märchen- und Sagenschätze und die klangvollen litauischen Volkslieder lebendig, die später ständig in seiner Kunst zu spüren sein werden.
Nach einem Studium der Klaviermusik und Komposition 1894 – 1899 verzichtete er auf einen sicheren Position als Musikschuldirektor in Lublin und studierte stattdessen weiter in Leipzig die Musik, las Dostojewski, Tolstoi, Nietzsche und war auf dem Weg, ein anerkannter Komponist zu werden.
Ab 1905 gewann für ihn jedoch die Malerei immer größere Bedeutung, und 1907 hörte er ganz zu komponieren auf. Er war ein echtes synästhetisches Talent. Es gibt sonst kaum einen Komponisten, dessen Werke so malerisch sind, und einen Maler, der so überzeugend Fugen und musikalische Strukturen zu zeichnen verstand.
Ciurlionis: Fuga (1907-08 )
Ciurlionis steht in vielerlei Hinsicht in Grenzbereichen. Litauen war in Europa das Land, wo sich länger als sonst das Heidentum hat halten können. In seinen oft religiös inspirierten Werken – stilistisch dem Symbolismus verbunden – ist diese Vergangenheit deutlich zu erkennen. 1905 war er von der russischen Revolution angeregt. Heute gilt er als Nationalkünstler Litauens.
Seine Klaviermusik liegt in einem Bereich zwischen Chopin, Grieg und Scriabin mit einer ganz eigenen Ausdruckskraft. Einerseits enthält sie sehr komplexe polyrhythmische Strukturen, andererseits ist sie von einer Einfachheit, die ihn deutlich von dem sonst verwandten Scriabin unterscheidet.
In seinen letzten Lebensjahren litt er zunehmend unter psychischen Problemen und starb bereits früh 1911.
Ich will nicht verschweigen, dass er mir persönlich auch dadurch besonders nahe steht, da meine Vorfahren väterlicherseits aus Litauen kommen. An vielen Stellen wird in diesem Forum diskutiert, welche Werke einen besonders ansprechen. Erst spät habe ich Ciurlionis kennen gelernt und hatte von der ersten Note an das Gefühl, hier etwas zu hören (und in den Bildern zu sehen), was bis dahin im Verborgenen geblieben war.
Es gibt nur wenig Aufnahmen. Ich kann die Einspielung von Muza Rubackyte empfehlen, und von ihren beiden CDs insbesondere die zweite.
Viele Grüße,
Walter