Da mit wachsender Größe des Forums die Sängerthreads belebenden Zulauf erfahren, setze ich meine Huldigung der großen Bassstimmen dieses Jahrhunderts fort, mittlerweile ja tatkräftig unterstützt von weiteren Liebhabern der tiefen Register.
Nicolai Ghiaurov wurde in Bulgarien am 13.09.1929 geboren. Nach dem Stimmbruch verlor er zunächst das Interesse am Singen und wandte sich der Schauspielerei zu. Die musikalischen Interessen konzentrierten sich in dieser Zeit vornehmlich auf Geige, Klarinette und Trompete. Die Militärzeit - in diesem Falle für Künstler nicht so unnütz wie oft vermutet - brachte die eigentliche Entdeckung seines Potentials, als Ghiaurov einen Chor leitete und dabei die besten Sänger des Ensembles feststellen mussten, dass er Sie bei weitem stimmlich übertraf.
Es folgte eine fundierte sängerische Ausbildung, aus der die Anekdote berühmt geworden ist, dass der angehende Sänger im ganzen ersten Jahr keine einzige Arie und kein einziges Lied singen durfte, sondern nur Übungen im Ambitus einer Oktave.
Nach einigen politisch-planwirtschaftlich diktierten ersten Jahren auf bulgarischen Provinzbühnen kam der internationale Durchbruch als Ramphis in Verdis Aida an der Wiener Staatsoper, welcher Ghiaurov Zeit seines Lebens sehr eng verbunden (er wurde später österreichischer Staatsbürger) geblieben ist.
Das ihm (wie vielen überragenden anderen Kollegen auch, man denke nur an Frick ;)) während seiner Karriere anhaftende Presseattribut "König der Bässe" wird, so man es als einzig gültige Jahrhundertwertung gegenüber allen anderen sängerischen Kollegen verstehen mag, selbstverständlich keinen Bestand haben. Indes dürfte niemand seinen Einlass in den Kreis der überragenden Bassisten der Nachkriegszeit bezweifeln wollen.
Treffender wohl spiegeln die monarchischen Allüren aber sein "königliches" Repertoire wieder, in dessen Zentrum als Monumente ebend der "Boris Godunov" und "Phillip II." stehen.
Ausgespart blieben leider die großartigen deutschsprachigen Bassrollen bei Wagner und Mozart, wofür wohl in erster Linie sprachliche Probleme zu nennen sind (ein Gurnemanz war geplant, kam aber nie zur Aufführung), vielleicht aber gab es auch musikalische Gründe - ich weiß es nicht.
Majestätisch ist auch fraglos die Stimme, dieses Wort findet sich folglich in vielen Beschreibungen dieser wie ich finde schwierig zu fassenden Ausstattung dieses Sängers wieder. Ein machtvolles Organ mit gutem Volumen bei sehr großer Schallkraft.
Das Timbre ist für mich eines der faszinierendsten und individuellsten, dass ich bei Bässen dieser Art kennen gelernt habe, ohne dass ich das Besondere genau charakterisieren könnte. Doch wann immer diese machtvolle Stimme in einer Aufnahme erklingt, muss ich einfach genauer hinhören.
Aus meiner Sicht liegt die Attraktivität dieses auch darstellerisch sehr starken Künstlers zu einem großen Teil darin, dass sich die Stimmcharakteristik einer eindeutigen Einordnung entzieht. Ghiaurov war nie ein reinrassiger "basso cantate", hat aber dank seiner relativ hoch reichenden Stimme und seiner technisch hochrangigen, kultivierten Stimmführung überzeugend Partien wie den Don Giovanni gesungen.
Er war andererseits auch nicht wirklich ein schwarzer "Kellerbass", die Stimme zwar irgendwie slawisch aber nicht das knarzige Organ eines Boris Christoff. Jedoch stand ihm eine gewisse "Schwärze" zur Verfügung und die Stimmgewalt tat das übrige, um auch Partien , die solcherlei forderten erfolgreich gestalten zu können.
Insgesamt stand ihm so eine ungewöhnlich breite Palette von Ausdrucksnuancen Verfügung, was sich letztendlich auch in seinem gar nicht allzu großen, dafür aber umso vielseitigeren Repertoire spiegelt.
Ghiaurov starb am 2. Juni 2004 in Modena. Ein reichhaltiges Repertoire an Tonträgern bleibt uns zum Glück erhalten, wobei oftmals bemerkt wird, dass diese Aufnahmen leider seine wahre Größe als Rollengestalter oftmals nicht abbilden können. Ich habe Ihn leider nie live erleben dürfen.
Um weitere Stellungnahmen wird gebeten , natürlich auch konkrete Tipps zu den Aufnahmen. Vielleicht gelingt es uns, dass gängige und auch die eine oder andere tonträgerische Überraschung zusammenzutragen.
Gruß
Sascha