Ist der Niedergang der Oper vorprogrammiert ?

  • Liebe Opernfreunde,


    Opernaufnahmen rechnen sich nicht !


    Diesen oder einen ähnlichen Satz haben in den letzten Jahren des öfteren Entscheidungsträger der Tonträgerindustrie unverblümt oder hinter vorgehaltener Hand gesagt, und jedesmal hab ich mich darüber geärgert und gedacht: Die haben ja keine Ahnung.


    Dennoch: Wenn ich mir den Prozentsatz an Opernthreads in Klassikforen ganz allgemein, und deren Resonanz im speziellen betrachte, dann scheint es, als wüssten die Herren doch, wovon sie reden.


    Wenn ich mich zurückerinnere, so waren doch eher die Opernfreunde, die ungestümeren, ungebändigteren, die (sogar in der Wiener Staatsoper !) durch Pfiffe, Trampeln, Buhen, und Bravo-Rufen ihrer Begeisterung oder ihrem Unmut Ausdruck verlieh, während es in den entsprechendn Konzertsälen wesentlich ruhiger zuging.....


    In Klassikforen ist es, so scheint mir, genau umgekehrt, das wäre eine mögliche Erklärung.
    Die andere, noch traurigere wäre, daß sich viele Musikfreunde von Genre "Oper" zurückgezogen haben. Über die Gründe kann man nur spekulieren.


    Sei es, daß die heutigen Sänger nicht jenes Charisma vergangener Generationen aufweisen, sei es daß die modernen Inszenierungen abstoßen, die oft IMO augenkrebsfördernden Bühnenbilder die Leute fernhalten, oder aber auch die zum Einsatz gebrachten Kostüme, die mich oft unangenehm an Schülertheater mit unzureichenden finanziellen
    Mitteln erinnern die Lust am Musiktheater vermiesen, das ergebnis ist stetd das Selbe: Das Interesse am Medium Oper ist offenbar gering.


    Lange Zeit glaubte ich, all dies habe doch keine Auswirkungen auf die Tonträger, da sieht man doch das Bild gar nicht....


    Was ich nicht bedachte, daß natürlich ein allgemeines Desinteresse am Medium Oper, sich auch auf CD- Umsätze (negativ) auswirkt, und so allmählich zum Erliegen der Aufnahmetätigkeit führt.


    Das bringt mit sich, daß Oper (im Vergleich zu früher) kaum mehr aufgenommen wird, und wenn, dann kann die Neuaufnahme in der Regeln mit den alten Einspielungen nicht Schritthalten, in manchen Fällen nicht mal aufnahmetechnisch.


    Ob das jedoch die wirklichen Gründe für das Desinteresse sind, ich weiß es nicht.


    Ich nahme an, dieser Thread wird kein Renner werden, aber vielleicht hat die/der Eine oder Andere was dazu zu sagen.



    Freundliche Grüße aus Wien



    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • hm...ich bin durch das medium DVD auf die Oper gekommen.
    Audio CDs haben mir da nicht viel weitergeholfen,da ich dann gerne mehr über Handlung erfahren wollte. So war dann einer meiner ersten Klassik DVDs "Der Liebestrank" mit Gheorghiu/Alagna und Pido.
    Die Operngemeinschaft hat mich dazugewonnen.


    Jedoch muss ich sagen,dass gerade bei Opern die CDs wie auch DVDs die Preise einfach unglaublich hoch sind. Schöne Cover und Booklets in allen Ehren. Aber für Neueinsteiger ist das IMHO DIE Abschreckung.


    Würde die Oper zugrunde gehen,würden viele Sänger/Innen auf der Strasse sitzen. :(

  • Hallo,


    Naja,


    in früheren Jahren, das ist gar nicht so lange her,
    musste man, wenn nicht gerade eine Fernsehübertragung einer Oper war (ja das gabs damals öfter) selbst in die Oper gehen, und das war, vom Stehplatz einmal abgesehen, bestimmt nicht billiger als der Kauf einer Opern- DVD.


    Ich sehe die modernen Inszenierungen als Hauptgrund dafür, daß manche keine Oper mehr konsumieren wollen, und das verstehe ich auch.
    Oper soll ha neben dem akustischen, auch einen optischen Genuß bieten, zudem interessiert ja auch der historische Kontext.


    Aber was hat man beispielsweise aus der Zauberflöte gemacht ?
    Einen Zirkus oder (in Wien) ein weißgekacheltes Badezimmer.
    Egal welche Argumente man hier ins Spiel bringt: "Zeitgemäß" "aufgeschlossen" "mutig" "entdeckerfreudig" und was einem halt sonst noch einfällt, ihn Wahrheit handelt es sich um
    das Werk verfremdende Scheußlichkeiten, die das"eigentliche" Opernpublikum eben nicht sehen will.


    Ignoriert wird hier oft die Tatsache, daß die Mehrheit des Publikums der eigentliche Inhalt der Oper sowieso nicht interessiert, sondern er lediglich der Vorwand ist und war, exotische Schauplätze, teure Kostüme, und großartige Musik auf die Bühne zu bringen, nicht zu vergessen die Primadonnen und die Startenöre.


    Man hat heute oft bei den Kostümen den Eindruck, sie wären für eine Schüleraufführung zusammengestoppelt worden. (wobei gesagt werden muß, daß manche Schüleraufführungen hier die Nase vorn haben)
    Dahinter steht eine Lobby, der das "bürgerliche Theater" immer schon ein Dorn im Auge war, die aber die letzten zwanzig Jahre das Sagen hatte, und sich redlich und mit allen Kräften bemühten, es zu zerstören.


    Mit Ende der staatlichen Subventionen (und das zeichnet sich doch schon allzu deutlich ab) wird dieser Spuk voraussichtlich ein Ende haben.
    Ob dann noch genug Geld da sein wird, aufwendige Inszenierungen in der Qualität eines Zefirelli oder eines Ponelle auf die Beine zu stellen, wird die Zukunft zeigen.


    Leider wirkt sich da nachlassende Interesse scheinbar auch auf die CD-Verkäufe aus, und wenn heute eine Neueinspielung präsentiert wird, werden alle Register gezogen, dem Kunde den Kauf zu vermiesen.


    Sogar die Tontechnik ist oft schlechter,als in den späten 60er Jahren,
    die Hüllen ein Graus (Fidelio), der Knacker verursachende Kopierschutz ein Ärgernis, die Sänger so lalala, jedoch zumeist an ihre Vorgänger nicht heranreichend (hier gibt es glücklicherweise Ausnahmen)


    Ein eiteres Phänomen ist die laufende Einengung des Repertoires (mit Ausnahme der Barockopern, dieses Segment entwickelt sich IMO ganz gut). Lediglich einige wenige Werke sind noch im allgemeinen Bewusstsein. Werke die noch vor 80 Jahre zum eisernen Bestand jedes Opernhauses gehörten, sind heute in der Versenkung verschwunden.
    Dazu gehört fast der gesamte Bereich der deutschen komischen Oper des 19. Jahrhunderts von Lortzing über Flotow bis zu Kienzl. Aber auch eine Aufnahme von Smetanas "Verkauften Braut"zu finden ist heutzutage eine "Glückssache". Von der französischen leichteren Oper rede ich mal erst gar nicht, manches ist gestrichen, anderes ist im Billigsegment, mehrheitlich ist diese Epoche nicht zu haben. Bei Haydn gilt derzeit die Devise: Alles oder nichts. Entweder man kauft gleich einen Multipack seiner Opern, oder man lässt es bleiben... X(


    Mal sehen wie sich das weiter entwickelt....


    Freundliche Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich habe ca. 370 Gesamt-Aufnahmen auf CD, und dabei ist die Barockoper kaum berücksichtigt, da ich mit diesem Genre nur wenig anzufangen weiß. Das heißt: Das gängige Opernrepertoire ist längst in guten, teilweise exzellenten Interpretationen zugänglich. Soll ich mir den siebten Tristan zulegen oder eine fünfte Ring-Version? Abgesehen davon, daß dies ein teurer Spaß sein kann. Falls es Sammler dieser Art gibt, dürfte die Zahl zu gering sein, um die Produktionskosten einspielen zu können. Ich erinnere mich daran, daß in den frühen 60er Jahren die Industrie gelegentlich Subskriptionen auflegte, bevor sie eine Produktion in Angriff nahm (z.B. Pfitzners Palestrina).
    Der Tod der Oper ist schon oft geweissagt worden. Ob die restriktive Poliitik der CD-Indstrie dafür wirklich ein Indiz ist, wage ich zu bezweifeln. Da sollte man eher die Statistik der Opernhäuser befragen. Ich habe keine Ahnung, wie es an kleinen und mittleren Opernhäusern damit bestellt ist, obwohl ich mir gut vorstellen kann, daß man sich dort einiges einfallen lassen muß, um die Besucher bei der Stange zu halten.
    Meine eigene Efahrung bezieht sich auf München. Da ist der Laden jeden Abend so proppevoll, daß vom Tod der Oper hier keine Rede sein kann, trotz abenteuerlich teurer Preise und gelegentlich abartigen Inszenierungen (z.B. Ring). Vier Wochen Vorlaufzeit für eine halbwegs bezahlbare Karte sind durchaus die Regel (Ausnahme: zeitgenössische Opern - wie im konservativen München zu erwarten, zumal dann auch die gesamte Schickeria ausbleibt). Und auch das Publikum macht keinen "vergreisten" Eindruck.
    Doch vielleicht befinde ich mich auf einer Insel der Seligen und negiere leichtsinnig den Hurrican, der sich zusammenbraut. Um eine etwas fundiertere Diskussion in Gang setzen zu können, müßte man die Besucherstatistiken aller Bühnen zur Hand haben (Bühnenjahrbücher), die mir jedoch nicht zugänglich sind.


    Florian

  • Hallo Alfred!


    ich glaube, daß deine Sorge unberechtigt ist, wenn man den Boom der Sommerfestspiele betrachtet - jede dritte Marktgemeinde in Niederösterreich und im Burgenland macht schon Open-Air Oper...


    wo soll das Problem sein?


    eine ganz neue Erfahrung war für mich eine Rosenkavalier Aufführung in der Met.
    Ich beziehe es auf den Unterschied zu unserem subventioniertem Theater, daß dort soviel geboten wurde - eine konventionelle Inszenierung, jede Menge zusätzliche Komik auf der Bühne, nur um das Werk interessant zu machen - wo gibt es bei uns Opernaufführungen, bei denen das Publikum lacht...


    Uns geht es noch besser, so daß wir nicht zu billigen Tricks greifen müssen, um die Leute anzulocken.


    Natürlich könnten wir über modernes Regietheater und dessen Auswirkungen diskutieren (hat IMO ähnlichen Effekt wie die Angst vor Atonaler Musik)

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

  • sobald die Subventionen wegfallen, wird sich das Theater IMO sofort ändern und ebenso "kundenfreundlich" werden wie in den USA. Also ist die Sorge unbegründet.


    Obwohl das in mir ganz andere Sorgen weckt - wenn wir nur noch nach den schwarzen Zahlen fragen - ich denke dabei an die tollen Aufführungen spätromantischer Opern in der Wr. Volksoper - natürlich nicht bei voller Auslastung, aber welch wertvolle Musik!


    Die Schlingensiefs werden das Theater nicht kaputtkriegen...
    mich stört daran eher die "Lust am Skandal", im Zuschauer geweckt wird... oder auch Unlust und Abschreckung. Schade!


    Ich höre viel von der Situation der Theater in Deutschland - in Ö. geht es uns gut! (finanziell, ..)



    Um auf den Schubertlied Thread zu verweisen - ich mache mir eher um das Kunstlied Sorgen und sehe keine Möglichkeit, es auf die Bühne zu bringen.
    Jedenfalls hatte ich gehofft, Opernsänger zum Lied verführen zu können, das scheint nicht zu gelingen...
    Bliebt das Lied nur in Händen einiger weniger Spezialisten, die von Agenturen vermarktet werden können bzw. bei Studenten und Liebhabern...?

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

  • Hallo zusammen,


    hier in Berlin werden die Inszenierungen wieder zunehmend dem Publikumsgeschmack angepasst, indem man mit bekannten Filmregisseuren wie Doris Doerrie und Bernd Eichinger zusammenarbeitet.
    Heraus kommt meist bestenfalls kurzweilige Durchschnittsunterhaltung, da bietet Hollywood doch mehr, wenn es um oberflächlichen Glanz geht. Ich persönlich zumindest kenne viele Leute, die gerade wegen des modernen Regietheaters die Oper überhaupt besuchen, sehe also hier nicht das primäre Problem. Hoffnung schöpfe ich aber vor allem aus der Tatsache heraus, dass sich innovative Kunst über die letzten Jahrhunderte immer - wenn auch oft mit Verzögerung - behauptet hat und uns erhalten geblieben ist.
    Wenn es nur nach dem Publikumsgeschmack gegangen wäre, würde der Kunstwelt heute vieles fehlen, was selbsternannte konservative Gralshüter gerne "weggedacht" hätten. Also Subventionen hin oder her, einiges "bewahrenswerte" wird immer wieder gedacht und ausgeführt werden. Hier wird sich also auch abseits der Subventionen etwas tun.


    Problematisch ist natürlich die Preisentwicklung. Wenn man nicht gerade ermäßigungsberechtigt ist, summiert sich ein Abend für zwei auf halbwegs akzeptablen Platz ( nicht jedes Opernhaus verfügt über Stehplätze) schnell in kaum mehr tragbare Bereiche (wobei mir das natürlich nur angemessen erscheint, wenn man bedenkt, wieviele Euro man mittlerweile schon für so manches Popkonzert hinlegen muss!).
    Um der kunstfeindlichen Routine der Repertoireaufführung zu entfliehen, ist man ja geradezu gezwungen, oft in die teuersten Vorstellungen zu gehen, damit Sänger, Dirigent und Orchester Qualität und vor allem Motivation zu bieten haben.
    Insofern ist ein Opernbesuch für mich mindestens 3-4 mal so teuer, wie eine Konzertkarte und dies spiegelt sich auch gut in der Häufigkeit, in der ich was besuche wieder.


    Gruß
    Anti

  • Antracis


    Zitat

    Um der kunstfeindlichen Routine der Repertoireaufführung zu entfliehen, ist man ja geradezu gezwungen, oft in die teuersten Vorstellungen zu gehen, damit Sänger, Dirigent und Orchester Qualität und vor allem Motivation zu bieten haben.


    Genau, das ist das Problem der Repertoirehäuser - aber wie langweilig sind doch die Opernhäuser, in denen pro jahr gerade 6, 7 produktionen gemacht werden.


    Diesbezüglich bietet z.B Wien den Wahnsinn an Vielfalt schlechthin, selbst wenn man dann einige heruntergespielte Aufführungen in Kauf nehmen muß.


    Bei aller Liebe zu Hollaender :evil: - Gott sei Dank kann dieses Haus noch weiterbestehen.

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

  • Hallo Wolfgang,


    Zitat

    Original von tastenwolf
    aber wie langweilig sind doch die Opernhäuser, in denen pro jahr gerade 6, 7 produktionen gemacht werden.


    Möchte Dir da aus meiner Sicht (d.h. aus der eines "kleinen" Hauses, das im Jahr etwa 5 - 7 Musiktheaterproduktionen macht) widersprechen. Es kommt freilich darauf an, was man unter "langweilig" versteht :) Aber das ist ein anderes Thema....


    Grüße,


    Claus

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

  • Hallo Anti,


    Zitat

    Original von Antracis
    Hoffnung schöpfe ich aber vor allem aus der Tatsache heraus, dass sich innovative Kunst über die letzten Jahrhunderte immer - wenn auch oft mit Verzögerung - behauptet hat und uns erhalten geblieben ist.
    Wenn es nur nach dem Publikumsgeschmack gegangen wäre, würde der Kunstwelt heute vieles fehlen, was selbsternannte konservative Gralshüter gerne "weggedacht" hätten.


    Du ahnst es: Da hast Du meine volle Zustimmung!


    Beste Grüsse,


    Claus

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Sagitt meint:


    Ich sehe verschiedene Problemebenen:


    die eine ist die Inscenierung. Das sind die Kostenfragen( für kleinere Häuser sicher sehr wichtig) und die Qualitätsfrage( was soll man von Regisseuren halten, die eine Opoer inscenieren mit einen Reclam-Textheftchen in der Hand?) Schließlich der sehr tiefgehende Frage, welche Bedeutung hat Oper eigentlich heute ? Die Stoffe sind ja nicht gerade das, was man als aktuell bezeichnen kann. Wenn es nur um die Musik ginge, könnte man das ja konzertant machen


    die zweite Ebene ist die der Industrie. Es ist ja unübersehbar, dass die CD-Produktion deutlichst nachlässt. Wieviel Neuerscheinungen gab es im Verdijahr 2001. War ünerhaupt irgendeine richtungsweisende Aufnahme dabei ? Ich glaube, die DVD-Produktion wird zunehmen. Es gibt die verschiedensten Reihen, die Frankfurter Allgemeine macht eine, Agostini die andere und die Zahl der DVD-Produktionen wächst ( zuhause mit einem Beamer und einer guten surround-Anlage nicht zu verachten).


    Was ist nicht sehe, ist ein nachlassendes Interesse für die Oper. Im Gegenteil. Ich kenne nicht wenige Leute, die eigentlich mit klassischer Musik wenig anfangen können, aber sich für die Oper interessieren.

  • C.Huth


    habe ein Jahr an einem kleinen Haus gearbeitet - jetzt an einem mittleren (mit Repertoirebetrieb) also beide Seiten ein bißchen kennengelernt


    sagitt


    ich wäre mir nicht sicher, ob wirklich Bühnenbild und Kostüme den Löwenanteil ausmachen.
    und ein Regisseur allein macht noch keine schlechte Produktion - da gehört die Dramaturgie im Hintergrund dazu - mitverantwortlich für die Wahl des Regisseurs, den Spielplan...


    Wenn ein Theater ausschließlich mit gastierenden Sängern arbeitet, kommen da enorme Hotel- und Reisekosten zusammen.
    Andererseits - ein Jahresengagement zu bieten, ginge nicht (die/den Betreffenden in allen Produktionen einbauen...?)


    was Österreich betrifft hat ja das Theater der Landeshauptstadt St.Pölten den musikalischen Betrieb eingestellt. das würde ich aber eher der Landespolitik zum Vorwurf machen als einer allgemeinen Krise...


    Welche Auslastungszahlen muß/darf ein Haus haben...
    kann es ein Durchschnittswert oder muß es das höchstmögliche sein? - gibt es eine Balance zwischen dem, was sich gut verkauft und guten Stücken, oder nicht?

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

  • Was Neueinspielungen sicher erschwert, ist der gestiegene Anspruch. Jeder, der eine Ahnung von Oper oder Operette hat, erwartet von einer neuen CD mehr als Durchschnitt. Auf der Bühne - als unmittelbares Erlebnis - gefällt und berührt manches, was als dauerndes oder wiederholtes Erlebnis nicht die nötige Nachhaltigkeit besitzt.

    Wenn ich mir aber anschaue, wie schnell alte Aufnahmen im neuen Labelgewand zu Billigpreisen von den Leuten gekauft werden, dann kann ich eigentlich keine echte Krise erkennen, bloß eine veränderte Relation zwischen Produzenten und Konsumenten. Der intensive und steigende Zuspruch, den das Tamino-Forum von außen erfährt, dokumentiert offenbar auch einen gewissen Informationsmangel, den die Leute durch Mitlesen hier wenigstens teilweise beheben wollen. Die CD-Erzeuger tun da zu wenig.
    Die Firmen könnten wohl eher mit vermehrten Opern-DVDs ihren Absatz steigern - denn das ist immerhin ein relativ junges Segment, dürften dann aber eben nicht nur für beschränkte Gruppen produzieren oder müßten längerfristig versuchen, das Geschmacksniveau nicht nur in punkto Senkung zu beeinflussen. Wer nur das schnelle Geschäft sucht, wird da wahrscheinlich klagen. Aber um solche Produzenten müssen wir auch nicht weinen.


    LG


    Waldi

  • Hi!


    Nun ja, die oper ist ja wirklich nicht etwas für jedermann.
    Auch ich habe erst im zarten alter von 18 jahren dazu gefunden :yes:


    Über verdis aida und beethovens fidelio kam ich zu wagner.
    Tja, und seit dem ists um mich geschehen und ich liebe die oper :lips:


    Wenn man(n) sich allerdings nicht so intensiv mit klassischer musik auseinandersetzt wie ich, dann
    glaube ich schon, dass der einstieg sehr schwer ist.


    Dies wirkt sich natürlich auf die verkaufszahlen aus. Von einem niedergang zu sprechen, scheint mir jedoch etwas übereilt :O


    LG florian


    :hello:

    Gustav Mahler: "Das Wichtigste in der Musik steht nicht in den Noten."

  • Ich möchte die Frage verneinen. Ich teile Alfreds kulturpessimistische Sicht der Dinge nicht. Ich befürchte hier einmal mehr den Versuch dem Regietheater vorzuwerfen, es sei an allem Schuld, auch an der rückläufigen Zahl von CD-Aufnahmen.


    Und wenn das Publikum doch in die Regietheater-Aufführungen geht, dann ist es nicht das "eigentliche" Publikum.


    Ich bin weiß Gott kein Revoluzzer und finde mitnichten alles gut was das Regietheater auftischt. Aber eine solche Sicht der Dinge finde ich dann doch sehr polemisch. Die Aufführungen der Opern, die ich in letzter Zeit in Hannover und Bielefeld gesehen habe, waren allesamt gut besucht und das Publikum setzte sich, der Kleidung nach zu urteilen, aus bürgerlichem, konservativ gekleidetem Publikum und leger gekleidetem, meist jüngerem Publikum zusammen, wobei die konservativ gekleidete Fraktion überwog (hinsichtlich Kleidung bin ich ein Teil davon). Aber wie gesagt; auch der Nachwuchs war da. Von Niedergang daher m. E. keine Spur.


    Allen Totengräbern- und Niedergangsszenarien zum Trotz bin ich der Meinung, dass Oper zur Zeit boomt. Vielleicht sollte man mal Besuchszahlen recherchieren, um gefühlte Werte zu untermauern oder zu widerlegen.


    Dass Opern nicht oder nur noch wenig auf CD erscheinen, hat sicherlich andere Gründe, die von anderen Teilnehmern bereits erörtert wurden.


    Gruß
    Christian

  • Außerdem finde ich, dass nirgends leidenschaftlicher gestritten wird als in den Opernthreads. Auch das ist für mich ein Beweis der Lebendigkeit.


    Christian

  • Hallo,


    Oper ist, wie schon mehrfach gesagt wurde, eine problematische Gattung,
    besonders für Klassik-Einsteiger.
    Die "Klassische Stimme"eines Soprans möchte erstmal verdaut sein - vor allem,
    wenn man sonst soetwas gar nicht kennt.


    Ich nehme öfter mal klasikunerfahrene Mitschüler zu "Kulturveranstaltungen" mit. Dabei empfehle ich aber meistens den Interessierten sich NICHT für die Oper erinzutragen - ich gehe dann meist leiber mit ihnen ins Konzert - da ist der "Erfolg" meist sicher... :D


    Konzerte sind in der Regel Zeitlich kürzer, Abwechslungsreicher und generell einfacher, da man sich nicht auf irgendeinen Text konzentrieren muss...kurzum, man kann sich berieseln lassen!


    Gute erfolge erzielt man natürlich trozdem mit der Zauberflöte (Überraschung?! ?( :D) oder dem Fliegenden Holländer - Das sind Opern, die "Storymäßig" und Musikalisch auch für Anfänger zumutbar sind. Generell miede ich aber mit Neulingen Vokalwerke mit vielen Soli eher.


    Eine kleine Anekdote vielleicht:
    Ich höre den Nibelungen-Ring im Wohnzimmer auf voller Lautstärke - Irgendeine ausgedehnte Sopranstelle. Meine Mutter ist unweit entfernt in der Küche und ruft energisch: "Mach das gekreische aus...!"...dabei waren die Sänger gar nicht sooo übel... :rolleyes::D


    LG
    Raphael

  • Bei der Oper ist es meines Erachtens schon mal, was die heutigen Möglichkeiten betrifft, "darstellende" Musik zu machen, erheblich schwieriger aktuell wirklich grosse Interessen zu wecken.


    Dieses Interesse hängt wohl in erster Linie von dem zum Glück sehr stark vorhandenen immergrünen Charakter vieler zum Teil mehr als 200 Jahre alten Opern ab.


    Ich glaube, da wird es immer Liebhaber geben, die ein beständiges Interesse dafür zeigen. Somit brauchen sich meiner Meinung nach folgende Interpretengenerationen diesbezüglich keine Sorgen machen, wenn man mal von den verschlungeneren Verbreitungskanälen für die kommerzielle Ausnutzbarkeit der Interpretationen absieht.


    Anders sieht es eben wie eingangs gesagt mit Neuschöpfungen aus: Da hat einfach das Musical, die Revue und - natürlich im erheblichsten Umfang - der insbesonders melodramatisch angelegte Film das Szepter übernommen.


    Neuschöpfungen im Opernstil hingegen laufen oftmals Gefahr entweder epigonal, avantgardistisch abgehoben oder aber einfach nur uninteressant zu wirken.


    So gibt es beispielsweise für Philip Glass`minimalistische Opern ( Einstein on the beach, Satyagraha, Akhnaten ) nur eine begrenzte Hörergemeinschaft. Die anderen finden diese Form der Oper oftmals über die gesamte Aufführungsdauer gesehen einfach langweilig.


    Ich persönlich bin auch an Neuschöpfungen, insbesondere auch minimalistischer oder anderweitig moderner Art interessiert, zumindest was den audiophilen Part betrifft.

    alle Menschen werden Brüder ...

    Einmal editiert, zuletzt von Aquarius ()

  • Was für ein schönes Thread! :jubel:


    Ein Thema und ein Kontext, die, ich denke, jeden meiner Kommentare auf diesem Forum verfolgen. :D


    Wenn ich mich zurückerinnere, so waren doch eher die Opernfreunde, die ungestümeren, ungebändigteren, die (sogar in der Wiener Staatsoper !) durch Pfiffe, Trampeln, Buhen, und Bravo-Rufen ihrer Begeisterung oder ihrem Unmut Ausdruck verlieh, während es in den entsprechendn Konzertsälen wesentlich ruhiger zuging.....


    Ja, die "Lähmung" des Publikums ist ein Grund für die mangelnde Vitaltät der Oper. Heute wird es als unhöfflich angesehen, wenn man buht. Das Problem ist aber, dass man auch fast nie richtig verzweifelte Bravo-Rufe hört. Die Lähmung gilt allgemein für alle Ausdruckformenbeim Publikum. Die eifrige Motivation ist einfach nicht mehr da.
    Seit einiger Zeit ist die Oper zu einem "Kulturgut" geworden, das sehr an ein Museum erinnert. Man benimmt sich in der Oper, wie in einem Museum.


    Das zweite Hauptproblem ist die sinkende Qualität der Künstler. Dass es heute geradezu ein Wunder ist, wenn eine Rolle adäquat besetzt wird und eine Abigaille nicht von einer Mimi-Stimme gesungen wird, ist einerseits die Schuld inkompetenter Leiter der Opernhäuser andererseits aber die der Sänger selber und ihrer Berater. Die Dirigenten von heute verstehen meistens auch nicht viel von Oper und haben keine Ahnung, wie mit der Stimme umzugehen.
    Die Regisseure machen sowieso was sie wollen und verfremden sowohl das Publikum als auch die Sänger von der Musik.


    Der Tod der Oper ist mindestens seit zwei Jahrzehnten eingeschlichen, als sich beim Publikum und bei Sängern massiv Ideale durchgesetzt haben, die, wie ich es schon in einem anderen Thread gesagt habe, nicht einfach andere Geschmacksideale sind und nicht auf Geschmacksdiskussionen reduziert werden können, sondern die die Stimme in ihrer Materialität selber kompromittieren, lange, solide Karrieren und die Bildung echt charismatischer Opernpersönlichkeiten verhindern.


    Der Tod der Oper muss nicht unbedingt mit einem leeren Opernsaal gleichgesetzt werden. Ein Opernpublikum wird's noch lange geben, überall sind die Opernhäuser jeden Abend voll. Es ist aber für mich ganz logisch, ja unvermeidbar, dass die Oper, wie sie war und wie ihr Begriff auch heute für uns gestaltet ist, langsam den Boden unter sich verliert und bald entwder kracht, d.h. tatsächlich stirbt, oder so transformiert wird, dass sie dem Musical-Genre nahekommt, zm immer noch für kommerzielle Zwecke benutzt werden zu können.


    Mit dem Humanismus der menschlichen Stimme und der Botschaft, die die Stimmen als Stimmen zu vermitteln hatten, ist es aber leider aus.

    Ecouter, c'est écouter la différence.

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose