MAYER Emilie: Sinfonien - Ouvertüren - Klavierkonzert

  • Emilie Mayer( 1812-1883) zählt zu den prägenden Komponistinnen des 19. Jahrhunderts.
    Wer das für übertrieben hält, der schaue sich mal ihren Lebenslauf und ihre Werke an.
    Ihr Werkverzeichnis - soweit mir bekannt - enthält 48 Werke mit Opuszahl, die Sinfonien sind da nicht mit enthalten.
    Stilistisch bewegt sie sich zwischen "Wiener Klassik" und Romantik.
    Alle 8 von ihr komponierten Sinfonien wurden öffentlich aufgeführt, und zwar ab 1851. Zuvor gab es indes Privatkonzerte, Sie war Ordensträgerin und Ehrenmitglied der Philharmonischen Gesellschaft in München.
    Das meiste von ihr komponierte wurde auch gedruckt, sie war da sehr aktiv und hatte auch gesellschaftliche Beziehungen.
    Nach ihrem Tod geriet sie in völlige Vergessenheit.


    Hier fürs erste eine Aufstellung ihrer 8 Sinfonien (von der englischen WIKIPEDIA Seite übertragen)


    • Symphony No. 1 in C Minor (premièred before 4 March 1847)
    • Symphony No. 2 in E Minor (premièred before 4 March 1847)
    • Symphony No. 3 in C Major "Military" (premièred 21 April 1850)
    • Symphony No. 4 in B Minor (premièred 16 March 1851)
    • Symphony No. 5 in D Major (premièred 1 May 1852) - presumed lost
    • Symphony No. 6 in E Major (premièred 25 April 1853)
    • Symphony No. 7 in F Minor (1855-56 ; premièred in April 1862) - mislabeled on the Dreyer Gaido CD as "No. 5"
    • Symphony No. 8 in F Major (1856-57 ; premièred in March 1862) - presumed lost


    Zwei der Sinfonien sind – wie aus der Liste zu ersehen – vermutlich verschollen
    Bislang wurden die Sinfonien Nr 4 und Nr. 7 (auf der einzig bislang erhältlichen Aufnahme
    (Label: Dreyer Gaido) fälschlicherweise als Nr 5 deklariert)
    Hier in diesem Thread soll über die Sinfonien geschrieben werden (ich bin sicher dass es in absehbarer Zeit einige weitere Veröffentlichungen geben wird). Ebenso über die Ouvertüren und das Klavierkonzert.
    Kammermusik bekommt einen eigenen Thread.



    Mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Schön, dass diese Komponistin einen eigenen Thread bekommt!


    Möchte die Abb. der lieferbaren Einspielungen der Sinfonien zeigen:


    Einer der erhabensten Zwecke der Tonkunst ist die Ausbreitung der Religion und die Beförderung und Erbauung unsterblicher Seelen. (Carl Philipp Emanuel Bach)

  • Wie schon weiter oben im Thread erwähnt sind uns nicht alle Sinfonien überliefert, Einige sind verschollen. Auch die Sinfonie Nr 4 ist eigentlich nur als Klavierauszug zu vier Händen vorhanden, Der Dirigent dieser Aufnahme, Stefan Malzew hat anhand dieses Notenmatrerials eine Orchesterfassung hergestellt. Was wir also hören ist eine Rekonstruktion.


    Die Sinfonie ist viersätzig und hat eine Spieldauer von etwa 36 Minuten


    Allegro appassionato
    Adagio
    Allegro
    Presto



    Die Uraufführung war am 16. März 1851 im Königlichen Schauspielhaus in Berlin


    Der erste Satz ist stürmisch und wuchtig, gelegentlich polternd, aber durchaus auch mit cantablen Stellen. IMO lässt Beethoven hier grüßen.
    Wem das ketzerisch vorkommt, der akzeptiere die Formulierung: Spätklassischer Stil auf dem Weg zur Romantik. Wie nahe die Rekonstruktion am verschollenen Original ist, ist natürlich nicht zu beantworten.
    Der zweite Satz ist an Klangschönheit kaum zu übertreffen, ein Gustostück sondergleichen,


    Zu Beginn sehr sanft und mild, kommt allmählich Farbe ins Geschehen, teilweise sehr fordernd. Aber etwa im dritten drittel beruhigts sich die Stimmung und wir erleben eine Idylle., ein fragiles Gespinst. Hervorragend instrumentiert – so frage ich mich, ob wir vielleicht enttäuscht wären, wenn einst doch das Original aufgefunden würde.


    Das Scherzo ist flott, stellenweise angriffslustig, aber immer wieder durch wunderbare harmonische Klänge in die Balance gebracht,


    Ebenfalls wunderbare Melodien, gemischt mit Dramatik und sonnigem Triumph sind ein Merkmal des Finalsatzes


    Mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred


    clck 73

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • cpo bringt die ersten beiden Symphonien von Emilie Meyer zu Gehör. Jedenfalls wurde das heute morgen mit Coverphoto so unter den Neuerscheinungen gepostet. Nun ist die Anzeige wieder verschwunden, vermutlich kommt die CD zu einem etwas späteren Zeitpunkt. Wenn ich mich richtig erinnere, spielt die NDR Radiophilharmonie unter dem jungen britischen Dirigenten Leo McFall.

  • Hier ist das Cover



    und hier ein Artikel auf der website der NDR Radiophilharmonie


    https://www.ndr.de/ndrkultur/e…thoven,sendung927880.html


    Zitate des Dirigenten (der auch die handschriftlichen Partituren eingerichtet hat):


    "Musik von großer melodischer Qualität und definitiv mit einer eigenen Persönlichkeit" "Die c-Moll-Sinfonie sei eine typische erste Sinfonie" "sie quillt förmlich über vor Kreativität und Energie", "während die zweite transparenter angelegt und insgesamt entspannter sei."

  • Danke für diesen wunderbaren Tip. Diese Doppel CD ist heute angekommen und ich habe sie ganz angehört und ich bin sehr, sehr angetan. Ich staune immer wieder was ich hier im Forum entdecke.

  • An sich war ich auch lange Zeit davon überzeugt, daß Frauen Musik zweiter Wahl schrieben.

    Bis ich Musik von Emilie Mayer hörte. Das war in gewisser Weise ein Durchbruch. Ich gebe ihr den Vorzug gegenüber Louise Farrenc.

    Sagte mir der Name Emilie Mayer bis vor kurzem noch nicht viel, bin ich durch Zufall im Streaming auf die in Beitrag 2 gezeigte Aufnahme ihrer Sinfonie f-Moll gestoßen, die vom Label Dreyer Gaido seinerzeit noch fälschlicherweise als "Nr. 5" bezeichnet wurde, faktisch aber Nr. 7 darstellt. Tatsächlich möchte ich Alfreds Eindruck unterstreichen. Emilie Mayer widerlegt das noch heute verbreitete Klischee. Ihre Musik mutet für meine Begriffe im Gegenteil sogar "unfraulich" an und erinnert mich eher an Attribute, die man gemeinhin mit maskulin verbindet. Vom "weiblichen Beethoven" ist häufiger die Rede, wobei ich diese zeitgenössische Bezeichnung weniger als tatsächliche Charakterisierung ihres Stils werten würde, sondern eher als Ausdruck der Wertschätzung. Schließlich galt Beethoven bis Ende des 19. Jahrhunderts als größter und unübertrefflicher Sinfoniker. Mein erster Höreindruck erinnerte mich viel eher an Schumann, was zeitlich auch sinnig wäre, entstanden ihre acht Sinfonien nach heutigem Kenntnisstand doch zwischen 1845/46 und 1856/57, also in einem erstaunlich kurzem Zeitraum von etwa einem Jahrzehnt.


    Mittlerweile liegen übrigens alle erhaltenen Sinfonien Mayers als Einspielung vor. 2022 war insofern ein wichtiges Jahr für die Mayer-Diskographie. cpo machte eine Neueinspielung der Siebten und steuerte auch die Dritte, die "Sinfonie militair", bei. Im selben Jahr nahm auch Hänssler die Dritte auf und lieferte zudem die noch ausstehende Sechste ab. Und auch MDG spielte die Dritte sowie die vier erhaltenen Ouvertüren ein, die wiederum auch cpo (plus einer weiteren Aufnahme des Klavierkonzerts) vorlegte. So gibt es also die sechs erhaltenen der acht Sinfonien auf CD, die Siebte doppelt und die Dritte gar dreifach. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis man eine Mayer-Sinfonie auch im Konzertsaal erleben kann.


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões