Kernkompetenzen in diesem Forum - 2005

  • Liebe Forianer,


    Beim Durchforsten diese Forums bin ich immer wieder auf Lob und auch auf (teilweise versteckte) Kritik gestoßen, was die Kernkompetenzen dieses Forum angeht.


    Über das Faktum, daß den einen das Forum zu gelehrt, den andern zu populär erschein möchte ich hinweggehen, das ist nun mal so - und wird sich auch nicht ändern. Daß hier Kritik von BEIDEN Seiten kommt ist für mich Indiz, daß der Kurs in Großen und Ganzen stimmt.


    Worauf ich aber eingehen möchte sind Sätze wie:



    Alle diese Sätze wurden irgendwo im Forum oder Internet mal gesagt.



    Was ist wahr daran ?


    zunächst war das Forum bei seiner Gründung am 1. Juli 2004 sehr Mahler-Bruckner orientiert. Dazu gab es Spezialisten für Haydn- Mozart - Barock.


    Absolut unterräpresentiert waren Opernthemen, Mittelalter, Kammermusik, Geistliche Musik, Moderne. Auch an Liedern war das Interesse eher gering.


    -----------------------------------------------------------------
    In einigen Bereichen konnten wir inzwischen enorme Fortschritte erzielen:


    Ich glaube in Sachen Bruckner sind wir, da wir einige sehr interessierte und kompetente Mitglieder gewinnen konnten federführend, fast schon ein Brucknerforum.


    Mozartforum dürfen wir uns zwar nicht nennen - dennoch haben wir auch hier einen Standard erreicht, der im Internet ziemlich unerreicht sein dürfte. Im Jahr 2006 planen Ulli und ich einige Threads zu diesem Thema.


    Als das Tamino-Forum gegründet wurde war Oper eher unterrepräsentiert. Ein eigenes Opernforum, ein eigenern Opernführer und etliche Threads brachten uns auch hier neue Mitglieder - die Linie wird weiter ausgebaut


    Nicht zu vergessen unser "Barock-Forum".
    Einige Kenner haben sich hier gefunden und unser Forum zu einem Meilenstein in Sachen "Barockmusik" gemacht, egal ob es sich um Back, Lully, Vivaldi oder Pucel handelt (und natürlich all die Anderen)


    Kammermusik: Immer wieder wird beklagt, sie sei hier unterrepräsentiert - Das kann ich indes nichtr finden.
    Monat um Monat entstehen hier neue Threads - und unser
    Advent-Kammermusikrätsel erfreut sich regen Zuspruchs.
    Die Spätfolgen sind vorhersehbar.


    -------------------------------------------------



    Andere Bereiche waren weniger erfolgreich, teils weil ich mich nicht für sie Interessierte, teils weil wenig Echo von den Usern kam:


    Liedschaffen - mir persönlich ein Anliegen - ist hier eher ein Nebenthrema


    Moderne: Ich meine die Echte, nicht die "Klassische" - ist mir in der Tat kein Anliegen - Aber ich hab auch nicht gebremst - es war gar nichts zu bremsen da.
    Aus meiner Sicht eine Minderheit - zuwenig echte Interessenten für den deutschsprachigen Raum....


    Kammermusk - schon weiter oben gesagt - wird nach und nach mehr - ist aber noch entwicklungsfähig


    Schellack - historische Aufnahmen


    Hier ist das Interesse scheinbar gering, weil etliche, die was dazu schreiben könnten -das Medium Internet ignorieren.
    Mal sehen was das nächste Jahr bringt.


    Noch nicht genannte Interpreten:


    Glücklicherweise gibt es deren noch jede Menge, ja von Tag zu Tag werden es meht. Dafür bin ich dankbar, denn das sichert den Zufluß interessanter Themen


    -----------------------------------------------------------------------


    Und jetzt Eure Meinungen :hello:


    Welche Themenkreise könnten noch behandelt werden - Ich werde mich dann dazu äussern


    LG


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo Alfred! Hallo allerseits!


    Ich sehe das ganz pragmatisch und ohne jede Sorge:
    Jeder, der eines der genannten Gebiete - oder irgendein anderes - eröffnen will, kann das tun.
    Da muss nichts von oben gesteuert oder von wem auch immer vorgeschrieben werden.


    Die Beiträge im Forum spiegeln genau die Interessengemengelage der User wider.
    Es liegt bei jedem Einzelnen von uns, das Forum zu gestalten.
    Wenn ein Thema nicht berhandelt wird, heißt das schlicht und ergreifend, dass das Interesse (bisher) nicht da ist.
    Interesse oder Beiträge künstlich erzeugen zu wollen, halte ich für abwegig.


    Ich sehe keinerlei Handlungsbedarf. Tamino entwickelt sich von selber.

    "Muss es sein? - Es muss sein!" Grave man non troppo tratto.

  • Ich schließe mich CRC an, gebe aber zu bedenken, dass es durchaus nicht immer das Interesse ist, das fehlt, wenn Beiträge zu bestimmten Themen hier nicht erscheinen - es ist vielmehr immer wieder ein viel schnöderer Faktor, den hier sicher viele auch kennen: Die Zeit fehlt einfach. Und wenn sie mal da ist, gibt es immer noch andere Sachen, die einem fundierten und ausführlichen Beitrag hier vorgehen. Und schon fehlt wieder - die Zeit.


    Beste Grüsse,


    C.

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

  • Salut,


    ich versuche, im einzelnen darauf einzugehen:


    Kammermusik ist in diesem Forum unterbewertet


    Mir ist nicht aufgefallen, dass Kammermusik im TAMINO unterbewertet ist, sicher war unterrepräsentiert gemeint - aber auch das ist bei Weitem nicht der Fall: Es gibt ein Kammermusikforum und ein separates Klavierforum mit zusammen mehr als 3.000 Einträgen, das sind mehr als 7 % aller Beiträge im Tamino, wobei "Was hört Ihr gerade jetzt" dabei eingeschlossen ist und sicher in diesem Fall statistisch ausgeklammert werden müsste - somit steigt der prozentuale Anteil der Kammermusik deutlich. Im Verhältnis aber ist dennoch die Kammermusik dem Opernthread noch überlegen.


    Das Forum ist ein wenig bildungsbürgerlich-hausbacken - wenig Interesse an Musik der absoluten Moderne


    Was soll "bildungsbürgerlich-hausbacken" sein? Ist die "Moderne" etwas Besseres? Es liegt an den Vertretern dieser Geschmacksrichtung, hier aktiv zu werden. Die Beiträge werden - zumindest von mir - mit großem Interesse gelesen.


    Die meisten hier in diesem Forum schalten ab, wenn es über Mainstream hinausgeht


    Mit diesem Wort kann ich nichts anfangen. Gibt es dafür ein verständliches Pendant?


    Zu meiner Verwunderung musste ix feststellen, daß es über XY noch keinen thread gibt


    Dann soll ix ihn eröffnen und sich nicht länger wundern... Kritik dieser Art ist m. E. nicht zulässig, denn der Kritiker kann hier selbst eingreifen und seinen Kritikpunkt eliminieren. Das TAMINO ist nicht grundsätzlich eine Kuh zum Melken - sie muss auch fressen. Was dieser Kritiker jedoch tut, ist viel schlimmer: Er schlachtet - für ihn ist das TAMINO tot.


    Allgemeine Kritik ist jedoch immer wünschenswert.


    Zitat

    Original von CRC


    Die Beiträge im Forum spiegeln genau die Interessengemengelage der User wider.
    Es liegt bei jedem Einzelnen von uns, das Forum zu gestalten.


    Im Prinzip stimme ich dem zu - dennoch gibt es bei manchen Themen [unbegründete] Berührungsängste - diese sollte man ablegen, bevor man TAMINO betritt.



    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hallo,


    ich möchte hier nur kurz etwas einwerfen, nicht wissenschaftlich, aber gehört mit zu den Kernkompetenzen dieses Forums:


    Ich finde, für ein Internetforum ist hier auch recht viel "Zwischenmenschliches" zu finden. Ich habe jetzt des öfteren Taminos im "real life" getroffen, und habe mit vielen auch "ausserforianischen" Ver..., nein, ich meine natürlich Kontakt! Und obwohl ich sonst sehr schüchtern bin, vor diesen Begegnungen habe ich nie Angst, es ist immer so, als ob man einen alten Bekannten trifft.


    Das hat zwar alles nichts mit der Themenstruktur hier und dem Inhalt zu tun, gehört aber für mich eindeutig zur "Kernkompetenz".


    Ich hoffe, der Beitrag war jetzt nicht zu weihnachtlich sentimental :rolleyes:

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  • Sagitt meint.


    Mein musikalisches Interesse geht eher in die Breite als in die Tiefe.


    Ich fühle mich hier gut aufgehoben und werde durch viele Beiträge sehr bereichert.Spezialisten wird dies oder das fehlen. Aber das Internet ist doch unerschöpflich, oder ?


  • 1. Der Vorwurf wäre doch nur berechtgt, wenn die Forumsleitung aktiv gegen solche Themen vorgehen oder deren Diskussion entmutigen würde. Das ist nie der Fall gewesen. Es ist schlicht an den Teilnehmern des Forums, diese Themen stärker zu behandeln als bisher. Wenn das nicht geschieht, dürfte mangelndes Interesse der wichtigste Grund sein. Da das Forum aber für die Teilnehmer sein soll, sehe ich keine grundsätzlichen Mangel darin.


    2. Bei der Fülle der möglichen Themen kann man ja wohl kaum erwarten, daß alle in einem knappen Jahr erschöpfend abgehandelt werden! Immer schön langsam, mit hausbacken hat das gar nichts zu tun. Und diesem unserem Lande kann eine erhebliche - und zwar ganz erhebliche - Dosis mehr Bildungsbürgertum nicht schaden!


    3. Ich habe keineswegs den Eindruck als ob man sich hier auf Mainstream beschränkt. Der Begriff taugt nichts. Für mich ist Mainstream Rieu, Lotti, Rondo Veneziano, die üblichen Klassikzusammenstellungen aus den Kaufhäusern wie Klassik for Lovers, Mozart - Greatest Hits mit einzelnen Sätzen aus den Werken, Schubert für mein Baby, usw.usf.


    4. Die absolute Moderne (was für ein Wortmonstrum!) hat im Forum den gleichen Stellenwert wie sonst auch: Sie ist eine Randerscheinung. Was wahrscheinlich daran liegt, daß sie sich selten über den Status einer Geräuschkulisse erhebt, das Forum sich aber mit Musik beschäftigt :baeh01: :D


    5. Für mich persönlich gilt, daß ich gern zB im Bereich historischer Aufnahmen aktiver werden würde, zumal ich sie intensiv sammle. Ich bin aber mit Postings allgemein sehr zurückhaltend, weil ich - ehrlich gesagt - mich im musikalischen Bereich noch immer für einen Laien halte und keinen Unfug schreiben möchte. Sonst hätte ich ja Journalist oder Kritiker werden können... ;)


    Außerdem spielt der Zeitfaktor eine Rolle. Als Anwalt, Ehemann und Vater fehlt mir schlicht die Zeit, laufend Postings abzusetzen. Schade! ;(

  • Liebe Forianer,


    ich als "Frischling" (der sich hier allerdings in den letzten Tagen mächtig ausgetobt hat :D) habe vermutlich einen noch etwas unvoreingenommeneren Blick auf das Forum, als die Alteingesessenen.


    Zuerst bin ich über den Feuereifer mancher Teilnehmer überrascht - eine kleine, aber intensive Gemeinde, für die das Forum ein nicht ganz unwichtiger Lebensbestandteil zu sein scheint.


    Dann habe ich den Eindruck gewonnen, dass Spezialisten und Generalisten in einem guten Zahlenverhältnis zueinander stehen.


    Ich habe beispielsweise das Gefühl, dass ausgesprochene Alte Musik-Kenner die spezialisiertesten, aber auch eingleisigsten Vertreter in diesem Forum sind - eben das, was "Expertentum" gleichermaßen auszeichnet und begrenzt.


    Dann gibt's ein paar "Trüffelschweine", die eine relativ breite Interessenlage mit der Kenntnis über Einspielungen und Interpreten zu ausgewählten Werken kombinieren.


    Eine dritter relativ stark vertretener Typ ist der "Allesfresser" - er schweift und streift, interessiert sich für alles Mögliche, kommt von Hölzchen auf Stöckschen und kann zu fast jedem Thread eine Äußerung fallen lassen.


    (mit der Bitte um Widerspruch, wenn meine "Typologie" völlig daneben ist...)


    Damit dieses Forum bunt und spannend bleibt, braucht es jede dieser "musikliebenden Spielarten"...


    Ich jedenfalls finde es hier sehr informativ, sehr anregend und sehr amüsant!


    Frhes Fest! :angel:
    daniel

  • Servus Daniel,


    DAS wäre z.B. was fürs Stilblütenforum:


    Frhes Fest


    phonetisch: Fress-Fest :D


    LG und nix für ungut ;-)
    Austria

    Wir lieben Menschen, die frisch heraus sagen, was sie denken - vorausgesetzt, sie denken dasselbe wie wir (Mark Twain)

  • Daniel Behrendt:


    Zitat

    Ich habe beispielsweise das Gefühl, dass ausgesprochene Alte Musik-Kenner die spezialisiertesten, aber auch eingleisigsten Vertreter in diesem Forum sind - eben das, was "Expertentum" gleichermaßen auszeichnet und begrenzt.


    Von dieser Charakterisierung fühle ich mich angesprochen und möchte ihr herzlich aber deutlich widersprechen ! =)
    Ich könnte im Forum ebenso Threads über Beethoven, Hindemith, die 2te Wiener Schule oder Giacinto Scelsi schreiben, beschänke mich aber FREIWILLIG im großen ganzen auf die Zeit VOR Bach, mit kleinen Ausflügen ins Hochbarock hin und wieder. Der Grund ist: den Acker mit Beethoven, Mozart, Schubert etc. können viele hier "kompetent bestellen", ich beschränke mich absichtlich auf das , was ich alleine gut kann und wo es für mich kaum Konkurrenz gibt. Und genau damit hoffe ich für mein Teil zur Thread- UND Meinungsvielfalt des Forums beizutragen ! Mit explizit herausgestelltem "Spezialistentum" hat das nichts zu tun !

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

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  • Allgemein ist die Moderne hier ziemlich unterbewertet, wie ich bemerkt habe. Es wird nur wenig darüber geredet. In anderen Foren käme ein Thread "Angst vor der Musik des 20. Jahrhunderts?" gar nicht in Frage, das wäre wie wenn man Fußball-Weltmeister fragen würde, ob sie Angst vor dem Ball haben.


    Z.B. eine Umfrage nach der persönlichen Lieblingsepoche in einem völlig neutralen englischen Forum (d.h. ohne Einfluss von Moderatoren oder Admins) ergab:


    Middle Ages (Medieval) 0 (0%)
    Classical 8 (18.2%)
    Baroque 5 (11.4%)
    Romantic 9 (20.5%)
    C20 14 (31.8%)
    Like all of them 7 (15.9%)
    Dont really like any 1 (2.3%)

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Hallo Daniel,


    ich kann mich BBB nur anschließen. Ich sehe mich selbst nicht als Spezialisten. Es ist zwar so, dass ich mich in der Vorklassischen Musik derzeit am besten auskenne, aber ich verachte Jüngeres keineswegs. Von "eingleisig" kann überhaupt keine Rede sein. Allerdings kann ich nicht mit 10 Beethovenzyklen im Schrank aufwarten, deswegen spare ich mir Kommentare dazu und überlasse da jenen, die die Vergleichsmöglichkeiten haben.


    :hello:
    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Hallo Thomas,


    ich habe ja um Widerspruch gebeten - und ihn auch geerntet.
    Meine "Spezialisten-Charakterisierung" sollte ja nicht grundlegend etwas über weitere Kompetenzen aussagen. Ich präzisiere also:


    "Die "Alte Musik-Forianer" beschäftigen sich so tiefreichend mit ihrem Steckenpferd, dass arglose Beobachter -wie Daniel Behrendt- dazu neigen könnten, sie auf dieses Gebiet festzunageln"


    Besser?


    :D
    Schöne Grüße!
    Daniel

  • Zitat

    Original von rappy
    Allgemein ist die Moderne hier ziemlich unterbewertet, wie ich bemerkt habe.


    Salut,


    ich behaupte, dass die Moderne hier nicht unterbewertet ist, sondern lediglich unterrepräsentiert. Das spricht für sich.


    Angst habe ich vor der Moderne nicht, denn sie traut sich nicht in meine Nähe...


    LG
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Daniel:


    Zitat

    "Die "Alte Musik-Forianer" beschäftigen sich so tiefreichend mit ihrem Steckenpferd, dass arglose Beobachter -wie Daniel Behrendt- dazu neigen könnten, sie auf dieses Gebiet festzunageln"


    Hm, ehemm, nein not really ! :beatnik:
    zumindest bei mir gibt es auch reichlich Material (sprich threads) zu anderen Themen, (von Allan Petterson zu MacMillan bis Hanns Eisler) und die "Beschäftigung" mit explizit "alter Musik" geschah in meinem Falle mehr vn Berufs wegen denn als Hobby !

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

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  • Ulli:


    Zitat

    Angst habe ich vor der Moderne nicht, denn sie traut sich nicht in meine Nähe...


    Lieber Ulli, warts ab, bich ich dir Dieter Schnebel und Helmut Lachenmann auf den "Hals gehetzt" habe und erst dann wirst du wissen, ob dein Statement Bestand haben kann ! :D

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Ich warte getrost...


    :hello:

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Zitat


    ich behaupte, dass die Moderne hier nicht unterbewertet ist, sondern lediglich unterrepräsentiert. Das spricht für sich.



    Wenn ich mir so anschaue, was die einzelnen Mitglieder so täglich hören und kaufen, empfinde ich die Moderne als gar nicht so unterrepräsentiert. Anders sieht es natürlich in den Beiträgen aus. Allerdings ist das Forum durchaus in seiner musikalischen Ausrichtung konservativ geprägt womit ich meine, dass viele der "Vielschreiber" gegenüber den Themen "Moderne Musik" und "Moderne Inszenierungen" eine heftige Ablehnung zum Ausdruck bringen. Ehrlich gesagt macht das Studium diverser Threads und auch eine allgemein immer mal wieder durchschimmernde Polemik gegen die Moderne wenig Lust für die Interessierten, tiefer auf solche Themen einzugehen.
    Es ist halt einfach diese Atmosphäre, die zumindest mich mittlerweile in eine andere Themenrichtung gelenkt hat.


    Wenn das ein Forum wäre, in dem man permanent abwertendes und ironisches über alte Inszenierungen mit lächerlich pompösem geschmacklosen Bühnenbildern und Kostümen und sinnfreiem Standregietheater lesen müsste oder über maßlos überschätzte und überflüssige Komponisten der Klassik, würde der Wohlfühlfaktor für Neuankömmlinge mit diesen Interessensgebieten vermutlich auch wohl merklich sinken und es wäre fragwürdig, wie viele Beiträge dazu dann noch kämen.


    Internet-Biotope wie dieses Forum schaffen sich ihre Ausrichtungen, was vollkommen normal ist. Manch einer bleibt gerade deshalb, mancher trotzdem.


    Gemessen an den gängigen Ausrichtungen der aktuellen Konzertprogramme, an den Produkten der zeitgenössischen schaffenden Künstler sowie an der Ausrichtung der ausführenden Musiker (zumindest diejenigen, die ich persönlich kenne sowie auch derjenigen, deren Schaffen ich in der Öffentlichkeit beobachten kann) empfinde ich den hier sichtbaren Stellenwert der Moderne übrigens gerade als nicht repräsentativ.Wohl aber hinsichtlich des üblichen ablehnenden Verhaltens der Konsumenten - aber auch das spricht für sich. ;)


    Gruß
    Sascha

  • Hallo,


    zu der ganzen Thematik die Alfred hier angesprochen hat
    kann der allgemeingültige Ausspruch herhalten:


    "Wo gehobelt wird fallen auch Späne"

    Ich fühle mich persönlich in der Barockmusik zu hause und gut aufgehoben, für das "Moderne" fehlt
    mir z.Zt. absolut der Zugang, ich versuche es ab und wann mich damit vertraut zu machen, aber
    schrecke immer wieder zurück ob seiner mir nicht zugehenden Tonalität.

    Hier sollten wir Ruhe bewahren, durch Neumitgliedschaften wird sich das Thema "Moderne" von
    selbst erledigen.

    In der Vergangenheit hatte ich fremde Foren oft besucht, was ich von Zeit zu Zeit auch weiterhin mache und den Eindruck gewonnen, dass die Qualität der breitgestreuten Themen denen eines "Taminos" nicht ebenbürtig ist.


    Grüsse
    reklov29

    Bach ist so vielfältig, sein Schatten ist ziemlich lang. Er inspirierte Musiker von Mozart bis Strawinsky. Er ist universal ,ich glaube Bach ist der Komponist der Zukunft.
    Zitat: J.E.G.

  • Zitat

    Original von Antracis


    Wenn ich mir so anschaue, was die einzelnen Mitglieder so täglich hören und kaufen, empfinde ich die Moderne als gar nicht so unterrepräsentiert. Anders sieht es natürlich in den Beiträgen aus.


    Sorry, das meinte ich.


    :hello:

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

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  • Zitat


    Gemessen an den gängigen Ausrichtungen der aktuellen Konzertprogramme, an den Produkten der zeitgenössischen schaffenden Künstler sowie an der Ausrichtung der ausführenden Musiker (zumindest diejenigen, die ich persönlich kenne sowie auch derjenigen, deren Schaffen ich in der Öffentlichkeit beobachten kann) empfinde ich den hier sichtbaren Stellenwert der Moderne übrigens gerade als nicht repräsentativ.Wohl aber hinsichtlich des üblichen ablehnenden Verhaltens der Konsumenten - aber auch das spricht für sich. ;)


    Was für mich da einfach wieder sehr "für sich spricht", ist Dein Begriff des "Konsumenten". Ich mag diesen Begriff des Konsumenten nicht. Ich würde den Begriff des Konsumenten nicht einmal auf einen Liebhaber der Musik von Udo Jürgens oder Dieter Bohlen anwenden, selbst da fände ich ihn ziemlich unpassend. Was hat die Tatsache, daß jemand Gustav Mahler oder Dieter Bohlen hört damit zu tun, daß er ein Konsument ist? Weil er mal mit einer CD im Blödmarkt an der Kasse gestanden hat? Das ist doch albern, wir sind alle Konsumenten, weil wir doch irgendwie mit Musik in Kontakt kommen müssen, also ist der Begriff als solches einfach völlig sinnlos.


    Das erinnert mich dann daran, daß ich erst kürzlich in der Musiksoziologie von Adorno gelesen habe ( sie durchzulesen werde ich nicht über mich bringen) und einfach nur von der dummen Überheblichkeit genervt war. Vor allem aber auch von diesem ewigen Herumgeharke auf der kapitalistischen Substanz niederer Musik, George Gershwin ist da "Amüsierspäre", der Jazz sind irgendwelche Muster, der Schlager ist eine Form von Waschmittelreklame. Übrigens ist ein guter "Hit" nach Theodor W. Adorno äußerst leicht her zu stellen. Heute noch grämen sich die Schlagerproduzenten, daß Theodor W. Adorno die Geheimnisse zur Herstellung eines erfolgreichen Schlagers mit ins Grab genommen hat.


    Es mag auch sein, daß hier tatsächlich auch konservative Menschen schreiben. Das ist aber zunächst noch mal nichts schlechtes. Ich persönlich sehe es aber noch nicht so, daß Menschen, die moderner Musik äußerst skeptisch gegenüber stehen, als "konservativ" anzusehen sind. Ich bin schon deshalb dieser Musik gegenüber skeptisch, weil sie von Anfang an nicht für einen "Markt" geschrieben wurde.


    Es muß ja nicht immer der ganz große Markt sein. Und man darf und kann ja auch neuer anspruchsvoller Musik auch "ein wenig unter die Arme greifen". Das ist sehr gut und richtig so, und ein gewisser kunstsinniger Adel hat's ja in vergangenen Zeiten auch gelegentlich mal gemacht. Nun gibt es sicher auch kunstsinnige gute Demokraten. Dem Staat aber als "Kunstmäzen" stehe ich äußerst skeptisch gegenüber. Das ist dann eine "Kunstbürokratie" die subventioniert. Davon halte ich nichts. Bin ich deshalb schon konservativ?


    Ich denke auch, daß das, was wenige interessiert, doch sehr gut sein kann. Dieser Satz war gut und richtig, so lange er so etwas wie das schlechte Gewissen der Massenkultur edleren Kulturerzeugnissen gegenüber repräsentierte. Wenn er aber dann so gedeutet wird, daß das, was wenige interessiert, deshalb ausgezeichnet sein muß, wird's ein wenig albern ( was ich aber so in Deine Aussage auch nicht hineinlegen will).


    Gruß Martin

  • Hallo Martin,



    da berührst du Fragen, die übrigens auch in dem Thread
    "Popularität vs. künstlerische Qualität"
    heiß diskutiert wurden.


    Zitat

    Zitat Martin: Es muß ja nicht immer der ganz große Markt sein. Und man darf und kann ja auch neuer anspruchsvoller Musik auch "ein wenig unter die Arme greifen". Das ist sehr gut und richtig so, und ein gewisser kunstsinniger Adel hat's ja in vergangenen Zeiten auch gelegentlich mal gemacht. Nun gibt es sicher auch kunstsinnige gute Demokraten. Dem Staat aber als "Kunstmäzen" stehe ich äußerst skeptisch gegenüber. Das ist dann eine "Kunstbürokratie" die subventioniert. Davon halte ich nichts. Bin ich deshalb schon konservativ?


    Bei aller berechtigter Skepsis gegenüber dem Staat in der Rolle des Mäzen - wenn es die öffentliche Hand keine Förderstrukturen für bestimmte weniger marktgängige Kunstströmungen geschaffen hätte, gäbe es so manches wohl nicht -gerade im Bereich Neuer Musik oder im Grenzbereich zwischen Musik und Bildender Kunst. Und derzeit sehe ich leider auch keine musikliebenden Gertrude Steins, die sich darum reißen, Stipendien für junge Komponisten ins Leben zu rufen oder Sitzungen im Tonstudio zu spendieren...
    Öffentliche Förderung ist wahrscheinlich immer eine Gratwanderung zwischen angemessener Verantwortungsübernahme und überzogener Einmischung durch den Staat - Ich denke aber, so lange irgendwelche kunstsinnigen Fürsten nicht wiedergeboren werden, geht's nicht ganz ohne Subventionen...


    Aber eigentlich gehört auch das in den anderen Thread...


    Schöne Grüße :hello:
    Daniel

  • Zitat


    Was für mich da einfach wieder sehr "für sich spricht", ist Dein Begriff des "Konsumenten". Ich mag diesen Begriff des Konsumenten nicht. Ich würde den Begriff des Konsumenten nicht einmal auf einen Liebhaber der Musik von Udo Jürgens oder Dieter Bohlen anwenden, selbst da fände ich ihn ziemlich unpassend. Was hat die Tatsache, dass jemand Gustav Mahler oder Dieter Bohlen hört damit zu tun, dass er ein Konsument ist? Weil er mal mit einer CD im Blödmarkt an der Kasse gestanden hat? Das ist doch albern, wir sind alle Konsumenten, weil wir doch irgendwie mit Musik in Kontakt kommen müssen, also ist der Begriff als solches einfach völlig sinnlos.


    Ich habe den Begriff eigentlich nicht in einem ökonomischen Sinne benutzen wollen. Ich wollte den hauptsächlichen Konsumenten bewusst vom Produzenten ( d.h. in diesem Falle Komponist oder Interpret) abgrenzen, weil mir halt aufgefallen ist, dass bei letzteren meist eine weitaus größere Aufgeschlossenheit gegenüber der Moderne vorhanden ist. (Mag sein, dass hier andere Menschen andere Erfahrungen haben, ich kann nur für mich sprechen).


    Weiterhin habe ich behauptet, dass das Forum durchaus in seiner musikalischen Ausrichtung konservativ geprägt sei.
    Wenn Du jetzt schreibst, ich hätte behauptet, dass hier konservative Menschen schreiben, fühle ich mich mit meinen Statements von Dir durch etwas goldwägende Wortauslegung in eine ökonomisch-politische Ecke gedrängt, in die ich eigentlich gar nicht hin wollte. ;)


    Mit konservativ wollte ich halt lediglich eine der Moderne eher nicht zugewandte Ausrichtung ausdrücken. Ich werde aber gerne zukünftig darauf achten, mich hier vorsichtiger auszudrücken, da ich eigentlich die ideologische Debatte dem Bundestag überlassen möchte und selbst wenn jemand halt gerne nur Musik aus den ersten Stunden der Mensuralnotation hört, ist er auch dann für mich kein schlechter Mensch. :)




    Zitat

    Es muss ja nicht immer der ganz große Markt sein. Und man darf und kann ja auch neuer anspruchsvoller Musik auch "ein wenig unter die Arme greifen". Das ist sehr gut und richtig so, und ein gewisser kunstsinniger Adel hat's ja in vergangenen Zeiten auch gelegentlich mal gemacht. Nun gibt es sicher auch kunstsinnige gute Demokraten. Dem Staat aber als "Kunstmäzen" stehe ich äußerst skeptisch gegenüber. Das ist dann eine "Kunstbürokratie" die subventioniert. Davon halte ich nichts. Bin ich deshalb schon konservativ?


    Das Problem ist halt, der unser Staat sehr viel subventioniert. Harald Schmidt (den ich durchaus mag und gerne sehe) bekommt 9 Millionen im Jahr dafür, dass er einige Abende in der Woche ein paar lustige Witze reist. Abgesehen davon, dass er solche Summen nie von marktwirtschaftlich gebundenen Privatsendern erhalten würde, ist es für meine Begriffe von Kunst und Unterhaltung schon traurig, wenn im Gegenzug einige Orchester schließen müssen, weil man Ihnen 100.000€ Subventionen vorenthält. (Unabhängig von seiner Qualität ist der Mann eindeutig überbezahlt!)


    Aber: Hier wird durchaus dem Willen des Steuerzahlers entsprochen, der sicher Harald Schmidt (ich nenne gerne auf Wunsch einige Tausend weitere Beispiele öffentlich rechtlicher Geldausgaben mit qualitativ fragwürdigem Charakter, vor allem im Sinne der Verhältnismäßigkeit) viel lieber sehen will, als eine Aufführung von Glucks "Orfeo". Und Selbst unter den "klassischen" Musikliebhabern interessieren sich sehr wenige für Ligeti, also ist in der Tat die aktuelle Mittelverteilung durchaus "gerecht". Sie entspricht zwar nicht meinem kulturellen Wertempfinden, aber halt mehrheitlich der Nachfrage der Menschen, die dafür bezahlen.


    Prinzipiell sehe ich aber ähnlich wie Du die Verantwortung eigentlich auch bei den einzelnen Menschen, nicht beim Staat. Aber das ist dann eine eher generelle Debatte, die nicht nur die Kulturförderung betrifft. Solange unser Staat allerdings mit vollen Händen auf den unterschiedlichsten Gebieten eingreift, werde ich mich dafür einsetzen, dass er es auch weiterhin im Kulturbereich tut. Und da begibt man sich halt leider auf dünnes Eis, wenn man bestimmen will, was nun förderungswürdig ist, und was nicht.
    Und ich pflichte sicher jedem bei, dass der überwiegende Teil (so war es in allen Epochen) sich nicht als erhaltungswürdig herausstellen wird, wobei ja auch hier mal die Menschheit ein paar Jahrhunderte irren kann, wie wir wissen.


    PS: Das Thema "Wie schreibe ich einen Hit" wäre durchaus einen eigenen Thread wert. :D


    Gruß
    Sascha

  • Hallo Sascha,

    Zitat

    Zitat Sascha: Aber: Hier wird durchaus dem Willen des Steuerzahlers entsprochen, der sicher Harald Schmidt (ich nenne gerne auf Wunsch einige Tausend weitere Beispiele öffentlich rechtlicher Geldausgaben mit qualitativ fragwürdigem Charakter, vor allem im Sinne der Verhältnismäßigkeit) viel lieber sehen will, als eine Aufführung von Glucks "Orfeo". Und Selbst unter den "klassischen" Musikliebhabern interessieren sich sehr wenige für Ligeti, also ist in der Tat die aktuelle Mittelverteilung durchaus "gerecht". Sie entspricht zwar nicht meinem kulturellen Wertempfinden, aber halt mehrheitlich der Nachfrage der Menschen, die dafür bezahlen.


    Naja, ich weiß ja nicht...
    Dieses in deinem Absatz zum Ausdruck kommende Demokratieverständnis "die Mehrheit bestimmt, was auf den Tisch (respektive in den Fernseher oder den Konzertsaal) kommt, weil sie dafür bezahlt hat" halte ich für nicht ganz unproblematisch.
    Wenn man alle Konsequenzen berücksichtigt, die sich aus dierser Haltung ergeben könnten (wenn man sie nur straight genug umsetzt), wird mir etwas mulmig zumute. Ich möchte jedenfalls in keiner Rambo-Zambo-Mickymaus-Gesellschaft leben...


    Fest steht: Privates Engagement für Hochkultur ist absolut wünschenswert, aber offenbar nicht ausreichend. IAuch der Staat darf soich seiner verantwortung zur Fortschreibung von Kunst und Kultur nicht entziehen - auch wenn die produzierten Kulturgüter nicht gerade massenkompatibel sind.
    Abgesehen davon: Ich schaue Harald Schmidt mitunter auch ganz gerne ;)


    :hello:Schöne Grüße!
    daniel

  • Ich frage mich wieviele Stromausfälle es noch geben muß, bis man trotz der gegenwärtigen Gehirnwäsche kapiert, dass "Staat" nicht gleichbedeutend mit "schlecht" und "privatwirtschaftlich" mit "gut" ist (BTW war bis vor gut 20 Jahren ein "starker Staat" ein wesentliches Element des politischen Konservativismus in D...)


    Antracis hat ja auf das Doppeldenk, das die öffentliche Förderungswürdigkeit des "elitären" Mozart (gegenüber Schlagern und Musicals) für ebenso selbstverständlich hält wie es die Förderung nicht marktgängiger zeitgenössischer Musik als Kulturbürokratie verunglimpft, hingewiesen.
    Es werden in der Tat massenhaft Dinge (Unterhaltungsindustrie und Sport durch die öffentlichen-rechtlichen Sender wider deren verfassungsmäßigen Kulturauftrag), die sich problemlos ohne diese Unterstützung finanzieren ließen, subventioniert.
    In modernen Demokratien muß der Staat aus verschiedenen Gründen (weitgehend) an die Stelle von privaten Mäzenen treten: Erstens sind wir (noch) der Ansicht, dass Macht- und Kapitalkonzentrationen wie sie in einer Feudalgesellschaft wie dem k.u.k-Östereich oder bei den Öl- und Eisenbahnbaronen der USA um 1900 herrschten, undemokratisch sind. Zweitens ist die Förderung von Kunst, Kultur und Wissenschaft ein öffentliches Interesse, das nicht von den persönlichen Entscheidungen einiger Milliardärswitwen abhängig sein sollte.
    Drittens muß die (in der Verfassung niedergelegte) Freiheit von Kunst und Wissenschaft insofern unabhängig davon sein, was die "Mehrheit der Steuerzahler" wollen, als dass Experten entscheiden müssen, was förderungswürdige Kunst und Wissenschaft ist. Dafür gibt es in der Wissenschaft z.B. das Verfahren anonymer Gutachten "peer review", (das ist ein mögliches Gegenmittel gegen eine Kulturbürokratie a la Genosse Schdanow).
    Das ist übrigends keineswegs links-utopisches Geschwätz, sondern steht so mehr oder weniger in unserer Verfassung, aber in Zeiten, in denen man vom Staatsoberhaupt den Eindruck gewinnen kann, dass es mit diesem Text nur sehr flüchtig vertraut ist, wundert einen gar nichts mehr... :(


    Schließlich,: wenn wir ehrlich sind ähneln viele der Kommentare zu zeitgenössischer Musik hier denen eines Elftkläßlers zur Allgemeinen Relativitätstheorie: Man hat sich nie näher damit befaßt, aber empfindet es als irgendwie unzugänglich...


    Antracis: Statt Konsument (es ist in der Tat extrem schwierig, sich dem Marktsprech zu entziehen) könnte man "Rezipient" sagen.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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  • Zitat

    Original von Daniel Behrendt
    Hallo Sascha,


    Naja, ich weiß ja nicht...
    Dieses in deinem Absatz zum Ausdruck kommende Demokratieverständnis "die Mehrheit bestimmt, was auf den Tisch (respektive in den Fernseher oder den Konzertsaal) kommt, weil sie dafür bezahlt hat" halte ich für nicht ganz unproblematisch.


    Das ist ja auch ein völlig verfehltes Demokrativerständnis (und das hat Antracis gewiß nicht gemeint). Denn wenn das stimmen würde, könnten 2/3 der Stimmberechtigten beschließen, das restliche Drittel zu massakrieren...Demokratie benötigt einen Rahmen, über den nicht so einfach abgestimmt werden kannn, z.B. Menschenrechte (oder noch einfacher: Die Verpflichtung, sich an Abstimmungsbeschlüsse zu halten), um überhaupt zu funktionieren. Dasselbe gilt selbstverständlich für den "freien Markt". Auch wenn manche Neoliberale so tun, als ob der im luftleeren Raum existieren könnte. In einem Hobbesschen Naturzustand des "Krieges aller gegen alle" gäbe es natürlich keinen stabilen freien Markt.


    viele Grüße


    JR

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  • Hallo


    ich muß mich manchmal schon sehr wundern, "konservativ" mit negativen Bedeutungen zu belegen.


    Ich sehe mich als "konservativ" im positiven Sinne des Wortes, und so führe ich auch (erfolgreich wie es scheint) dieses Forum.


    Konservativ - damit verbinde ich das "Bewahren alter Werte", eine gewisse humanistische Allgemeinbildung, (die eine naturwissenschaftlich interessierte nicht ausschließt) und ästetisch hohe Ansprüche, aber auch (und das wird gerne unter den Tisch gekehrt) ethische.


    Ich sehe mich als "progressiven " Konservativen - ich bin technischen Neuerungen durchaus aufgeschlossen - wenn man mir ihren Vorteil plausibel machen kann . "Evolution statt Revolution" ist meine Devise.


    Allerdings- als Genussmensch höre ich nun mal lieber Mozart als "Zeitgenössisches" - Es ist ja nicht meine Schuld, daß heutiges sich bei mir nicht einschmeicheln kann und will. Mozarts Musik ist sicher kein "Weichspüler" wie ihr oft nachgesagt wird - sondern oft auftrumpfend imperial bzw "großbürgerlch" (Aber das wird ein eigener Thread - noch heute, daher bitte hier nicht drauf antworten)


    Ich lehne jedoch ab, funktionierendes durch "vielleicht funktionierendes" zu ersetzen, nur der Lust am Neuen wegen.
    Diese Lust empfinde ich überhaupt nicht. Neues ja - aber nur, wenn der Vorteil offensichtlich ist.


    "Moderne Musik" wird in meinen Augen zumeist lediglich als Vehikel gebraucht, zu zeigen, daß "die alten Zeiten" vorbei sind - und so klingt sie in der Regel auch.


    Das ist , man sieht es der Beitrag wurde nicht in Moderatorenblau oder Administratorrot geschrieben, sonden in schlichtem schwarz, meine private Meinung, die ich mit Nachdruck verteidige.


    Dennoch ist hier selbstverständlich Platz genug, um über die Moderne zu schreiben, ich hab das nie unterbunden, auch nicht in Ansätzen.
    Was lediglich nicht geschehen ist, ich habe diesen Bereich auch nicht forciert, was mit anderen Stilrichtungen sehr wohl geschah, so ist mir Joseph Haydn ein Anliegen, Mozart und seine (heute oft unbekannten) Zeitgenossen.
    Es haben sich hier im Forum (jetzt stelle ich den thematischen Bezug wieder her, Anwälte der (oft auch ausgefallenen) Barockmusik gefunden, Bruckner-Spezialisten, Mozartianer, Wagnerianer, auch Orgel und Oper im allgemeinen fand ihre Freunde hier, auch die Kammermusik setzte sich relativ gut durch.
    Ich habe angeboten ein Unterforum für "Moderne Musik" hier einzurichten - aber das wurde mehrheitlich abgelehnt.


    Mir persönlich wäre eine positive Entwicklung des Schellackforums am Herzen gelegen - aber auch das ist nicht ganz einfach.


    Das kleine Literaturforum kommt auch nicht recht zum Laufen - aber das ist ja keine Kernkompetenz von Tamino. Wir ziehen hier auch keine neuen User an (was der eigentliche Zweck dieser Untergruppe war) weil die Benutzer der "Literaturforumgruppe" es nicht gern sähen, wenn dieser Bereich öffentlich ins Internet gestellt würde. - Und diesen Wunsch respektiere ich.


    Freundliche Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo Johannes,

    Zitat

    Zitat Johannes Roehl: In modernen Demokratien muß der Staat aus verschiedenen Gründen (weitgehend) an die Stelle von privaten Mäzenen treten: Erstens sind wir (noch) der Ansicht, dass Macht- und Kapitalkonzentrationen wie sie in einer Feudalgesellschaft wie dem k.u.k-Östereich oder bei den Öl- und Eisenbahnbaronen der USA um 1900 herrschten, undemokratisch sind. Zweitens ist die Förderung von Kunst, Kultur und Wissenschaft ein öffentliches Interesse, das nicht von den persönlichen Entscheidungen einiger Milliardärswitwen abhängig sein sollte.


    ...bravissimo - ganz deiner Meinung!!!
    :D :jubel: :D
    Schöne Grüße!
    Daniel

  • Lieber Sascha,


    es tut mir leid, wenn ich Dich da falsch interpretiert haben sollte. Politik sollte in diesem Forum ja auch besser ganz außen vor bleiben. Allerdings gibt es in der Geschichte der modernen Musik schon auch Ideologien ( Adorno hatte ich angesprochen), mit denen man sich dann auch schon mal auseinandersetzen darf, ohne daß ich mich damit nun allzusehr auseinandergesetzt hätte ( vermutlich, weil's mich auch einfach nicht interessiert hat).


    Grundsätzlich gebe ich Dir auch Recht, daß sich Liebhaber moderner Musik in diesem Forum auch wohl fühlen sollten. Ich persönlich will da auch keinen wegekeln. Vielleicht bekomme ich ja aber doch auch noch mal Lust, das eine oder andere zu hören.


    Vielleicht kenne ich die "bessere moderne Musik" ja auch einfach noch nicht. Oder ich kenne sie einfach noch nicht gut genug. Ich habe aber eben doch schon so einiges gehört.


    Wenn Du aber schreibst, daß man sich auf "dünnes Eis" begebe, wenn man bestimmen wolle, was förderungwürdig ist und was nicht, so macht mich dieser Satz - entschuldige - doch wieder skeptisch. Ob das nun "dünnes Eis" ist oder nicht, Du kannst doch nicht jeden neuen Komponisten einfach aufführen, weil ihn abzuwerten, sich auf "dünnes Eis" zu begeben bedeutete. Das geht ja auch schon praktisch nicht.


    Es muß schon auch noch andere Gründe geben außer der Modernität der Klangsprache, daß moderne Musik vom Klassikpublikum heute so gut wie gar nicht angenommen wird. Und die liegen vermutlich auch darin, daß auch einfach zuviel und zu wahllos aufgeführt wurde. Heute, wenn ich das richtig sehe, ist das übrigens fast gar nicht mehr der Fall, gerade NDR Kultur etwa macht gar nichts mehr für moderne Musik, für neue Musik überhaupt ( die ja heute inzwischen ja auch schon eher postmodern ist).


    Ich denke, eine gesunde normale Situation hätten wir, wenn sich jemand neue oder auch neuere Musik im Radio oder im Konzertsaal anhört und daran mit der Einstellung herangeht: "Das muß aber tolle Musik sein. Die hat's sogar ins Radio geschafft." Die Einstellung, die aber beim heutigen "normalen" Klassikhörer vorherscht ist: "Mein Gott. Was muß das für eine schlechte Musik sein, wenn die sogar im Radio gespielt wird." ( wobei das heute ja wiegesagt sowieso nicht mehr der Fall ist). Konservativismus hin oder her, irgendwas muß da schief gelaufen sein.


    Was aber Konservativismus ist, verschiebt sich doch sehr in der Geschichte. Wenn also dann vom "konservativen Klassikhörer" von heute die Rede ist, der die Musik von meinetwegen Henze oder Stockhausen einfach nicht annehmen will, die Rede ist, dann gebe ich zu bedenken, daß es meine persönliche Auffassung ist, daß die Tatsache, daß der heutige Konzertbesucher "konservativ" ist, überhaupt nicht ausgemacht ist.


    Ich kann es mir sehr gut vorstellen, daß spätere Zeiten diesem "konservativen Klassikhörer" von heute noch mal sehr nachtrauern werden, spätestens dann, wenn in 200 Jahren das normale Klassikpublikum Anton Bruckner für einen Ultraavantgardisten hält, der sich nicht mehr auf den Klassikprogrammen halten wird. Und daß es dann damals sogar Leute gegeben hat, die sich Bartok freiwillig angehört haben, wird dann schon gar keiner mehr verstehen.


    Und wenn denn dieses Forum für den "konservativen Klassikhörer" stehen soll, und man dieses Forum dann vielleicht in 200 Jahren noch lesen kann ( wer weiß), könnte ich mir dann vorstellen, daß die Leute dieses Forum nicht für ein Forum der Konservativen sondern der Ultraavantgardisten halten und sich sehr darüber verwundern werden. Jedenfalls war das "konservative" Konzertpublikum der "Klassikkonsumenten" noch nie so progressiv wie heute und ob es das jemals noch mal wird, ist sehr die Frage.


    Gruß Martin

  • Ich lehne den Begriff der "Moderne" oder der "Avantgarde" aus prinzipiellen Gründen ab. Musik von Schönberg, Webern oder Berg zB ist steinalt. 1820 wäre kein Mensch auf die Idee gekommen, Pisendel, Heinichen u.a.als Avantgarde oder Moderne zu bezeichnen. Das sind nur Etiketten, die idR benutzt werden, um entweder gründlichem Nachdenken aus dem Wege zu gehen, oder man benutzt sie zielgerichtet, um sich von den heutzutage eher negativ besetzten Begriffen "konservativ", "großbürgerlich" etcpp. abzusetzen und sich als fortschrittlich (=gut) zu outen.


    Aus den gleichen Gründen schließe ich mich J.R. an, der völlig zu Recht die herkömmlichen Epocheneinteilungen ablehnt.


    Wenn schon, sollte man eher von "zeitgenössischer" Musik reden, womit zum Ausdruck gebracht werden soll, daß es sich um Musik von noch lebenden oder zu unserer Generation gehörenden Komponisten handelt. Der Begriff ist wertneutral.


    Soweit Alfred konservativ als "Bewahren alter Werte" definiert hat, möchte ich in Anlehnung an den katholischen Philosophen Nicolas Gomez Davila hinzufügen: "Reaktionär bedeutet nicht das Hängen am Althergebrachten, sondern das anerkennen, was immer gilt".


    Auf die Musik übertragen bedeutet dies (für mich wohlgemerkt) mit aller Überzeugung zu bejahen, daß man heute eben nicht mehr so komponiert wie Beethoven, andererseits entschieden abzulehnen alle krampfartigen Versuche "ganz anders" sein zu wollen, sich selbstzweckhaft von allen musikalischen Traditionen abnabeln zu wollen. Von daher gebe ich der in diesem Sinne "modernen" Musik keine großen Überlebenschancen, während sich unter den zeitgenössischen Komponisten viele befinden, deren Werke überdauern werden.


    @JR: Obwohl Preuße und Piefke muß ich die K.u.K.-Monarchie in Schutz nehmen. Sie war alles andere als eine Feudalgesellschaft. Feudalgesellschaften sind mit dem Aufkommen des fürstlichen Absolutismus allmählich verschwunden, also spätestens mit dem Sonnenkönig (grob).


    Und mir sind die Entscheidungen einiger Milliardärswitwen tausendmal lieber als die von blassen, phantasielosen und beamteten Langweilern (die nämlich bestimmen das angebliche öffentliche Interesse). Die verplempern Steuergelder (also meins), die Witwen nicht.

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