Die Idee zu diesem Thread beruhigt auf zweierlei: Zum einen der interessanten Diskussion im Thema zur "Pathétique", zum anderen dem vergleichbaren Parallelthread zu wichtigen Mozart-Dirigenten der Vergangenheit.
Tschaikowski hatte es nicht immer ganz leicht, gilt heute noch so manchem als übertrieben schwülstig und eben pathetisch. Wobei die Kritik meist eher aus Fachkreisen kam und nicht selten noch philosophisch untermauert wurde, während er bei vielen "einfachen" Klassik-Freunden stets zu den beliebtesten Komponisten gehörte.
Doch genug des Vorgeplänkels. Widmen wir uns dem eigentlichen Thema, den bedeutenden Tschaikowski-Dirigenten der Vergangenheit - und ihren Tondokumenten, die sie uns hinterlassen haben und anhand derer wir uns überhaupt zu dieser Thematik äußern können.
Ich möchte mit einem Dirigenten beginnen, der gewissermaßen die idealtpyische Symbiose zwischen östlich-slawischer Tschaikowski-Rezeption und westlich-europäischer Interpretationstradition verkörperte: Der Ukrainer Igor Markevitch (1912-1983). Er bevorzugte zeitlebens die französische Schreibweise seines Namens, in deutscher Transkription wäre es eigentlich Markewitsch, doch verzichte ich im Weiteren darauf. Bereits 1914 übersiedelte seine Familie nach Paris, später in die Schweiz. 1947 erhielt er die italienische und 1982, nur ein Jahr vor seinem Tode, auch die französische Staatsbürgerschaft. So nimmt es nicht wunder, dass er vornehmlich mit Orchestern aus dem Western zusammenarbeitete und sich die Aufnahmen mit sowjetischen Orchestern in engen Grenzen halten.
Als Tschaikowski-Dirigent ist er in erster Linie beim Plattenlabel Philips in Erscheinung getreten. Er spielte dort in den 1960er Jahren die sechs Symphonien, die "Manfred"-Symphonie, "Francesca da Rimini", "Hamlet" sowie die Ouvertüre "1812" ein. Bereits 1959 legte er für die Deutsche Grammophon ebenfalls "Francesca da Rimini" vor. Für EMI spielte er zudem 1954 die "Schwanensee"-Suite ein (noch in Mono) und 1959 die "Nussknacker"-Suite" und die Fantasie-Ouvertüre "Romeo und Julia" (mittlerweile bei Testament). Daneben gibt es einen Live-Mitschnitt von "Francesca da Rimini" von 1962 bei BBC Legends (in Stereo). Es liegen also die wesentlichen Orchesterwerke Tschaikowskis unter Markevitchs Dirigat vor, wobei es aufgrund der Veröffentlichungspolitik der Labels nicht ganz leicht ist, wirklich alle der Werke einfach zu ergattern.
Symphonien Nr. 1-3; "Francesca da Rimini" (1967)
Symphonien Nr. 4-6
"Manfred"-Symphonie
"Hamlet"
"Francesca da Rimini" (1967); "Hamlet"; Ouvertüre "1812"
"Francesca da Rimini" (1959)
"Francesca da Rimini" (1962 live)
Ouvertüre "1812"
Suiten aus "Schwanensee" und "Der Nussknacker"; "Romeo und Julia"
Der Symphonien-Zyklus ist grandios und gehört zu den besten überhaupt. Besonders die ältere "Francesca da Rimini" auf DG hat eine Siedehitze, die einen sprachlos macht. Genauso halte ich seine Aufnahme von "Romeo und Julia" für absolut erstklassig.