Johannes Brahms: Akademische Festouvertüre op. 80

  • Hallo liebe Forianer und Brahmsiaser,


    ich habe erst "Zugang" zu Johannes Brahms seit ca. 1-2 Jahren. Ich weiß nicht, wo ich vorher nur meine Ohren hatte, aber im Moment schwebe ich auf einer "Brahmswelle'" =)
    Da die Akademische Festouvertüre noch keinen Thread hat, will ich mich mal heranwagen.
    Brahms schrieb sie 1880 als Geste des Dankes an die Universität Breslau, die ihn zum Ehrendoktor ernannt hatte. Er selbst charakterisierte das Werk treffend als "ein sehr lustiges Potpourri von Studentenliedern à la Suppé".


    Er baute eineige Studentenlieder ein: "Was kommt dort von der Höh; Der Landesvater; Wir hatten gebauet ein stattliches Haus; Gaudeamus igitur."


    Im Booklet der Aufnahme von Bernstein mit den Wiener Philharmonikern der DG heiß es:


    „Die heitere Grundstimmung des Stückes scheint wenig Raum zu lassen für ernsthafte thematische Entwicklung, doch selbst hier bleibt Brahms dem Sonatenprinzip auf seine charakteristische Weise treu: Im Schlussteil der Ouvertüre werden sämtliche Themen in der Tonika rekapituliert.“


    Ich besitze dieses Werk von Bernstein mit den Wienern und von Solti mit dem Chicago SO.



    Beide Interpretationen unterscheiden sich für mich nicht wesentlich. Vielleicht kommt Bernstein noch eine Idee feierlicher rüber.
    Ich finde die Idee einfach fantastisch, aus den Themen einiger einfacher Studentenlieder ein solches Werk zu machen. Es steigert sich allmählich und am Ende wird das Thema von „Gaudeamus igitur“ eingebaut, was so pompös erklingt, dass es an feierlicher Grundstimmung nicht mehr zu überbieten ist. Ich weiß nicht, wie es euch geht aber ich liebe dieses Stück


    Bin gespannt auf eure Meinung und eventuelle weitere Anregungen
    Gruß

    Günter

  • Ich mag das Stück auch sehr (ohne jetzt genau zu wissen, welche Aufnahmen ich überhaupt habe, u.a. Klemperer und Tilson Thomas...) und werde den Eindruck nicht los, dass besonders das Ende eine Veräppelung des Meistersingervorspiels (das seinerseits ein humorvolleres Stück ist als das es häufig geboten wird: der etwas hohle Pomp der Meister wird ja auch nicht ganz ernst genommen) gemeint sein könnte...


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Ein tolles Stück - eines von denen, die einen regennassen, kalten Tag mit Sonne fluten können, die mich zum Dirigentenstab (ja, ich habe einen solchen für solche Fälle im Regal liegen!) greifen und den Lautstärkeregler noch ein paar Striche höher drehen lassen.


    Die "Akademische" ist eben das "lachende Auge", die "Tragische Ouvertüre" das "weinende".


    Leider ist auf der Bernstein-Aufnahme nicht zu hören, dass wirklich eine Große Trommel mitspielt. Es fehlt einfach der Tiefbass.


    Ganz anders der süffige Klang bei Riccardo Chailly und dem Concertgebouw Orchestra (zusammen mit der 1. Sinfonie).

    "Muss es sein? - Es muss sein!" Grave man non troppo tratto.

  • Hallo,


    erst gestern überlegte ich, einen Thread zu den beiden Ouvertüren op. 80 und op. 81 zu starten, aber nun bist du, lieber Günther, mir zuvorgekommen.
    Hier noch einige Hintergrundinformationen:



    Als Brahms 1853 in Begleitung des Geigers Eduard Reményi mit Liszt zusammentraf, war er an seiner neuen Klaviersonate gänzlich uninteressiert. Reményi ist empört und bricht die Verbindungen ab. Daraufhin wendet sich Brahms in seiner aussichtslosen Situation brieflich an Joseph Joachim und sie treffen sich kurz darauf in Göttingen, wo Joachim seine Orchesterferien verbringt und Vorlesungen in der hiesigen Universität besucht, an denen Brahms jedoch nicht teilnimmt, da er lieber komponierte. In der Freizeit wird viel gewandert, getrunken und man war mit Studenten zusammen und sang Studentenlieder. An diese erinnerte sich Brahms nach knapp 30 Jahren auch in seiner Akademischen Festouvertüre.


    1876 sollte Brahms von der Universität Cambridge den Dr.h.c. verliehen bekommen. Die Ehrung schmeichelte ihm, jedoch war er kein großer England-Freund und wand sich um die Reise auf die Insel. Doch ohne Anwesenheit war keine Verleihung möglich und so verfiel das Angebot. Drei Jahre später wurde er aber zum Dr.h.c. der Breslauer Universität ernannt, zu der er dann auch reiste. Ihr zum Dank schreibt er dann 1880 die Akademische Festouvertüre.


    Er befand sich zu der Zeit im schönen Bad Ischl. In diesem ersten Sommer dort schreibt er die zwei Ouvertüren, von denen er sagte:
    "Die eine weint, die andere lacht".
    Im Januar 1881 wurde das vergnügliche Werk in Breslau von ihm zur Uraufführung gebracht und erfreute sich größter Beliebtheit, die wohl bis heute andauert.



    Meine Lieblingsaufnahme ist auch hier die von Bernstein mit den Wiener Philharmonikern, obwohl ich auch die Interpretation von Marin Alsop schätze.
    Und die Akademische ist mir auch ohne Zweifel die liebere von den beiden. :)




    Gruß, Peter.

  • Ich habe die Aufnahmen von Bernstein, Stokowski und Abbado.


    Meine Lieblingsaufnahme, wegen der grandiosen Kopplung eine meiner liebsten CDs überhaupt: Abbados Berliner Aufnahme:


  • Habe mir Chailly noch einmal angehört:


    http://imageshack.us[/IMG]


    Eine fantastische Aufnahme!
    Prächtig, fröhlich und ein Klang zum Schwelgen - bis hin zur Zwerchfellmassage durch die Große Trommel (vorausgesetzt, die Lautsprecher kommen so tief runter)


    Gegen den Klang dieser Aufnahme kommen 95 meiner 100 SACDs nicht an! Das Orchester ist wunderbar in die Breite und Tiefe gestaffelt. man meint, den Saal förmlich abmessen zu können.

    "Muss es sein? - Es muss sein!" Grave man non troppo tratto.

  • Hallo Brahms-Freunde,


    ich habe den Thread am 17.12.gelesen. Bevor ich antworten wollte habe ich mir meine Aufnahmen gestern erst noch mal angehört.


    Mir geht es bei der Akademischen Festouvertüre op. 80
    genau so wie in den Thread´s zu der Sinfonie Nr.2 oder den Sinfonien allgemein. Es sind diese Aufnahmen, die ich favorisiere:


    1.) Solti / Chicago SO auf Decca, der wiederum in allen Punkten ganz zufriedenstellt und alles detailgenau und mit Schwung rüberbringt.
    2.) Szell / Cleveland Orchestra auf SONY, der genauso überzeugend Brahms-Pur abliefert.
    Bei Beiden sind auch die Pauken und ggf.gr.Trommeln detailreich vorhanden.
    3.) Bernstein / Wiener Ph auf DG
    Diese klangschöne Aufnahme ist ebenfalls perfekt. Ich weis nicht was ihr für Böxchen verwendet, bei meinen Standboxen klingen auch die tiefen Frequenzen sauber. Allerdings lassen es Solti und Szell an den angesprochenen stellen schon mehr krachen :D.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Diese Musik ist ein Ohrenschmaus für jedes Stiftungsfest studentischer Corporationen.Wie Brahms die Studentenlieder aus dem Kommersbuch (auch als "Bierprügel" bezeichnet) zu einem Melodienstrauß geflochten hat,das war große Klasse.Von "Was kommt dort von der Höh" bis zum feierlichen "Gaudeamus igitur"-Finale setzt diese Ouverture dem traditionellen Studentenbrauchtum ein ehrwürdiges Denkmal.O alte Burschenherrlichkeit,wohin bist du entschwunden?

    Freundliche Grüße Siegfried