Wie nun in der Vergangenheit oder Gegenwart die "Beliebtheitskurve" von Beethovens Vierter Sinfonie aussieht, ist mir eigentlich ziemlich egal, sie wird wohl immer noch seltener gespielt als andere Beethovensinfonien, aber sie mag auch an Wertschätzung gewinnen... was solls.
Auch was Schumann und Wagner von dieser Sinfonie hielt kann man in jedem Programmheft und Konzertführer nachlesen, ist mir aber auch Wurst. Und daß jeder zweite Bookletschreiber vom "Appollinischen" und "Dionysischen" in dieser Sinfonie daherkommt, finde ich auch etwas unnötig. Anders als Schumann will ich die Vierte auch nicht als die "griechisch Schlanke" empfinden, da mir das zu abstrakt und auch unzutreffend ist.
Die Vierte entstand 1806, wurde 1807 im Palais Lobkowitz uraufgeführt.
Der erste Satz beginnt mit einer langsamen Einleitung, macht einen durchaus ernsten und grüblerischen Eindruck. Geradezu brüsk kündigt sich das Hauptthema an und stellt sich sogleich vor. Man ist sich unsicher, ob es eher von einer federnden Leichtigkeit durchdrungen ist oder aber auch zornig stapft. Hier kann dann in der jeweiligen Interpretation Kakophonisches entstehen, wenn die Lautstärken der Instrumentengruppen nicht ausgewogen sind. Das Seitenthema hat lichte, kammermusikalische Holzsli anzubieten und deutet schon leicht auf die Pastorale hinaus. Bemerkenswert ist dann der Eintritt der Reprise: Die Modulation und Festigung der Tonart zu Beginn der Reprise wird durch die Pauke (ein pianissimo Wirbel!) eingeleitet und gestützt!
Der zweite Satz (Adagio) ist meiner Meinung nach in mehrfacher Hinsicht sehr zerbrechlich (und es besteht eine Verwandtschaft zu der tastenden, unterbrochenen Melodieführung vom Beginn des ersten Satzes). Es besteht zwar im zweiten Satz eine einigermaßen durchgehende Melodielinie, aber die stockendes Begleitfiguren können meiner Meinung nach bei langsamen Interpretationen das alles ein bisschen zum auseinanderfallen bringen. Zudem hat man ja den Kontrast im zweiten Satz, daß da laute "Zwischenrufe" aus dem Blech (und auch sonst dem vollen Orchester) dazwischenfahren - da ist es schwer einen einheitlichen Charakter für den ganzen Satz zu erzeugen.
Der dritte Satz ist halt ein schön derbes beethovenscherzo (hier noch Menuetto genannt), im Trio findet erstaunlicherweise auch so eine Art ernsthafter Dialog zwischen dem Holz und den Streichern statt.
Der Schlußsatz hat natürlich einen Kehrauscharakter, ein bisschen perpetuum mobile, dann haut mal wieder ein Blechtutti brüsk dazwischen, etc., das Übliche halt, - aber irgendwie fahlt mir im Schlußsatz doch irgendetwas...
Zweifellos eine großartige, unbedingt besitzenswerte, ausserordentlich lebendige, präzise, hochspannungsgeladene Aufnahme ist der Münchner Mitschnitt von Carlos Kleiber:
großartig in "Dramaturgie", Tempogestaltung, Durchhörbarkeit etc. fand ich Rattles Aufnahme mit den Wiener Philharmonikern. Das Menuetto ist wundervoll derb, aber ansonsten verleugnen die Wiener nicht ihren schönen Streicherklang. (Vor allem auch in der dazugekoppelten Pastoralen dürfen die tiefen Streicher wundervoll "singen")