VERDI, Giuseppe: Nabucco

  • Hallo,


    ich habe mich gewundert, daß es bisher noch kein seperates Thema über Verdis 1842 uraufgeführte Oper "Nabucco" gibt. Trotz intensiver Suche fand ich keines, daher eröffne ich es jetzt.


    Welche Aufnahme(n) favorisiert ihr?

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Nun, ich habe drei Aufnahmen. Die Aufzählung ist in meiner persönlichen Reihenfolge:


    1 Giuseppe Sinopoli/Chor und Orchester der Deutschen Oper Berlin/ Cappuccilli/Domingo/Nesterenko/Dimitrova/Valentini Terrani
    für mich die dramatischste Aufnahme


    2 Riccardo Muti/Philharmonia Orchestra/Ambrosian Opera Chorus/Manuguerra/Luchetti/Ghiaurov/Scotto/Obraztsova


    3 Vittorio Gui/Teatro San Carlo Neapel/Bechi/ Sinimberghi/ Neroni/ Callas/Pini
    Achtung: Die Aufnahme ist aus 1951, die Tonqualität (zumindest meiner Aufnahme) erbärmlich. Man benötigt viel Phantasie.

    Otto Rehhagel: "Mal verliert man und mal gewinnen die anderen".
    (aus "Sprechen Sie Fußball?")

  • Hallo Tribun,


    Sinopoli ist wirklich feurig unterwegs, aber ich vermisse in deiner Aufstellung die Wiener Aufnahme unter Lamberto Gardelli mit Tito Gobbi und Elena Souliotis in ihrer möglicherweise besten Einspielung überhaupt.
    Meine Erinnerung könnte ein wenig verklärt sein, aber ich glaube nie einen schöneren Gefangenenchor als den auf dieser Aufnahme gehört zu haben (gesungen vom Chor der WSO).

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Edelster der Theophilussse,


    Ich kenne diese Aufnahme leider nicht, aber Deine Kritik bringt mich auf den Geschmack. Weißt Du, gibt es diese Aufnahme noch?

    Otto Rehhagel: "Mal verliert man und mal gewinnen die anderen".
    (aus "Sprechen Sie Fußball?")

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  • Hallo!!!



    Ich habe Verdis Nabucco erst vor kurzem kennen und lieben gelernt.


    Da ich vorher viel Bellini und Donizetti gehört habe, erinnerte er mich zuerst sehr stark an die beiden, aber allmählich "erhörte" ich Verdis eigenen Stil heraus.
    Der frühe Verdi ist mir um einiges lieber wie der späte Verdi, daher habe ichmich entschlossen mich nun eher seinen Jugendwerken zuzuwenden. Als nächstes ist der Ernani dran. (Nein, das ist keine Drohung :D)


    Mein liebster Nabucco ist Cappuccilli in einer Live-Aufnahme aus der Arena di Verona. Den Rest der Besetzung ahb ich jetzt net im Kopf, darum reiche ich sie nach.


    Zum Besseren Verständnis habe ich mir den Querschnitt der ELoquence Serie auf deutsch besorgt.
    Mit dabei: Thomas Stewart-Nabucco
    Sandor Konya - Ismaele
    Martti Talvela - Zaccharia
    Liane Synek und
    Evelyn Lear


    Kann ich allen empfehlen, die auf Oper in deutsch stehen.


    LG Joschi


    PS: 2007 Römersteinbruch St. Margarethen wird der Nabucco wieder aufgeführt.

  • Zitat

    Original von Rienzi
    3 Vittorio Gui/Teatro San Carlo Neapel/Bechi/ Sinimberghi/ Neroni/ Callas/Pini
    Achtung: Die Aufnahme ist aus 1951, die Tonqualität (zumindest meiner Aufnahme) erbärmlich. Man benötigt viel Phantasie.


    Kennst Du diese Aufnahme von 1949 - ebenfalls Gui - auch?


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Die Callas-Aufnahme ist musikalisch ordentlich besetzt, Glanzpunkt sind Callas und der leider jung verstorbene Luciano Neroni als Zaccaria.Gino Bechi als Titelheld hält mit der Callas mit, obwohl er zumeist nur laut ist.
    Die, nur für geübte Ohren erträgliche Tonqualität macht es unmöglich, festzustellen, warum der Gefangenenchor im Protest des Publikums untergeht und nach Wiederholung großen Applaus erfährt.Gui am Pult lässt streckenweise die Zügel zu locker, zieht dann aber an, was dem Werk keinen Abbruch tut. Ein Kapellmeister alter Schule, heute leider selten.


    Meine Meinung: Für Callas-Fans ein Muss.


    Gruß Heldenbariton :yes:

    Wie aus der Ferne längst vergang´ner Zeiten
    GB

  • Hallo,


    Auch ich denke, dass die Aufnahme mit Tito Gobbi in vieler Hinsicht unerreicht ist, leider hatte ich sie nur auf Schallplatte, als Callas-Fan würde ich sie mir neu aber wohl mit der Diva kaufen. Auch hier: Gobbi ist ja wahrlich kein Schönsänger, aber sehr intensiv und mitreißend, Suliotis schlägt sich wacker.


    Auf CD habe ich eine Live-Aufnahme von 1966 an der Mailänder Scala unter Gianandrea Gavazzeni. Ebenfalls mit Suliotis, dazu Giangiacomo Guelfi als Nabucco, Ghiaurov als Zaccaria und Gianni Raimondi in der Tenorrolle. Tonqualität ist sehr mäßig, aber Nabucco ist ja sowieso keine Oper der leisen Töne, bei einer Traviata fände ich das jetzt tragischer. Der bulgarische Bass ist gewohnt mächtig und bewältigt die sehr schwere und hohe Rolle des Zaccaria einwandfrei, Guelfi hat ebenfalls eine mächtige Stimme aber er verfügt über wenig Ausdrucksmöglichkeiten, Gobbi ziehe ich da eindeutig vor.


    Eine Hauptrolle in dieser Oper hat ja auch der Chor, und da muss ich wirklich vor dem Staatsopernchor den Hut ziehen, meiner Meinung nach können sie mit den Italienern nicht nur mithalten, sondern sind in der Gesangskultur unerreicht.


    Grundsätzlich ist Nabucco ja in mancher Hinsicht ein Sonderfall unter den Verdi-Opern, das Frühwerk ist nicht zu verkennen. Bei der Charakterisierung seiner Protagonisten übte er ganz eindeutig noch, aber das lag unter anderem wohl auch am Textbuch. Man muss aber nur mal Zaccarias "Vieni, o Levita" mit Philipps"Ella giammai m'amò" vergleichen, oder auch nur Fiescos "Il lacerato spirito". Da liegen Welten dazwischen, Schöngesang versus Charakterstudie.


    Dass Zaccaria in der psychologischen Differenzierung ein wenig blass erscheint, liegt wohl auch daran, dass die Rolle sangestechnisch zwar höchste Anforderungen stellt, sie im Grunde aber als Chorsänger mit ausgeweitetem Einsatzbereich zu sehen ist, etwa in der Tradition des Oroveso aus Norma.


    Übrigens besaß ich auf Platte mal ein echtes Gustostückchen: Gottlob Frick mit der zweiten Arie des Zaccaria, die unmittelbar auf den Gefangenechor folgt. Sehr eindrucksvoll gesungen, einschließlich des hohen fis am Ende. Wer sich den Schlussakkord des Chores anhört, merkt ja auch, dass das keine echte Auflösung ist, da wartet man förmlich darauf, dass es noch weitergeht.


    Ein weiteres Spezifikum der Oper stellen die beiden weiblichen Hauptdarstellerinnen dar. Untypisch für Verdi sind da die eigentliche Heldin und die Rolle der Liebenden(Fenena) getrennt, dazu kommt, dass auch der Tenor als Liebhaber eher eine Nebenrolle spielt und vielleicht liegt es daran, dass sich Verdis Genie an dieser Ausgangsbasis nie recht entzündete, was ergreifende Liebesszenen oder innige Duette betrifft.


    Es fehlt ja auch die für Verdi ansonsten oft typische Konstellation der Hauptpersonen aus Held(meist Tenor), Bösewicht(oft Bariton oder Bass) und gütiger Vaterfigur(Bass), so gesehen würde mich schon interessieren, wie der späte, reifere Verdi diese Aufgabe bewältigt hätte.


    Aber gut, ist Spekulation, und Nabucco ist ja auch keine wirklich schlechte Oper, nur muss man sich eben bewusst sein, dass Chöre und Märsche ein wenig untypisch für Verdi die psychologische Charakterisierung übertönen. Aber man sieht eben daran, dass auch unter den Musikgenies Meister nicht vom Himmel fallen, sondern sich alles erarbeiten müssen.


    Kurt

  • Hallo Rienzi,
    die Aunahme aus Neapel Ist von 1949.
    Man kann sie als Dokument der frühesten Callas-Gesamtaufnahme
    betrachten,also eine Aufnahme für Callas-Fans.


    (Ansonsten ist wohl Sinopoli erste Wahl )

    Tutto nel mondo è burla.

    Einmal editiert, zuletzt von Herbert Henn ()

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  • Zitat

    Aber gut, ist Spekulation, und Nabucco ist ja auch keine wirklich schlechte Oper, nur muss man sich eben bewusst sein, dass Chöre und Märsche ein wenig untypisch für Verdi die psychologische Charakterisierung übertönen. Aber man sieht eben daran, dass auch unter den Musikgenies Meister nicht vom Himmel fallen, sondern sich alles erarbeiten müssen.


    Man sollte dabei aber beachten, daß Verdi seine 3. Oper nach einem fertigen Textbuch geschrieben hat, und nicht wie später in der Lage war, Änderungen zu erwirken. Erst als er einige Erfolge zu verzeichnen hatte und sein eigenes Selbstbewußtsein entsprechend entwickelt hatte, konnte er von seinen Textlieferanten mehr als nur die üblichen Routinebücher einfordern.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Original von Theophilus

    Man sollte dabei aber beachten, daß Verdi seine 3. Oper nach einem fertigen Textbuch geschrieben hat, und nicht wie später in der Lage war, Änderungen zu erwirken. Erst als er einige Erfolge zu verzeichnen hatte und sein eigenes Selbstbewußtsein entsprechend entwickelt hatte, konnte er von seinen Textlieferanten mehr als nur die üblichen Routinebücher einfordern.


    Ja klar, meine Bemerkung war keineswegs als Abwertung der Leistung Verdis gedacht. Im Gegenteil, für so ein Frühwerk und in Anbetracht der äußeren Umstände ist es ein echtes Meisterwerk mit einigen sehr zündenden Melodien. Man sollte sich nur eben von der Personencharakterisierung nicht das erwarten, was Verdi in einigen seiner späteren Opern zuwege gebracht hat.


    Wobei ich, wenn ich ehrlich sein soll, sagen muss, dass ich Nabucco lieber habe als Aida. Verdi mag da zwar in musikalischer Hinsicht große Fortschritte erreicht haben, aber mir ist die Oper zu bombastisch, das läuft für mich mehr unter Spektakel als unter Oper.


    Schade finde ich wie schon erwähnt nur, dass bei Galakonzerten oder dergleichen meist nur der Gefangenenchor isoliert aufgeführt wird, die anschließende Szene mit Zaccharia aber weggelassen wird, obwohl beides meiner Meinung nach unbedingt zusammengehört. Erst die melancholische Stimmung durch die Trauer um die verlorene Heimat, dann die aufrüttelnde Rede Zaccharias, die dann in einen geradezu euphorischen Jubel der Hoffnung mündet. Das kommt mir so vor, als würde man bei einer Arie die anschließende Kabaletta weglassen.


    Und Nabucco hat eben eindeutig mehr zu bieten als nur den sicherlich zu Recht berühmten Gefangenenchor, gerade an der Stelle merkt man das sehr deutlich.


    Kurt

  • Zitat

    Original von Kurt Fischer
    Wobei ich, wenn ich ehrlich sein soll, sagen muss, dass ich Nabucco lieber habe als Aida. Verdi mag da zwar in musikalischer Hinsicht große Fortschritte erreicht haben, aber mir ist die Oper zu bombastisch, das läuft für mich mehr unter Spektakel als unter Oper.


    Deine Vorliebe für Nabucco ist dir natürlich unbenommen. Zur Aida möchte ich aber auf folgendes hinweisen. Aida ist ein Auftragswerk des Vizekönigs von Ägypten, und sollte im Rahmen der Eröffnungsfeierlichkeiten für den Suez-Kanal uraufgeführt werden, und zwar in einer großen Freilichtarena. Pomp und Spektakel waren also gewissermaßen ein erwünschtes Beiwerk zur neuen Oper, für die Verdi auch königlich entlohnt wurde. Dass es dann etwas anders kam, tut nichts zur Sache.


    Verdi hatte also den Auftrag für eine festliche Oper und das schließlich gewählte Textbuch erfüllte auch voll und ganz die Anforderungen. Das Ergebnis ist eine Oper, bei der sich ein Regisseur mit seinem Bühnenbildner nur durch die Beschränkung der Geldmittel bremsen lassen muss. Diese mögliche äußerliche Großartigkeit des Werkes lässt einen aber leicht übersehen, welche Charade der gewiefte Verdi da produziert hat. Er gab dem Affen Zucker - äh, ich meinte natürlich, er liefert dem Vizekönig sein Spektakel, aber in die äußere, prunkvolle Hülle bettete er eine Kammeroper von seltener Dichte und Schönheit ein. Verdi schaffte bewundernswert den Spagat zwischen äußerlicher Großartigkeit und höchster innerer Kunst. Man kann als Regisseur hergehen und ohne wirklichen Verlust den ganzen Bombast auslagern. Dann erhält man ein Juwel feinster Opernkunst, ein Kammerspiel um fünf handelnde Personen, das Seinesgleichen sucht. Und dass das Finale unübertrefflich schön ist, wird hoffentlich ohnehin niemand ernstlich bestreiten wollen...


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Ich finde, daß der berühmte Anfangs-Chor "Gli arredi festivi giù cadono infranti" in der Callas-Aufnahme nach wie vor am besten klingt.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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  • Sali zämä


    Nabucco - meine Lieblingsoper :) ich bin zwar neu hier und die "Neuen"
    sollten vielleicht etwas ruhiger sein... :stumm:


    Ich schliesse mich "Theophilus Beitrag vom 22.01." an. Meine Lieblings-
    aufnahme ist die von Decca aufgenommen 1965 in Wien. Ich mag
    Tito Gobbi. Ich sah die Oper schon in Mailand in der Scala (noch vor
    dem schrecklichen Neubau) und einmal in Bregenz "open-air" im
    Sommer. Für mein Internetradio suche ich noch eine Aufnahme der
    Arena di Verona - sofern erhältlich - vielleicht kann mir jemand weiter-
    helfen?


    Greets, Carl

    Our cultural heritage belongs to all of us, that's why we must preserve it
    Unser Kulturgut gehört uns allen, deshalb müssen wir es bewahren
    http://www.publicdomain.ch

  • Hallo,
    jetzt gibt es - dank Walhall - endlich eine deutsche Gesamtaufnahme dieser Oper. Zwar ist die Aufnahme schon über 50 Jahre alt, aber zum ersten mal auf einem Tonträger erhältlich:



    Scipio Colombo, Gerda Scheyrer, Lazar Javanovic, Walter
    Berry, Josefine Zlabinger, Wiener Rundfunkorchester,
    Berislav Klobucar Label: Walhall , ADD/m, 1955

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Die Aufnahme der DOB unter Sinopoli habe ich auch .
    Ich finde die ganze Besetzung wundervoll.
    Ausserdem mag ich Sinopoli sehr,er hat auch den Macbeth an der DOB immer
    wundervoll dirigiert.


    Rita

  • Sehr gut auch Giangiacomo Guelfi unter Gavazzeni aus der Scala 1966 (mit Suliotis und Ghiaurov und Poggi).
    Und natürlich die Sinopoli-Aufnahme.


    :hello:Heldenbariton

    Wie aus der Ferne längst vergang´ner Zeiten
    GB

  • Liebe Forianer,


    Vom "Nabucco" in St.Margarethen, 2000, gibt es eine DVD-Ausgabe, die kürzlich sehr preiswert zu haben war (Silverline Classics; wahrscheinlich wurde abverkauft, weil die Oper heuer ja wieder in einer anderen Inszenierung im Steinbruch auf dem Programm stand). Ich habe mir davon gar nicht so viel erwartet. Der erste Akt hat mich auch nicht besonders mitgerissen, aber ab dem zweiten war ich beeindruckt (auch wegen der schönen Bühnengestaltung). Der mir vorher nicht bekannte Walter Donati in der Titelrolle hat mich positiv überrascht. Stimmlich und darstellerisch bietet er einen sehr überzeugenden Nabucco, der in Deutschland offenbar seine Leibpartie ist. Galiana Kalinina als Abigaille, anfangs nicht so besonders, läuft dann zu großer Form auf. Die anderen Hauptrollen sind ordentlich besetzt (Michail Agafonov hat zwar nicht die ideale Figur, aber einen brauchbaren Spinto-Tenor).


    Ich bin gespannt auf weitere Meinungen.


    LG


    Waldi

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  • Hallo!


    Gerade angeschaut:


    Ambrogio Maestri
    Andrea Gruber
    Paata Burchuladze
    Nazareno Antinori
    Nino Surguladze
    Carlo Striuli
    Paolo Cigna
    Enzo Peroni


    Orchestra della Fondazione Arturo Toscanini
    Coro del Teatro Municipale di Piacenza
    Dirigent: Daniel Oren
    Bühnenbild+Regie: Paolo Panizza
    Kostüme: Valerio Maggioni


    2004, Teatro Municipale di Piacenza


    Die DVD habe ich mir vorher angeschaut und bin ziemlich zwiegespalten:


    1. Die Aufnahme ist klanglich und gesanglich (meistens) ein Hammer! Der Dirigent führt ein sehr schmales, vitales und sehr nuanciertes Orchester durch eine Aufnahme, die an den meisten Stellen von sehr gut agierenden Sängern und Sängerinnen getragen wird. Einzige Schwachstelle ist meiner Meinung nach Maestri, da er die Virtuosität und Spritzigkeit eines Nabucco nicht besitzt, vor allem bei der großen Arie „Dio di Giuda“ fällt das enorm auf. Ansonsten ist die gesangliche Leistung des Ensembles und auch des Chores sehr gut!
    Schauspielerisch agieren die Sänger eher auf einem gehobenen Mittelmaß-Niveau. Ausnahme im negativen Sinne: Mal wieder Maestri, der aufgrund seiner Körperfülle kaum spielt und eben nicht so dramatisch leiden kann. Teilweise wirkt das „Wälzen im Staube“ sehr hilflos und beinahe peinlich.


    2. Das Akustische war, wie gerade gesagt, sehr gut, aber das optische war ein Graus. Warum?
    I.) Die Kostüme waren absolut unpassend, da durch die Requisiten doch ein wenig Orient angedeutet werden soll. Leider ist es eine absolute Geschmacksverirrung des Kostümbildners irgendwelche Einflüsse anderer Kulturen in die Oper zu übertragen: Die Krone der Abigaille sieht aus wie eine Mischung aus Pharaonenkrone und Turban. Nabucco sieht in seiner Toga aus wie ein dekadenter römischer Senator und von den tuntigen Leibwachen will ich erst gar nicht reden.! Die Kostüme des Chores, der Fenena und des Ismael fand ich gut und zum Sujet passend. Doch die schlimmste ist die Abigaille. Das diese Person bösartig ist, merkt man doch an ihren Taten, um jegliches Verständnis für diese arme Person im Keim zu ersticken, wird sie in einem monsterähnlichen Zombiekostüm eingesperrt und dazu noch mit Goldfarbe zu betoniert. Absolut ein Griff ins Klo, da es erstens zu den unpassenden, aber menschlichen Kostümen nicht passt, und zweitens die Figur sehr entstellt.


    II.) Das Bühnenbild wurde von Akt zu Akt einfallsloser und hässlicher, es soll eigentlich die Innenseite einer Ziegelhalle [einfärbig, sehr grau, ohne Verzierungen] darstellen, allerdings kommen, mir unverständlich, immer wieder Brücken und Gerüste heraus, sodass nach einiger Zeit der Eindruck entsteht, die Oper spiele auf einer Baustelle oder ähnliches. Die Brücken, an die man sich, obwohl reichlich befremdlich wirkend, rasch gewöhnt, werden gegen Ende hin von fliegenden Stufen und Baugerüsten umrahmt, sodass jegliche Realität schwindet. Großes Babylon ade!


    III.) Die Inszenierung ist nichtssagend und langweilig, das Stück hätte sich mehr verdient.


    Aber nun zur Problematik des Nabucco selbst: Das Werk ist leider kein so großer Dauerbrenner wie andere Verdi-Opern, obwohl die musikalische Qualität selbigen um nichts nachsteht. Warum ist das so?


    1. Die Handlung? Zu verwirrend und unlogisch?
    Glaube ich nicht, Opern mit noch komplizierteren und verwirrenderen Handlungen sind erfolgreicher als der Nabucco gewesen.[Il Trovatore, den versteht kaum jemand]


    2. Die Musik? Ein Schlager und sonst nichts?
    Ebenfalls nicht, die Oper hat zwar weniger „Hits“ wie zum Beispiel Rigoletto, dennoch steht sie aber in der Gesamtqualität vielen großen Opern des 19. Jahrhunderts um nichts nach. Die Jugendwerke Verdis stehen unter großen Einfluss der „Belcanto-Kaiser“ Bellini und Donizetti, daher sollte man für die beiden auch etwas über haben um den Nabucco zu mögen.


    3. Das Sujet? Zu exotisch, um Erfolg zu haben.
    Ja, absolut. Zu einer Zeit als das konservative Operninszenieren noch Standart war, war man natürlich bemüht, etwas historische Authentizität auf die Bühne zu bringen. Hier aber scheitert man bei Nabucco. Babylon wurde erst sehr spät entdeckt und von den Kleidungsstücken, Gebäudeverzierungen uä wusste man lange Zeit kaum etwas. Und das ist das Problem? Eine adäquate Ausstattung kann man nur mit einem umfangreichen Hintergrundwissen über die Mode, Architektur üa der Epoche des Sujets gestalten. Da aber über die Zeit Nebukadnezars wenig bekannt war/ist, werden Kostüme und Ausstattung immer der Fantasie, dem Gespür, der Fantasie und des Geschichtsbewusstsein des Regisseurs und des Bühnenbildners überantwortet. Leider Gottes kommt es deshalb zu richtigen Geschmacksverfehlungen, wie in dieser Inszenierung.


    Die ganze Produktion ist nicht konservativ, aber für echtes Regietheater dann wiederum doch zu konservativ. Die Kostüme sind historisch „angehaucht“, das Bühnenbild soll Babylon andeuten, allerdings kommen dann Sachen auf die Bühne, die absolut nicht zusammenpassen, sodass es in meinen Augen kein einheitliches Konzept gibt. Kostüme und Bühnenbild harmonieren nicht, so kommt es dann oft zu gar seltsam anmutenden Szenen.
    Bsp.: Nabucco singt in einem grellen Togakostüm, dass mich mehr an Rom als an Babylon/Jerusalem erinnert, auf einer Baugerüstähnlichen Dings, die wiederum von Sklaven in der Luft gehalten wird, die wiederum aussehen, wie Raumfahrer aus Star Trek.
    Oder soll alles außerirdisch sein? Wenn ja, passen die Kostüme des Chores, der Fenena, des Ismael gar nicht.



    Fazit: Fürs Ohr: Sehr Gut
    Fürs Auge: Schwach, außer man steht auf extrem schräge Ausstattung.


    So sollte ein Nabucco nicht aussehen müssen/dürfen!


    LG joschi

  • Auf Grund wiederholter Anregungen exportiere ich in nächster Zeit einige der ausführlicheren Werkvorstellungen aus meinen Rätselthreads um sie in einem Zusammenhang erschließbar zu machen, in dem sie auch von denen gesucht werden, die mit der Suchfunktion auf Kriegsfuß stehen, und daran zu erinnern, dass hier schon viele Threads schlummern, zu denen noch lange nicht alles gesagt wurde. Diese Darstellung stammt von hier: Ein Olympisches Rätsel - Der Lösungsthread :


    Zu diesem 1842 uraufgeführten ersten Erfolgswerk Verdis, der Oper NABUCCO wurde hier schon sehr viel Informatives geschrieben. Es hat mich jedoch überrascht, wie wenig präsent das finale Schicksal der Baalpriesterin Abigaille zu sein scheint. Womöglich liegt das daran, dass sich keine Inszenierung traut, diese Regieanweisung des Librettos auch konkret umzusetzen, und wahrscheinlich haben auch die Soprane etwas dagegen, der Gefahr einer technischen Panne ausgesetzt zu werden. Auch Styropor kann weh tun.


    Meine Referenzaufnahme ist diese hier:



    Das ist sie auch deswegen, weil ich Ghena Dimitrova auf dem Höhepunkt ihrer zu kurzen Karriere in dieser Rolle in Verona zu hören bekam. Das Sehen ist auf der Arena ja nur sehr eingeschränkt möglich, wenn man auf den hinteren Plätzen sitzt, aber zum Glück gibt es diese höchst respektable Aufführung der Oper, die mit der Arena von Verona so sehr verbunden ist wie wohl sonst nur die AIDA:



    Dabei möchte ich aber mit meiner Bewunderung für Elena Suliotis in ihrer besten, vielleicht einzig guten Platteneinspielung nicht hinter dem Berg halten. Den entscheidenden Unterschied macht deshalb der Dirigent aus. Sinopoli hat hier einen starken Beleg dafür vorgelegt, dass man die Opern des frühen Verdi nicht unterschätzen sollte. Mögen sie auch reich mit seinen berüchtigen "Leierkastenmelodien" gefüllt sein und ihr Orchester noch weitgehend mit der viel gescholtenen Rolle einer "großen Gitarre" abfinden, es blitzt doch immer wieder das heran wachsende musikalische Genie auf. Selbst der berühmt-berüchtigte Gefangenenchor ist das ja nicht von ungefähr geworden, denn das schaffen wirklich nur die großen melodischen Einfälle. Man sollte also ruhig mal wieder in diese Oper hinein hören und sich davon überzeugen, wie merklich schon hier die Weiterentwicklung der Belcanto-Opern Belinis, Donizettis und erst recht Mercadentes voran geht.


    :hello: Jacques Rideamus

  • Der Kultursender 3sat bringt am Ostersonntag eine Aufzeichnung des "Nabucco" aus Wien (die Krämer-Inszenierung):


    Sonntag, 4. April 2010, 23:55 Uhr


    Nabucco
    Oper von Giuseppe Verdi

    Libretto: Temistocle Solera
    Wiener Staatsoper, 2001 (ORF)


    Darsteller:
    Nabucco Leo Nucci
    Abigail Maria Guleghina
    Fenena Mihaela Ungureanu
    Oberpriester Zacharias Giacomo Prestia
    Königsenkel Ismael Miroslav Dvorsky
    u.a.


    Chor: Wiener Staatsopernchor
    Orchester: Wiener Staatsopernorchester
    Musikalische Leitung: Fabio Luisi
    Inszenierung: Günter Krämer


    Zitat

    Der babylonische König Nebukadnezar erobert Jerusalem, lässt den unter David errichteten Tempel zerstören und versklavt einen Großteil des jüdischen Volks, das sein Joch nur durch die Hoffnung auf die Wiederkehr des Messias und den Gedanken an die Heimat ertragen kann: "Nabucco" erzählt vom Ende des davidischen Königtums, der ersten souveränen Herrschaft über die jüdischen Stämme. Der ursprüngliche Text von Temistocle Solera erwies sich als hervorragend für eine Oper geeignet: Das Schicksal des jüdischen Volks verdichtet sich im Handeln weniger Personen. Mit dem berühmten Gefangenenchor "Va pensiero" ("Flieh, Gedanke!") ist "Nabucco" nicht nur ein Opernhit, sondern gilt als inoffizielle Hymne der Italiener. Auch für Wien hat diese Oper einen besonderen musikgeschichtlichen Stellenwert: Giuseppe Verdi selbst dirigierte am 4. April 1843 die Wiener Erstaufführung im Kärntnertortheater.
    3sat zeigt eine "Nabucco"-Inszenierung von Günter Krämer aus der Wiener Staatsoper.


    Die Oper ist inzwischen auch auf DVD erhältlich...



    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Arte, Donnerstag, 17. März 2011 - 22.15 Uhr (126 min.)

    Live aus Rom:

    NABUCCO
    Komponist: Giuseppe Verdi
    Libretto: Temistocle Solera


    Anlässlich des 150. Jahrestages der italienischen Staatsgründung zeigt ARTE Verdis Freiheitsoper "Nabucco" live aus dem Teatro dell'Opera in Rom. "Nabucco" handelt einerseits vom Streben des jüdischen Volkes nach Freiheit aus der Babylonischen Gefangenschaft. Andererseits steht die Hybris des Titelhelden im Zentrum, der sich selbst zum Gott machen will, daraufhin mit Wahnsinn geschlagen wird und erst durch seine Bekehrung zum Gott der Hebräer geheilt wird.
    Jean-Paul Scarpitta hat die Oper inszeniert, die musikalische Leitung hat Stardirigent Riccardo Muti.


    Durch den Abend führt Annette Gerlach.


    Zum 150. Jubiläum der Einigung Italiens regte Riccardo Muti diese Neuinszenierung von Verdis Oper "Nabucco" an. Verdis zweite Oper, die zu seinen bedeutendsten zählt, wurde 1842 in der Mailänder Scala uraufgeführt wurde. Die Neuproduktion feiert im März 2011 im Teatro dell'Opera in Rom Premiere.


    Zitat

    "Nabucco" behandelt die alttestamentarische Geschichte von der Gefangenschaft des jüdischen Volkes in Babylon, symbolisiert durch den Chor des dritten Aktes, das berühmte "Va pensiero" ("Flieg', Gedanke, getragen von Sehnsucht"). Darin beklagen die zu harter Arbeit verurteilten Hebräer ihr "schönes und entferntes Heimatland". Der Überlieferung nach soll sich die Mailänder Bevölkerung unter österreichischer Herrschaft mit dem in Verdis Gefangenenchor ausgedrückten Freiheitsstreben identifiziert haben.
    Die 150 Jahre Einheit Italiens verlangten nach einer ganz besonderen Inszenierung. Da Verdi die Handlung aus Zensurgründen nicht in der Gegenwart spielen lassen konnte, verlegte er sie in biblische Zeiten zurück. Doch heute betonen Dirigent Riccardo Muti und Regisseur Jean-Paul Scarpitta den universellen Kern des Werkes: die Lage der Geknechteten, das Gegeneinander der Mächtigen und die im Volk aufkeimende Hoffnung.
    Jean-Paul Scarpitta, der die Oper inszeniert hat, sagt: "Ich habe einen idealistischen Vorschlag gemacht, der sich der Geschichte jedoch nicht entzieht. Entscheidend soll der Zusammenprall der Figuren sein, nicht der biblische Kontext. Es wird kein Dekor geben, das Bühnenbild wird sehr abstrakt sein. Ich will den 'Nabucco' nicht historisch getreu inszenieren, sondern die dem Stück innewohnende Energie zum Ausdruck bringen: den schnellen Wechsel zwischen kleinen, spannungsreichen Szenen und den Massenchören, eine natürliche Unordnung, eine zwischen Form und Leben hin und her gerissene Oper."
    Die große Attraktion des "Nabucco" bildet der Gefangenenchor. Mal bescheiden, mal mächtig, mal kaum vernehmbar, mal kämpferisch ist er ein Meisterstück der Opernkunst und ein wirkungsvolles dramaturgisches Mittel, um die Spannung in der Mitte des Stückes noch einmal zu steigern. Doch die Oper erschöpft sich keineswegs in diesem Chor, sondern hält immer wieder überraschende Wendungen bereit. Die Partitur ist voller einfacher, wirkungsvoller, kühner und origineller Ideen.
    Verdis Musik entspricht dem ungeheuren Format seiner Figuren. Die drei Hauptgestalten sind Nabucco, König von Babylon, Zaccaria, der Hohepriester der Hebräer und Abigaille, Sklavin und vermeintliche erstgeborene Tochter Nabuccos. Der Chor, die vierte "Hauptperson", tritt lange vor dem berühmten "Va piensero" auf, und zwar bereits zu Beginn der Oper: in der unglaublichen Panik, die Nabuccos Einmarsch in Jerusalem ankündigt. Und mit dem erhabenen "Immenso Jehova!" beendet der Chor das Werk.
    Riccardo Muti, dessen "Nabucco"-Einspielung für EMI aus dem Jahr 1978 nach wie vor maßgeblich ist, dirigiert diese Neuproduktion mit gewohntem Können. In dem hochkarätigen Ensemble stechen die drei Hauptfiguren Nabucco, Zaccaria und Abigaille hervor. Die Titelfigur singt kein Geringerer als Leo Nucci, der zurzeit berühmteste Verdi-Bariton. Mit allein 5.000 Vorstellungen einer Kultoper wie "Rigoletto" ist der bereits über 60-Jährige ein geradezu legendärer Sänger. An seiner Seite agieren der Bass Dmitri Belosselski, ein Solist des Bolschoi-Theaters und Csilla Boross.


    Es wirken mit:
    Nabucco - Leo Nucci
    Ismaele - Antonio Poli
    Zaccaria - Dmitri Belosselski
    Abigaile -Csilla Boros
    Fenena - Ezgi Kutlu
    Chor und Orchester des Opernhauses Rom
    Chorleiter: Roberto Gabbiani
    Kostüme: Maurizio Millenotti
    Dirigent: Riccardo Muti
    Licht: Urs Schönebaum
    Inszenierung: Jean-Paul Scarpitta
    Moderation: Annette Gerlach
    Produzent: Cinétévé
    Fernsehregie: Lorena Sardi


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Nabucco
    (eigentlich Nabucodonosor, ital. für Nebukadnezar),
    Dramma lirico in 4 Teilen von Giuseppe Verdi.
    Text von Temistocle Solera nach dem Drama Nabuchodonosor von Auguste Anicet-Bourgeois und Francis Cornue (1836) und dem gleichnamigen Ballett (1838 ) von Antonio Cortesi.
    Uraufführung: 9.3.1842 Mailand, Teatro alla Scala
    mit Giuseppina Strepponi • Giovannina Bellinzaghi • Teresa Ruggeri • Giorgio Ronconi • Corrado Miraglia • Prosper Derivis • Gaetano Rossi • Napoleone Marconi.



    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

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