Gazzanigas "der steinerne Gast"

  • Giuseppe Gazzaniga: Don Giovanni


    Zu Ullis hervorragendem Beitrag im Opernführer noch ein paar Informationen:


    Giuseppe Gazzaniga wurde am 5.10.1743 in Verona geboren. Er studierte am Conservatorio Sant’Onofrio in Neapel von 1761-1770 bei Carlo Cotumacci.


    Porpora in Venedig und Piccini in Neapel waren seine weiteren Lehrer. Ab 1791 war er Kapellmeister am Dom von Crema, eine Position, die er bis zu seinem Tode am 1.2.1818 innehatte.



    Unmittelbar nach dem Studium begann er mit dem Komponieren von Opern. Insgesamt schuf er 44 Werke, von denen der Don Giovanni sich im kollektiven Gedächtnis der Opernbesucher gehalten hat. Seine erste Oper hieß:“ Il Barone di Trocchia“ und hatte 1768 ihre Uraufführung in Neapel. Auf heroische Stoffe wurde weitgehend verzichtet. Wegen des leichten Gehaltes waren seine Werke sehr beliebt und wurden in ganz Europa aufgeführt. Seine Sakralmusik orientierte sich an barocken Vorbildern. Im Sinfonischen Bereich sind 3 Klavierkonzerte und eine Sinfonia concertante für 2 Hörner, 2 Oboen, 2 Violinen, Bratsche und Kontrabass überliefert.



    Das hervorragende Libretto des Don Giovanni schuf Giovanni Bertati nach einer Vorlage des bedeutenden spanischen Komödiendichters Tirso de Molina ( 1571-1648 ), eines Zeitgenossen von Lope de Vega. (1562-1635). Auch Molina war nicht „Vater des Gedankens“, sondern besann sich auf eine alte spanische Chronik


    Tirso de Molina ist durch sein Stück „Der Gil von den grünen Hosen“ dem Liebhaber von Komödien ein Begriff, während sein Don Giovanni infolge Der Bearbeitungen für das Musiktheater von der Sprechbühne weitgehend verdrängt wurde. Der Dichter nannte sein Stück:


    Der Verführer von Sevilla und der steinerne Gast


    Im Palast des Königs von Neapel hat Don Juan die Herzogin Isabella verführt und gibt sich als ihren Verlobten aus. Der Hof ist nicht einverstanden und mit Hilfe seines Onkels gelingt ihm die Flucht.


    Unterwegs erleidet er Schiffbruch und landet in den Armen des Fischermädchens Tisbea, die sein nächstes Opfer wird. Auf Befehl des Königs muss die Ehre Isabellas durch eine Heirat wieder hergestellt werden und man sucht nach Don Juan. Der Verlobte Isabellas Don Octavio bekommt als Ersatzleistung Doña Ana, die aber den Marquese de Mota liebt. Don Juan juckt das Fell. Er bemächtigt sich des Mantels des Marqueses und nähert sich Doña Ana. Das Manöver gelingt nicht, die Dame ist tugendhaft. Don Juan tötet aus Unvorsichtigkeit Doña Anas Vater, den Großkomtur Gonzalo de Ulloa im Zweikampf. Der Marquese wird fälschlich verdächtigt und verhaftet. Don Juan kümmert das wenig. Dem Landmädchen Aminta macht er an deren Hochzeitstag ebenfalls ein Heiratsversprechen, um sich der Leichtfertigen zu bemächtigen.


    Der Großkomtur wurde inzwischen beerdigt. Eine überlebensgroße Skulptur seiner Person ziert seine Grabkammer. Übermütig hat Don Juan die Statue bei sich zum Abendessen eingeladen. Die Statue erscheint pünktlich und gibt sich liebenswürdig. Sie beschwatzt den Schürzenjäger, ihn zu begleiten. Der Komtur selbst habe in seiner Grabkammer etwas Leckeres für ihn zubereitet. Ebenso unerschrocken wie unvorsichtig folgt der Neugierige dem steinernen Gast auf den Friedhof. Im Grabmal wird er von Skorpionen und Vipern bewirtet. Die Tür schließt sich und mit viel Getöse wird der Bösewicht in die Hölle gerissen.


    So die Variante für das Sprechtheater.


    Engelbert

  • Salut,


    Danke für den Thread! "Der steinerne Gast" alias Don Giovanni ist ein faszinierendes Thema. Eigentlich gehört diese Thematik ja fast schon in den Bereich "Geister- und Gruselopern". Aber: Das [ausgearbeitete] Witzige steht im Vordergrund, trotzdem kann man es nur mit ungutem Gefühl genießen.


    Von Vincenzo Righini [1756-1812] - man beachte das Geburtsjahr! - gibt es auch noch eine Vertonung des Stoffes:



    Lorenzo da Ponte hat auch für Righini ein Libretto geschrieben:


    Il Demogorgone ovvero il filosofo confuse
    Dramma giocoso
    UA Hoftheater Wien, 12. Juli 1786


    Ihm wurde jedoch von Righini abgeraten - die Oper war auch kein wirklicher Erfolg. Aber Einschätzungen dieser Art sind ja stets subjektiv, deswegen interessiert mich Righinis "Don Giovanni" sehr - mehr Wert lege ich da auf Joseph Haydn Urteil: Er schätze das Werk und ließ es auf Esterház spielen. Möglicher Weise hat Mozart auch dieses Werk gekannt, denn es wurde auch zu Wien aufgeführt. Es wurde 1777 in Prag [sic!] uraufgeführt, Librettist war Nunziato Porta.


    Auch hier weichen die Personen leicht ab:


    Don Giovanni, Donna Anna, der Komtur, Donna Isabella [bei Mozart/Da Ponte Donna Elvira] und Don Alfonso [Ottavio?], Arlechino [bei Mozart/Da Ponte Leporello], die Zofe Lisetta.


    2006 zum offiziellen Righini-Jahr wird er meine Sammlung schmücken.


    Liebe Grüße
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Hallo Ulli,


    Das wäre jetzt der vierte Don Giovanni


    „Der steinerne Gast“ von Alexander Dargomischski


    Ich bin selbst erstaunt, dass es ihn gibt. Die Aufnahme scheint nicht einmal historisch zu sein.




    Über amazonas wird er unter einigen Anstrengen zu beschaffen sein.


    Gruß Engelbert

  • Von Dargomyzhskys "Steinermen Gast" gibt es eine weitere empfehlenswerte Aufnahme, die ich der vorgenannten sogar vorziehen würde. Sie enstand 1977 in Moskau unter der Leitung von Mark Ermler mit exquisiten Solisten des Bolschoi-Theaters Moskau : Tamara Milashkina als Donna Anna, Tamara Sinyavskaya als Laura, Vladimir Atlantov als Don Juan, Alexander Vedernikov als Leporello sowie Vladimir Valaitis als Don Carlos.


    Ich hatte im vergangenen Sommer Gelegenheit, dieses Stück beim Mikkeli Musik-Festival in einer halb-szenischen Interpretation durch die Sänger-Akademie des Mariinsky-Theaters (einer Art Luxus Opern-Studio) zu erleben (Dirigent war der junge Tugan Sokhiev) und war von der Musik und deren Umsetzung sehr angetan.


    Ca. um 1850 beschäftigte sich Dargomyzhsky mit einer der Sprache untergeordneten Musik, was seinen Ausdruck fand im "Steinernen Gast", in dem er Puschkins Vorlage Wort für Wort vertonte, ohne Rücksicht auf ein operngerechtes Libretto. Es herrscht dadurch eine Art Sprechgesang vor, wie z.B. in Mussorgskys "Die Heirat".

  • Engelbert, Sune,
    Dargomyschskijs "Kamennyj gost" ("Der steinerne Gast") ist im Moment in keiner Aufnahme aufzutreiben. Es müssen in russischen Archiven zumindest drei Aufnahmen des Werkes liegen - leider im Moment keine erhältlich, weil kein westlicher Lizenznehmer sich für dieses Meisterwerk interessiert.
    Das ist es nämlich: Ein Meisterwerk. Es ist meines Wissens nach die erste Literaturoper der Musikgeschichte: Also die erste Oper, in der kein Librettist zwischen den Dichter und den Komponisten trat.


    Es gibt übrigens keine Alternative zum "Steinernen Gast" - d.h., man kann, um diesen Stil kennen zu lernen, nicht auf ein anderes Werk ausweichen. Dargomyschskijs sehr hübsche "Rusalka" nämlich ist eine relativ uncharakteristische romantische Oper, die nicht ansatzweise die Kühnheit des (übrigens unvollendeten) Folgewerkes ahnen lässt!

    ...

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  • Zitat

    Original von Engelbert
    Hallo Ulli,


    Das wäre jetzt der vierte Don Giovanni


    weiter:


    Carnicer y Batlle, Ramón [1789-1855]
    Il dissoluto punito ossia Don Giovanni Tenorio
    opéra semiseria 2 Akte
    nach L. Da Ponte
    UA 1822 Barcelona



    Calegari, Giuseppe [1750-1812]
    Il convitato di pietra
    dramma giocoso 2 Akte
    Pietro Pariati
    UA 1777 Venedig



    Fabrizi, Vincenzo [1764-1812?]
    Il convitato di pietra ossia Il Don Giovanni
    Opera buffa
    Giovanni Battista Lorenzi
    UA Karneval? 1787 Rom



    Albertini, Gioacchino [1748-1812]
    Il Don Giovanni [G. Bertati !]
    opera buffa
    UA vermutlich 1780/81



    Lattuada, Felice [1882-1962]
    Don Giovanni
    UA 18. Mai 1929



    Malipiero, Gian Francesco [1882-1973]
    Don Giovanni [nach Aleksandr Puškin]
    2 Akte 4 Szenen
    UA 1962; 1963 Neapel



    Marchetti, Filippo [1831-1902]
    Don Giovanni d'Austria
    UA 11. März 1880 Turin


    sowie verschiedene Bearbeitungen des Stoffes:


    Don Joan de Serrallonga [Enric Morera i Viura]
    Don John of Austria [Isaac Nathan]
    Don Juan albo Ukarany libertyn [Gioacchino Albertini]
    Don Juan de Austria [Ruperto Chapí Llorente]
    Don Juan de fantaisie [Frédéric Barbier]
    Don Juan de Garay [Ricardo Bonicioli]
    Don Juan de Manara [Franco Alfano]
    Don Juan de Mañara [Eugène Goossens]
    Don Juan Maraña [August Enna]
    Don Juan und Faust [Hermann Reutter9
    Don Juan und Figaro oder Das Lamm des Armen [Nico Dostal]
    Don Juan v pekle (Don Juan in der Hölle) [Karel Škarka]
    Don Juans letztes Abenteuer [Paul Graener]
    Don Juans Wiederkehr [Ralph Benatzky]


    :hello:

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Engelbert, Sune,
    Dargomyschskijs "Kamennyj gost" ("Der steinerne Gast") ist im Moment in keiner Aufnahme aufzutreiben. Es müssen in russischen Archiven zumindest drei Aufnahmen des Werkes liegen - leider im Moment keine erhältlich, weil kein westlicher Lizenznehmer sich für dieses Meisterwerk interessiert.


    Dann kann ich mich ja glücklich schätzen, alle drei Aufnahmen zu besitzen, und als vierte den Mitschnitt aus Mikkeli. Die von Edwin genannte dritte Aufnahme stammt aus dem Jahre 1963, wird von Boris Khaikin dirigiert und ist mit Vishnevskaya, Arkhipova, Maslennikov, Zakharov und Pankov ebenfalls hervorragend besetzt.


    Sune

  • Hallo Ulli,
    und noch ein "Don Juan de Manara": Henri Tomasi etwa Ende der 50er-Jahre des 20. Jahrhunders. Stark beeinflusst von Poulenc.


    Hallo Sune,
    die Khaikin-Aufnahme habe ich noch in Form der guten alten Melodija-Schallplatten. Wusste gar nicht, dass die Aufnahme je als CD herausgekommen ist.


    Jedenfalls: Sollte einem von Euch ein "Steinerner Gast" irgendwo in die Hände fallen: Zugreifen! Diese Oper lohnt wirklich die Auseinandersetzung!

    ...

  • Ulli


    Deine Aufstellung hat mich sehr interessiert und bin diese akribisch durchgegangen. Wie gern hätte ich doch auch noch einen Giovanni dazugefunden. Statt dessen muss ich einen wegstreichen, denn Du hast versehentlich Don Juan d'Austria mit einbezogen. Dieser hat mit dem Schürzenjäger nichts zu tun. Er war der Halbbruder von Philipp II. und ist in Regensburg geboren. Im Jahre 1571 ging er als Sieger gegen die Türken in der Seeschlacht von Lepanto hervor.


    Was man nicht alles nachschlagen kann, wenn man das passende Buch dazu hat.


    Herzlichen Gruss
    Engelbert