Werke der "Wiener Klassik" HIP oder "modern" ??

  • Hallo,


    Vor etwas mehr als 20 Jahren begann ein "Modetrend", nämlich Werke des Barock ,und weenig später auch solche des Barock auf "Originalinstrumenten" einzuspielen.
    Tatsächlich gabe es bereits wesentlich früher derartige Bestrebungen
    (beispielsweise das "collegium aureum" für Harmonia mundi ,dem Label, das sich heut " Deutsche Harmonia Mundi " nennt, aber sie wurden von der Mehrheit der Musikliebhaber einfach nicht wahrgenommen.


    Erwähnt man dies Einspielungen heute, erntet man zumeist nur ein mitleidiges Lächeln....


    Der wirkliche Durchbruch kam dann aber um etwa 1980. Ab diesem Zeitpunkt war es schwierig, Schallplatten zu verkaufen, die von "konventionellen" Orchestern aufgenommen worden waren.
    Plötzlich waren sie aller da, Pinnock, Harnoncourt (der war immer schon da :D ), Hogwood und Göbel.



    Zahlreiche Kammerorchester, die bisher erfolgreich Mozart und Haydn aufgenommen hatten, bekamen einen rauhen Wind zu spüren, nicht einmal Neville Marriner und seine St. Martin-in-the Fields blieben davon verschont.



    Eigenartigerweise, obwohl es sich ja geradezu anbot, machte dieser HIP Trend um Klavierssonaten und Konzerte speziell von Beethoven einen großen Bogen, warum wohl ? :D


    Viel Zeit ist seither vergangen, der Reiz des "Neuen" ist verflogen und langsam aber siche lugen wieder "Normalorchester" in die Szene.


    Nun kommt meine Frage.


    Wie haltet Ihr es mit HIP ? Heute braucht man ja keine "Originalinstrumente" mehr, man spielt in einer Technik, die angeblich identisch oder zumindest ähnlich jener ist, die vor 250 Jahren üblich war. Ich bezweifkle allerdings sehr, daß man zu Mozarts Zeiten wo alles so geziert, geschminkt, exaltiert und pafümiert war (ich meine das jetzt im übertragenen Sinne) die Musik so klang wie Concerto Köln sie darbietet... :D
    Seis drumm. Die Frage die sich hier stellt ist:
    Wie hört Ihr Musik von Haydn bis Schubert (und Zeitgenossen) ?


    Romantisch, wie vor der HIP-Welle ? oder doch lieber mit Originalinstrumenten.? Wer von Euch hat scho eien Schubert- oder Beethoben-Klavierkonzerte auf einem zeitgenössichen Flügel gehört ?
    (Graf oder Broadwood beispielsweise)


    Und wenn, was war Euer subjektiver Eindruck ?


    Fragen über Fragen....


    Grüße aus Wien


    sendet Euch Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • das hat mir auch mal lange Zeit kopfzerbrechen bereitet.


    Sagen wir so...als ich die Aufnahme von Bilson (Archiv)´s WAM Klavierkonzerte (gesamteinspielung) gehört habe, war für mich klar,dass ich (u.a.) Mozart nur mit neueren Instrumente höre.
    Dass dann die Bassstimme mit dem Orchester mitgespielt wurde,war dann für mich auch verständlich. Das "Klavier" ging im ganzen Orchester fast unter!


    Dasselbe auch bei den Mozart oder Haydn Klaviersonaten.
    Bei Beethoven allerdings fällt mir das noch extremer auf.
    Bei seinen Sonaten und Klavierkonzerten sind so viele Verzierungen, Bindungen, Gewaltforte und Samtpiano. Sowas könnte ein Hammerklavier geschweige denn ein Cembalo kaum zustande bringen (In der Moderne möchte man doch im Konzertsaal,dass möglichst viele was von der Musik mitbekommen).


    Brendel hat mal in seinem Buch gesagt (Nachdenken über Musik),dass er nur auf neueren Flügel spiele (selbstverständlich).Klang, Dynamik und Spielart hätten mit unseren heutigen Flügeln erstaunlich wenig gemein.(...).Der Registerunterschied in Baß,Mittellagen und Höhe ist bedeutend (polyphonisches Spiel!).(...).Man begreift das ständige Begleitpiano im Orchestersatz der Klavierkonzerte Beethovens - obwohl gewiß auch der Orchesterklang seiner Zeit dem heutigen nicht allzu ähnlich gewesen ist. Im Hinblick auf den Kraftverbrauch des Spielers verhält sich der Erard zu unserem Steinway wie ein Feinmechaniker zu einem Möbelpacker.


    (...)... immer,wenn wir Beethoven auf heutigen Instrumenten hören, ist dies eine Art Transkription. Wer in diesem Punkt noch Illusionen hat,den wird ein Besuch im Instrumentenmuseum davon heilen.
    Der moderne Konzertflügel - ... - entspricht in seinem Tonvolumen nicht nur modernen Orchestern , Sälen und Ohren, er wird auch,...,der Mehrzahl der Klavierwerke Beethovens eher gerecht als das Hammerklavier: (...)

  • Klassikliebhaber begründete seine Vorliebe für moderne Instrumente
    in Bezu auf Klavierkonzerte und -sonaten der Wiener Klassik, und bemerkte abschließend:


    Zitat

    Dasselbe auch bei den Mozart oder Haydn Klaviersonaten.


    Dabei würden sich IMO gerade Mozarts und Haydns Klaviersonaten zu Wiedergaben auf "zeitgenössischen" Instrumenten eignen, allerdings sind hier gelungene Nachbauten vorzuziehen, es sei denn, es steht ein historisches Instrument in erstklassigem Zustand zur verfügung, was in der Praxis allerdings selten der Fall sein dürfte.


    Ein "altes" Instrument hat naturgemäß einen anderen Klang, es darf aber keinesfall verstimmt sein, oder eine Mechanik aufweisen, die nicht mehr in der Lage ist, den Intentionen des Interpreten auch nur annähernd zu folgen.


    Hier gibt es leider genug abschreckende Beispiele, mir fallen hier reine Aufnahme von Mozert Klaviersonaten unter Patrick Cohen auf einem Walter Flügel, die schon jede Menge Toleranz von Seiten des Zuhörers
    erfordert. Andererseit beweisen die Aufnahmen von Andreas Staier, das es auch anders geht.


    Beethoven ist IMO ein Sonderfall. Zwar besitze auch ich (noch auf Schallplatte) Aufnahmen von einzelenen Klavierkonzerten, dem Tripelkonzert und ein oder zwei Sonaten, doch idas lediglich, um mich historisch zu informieren. Beethoven selbst war immer auf der Jagd nach lauteren und leistungsfähigeren Klavieren und stand deswegen auch mit führenden Klavierherstellern in schriftlichen Kontakt. Aus diesem Grunde scheint es mir geradezu eine Verhöhnung Beethovens zu sein, auf Flügeln zu spielen, die ihm schon zu Lebzeiten nicht entsprachen.


    Anders verhält es sich eigenartigerweise mit Schuberts Klaviersonaten. Tendenziell jenen Beethovens ähnlich, weisen sie doch gravierende Unterschiede auf. So gibt es Werke, die auch einem alten Broadwood "lieblicher" und "blühender" klingen, als beispielsweise ein moderner Konzerflügel. Eine Aufnahme mit Robert Levin scheint das zu belegen.
    Während ich bei Beethoven einen Steinway für ideal halte, scheint mir für Schubert unter den modernen Flügeln ein Bösendorfer oder Fazioli die bessere Wahl zu sein, wobei diese beiden Marken natürlich auch bei Beethoven ihre Klangpracht voll entfalten können.


    Allgemein glaube ich, daß die HIP -Welle ihren Zenith bereits überschritten hat. Spezialisten, die auch hier überzeugen, wird es natürlich immer geben.


    Beste Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Nun kommt meine Frage.


    Wie haltet Ihr es mit HIP ? Heute braucht man ja keine "Originalinstrumente" mehr, man spielt in einer Technik, die angeblich identisch oder zumindest ähnlich jener ist, die vor 250 Jahren üblich war. Ich bezweifkle allerdings sehr, daß man zu Mozarts Zeiten wo alles so geziert, geschminkt, exaltiert und pafümiert war (ich meine das jetzt im übertragenen Sinne) die Musik so klang wie Concerto Köln sie darbietet... :D
    Seis drumm. Die Frage die sich hier stellt ist:
    Wie hört Ihr Musik von Haydn bis Schubert (und Zeitgenossen) ?


    Salut,


    mir gefallen grundsätzlich beide Spielweisen, sofern ihnen eine höchstmögliche Qualität innewohnt und sie zum jeweils dargebotenen Werk passen. Was das Concerto Köln betrifft, so spielt dieses m. E. eher nüchtern und nackt, als geziert, verschminkt - Sinn der Sache ist es ja m. E., das "nackte Werk" zu präsentieren. Die ersten Gehversuche von CK mit z.B. Salieris Klavierkonzerten fand ich damals faszinierend - heute sind sie ekelhaft: Auch das Concerto Köln entwickelt sich positiv weiter [z.B. Saul/Jacobs].


    Mit Verzierungen sollte man sehr vorsichtig umgehen, denn ein Zuviel ist sehr schädlich. Für mich ist es tatsächlich von vergleichbarer Erotik, wenn ein mit Pomp bepackter Mensch vorsichtig entkleidet wird, um die Feinheiten sinnlich erfahren zu können. Mozart hat übrigens - um Alfreds Behauptung zu entkräften - besonders bei seinen Klavierwerken extra für seine Schwester einige Auszierungen komponiert, weil diese seine Werke sonst zu langweilig empfand.


    Weniger wichtig als die Verwendung von Originalintrumenten ist mir eigentlich die Aufführungspraxis, also der Umgang mit den Instrumenten. Großes Mißfallen entdecke ich z.B. bei Werken des Barock. Wenn hier z.B. Charpentiers Prédlude zu seinem Te Deum gegeben wird, so ist dies beinahe bis zur Unkenntlichkeit durch Schnörkel, Schleifen usw. verschmiert. Wenn man allerdings solche Werke "ganz normal" - nur unter Verwendung historischer Originalinstrumente - spielt, so entfaltet sich tatsächlich ein Klangwunder, das ich nicht mehr missen möchte. Hier ist für mich Alan Curtis von besonderer Bedeutung. Er lässt Händels Opern sehr nüchtern und dennoch intensiv erklingen - ausgeziert wird da, wo es notwendig erscheint, z.B. im da-capo-Teil der Arien.


    Beim sogenannten Originalklang war z.B. Arnold Östman maßgebend [und für mich ist er es noch heute]. Seine Tempi mögen umstritten sein, vieles ist mir auch zu schnell. Dabei aber wird bei ihm keine einzige Note verschuckt, was wiederum Professionalität bedeutet. Östman lässt ganz im gewohnten Stil die Noten erklingen - nur werden historische Instrumente verwendet. Der umgekehrte Fall [also modernes Instrumentarium mit alter Spieltechnik] ist dagegen ein Graus! Wer so spielt, würde bei jeder Hochschule bereits durch die Aufnahmeprüfung rasseln... ganz ohne Pauken und Trompeten.


    In Bezug auf den Originalklang ganz ähnlich agieren auch das Quatuor festetics und das Quatuor Mosaiques bei Kammermusiken von Mozart, Schubert und Beethoven. Das, was ich von diesen Quartetten erfahre, ist eine Wunderwelt des Klanges, der in dieser form zuvor nicht auf Tonträgern erhältlich war. Besonders zu empfehlen ist hier auch die einspielung zweier Beethoven-Quartette [ein frühes, ein mittleres] durch das Schuppanzigh-Quartett, welches auf den Instrumenten spielt, die aus Beethovens Nachlass stammen. Sie wurden extra in einer einmaligen Aktion für diese wunderbare Einspielung aufbereitet. Schade, dass z.B. das Cello weiteres Bespielen angeblich nicht verkraften würde.


    Bei Tasteninstrumenten ist die Sache tatsächlich so, wie Alfred es bereits beschrieben hat: Ich selbst bevorzuge hier ebenfalls Nachbauten von Instrumenten der Zeit. Diese Nachbauten integrieren sich sehr viel besser, als die echten Instrumente, denen dennoch mein Respekt gilt. Die echten Instrumente mögen für Solodarbietungen ganz gut herhalten, im Ensemble allerdings fügen sie sich m. E. wenig ein, gehen unter oder passen überhaupt nicht zum übrigen Instrumentarium [vgl. Mozart: Klavierquartette KV 478 u. 493 mit Badura-Skoda und dem Quatuor festetics]. Der bei den Kozeluch-Quartetten verwendete Nachbau ist hingegen ideal [Trio 1790]!


    Die Einspielung der Haydn-Sonaten von Christine Schornsheim auf unterschiedlichen Instrumenten der damaligen Zeit hat z.B. für mich historische Bedeutung. Ich höre das aus historischem Interesse, nicht weil ich es als schön empfinde.


    Sehr gerne höre ich allerdings auch Haydns Sinfonien, beispielsweise gespielt von den Berliner Philharmonikern mit Hans Rosbaud oder vom RIAS Symphonie-Orchester Berlin mit Ferenc Fricsay. Das mag z. T. alles etwas romantischer klingen, aber perfekt ist es dennoch. Am notwendigen Feuer jedenfalls ermangelt es hier nicht.


    Eine interessante Fragestellung meinerseits dazu wäre: Wie mag Händels Musik zu Mozarts Zeit geklungen haben? :rolleyes:


    Soviel dazu vom "Meinungsbildner" - Glaubt oder sterbt. :D


    Viele Grüße
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Zitat

    Original von Ulli
    ... Die ersten Gehversuche von CK mit z.B. Salieris Klavierkonzerten fand ich damals faszinierend - heute sind sie ekelhaft: Auch das Concerto Köln entwickelt sich positiv weiter [z.B. Saul/Jacobs].
    ...


    Salut


    Na dann hat ja Harnoncourts Figaro die besten Chancen, bei dir in ein paar Jahren aufs Höchste geschätzt zu werden!


    :D :D :D

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Wieso?


    NHs Figaro ist ja bereits heute reizend... brechreizend - soll's etwa noch schlimmer werden? Umkehrschlüsse sind nur selten richtig :D das beweist er ja selbst, in dem er "HIP" auf modernen Instrumenten spielt. Dazu schrieb ich oben bereits durch den Cactus [mit unserem Lieblingsthema hast schließlich Du angefangen :pfeif: ]: "Der umgekehrte Fall [also modernes Instrumentarium mit alter Spieltechnik] ist dagegen ein Graus! Wer so spielt, würde bei jeder Hochschule bereits durch die Aufnahmeprüfung rasseln... ganz ohne Pauken und Trompeten." Davon abgesehen wird ER die Chance bei mir gar nicht mehr erhalten - ich würde auch niemals meine [nicht vorhandene] Exfrau wieder heiraten.


    8)


    An der damaligen Einspielung der Salierikonzerte war tatsächlich für mich nur faszinierend, dass ausschließlich Originalinstrumente der Zeit verwendet wurden - mehr nicht. Im Vergleich zu dem, was Concerto Köln heute macht, war das eben einfach nur mal ein Anfang - nur: das wusste ich damals noch nicht.


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Schon seit einiger Zeit kaufe ich fast nur noch Aufnahmen auf alten Instrumenten (wobei ich damit natürlich auch Nachbauten meine), lehne aber deswegen modernes Instrumentarium oder die Anwendung alter Spieltechniken und -regeln auf modernen Instrumenten nicht grundsätzlich ab - letztlich kommt es immer darauf an, wie die Instrumente eingesetzt werden.


    So klingt Gardiners Beethoven auf historischen Instrumenten für mich noch weit entsetzlicher als der bei mir auch nicht gerade geliebte digitale Karajan-Zyklus. Würde ich mich entscheiden müssen gäbe es keine Sekunde des Zögerns, obwohl die Berliner Philharmoniker bei ihrer letzten Beethoven-Rundreise unter Karajan nicht gerade klangschön oder auch nur akkurat gespielt haben. Aber obwohl dieser Zyklus geradezu ein Musterbeispiel für alle aus meiner Sicht schlechten Eigenschaften moderner Instrumente ist und auch nicht mit besonders herausragenden gestalterischen Leistungen beeindrucken kann enthält er doch noch mehr Leben und Empfindung als die Gardiner-Einspielung, die einen der absoluten Tiefpunkte meiner Sammlung darstellt.


    Sind Aufnahmen auf alten Instrumenten allerdings klanglich in Ordnung, also weder durch spiel- noch durch aufnahmetechnische Defizite oder schlechten Zustand des Instrumentariums zu scheppernden oder kratzenden Karikaturen degradiert, und setzen die Interpreten die klanglichen Möglichkeiten und historischen Spieltechniken musikalisch sinnvoll ein, dann entthront im Regelfall die HIP-Aufnahme alles andere.


    Ein Paradebeispiel sind die Beethoven-Sonaten, die Ronald Brautigam auf Walter-Nachbauten (McNulty) einspielt - diese Sonaten gewinnen so enorm sowohl an Zartheit als auch, je nachdem, an Dramatik, dass moderne Flügel auch in den Händen großer Meister gar nicht mehr zur Debatte stehen.


    Ähnliches gilt für die Beethoven'schen Klavierkonzerte 4 und 5 in den Händen Schoonderwoerds, der auf seinem herrlichen Graf und mit solistisch besetzem Orchester diese Stücke in eine neue Dimension des Ausdrucks hebt. Da hat dann auch Pierre-Laurent Aimard mit dem famosen Chamber Orchestra of Europe unter Harnoncourt keine Chance über einen weit abgeschlagenen "zweiten Platz" hinaus, von Kempff/Leitner mit einem als "Berliner Philharmoniker" firmierenden Telefonorchester (hoffe ich mal) ganz zu schweigen.


    In meinem Empfinden haben Interpretationen auf alten Instrumenten den "Vorteil", dass ihre klanglichen Eigenschaften mir entgegenkommen. Eine Interpretation mit modernen Instrumenten muss erst die klangliche Hürde überwinden, da ich Instrumente wie die modernen Querflöten, Trompeten oder Posaunen meist nur schwer ertragen kann und das heute übliche Dauervibrato mir auch üblicherweise Seekrankheit beschert.


    Da müssen dann schon besondere Umstände hinzutreten, um mir eine Aufnahme liebenswert zu machen - was aber durchaus vorkommt.


    Am Ende bleibt es eine Frage des subjektiven Empfindens, das sich ständig wandelt - im Moment plane ich daher nicht, mir noch weitere Aufnahmen auf modernen Instrumenten in diesem Repertoire zuzulegen, da es schon zuviele interessante CDs mit mir sympathischerem Instrumentarium gibt.


    :hello:
    Flo

    "Dekonstruktion ist Gerechtigkeit." (Jacques Derrida)

  • Zitat

    Original von Ulli
    ...
    ich würde auch niemals meine [nicht vorhandene] Exfrau wieder heiraten.
    ...


    Wer kann das schon.... :pfeif:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Original von Theophilus


    Wer kann das schon.... :pfeif:


    Eher: Wer will das ("Exfrau wieder heiraten") schon? :rolleyes::D


    [size=7](Fehler sind ja menschlich, nur sollte man aus ihnen lernen :beatnik: ) [/size]

    Viva la libertà!

  • Zitat

    Original von Barezzi


    Eher: Wer will das ("Exfrau wieder heiraten") schon? :rolleyes::D


    [size=7](Fehler sind ja menschlich, nur sollte man aus ihnen lernen :beatnik: ) [/size]


    Es gibt immer wieder Leute, die das Unmögliche wollen... :D

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


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  • Letztendlich kommt es mir bei der Wiener Klassik darauf an, wie die Werke dargeboten werden. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ein Mozart à la Muti mich langweilt und à la Böhm sogar aktives Unwohlsein hervorruft. Wenn ich hingegen die Aufnahmen von Harnoncourt und Bernstein höre, geht mir das Herz auf.
    Es kommt mir also weniger auf die Instrumente als auf die Interpretation an. Ich kann heute mit historischen Instrumenten auch einen dramatischen Beethoven spielen ohne dass er schwachbrüstig klingt, genauso wie ich mit modernen Instrumenten einen federleichten hinzaubern kann. Noch frühere Komponisten eignen sich aber weniger für modernes Instrumentarium, wie uns Karajan eindrucksvoll bewiesen hat.


    LG
    Georg

    Früher rasierte man sich wenn man Beethoven hören wollte. Heute hört man Beethoven wenn man sich rasiert. (Peter Bamm)

  • Hallo zusammen,


    bei mir verschiebt sich der Schwerpunkt von HIP zu Nicht-HIP von Mozart und Haydn auf der einen Seite und Beethoven auf der anderen. Bei Haydn und Mozart bevorzuge ich HIP-Aufnahmen auf Originalinstrumenten und Nachbauten - Ausnahmen bestätigen hier die Regel. Zum Beispiel empfinde ich den Klang eines Hammerklaviers bei Haydns Klaviersonaten angemessener. Dabei spiel(t)e ich sie auch sehr gern auf meinem modernen Klavier, aber Klangeffekte wie etwaAndreas Staier konnte ich meinem Klavier nie entlocken (OK, das liegt in diesem Fall hauptsächlich am Spieler :wacky: ). Ebenso gefallen mir klanglisch die Aufnahmen der Streichquartette von Quatuor Mosaiques oder Festetics einfach besser als die Aufnahmen der klassischen Quartette, z.B. Alban Berg Quartett.


    Bei Beethoven greife ich schon viel häufiger zu klassischen Aufnahmen, irgendwie scheint mir die HIP-Konkurrenz da auch viel zurückhaltender zu sein. Gerade bei Klavier- und Kammermusik gibt es aus meiner Sicht noch viel zu wenige hochkarätige HIP-Aufnahmen - oder kenne ich diese nicht??


    Bzgl. Sinfonien schreibt Barockbassflo:



    Hier habe ich nach einem Probe-Hören am Wochenende einen etwas anderen Eindruck gewonnen. Ich habe den ersten und zweiten Satz der dritten Sinfonie gehört jeweils in Aufnahmen von Furtwängler, Leibowitz, Harnoncourt, Savall und Gardiner. OK, dass ist vielleicht keine ganz typische Auswahl, aber neben der Dramatik bei Furtwängler hat mir Gardiner am besten gefallen. Unter anderem auch wegen des Orchesterklangs, der mir sehr gut gefallen hat. Ich gebe natürlich zu, dass hier ein Vergleich Furtwängler - Gardiner unfair ist.


    Hingegen haben mir die Aufnahmen der Klaviersonaten von Bräutigam nicht so gut gefallen. Vielleicht sollte ich noch mal reinhören.


    Viele Grüße,


    Melanie

  • Zitat

    Original von Mela
    Bei Beethoven [...] scheint mir die HIP-Konkurrenz da auch viel zurückhaltender zu sein. Gerade bei Klavier- und Kammermusik gibt es aus meiner Sicht noch viel zu wenige hochkarätige HIP-Aufnahmen - oder kenne ich diese nicht??


    Salut Mela,


    kennst Du etwa nicht die Einspielungen der StreichQuartette mit den Mosaiques?




    Solltest Du Dir unbedingt antun... Herummäkeln könnte ich auch hier, aber es gibt wohl nichts Vergleichbares derzeit. Und - wie oben schon von mir gesagt - die Einspielung mit dem SchuppanzighQuartett:



    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)


  • Schön ist ja auch, daß die Cover ebenfalls ultra-HIP sind... Manchmal gehts eben doch nicht so richtig historisch informiert - oder ist es vielleicht post-modern, historisch informiert zu sein ?( ?( ?(


    ;)


    Klawirr

  • Es gibt hier meiner Erfahrung nach eine eigenartige Dialektik: Sowohl "HIP" als auch traditionelle Interpretationen laufen mitunter Gefahr, Werke der Wiener Klassik zu verharmlosen. Es mag sein, dass ein Pianist auf dem modernen Flügel, nicht richtig "reinhaut", denn es ist ja Mozart und nicht Liszt. Oder er spielt wie er auch Liszt spielen würde und dann ist es eine unzulässige Romantisierung. Ebenso bei der großbesetzten, mit viel Agogik dirigierten Mozartsinfonie. Andererseits scheint manche HIP-Einspielung in schmaler Besetzung von der heroisch-dramatischen Beethovensinfonie nur ein Skelett übrigzulassen
    (Beides natürlich etwas übertrieben dargestellt).
    Ich mag zwar keine Interpretationen, die Stücke künstlich aufblasen (das haben zumal Haydn, Mozart, Beethoven alle nicht nötig), aber erst recht auch keine, die sie nicht in ihrer Vielfalt und Größe erfahrbar machen.
    Oft können hier alte Instrumente und Spielweise helfen, da sie deutlich machen, wie z.B. an der Leistungsgrenze eines solchen Claviers komponiert wurde. Oder weil sie die Gefahr vermindern, dass Nebenstimmen, Bläser, Pauken usw. untergehen.
    Manchmal resultiert jedoch das Gegenteil. Ich kann im Detail nicht sagen, woran es liegt, im Zweifelsfall am Interpreten. Vielleicht aber auch daran, dass, besonders bei Beethoven, die Musik über die Möglichkeiten, z.B. der seinerzeitigen Hammerflügel hinausgeht. Obwohl ich beides höre, ist insgesamt meine Präferenz zumindest bei Beethoven eher auf der Seite moderner Instrumente.
    Es muß deutlich werden, dass wir es hier mit der seinerzeit avanciertesten Instrumentalmusik zu tun haben, die mitunter als schwierig, kühn oder unverständlich galt und es nicht selten auch heute noch ist. Sonst ist der Einsatz der alten Instrumente ziemlich überflüssig.
    Im Gegensatz zu anderen finde ich die unterschiedlichen timbres der Instrumente ziemlich unerheblich, auch wenn ich manches, gerade bei den Bläsern ganz gern höre. Bei Streichquartetten finde ich die Klangunterschiede völlig unwichtig. Zwei der besten HIP-Quartette, Mosaiques und Festetics haben leider eine gewisse Tendenz zu gemächlichen Tempi, daher bevorzuge ich letzlich meist doch eine der modernen Spitzenensembles.
    Fast alle Komponenten (Tempi, Wiederholungen, Agogik, Phrasierung, Artikulation usw.) sind mir wichtiger als die Instrumente, als der bloße Klang.
    Vom Mögen oder Nichtmögen abgesehen, wenn Harnoncourt das Concertgebouorchester oder das Chamber Orch. of Europe auf modernen Instrumenten dirigiert, klingt das anders als wie gehabt. Pinnock klingt dagegen im wesentlichen wie Marriner mit ein wenig veränderten Klangfarben...


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)


  • Hallo Ulli,


    nein die Aufnahmen kenne ich wirklich nicht. Es ist mir jetzt unbegreiflich, wie das passieren konnte, da ich dachte, dass ich den Katalog von Naive/Astrée ziemlich gut kenne :no:


    Danke für den Hinweis.


    Viele Grüße,


    Melanie

  • Zitat

    Original von Ulli
    kennst Du etwa nicht die Einspielungen der StreichQuartette mit den Mosaiques?
    Solltest Du Dir unbedingt antun... Herummäkeln könnte ich auch hier, aber es gibt wohl nichts Vergleichbares derzeit. Und - wie oben schon von mir gesagt - die Einspielung mit dem SchuppanzighQuartett:


    Servus Ulli,


    leider spielt für mich der Preis da nicht mit ;( - 20 € pro CD geht einfach gar nicht... :boese2:


    :hello:
    Stefan

    Viva la libertà!

  • Salut,


    Du glaubst doch nicht, dass ich dafür 20 € bezahle...? :pfeif: Wenn man das nicht bestellte optische Outfit abzieht, bleiben 9 € übrig - das ist o.k. - oder?


    :D


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)


  • Liebe Melanie,


    so sind die Geschmäcker eben verschieden, mich treibt Gardiner völlig zur Weißglut - ich denke nicht, dass es an solchen subjektiven Reaktionen viel "Objektives" zu diskutieren gibt, außer, dass ich von einer Einspielung auf historischen Instrumenten mehr erwarte als eine ziemlich geradlinig-metronomisch-windschnittige Umsetzung der gedruckten Noten, sondern auch eine Anwendung historischer Techniken und Spielregeln. Da bleibt mir Gardiner viel zu starr und glatt (also eigentlich genau das, was er selbst HvK vorgeworfen hat).


    Furtwängler ist vor allem im zweiten Satz der Eroica eine Klasse für sich, da gibt es zumindest mit mir keine Diskussion. Wenn nur seine Orchester besser gespielt hätten!


    Ronald Brautigams (nicht Bräutigam, er ist Niederländer) Beethoven ist sicher nicht jedermanns Sache - ich selbst habe einige Zeit gebraucht um mich an den Klang des Flügels zu gewöhnen, am Anfang wirkte der Klang sehr perkussiv, aber nach einer gewissen Einhörphase verlor sich dieser Eindruck und seitdem schwelge ich im unfassbaren klanglichen Reichtum seines McNulty.


    Außerdem könnte ich mir gut vorstellen, dass der als zwischen den Extremen schwankendes Temperamentsbündel beschriebene Komponist selbst so ähnlich gespielt haben könnte - Brautigam spielt mit sehr viel Drive, auch in den zarten Momenten. Außerdem tragen die Klangschattierungen des Instruments noch zur Erhöhung der Kontraste bei: im forte sorgt der dann scharfe Diskant für dramatische Akzente, während die Bässe sowohl trennscharfe (durch die scharfen Anschläge) wie voluminös-donnergrollende Klangwellen erzeugen, die z.B. in der Pathétique die Dramatik enorm erhöhen. Gleichzeitig verfügt sein Flügel in seinen Händen im piano und pianissimo ebenfalls über einen großen Reichtum an Schattierungen, die z.B. im langsamen Satz der Pathétique oder in der Mondscheinsonate der Musik zu für mich bisher unerhörten Ausdrucksintensitäten verhelfen.


    Wozu ich, jetzt auch an die Adresse von Johannes, sagen muss, dass ich Musik hauptsächlich über den Klang erlebe, mir ist der Klang das Wichtigste. Je farbiger, differenzierter und harmonischer, desto besser.


    Wem bei Musik andere Dinge wichtiger sind als der Klang, der wird zwangsläufig zu anderen Einschätzungen gelangen als ich.


    Noch Mela: bei mir gibt es bald einen großen Abverkauf an Furtwängler-CDs, wenn Du Dich da eindecken willst bist Du hochwillkommen!


    :hello:
    Flo

    "Dekonstruktion ist Gerechtigkeit." (Jacques Derrida)

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  • Zitat

    Original von Mela
    nein die Aufnahmen kenne ich wirklich nicht. Es ist mir jetzt unbegreiflich, wie das passieren konnte, da ich dachte, dass ich den Katalog von Naive/Astrée ziemlich gut kenne :no:


    Salut!


    eigentlich gefallen mir die Schuppanzighs noch besser als die Mosaiques... nur ist da die Auswahl nicht so groß... Du weißt: wegen dem morbiden Cello...


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hallo Ulli,


    ist schon auf meiner Wunschliste, die ist aber leider viel zu lang im Moment...


    Hallo Barockbassflo,


    den Brautigam (hoffentlich stimmt es jetzt) werde ich jetzt noch mal hören. Ich habe Volume 1 seiner Gesamtaufnahme, die beinhaltet op. 13, op. 14 und 22.


    Bzgl. Furtwängler muss ich noch überlegen. Ich bin ja - wie schon im Beethoven-Sinfonien Thread erwähnt - nicht unbedingt ein Fan von alten Aufnahmen, aber die dritte von Beethoven hat mich schon einigermassen umgehauen. Darf man das als Anhänger der HIP-Bewegung eigentlich sagen :untertauch:


    Viele Grüße,


    Melanie

  • Zitat

    Original von Mela
    Darf man das als Anhänger der HIP-Bewegung eigentlich sagen :untertauch:


    Aus meinen persönlichen Erfahrungen mit aktiven HIP-Musikern kann ich dazu nur sagen, dass diese Gruppe im Allgemeinen historischen Aufnahmen großes Interesse entgegenbringt und - jedenfalls diejenigen, die ich kenne - sehr offen, selbstkritisch und "liberal" vorgehen, also dogmatisch nicht verhärtet sind, sondern da musikalisch lernen, wo es Dinge zu lernen gibt, es sei, wo es wolle.


    Es gibt für diese Einstellung auch prominente Beispiele, so hat sich Richard Egarr im Essay zu seiner Einspielung der Goldbergvariationen von Bach ausführlich auf Leopold Stokowski berufen.


    Du befindest Dich also in allerbester Gesellschaft (und Menschen mit allzu fest zementiertem Welt- oder Kunstverständnis sollte man eh mit einer gewissen Vorsicht begegnen...)!


    Undogmatische Grüße,
    Flo

    "Dekonstruktion ist Gerechtigkeit." (Jacques Derrida)

  • HIP.
    Wenn ich eine unhippe Klassik höre, glaube ich immer, das ist eine klassizistische Komposition aus dem 20. Jahrhundert z.B. aus der Generation von Strawinsky/Braunfels. Ich versuche mich dann zu überzeugen, dass es doch ein "Original" ist, kann mich aber nur schwer auf die Musik konzentrieren, weil ich ständig durch merkwürdige Verfremdungen abgelenkt werde.


    Inzwischen geht es mir auch schon fast mit Brahms so: wenn da herumgesauct wird, wähne ich mich in den 1940er Jahren bei Glière oder Zilcher und nicht um 60 bis 80 Jahre früher beim "Original".


    So richtig wohl wird mir bei nicht-HIP erst im 20. Jahrhundert.
    :hello:


    PS: Es müßte heißen HIP oder "altmodisch", nicht HIP oder "modern" ...

  • Zitat

    Original von Mela
    Bzgl. Furtwängler muss ich noch überlegen. Ich bin ja - wie schon im Beethoven-Sinfonien Thread erwähnt - nicht unbedingt ein Fan von alten Aufnahmen, aber die dritte von Beethoven hat mich schon einigermassen umgehauen. Darf man das als Anhänger der HIP-Bewegung eigentlich sagen :untertauch:


    Wie barockbassflo sehr zutreffend bemerkt, darf man an die Sache nicht dogmatisch herangehen. Das Werk steht im Vordergrund.


    Warum sollte man sich auf eine Interpretation festlegen lassen? Das ist für mich gerade das Spannende, nicht nur die aktuell unterschiedlichen Herangehensweisen an ein Werk zu kennen, sondern auch seine Rezeptionsgeschichte im Laufe der letzten ca. 100 Jahre nachzuverfolgen.


    Bei den HIP-Aufnahmen von Beethovens Symphonien ist mir bislang Brüggen auf Philips am liebsten. Gardiner, Norrington und Hogwood konnten mich allenfalls bei einzelnen Symphonien überzeugen, wobei ich von Norrington nur die Aufnahme mit den London Classical Players kenne.


    Die Beschäftigung mit HIP - Klavier- und Kammermusik von Beethoven steht bei mir erst am Anfang, ich habe nur eine CD mit Brautigam und eine mit Tan. Auslöser war bei mir die Brilliant Classics Box mit Nocturnes von Chopin und Field auf Broadwood 1823, Pleyel 1842 und Erard 1837. Das ist schon eine Umstellung für das Ohr, aber ein musikalischer Gewinn. Die Aufnahmen mit modernen Konzertflügeln bleiben aber deshalb doch gleichwertig.


    Bei anderem Repertoire, zB den Bachsöhnen, habe ich vorwiegend HIP-Ensembles in der Sammlung. Ich gebe zu, daß ich HIP bevorzuge, je weiter ich in die Vergangenheit zurückgehe, aber ein Dogma mache ich daraus nicht. Ich mag es da eher wie barockbassflo halten: Entscheidend ist für mich der Klang.

  • Zitat

    Original von Robert Stuhr
    Entscheidend ist für mich der Klang.


    Für mich ist eher der Eindruck von Verfremdung entscheidend. Wenn Gould spielt, ist das für mich immer eine Karikatur des Stücks. Aber auch bei Musika Antiqua Köln oder noch mehr bei Il Giardino Armonico kommt mir das recht verzerrt vor. Je mehr ich also mir sage: "so kanns nicht gemeint sein", umso eher meide ich die Interpreten. Bei Gould oder Karajan bin ich mir ausreichend sicher, die wollten ja auch verfremden, neudeuten, was immer. Drum bin ich ihnen nicht böse und deren Fans auch nicht, wenn sie es hören, jedem das Seine. Bei MAK bin ich mitunter am Zweifeln, ob diese rauhe Intensität nicht doch mitunter den Vorstellungen des Komponisten entsprochen haben könnte. Drum interessieren sie mich schon, Gould und Karajan interessieren mich im Grunde gar nicht (nur die lustigen Diskussionen über sie).
    :hello:

  • Bei Deiner Betrachtungsweise ist aber mE das Problem, daß wir nicht wissen können, wie "der Komponist das gemeint hat". Da sind - soweit sind sich doch wohl alle seriösen HIP-Vertreter einig - nur Annäherungen möglich.


    Bach, Mozart, Händel, Charpentier, Gluck, keiner wollte es so klingen lassen wie Karajan oder Furtwängler, das ist einfach festzustellen. Auch bei Gould (da höre ich doch lieber gleich das klangliche Original, nämlich die Nähmaschine meiner Großmutter :D )


    Aber wie ist das zB bei Scherchen, Horenstein, Diener, Wenzinger, Busch und so vielen anderen?


    Ich bezweifle auch, daß die Konservierung eines ganz bestimmten Klangbildes sinnvolles Ziel musikalischer Rezeption ist. Wenn man sich zB die Anmerkungen Furtwänglers zur nichtromantisierenden "werkgetreuen" Wiedergabe sorgfältig durchliest, findet man eine Menge Argumente gegen HIP, die man ernst nehmen sollte. Ich bin nach wie vor ein Anhänger des sowohl - als auch, und nicht des entweder - oder.

  • Zitat

    Original von Robert Stuhr
    Ich bin nach wie vor ein Anhänger des sowohl - als auch, und nicht des entweder - oder.


    Na, vielleicht freunde ich mich eines Tages auch mit Karajan und Co an. Dieses Forum verführt einen ja geradezu dazu ...
    :hahahaha:


    Zitat

    Bei Deiner Betrachtungsweise ist aber mE das Problem, daß wir nicht wissen können, wie "der Komponist das gemeint hat". Da sind - soweit sind sich doch wohl alle seriösen HIP-Vertreter einig - nur Annäherungen möglich.


    Klar. übrigens sind Uraufführungen auch nur Annäherungen ...

  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Wie hört Ihr Musik von Haydn bis Schubert (und Zeitgenossen) ?
    Romantisch, wie vor der HIP-Welle ? oder doch lieber mit Originalinstrumenten.?


    Hallo allerseits,


    bei mir existiert beides nebeneinander, wobei ich je nach Komponist, Werk und Interpretation mehr oder weniger starke Präferenzen habe. Diese Präferenzen sind natürlich u. a. abhängig von den persönlichen Hörgewohnheiten und beanspruchen deshalb auch keinerlei Allgemeingültigkeit.


    Harnoncourt hat einmal - ich meine, es war im Zusammenhang mit Bachs Matthäus-Passion - sinngemäß folgendes geschrieben: Die großen Meisterwerke der Musik sind wie Monumente, die im Laufe der Generationen umwandert werden. Jede Generation hat ihre eigene Perspektive und Sichtweise und betont deshalb andere Aspekte des Werkes. (Im Umkehrschluss bedeutet dieses Bild auch: Keine Generation kann für sich beanspruchen, eine umfassende Sichtweise zu haben.)


    So ähnlich betrachte ich auch unterschiedliche Interpretationen eines Werkes. Jede Interpretation, die wirklich etwas über dieses Werk zu sagen hat, ist berechtigt, und wenn sie dem persönlichen Geschmack anfangs noch so sehr zuwiderläuft.


    Ich versuche, das einmal am Beispiel der Mozart-Sinfonien zu verdeutlichen. Bei HIP-Aufnahmen hört man Orchester mit relativ kleiner Streicherbesetzung. Die Streichinstrumente sind anders mensuriert und besaitet und klingen daher schärfer. Meist wird - hauptsächlich unter Berufung auf die Violinschule Leopold Mozarts - ohne Vibrato gespielt und sehr prägnant artikuliert. Dadurch wird der Satz durchsichtiger, und man kann Details wahrnehmen, die sonst verdeckt sind - das kann sehr interessant sein und mitunter ausgesprochen überraschende Höreindrücke liefern, gerade bei bekannteren Werken. Auch die Holzbläser profitieren von der kleineren Streicherbesetzung ausserordentlich - sie sind fast durchgängig hörbar. Andererseits wirken solche Aufnahmen auf mich gelegentlich (nicht immer!) auch irgendwie kalt und emotionslos - da fehlt etwas, was bei den "romantischen" Aufnahmen vorhanden ist und auch seine Berechtigung hat.


    Natürlich gibt es bei der Interpretationsart kein reines "Schwarz" oder "Weiss" - die beiden Sichtweisen haben sich im Laufe der Jahre gegenseitig beeinflusst. So gibt es Aufnahmen mit "normalen" Instrumenten, aber kleinerer Streicherbesetzung und weniger ausgeprägtem Vibrato, andererseits auch Aufnahmen mit "historischen" Instrumenten mit grösserer Streicherbesetzung und mehr Vibrato.


    Im übrigen ist HIP oder nicht für mich kein alleiniges Qualitätsmerkmal für eine Aufnahme. In beiden "Lagern" gibt es gute, aber auch schlechte Interpretationen!


    Meine persönlichen Präferenzen, die wie gesagt keinerlei Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben, sind grob skizziert folgende: Je weiter vom Barock entfernt, desto weniger überzeugt mich die HIP-Sichtweise - schliesslich müssen sich die Instrumente auch den Anforderungen des Konzertlebens angepasst haben; die Violine zur Zeit Schuberts (sofern man ihn noch zur Wiener Klassik rechnen will; für mich ist er Romantiker) war eine andere als zur Zeit Bachs. Trotzdem spielen die HIP-Ensembles Beethoven oder Schubert mit den gleichen Streichinstrumenten, die sie auch für Barockmusik benutzen - das ist inkonsequent. Gerade mit der französischen Revolution und der Entwicklung des bürgerlichen Konzertlebens hat es einen enormen Umbruch gegeben, der sich auch auf die Instrumente ausgewirkt haben muss. Deswegen überzeugen mich alle späten sinfonischen und konzertanten Werke von Mozart und Haydn nicht in einer HIP-Interpretation (die Pariser und Londoner Sinfonien beispielsweise sind für grosse Orchester konzipiert, deren Besetzung überliefert ist). Beethoven finde ich hier generell nicht überzeugend und Schubert erst recht nicht.


    Das Klavier war wohl das Instrument, das sich während der Wiener Klassik am deutlichsten verändert hat. Anfangs gab es noch eine Koexistenz der Cembali mit den ersten Pianoforte-Modellen (die in der Bauweise noch viele Gemeinsamkeiten mit den Cembali hatten). Am Ende der Wiener Klassik gab es Instrumente wie z. B. Broadwood, die dem modernen Klavier schon sehr viel ähnlicher sind, während die Cembali kaum noch von Bedeutung waren. Daher finde ich Aufnahmen überzeugend, die dieser Veränderung Rechnung tragen, wie beispielsweise die Gesamtaufnahme der Haydn-Klavierwerke mit Christine Schornsheim (allerdings finde ich unabhängig vom Instrument ihre Interpretation nicht immer angemessen). Sie verwendet für die frühen Werke Cembali, für die mittleren Werke ein Dulcken-Pianoforte und für die späten ein Broadwood-Instrument. Wenn man schon den HIP-Ansatz wählt, wäre früher Haydn auf Broadwood genauso inkonsequent wie später Haydn auf dem Cembalo. Generell finde ich die "historischen" Klaviere (meist sind es ja Nachbauten), die in HIP-Aufnahmen gespielt werden, oft nicht besonders überzeugend - sie klingen für mich irgendwie "unvollkommen", stehen zwischen Cembalo und modernem Klavier und sind weder Fisch noch Fleisch - aber das ist wirklich Geschmackssache. Demzufolge erscheinen mir beispielsweise Mozarts Klavierkonzerte mit Brendel/Marriner den Werken angemessener zu sein als mit Bilson/Gardiner.


    Viele Grüsse von Fugato

    2 Mal editiert, zuletzt von Fugato ()

  • Hallo,


    um einerseits den Thread zu reaktivieren und andererseits zu versuchen, das Thema von dort nach hier zu verlagern:


    HIP ist für mich lediglich ein gut gelungener Ersatz, leider nicht vorhandene Aufnahmen aus Zeiten der Entstehung oder Uraufführung von Werken zu ersetzen. Mehr nicht. Aber auch nicht weniger.


    Würde es nämlich solche undenkbaren Aufnahmen geben, wäre HIP - zumindest für mich - völlig uninterresant [vorausgesetzt natürlich, die Klangqualität wäre perfekt].


    Welche Auswirkung hätte diese Fiktion auf den Klassikmarkt? Würde er völlig einbrechen oder erst recht durch völlig neue Ansätze explodieren können?


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

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