Zitatsagitt meinte:
Teilweise finden sich darunter echte Perlen,zB finta semplice ( Ulli an die Front, um die Oper vorzustellen).
Hier ist er – der „Bericht von der Front“:
Abgesehen von der recht kurzen und beschaulichen Lateinischen Komödie Apollo et Hyacinthus KV 38 hat Mozart eine wahre, unbegreifliche Meisterleistung vollbracht: Gleich als erstes im Fache des großen Musiktheaters komponiert Wolfgang Amadé Mozart 1768 zwölfjährig – noch vor dem bekannteren Singspiel Bastién et Bastienne eine abendfüllende Opera buffa in drei Akten:
La finta semplice
Der damalige Theaterdichter Marco Coltellini, Nachfolger Pietro Metastasios als kaiserlicher Hofpoet, überarbeitete dazu einen Text von Carlo Goldoni zum Libretto. Leopold Mozart schreibt im ersten Mozart-Werke-Verzeichnis:
Und nun die opera Buffa La Finta semplice, die in der Original Spart 558 Seiten trägt. 1768
[Der 11jährige Mozart, unverbürgtes Portrait von Thaddäus Helbing]
Das dreiaktige Werk besteht aus 26 Musiknummern, davon 22 Arien, ein Quartett, ein Duett und drei Ketten-Finali und gab Anlass zur Unglaubwürdigkeit Mozarts, was Intrigen zur Folge hatte:
Die Oper wurde auf Anregung Josephs II. komponiert und sollte 1768 in Wien mit renommierten Sängern und Sängerinnen aufgeführt werden.
[…] der Kaisser sagte dem Sohn, er möchte eine opera Buffa schreiben. der Kaisser liesse es auch dem Impresario, welcher das theater in Verpacht hatte wissen. der Impresario machte auch mit dem Vatter alles richtig. der Sohn componirte die opera. Sie wurde aber nicht aufgeführt - - - obwollen der Capellmeister Hasse. Der Poet Metastasio solche ungemein lobten. Die opera hiesse La finta Semplice. […]
[Maria Anna Mozart: Data zur Biographie des Verstorbenen Tonkünstlers Wolfgang Mozart, 1792]
Leopold Mozart steht in regem Briefkontakt mit Hagenauer [Salzburg] und berichtet von den Intrigen, eine Aufführung der Oper zu Wien verhindern:
Denn wollten sie wohl, daß man in ganz Wienn sagen sollte, der Wolfgang: hätte die Opera nicht verfertigen können; oder, sie wäre so elend ausgefallen, daß man sie gar nicht hätte aufführen können. Oder er hätte sie nicht gemacht, sondern der Vater etc. […]
Wenn man den Vergleich zwischen der finta und dem Singspiel Bastién et Bastienne wagen will, so könnte man zu dem Trugschluss tatsächlich kommen. Die Intriganten jedoch kannten das Singspiel nicht, wurde es doch lediglich im privaten Kreise aufgeführt und erst im Spätsommer 1768 komponiert. Sie hatten keinen Vergleich. Letztendlich aber hat sich Mozart bei der Komposition des Singspiels wohl den Titel der zuvor komponierten Oper zum Motto gemacht: Die verstellte Einfalt…
Leopold berichtet nun seitenweise [fast unlesbar viel] über das ganze Geschehen zu Wien – die Aufführung wurde verhindert. Selbst ein Beschwerdebrief Leopolds an Joseph II. war nicht mehr erfolgreich.
[…] Die Sänger wurden aufgeredet, das Orchester aufgehätzet, und alles angewendet um die Aufführung dieser opera einzustellen… Entzwischen wurde von einigen ausgesprengt, die Musik seye keinen blauen Teufel werth; Von andern, die Musick seye nicht auf die Worte, und wieder das Metrum geschrieben, indem der Knab nicht genug das jtaliänische Sprache verstehe […]
Am meisten Spaß hat wohl der Theatermann Giuseppe Afflisio am bösen Spiel gehabt – war nicht „alles richtig“ ausgemacht? Sogar der ritterliche Christoph Willibald Gluck soll seine Hände im Spiel gehabt haben… ein Grund, seinen "Orpheus" künftig zu boykottieren! La finta semplice aber ist erst die Spitze des Eisbergs: Ihr werdet Mozart schon noch kennen und singen lernen!
Positiver Nebeneffekt dieser Angelegenheit war, dass Vater Leopold das Verzeichniß alles desjenigen was dieser 12jährige Knab seit seinem 7ten Jahre componirt, und in originali kann aufgezeiget werden anlegte.
Aber der Vater ließ nicht locker und versuchte, eine Aufführung in Salzburg durchzusetzen. Zwar lässt sich eine solche Aufführung nach meinen Nachforschungen bis heute nicht definitiv nachweisen, aber eine Aufführung in der Salzachstadt war jedenfalls geplant, was aus dem Fund eines Theaterzettels hervorgeht. Nachweisen lässt sich eine Aufführung jedoch nicht. Ich gehe davon aus, dass im Falle einer tatsächlichen Aufführung der Oper zu Lebzeiten Mozarts mindestens sein Vater zwei Tintenfässer leer geschrieben hätte…
Dass der Knabe sehr wohl der italienischen Sprache mächtig war, zeigen zahlreiche Einspielungen und Aufführungen im 20. Jahrhundert sowie auch Wiederaufnahmen in jüngsten Programmen anlässlich des kommenden Mozartjahres, z.B. Salzburger Festspiele 2006.
Wolfgang Amadé Mozart
LA FINTA SEMPLICE
Opera buffa in tre atti KV 51 [46a]
Rosina – Barbara Hendricks
Don Cassandro – Siegfried Lorenz
Don Polidoro – Douglas Johnson
Giacinta – Ann Murray
Ninetta – Eva Lind
Fracasso – Hans Peter Blcohwitz
Simone – Andreas Schmidt
Kammerorchester Carl Philipp Emanuel Bach
PETER SCHREIER