Peter MAXWELL DAVIES: Die Naxos-Quartette

  • Liebe Forianer,
    Sicher bin ich nicht die optimale Person, diesen Thread zu eröffnen, da weder Anhänger der zeitgenössischen Musik, noch Spezialist für Kammermusik. Dennoch mache ich es - weil ich hier Impulse setzen möchte. Auch wenn mich zeitgenössische Musik eher abstösst als berührt, sie wird in diesem Forum ihren Platz bekommen. Schon deshalb, weil ich Herrn Baumgartners Beiträge mit unverhohlenem Genuß lese.


    Peter Maxwell Davies. geboren 1934 ist Kennern der Klassikszene zumindest namentlich bekannt (oder sollte es zumindest sein) und soweit ich das beurteilen kann auch erfolgreich - wird als aufgeführt und aufgenommen.


    Für Naxos komponiert er derzeit eine Serie von 10 Streichquartetten, von denen einige schon auf CD erschienen sind.
    Ich selbst habe vergangenen Februar Die erste Folge dieser Serie, nämlich die Nr 1 und 2 gekauft - und sogar gehört. :P


    Kurz nach Kauf war ich mir 100%ig sicher, keine weitere dieser Serie
    je wieder zu erwerben - inwischen (trainiert und gestählt durch Schostakowitsch) ist diese Sicherheit auf 10 % gesunken.




    Es ist nun meine Frage an die Spezialisten des 20. Jahrhunderts, bzw jene der Kammermusik, wie Ihr diese Quartette einstuft.
    Einerseite eine "Serie" - ein Auftragswerk, noch dazu von einem Schallplattenlabel (frecherweise noch im Budgetbereich ) - da steht die Welt nimmer lang :P


    Zum einen erhebt sich die Frage, wie Euch die Musik gefällt (ich kenne Leute, die würden mir schon allein die Fragestellung verbieten - das Wort Musik in diesem zusammenhang) - ob es überhaupt als "Musik" zu verstehen ist - oder (wie ich es nenne) als "organisierte Geräusche" ;)


    Zum andern: Wie "haltbar" schätzt ihr sie ein? In 25 Jahren im Musiklexikon - oder von der Geschichte hinweggespült.
    (oder Beides =) )
    Kommerzielle Massenware - oder bleibender Kunstwerke ?


    Hier kann wirklich jeder interessierte mitmachen, weil die Anschaffungskosten für die CDs halten sich in Grenzen.


    Wenngleich ich diesen Werken (ich habe es schon angedeutet) eher kritisch gegenüberstehe - so erzeugen sie dennoch einge gewisse Stimmung in mir, die ich am besten mit nachdenklich -melancholisch
    Beschreiben würde - mit gelegentlichen Ausbrüchen.


    Zu einer Aussage lasse ich mich dennoch verführen: Das Maggini Quartett ist ein Stern am Quartetthimmel, die Tontechnik dieser Aufnahme ist zudem superb.


    Freundliche Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo Alfred,
    wenn Du schon so gern meine Beiträge liest ( :hello: ), muss ich doch gleich meinen Senf dazu geben.
    Ich bin ja auch kein Kammermusik-Fan, es sei denn, diese stammt von Schostakowitsch, Britten und ein paar wenigen anderen, denen ich es verzeihe, wenn sie mal schnell fertig werden wollten und deshalb nicht für Orchester geschrieben haben. :stumm:


    Mein Problem mit Max, wie er allgemein genannt wird, ist, dass ich ihn für ausgeschrieben halte.
    Max war ein brillanter britischer Avantgardist, dessen "8 Songs of a Mad King" mit ihren grotesken Übertreibungen wirklich brillant sind; dann kam eine Periode, in der Max mittelalterliche Verfahren, Renaissance-Polyphonie und ein selbst entwickeltes Verfahren zum Gewinnen der Tonhöhen mit einer Art Zentralakkord-Tonalität verband, wobei die zentralen Akkorde meistens nicht Dur/Moll-Akkorde waren, aber dennoch als stabilisierende Elemente fungierten.


    Max, der ein ziemlicher Einsiedler ist, zog dann auf eine Orkney-Insel (hatte dort früher keinen Strom und kein Telefon; jetzt ist er in ein anderes Haus umgezogen, wo er elektrisches Licht hat, wird auf seine alten Tage halt ein Weichei) und fand zu einem Stil, zu dem das Erlebnis von Landschaft, dem Geräusch von Sturm und Wellen und der Klang von Seevogelrufen wesentlich beitragen. Werke wie die 2. und die 3. Symphonie sind wirklich bedeutend, dazu kommen die glänzende Spuk-Kammeroper "The Lighthouse", die Mysterienoper "The Martyrdom of St. Magnus" (dem Heiligen der Orkney-Insel - ein pazifistischer Wikinger), ein paar Vokalwerke und Kammermusik für gemischte Besetzung sowie witzige folkloristische Stücke wie "An Orkney Wedding - With Sunrise" (die Sonne ist der Dudelsack, weil von den Orkneys aus, wo das lokale Instrument die Geige ist, der Sonnenaufgang über dem dudelsackenden schottischen Festland aufgeht). Diese Werke sind glänzend.


    Leider ist Max aber einer der extremsten Vielschreiber der gesamten Musikgeschichte: Pro Jahr schreibt er vier bis sechs größere Werke, dazu gibt's Gelegenheitswerke, d.h., Max bringt es schon auch einmal auf zehn und mehr Stücke im Jahr. (Ich selbst war Zeuge, wie Max während eines Abendessens in Linz dem damaligen Brucknerhaus-Chef Thomas Daniel Schlee in ein paar Minuten einen längeren Fiddletune ins Gästebuch komponierte.)


    Und das bedeutet, dass Max natürlich immer wieder sein Vokabular wiederholt. Somit gilt für mich, was Max betrifft, dass man von den letzten zehn Jahren nur ein oder zwei Werke kennen muss, um alle zu kennen.


    Somit direkt zu den Naxos-Quartetten: Handwerklich gut geschriebene Stücke, aber für meinen Geschmack zu routiniert, zu wenig überraschend. Max setzt sich halt hin und komponiert ein paar Streichquartette. Irgendwie faszinierend, dass jemand das kann.
    Aber das klingende Ergebnis fasziniert zumindest mich nicht sonderlich.

    ...

  • Durch Zufall (nein nicht durch Zufall sondern bei Arbeiten am Thread Directory) bin ich wieder auf diesen Thread gestoßen, der ja eigenartigerweise seit über neun Jahren "verwaist" ist.
    Persönlich bin ich inzwischen etwas "abgehärtet" - steter Tropfen höhlt den Stein - und im Laufe meines Tamino-Lebens sind etliche Tropfen über mich gegangen.
    Ich musste mich von meine Vorstellungen, die ich von einem Streichquartett hatte nahezu komplett lösen, immerhin kann ich nun das erste Quartett - ich höre es soeben - als "interessant" empfinden.
    Peter Maywell Davies hat im Booklet zu den Quartetten eins und zwei etliche Gedanken geäussert, die natürlich dazu herausfordern sich intensiver mit dem Werk zu befassen - etwas, das natürlich angestrebt wurde - So deutet Max im Eröffnungssatzt des ersten Quartetts einen entfernten Bezug zu Beethovens Fis Dur Klaviersonate an, oder er bringt den dritten Satz mit einer Brise in trockener Heide in Verbindung - oder ad libitum mit "dem Finale einer bekannnten Klaviersonate von Chopin. Derlei kann ich allerdings nicht heraushören.....


    mfg aus Wien
    Alfred


    clck 3248

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Nachdem ich in letzter Zeit einige Kompositionen von Peter Maxwell Davies gehört habe und an diesen eher späten Kompositionen Gefallen gefunden habe, wird es vielleicht doch einmal Zeit, sich den Naxos Quartetten zuzuwenden, die ich noch nicht kenne. Eine Folge hatte zwar ich schon, weiss aber gar nicht, ob je gehört, heute jedenfalls traf per Post die CD mit den Quartette 1 und 2 bei mir ein. Auch ich finde es etwas befremdlich, dass ein Komponist per Auftrag in einer relativ kurzen Zeit 10 Quartette komponieren kann, die ja auch nicht gerade kurz geraten sind (ca 30 min pro Quartett), aber ich lasse mich mal überraschen. Das Hörprojekt wird sicher einige Zeit in Anspruch nehmen, ich werde berichten.