RÖNTGEN Julius - Die Sinfonien

  • Dieser Thread welcher sich mit den Sinfonien von Julius Röntgen befasst, wurde heute am 4. Oktober 2018 aus dem allgemeinen Röntgen-Thread ausgelagert und rückdatiert. Durch diesen Kunstkniff bleibt die ursprüngliche Reihenfolge der Postings aufrecht.
    Durch die unterschiedlichen Erscheinungstermine sind die Vorstellungen der Sinfonien nicht chronologisch geordnet.
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    Wie es scheint sind niemals alle Sinfonien bei jpc erschienen - oder aber ich habe sie verpasst. Wie dem auch sei - einiges befindet sich seit geraumer Zeit in meiner Sammlung und ich löse hier - verspätet aber doch - mein Versprechen ein, gelegentlich ein paar Anmerkungen zum jeweils Gehörten zu machen. Wer sich auf Grund der Lebensdaten des Komponisten lange Zeit zu keiner Bekanntschaft mit den Sinfonien aufraffen konnte, der wird nach Abhören der Sinfonie Nr 3 angenehm überrascht sein. Das 1910 komponierte Werk enthält nichts Atonales, hat aber durchaus Attacke. Des Werk beginnt lebhaft mit einem Paukenschlag und verbleibt in dieser Stimmug, bis plötzlich Stillstand eintritt. Im Hintergrund ist ein unheimliches aber klangschönes Raunen zu vernehmen, das durch einige zarte liebliche Themen abgelöst wird. Plötzlich ist das erste Threma wieder da und belebt mit schroffen lebhaften Akzenten den Satz. Eine gewisse Unruhe macht sich breit bis das Ganze in eine Attacke aus Pauken und Bläsern mündet. Da ist sie wieder die unheimliche schöne Stille, die wir schon zu Beginn kennenlernten.Und wieder mündet sie in einen lieblich idyllischen Teil. Wieder folgt ein Pauken- Bläserteil, teilweise tänzerisch aufgelockert. Letztlich steigert er sich bis zum Finale des 1. Satzes.


    Der zweite Satz beginnt mehr als verhalten, steigert sich jedoch allmählich, ohne je wirklich präsent zu wirken. Letztlich verklingt er, wie er begonnen hat, er scheint ins nichts zu verklingen..


    Der dritte Satz (Presto fereace) beginnt furios und ist von pulsierender Unruhe durchdrungen. Irgendwie erinnert er mich an ein Stakkatofeuer in einer Schlacht...


    Eine mächtige Fanfare mit sakralem Unterton leitet den 4. Satz ein. Er wechselt jedoch bald mehrfach die Stimmung bis er wieder in eine ähnliche Fanfare überleitet, die prunkvoll, bombastisch die Sinfonie beschliesst.


    mir freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Dieser Beitrag soll in kurzer Form die Sinfonie Nr 8 in cis-moll von Julius Röntgen vorstellen, welche eine der drei (von fünfundzwanzig !) Sinfonien war, die zu dessen Lebzeiten aufgeführt wurden. Sie ist dem Dirigenten Carl Schuricht gewidmet und wurde am. 6. September 1931 uraufgeführt. Sie ist der Spätromantik verpflichtet und absolut tonal.
    Desungeachtet bietet das einsätzige Werk mit ca 18 Minuten Spieldauer einige Eigenheiten und Überraschungen. Nach einem geradezu provokant sanften Beginn, folgt etwa nach Spielminute 4 ein furiuser, fast möchte man sagen "aggressiver" Abschnitt. Das Werk wartet ferner mit einem Klavierpart im Mittelteil auf, der ein wenig an Tschaikowsky erinnern mag (?)
    Die Krönung ist jedoch der Einbau eines Lockrufes, wie ihn norwegische Bauernmädchen einsetzen um Ziegen oder Kühe zu rufen. Er wird mehrmals im dritten Drittel des Werkes durch eine Sopranstimme realisiert und passt sich bruchlos in die Musik ein. Julius Röntgen ist zweifellos ein unterschätzter Komponist....

    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Nachdem ich bisher von Julius Röntgen nur das im Beitrag 2 abgebildete Violinkonzert mit der Violinistin Ragin kannte, habe ich mir kürzlich die erste CD mit Symphonien kommen lassen, die Alfred im Beitrag über mir schon eingeführt hat. Auch ich halte die 8. Symphonie für ein interessantes und gelungenes Werk. Symphonie ist für dieses einsätzige Werk vielleicht nicht der richtige Ausdruck, es erinnert mich eher an eine symphonische Dichtung a la Franz Liszt. Die Verwendung eines begleitenden Klaviers und einer Vokalise sind originelle Zutaten, auch wenn Saint-Saens' 3. Symphonie bzw die 3. von Nielsen dies auch schon gebracht hatten. Verwirrend ist für mich die Nummerierung der Symphonien, die 8. wurde laut Booklet 1930 - zwei Jahre vor seinem Tod - geschrieben. Wie kommt er dann auf 25 Symphonien? Weiss jemand näheres?

  • Zitat

    Wie kommt er dann auf 25 Symphonien? Weiss jemand näheres?


    Betrachtet man das Werkverzeichnis, dann findet man :


    1930: Acht Sinfonien
    1931: Sieben Sinfonien
    1932: Zwei Sinfonien


    Das macht in den letzten drei Lebensjahren allein 17 Sinfonien aus.....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Das macht in den letzten drei Lebensjahren allein 17 Sinfonien aus.....

    Wahnsinn, das toppt ja sogar noch Havergal Brian. Ich habe gerade gesehen, dass Röntgen auch ca. 25 Streichquartette geschrieben hat. Ob ich die alle mal zu hören bekomme?

  • Anlässlich dieses Threads habe ich vor etwa einem Jahr einige CDs mit Sinfonien von Julius Röntgen gekauft. Nachdem die Resonanz hier - euphemistisch formuliert - eher verhalten war, liegen sie bis dato noch ungehört in Warteposition - einige Bestellungen wurden aufgeschoben.
    Heute habe ich aus gegebenem Anlass die Gelegenheit genutzt die Sinfonie Nr 18 (dreimal) zu hören. Eine Eigenschaft holländischer Sinfonien des 20. Jahrhunderts - soweit ich bisher welche kenne - scheint ihre "Selbstverständlichkeit" zu sein - es fehlt jegliche "moderne" Attitüde. Das lässt sich manchmal sogar ein wenig "belanglos" oder "zu leicht" erscheinen. Wenn man das aber akzepiert hat, bekommt man schöne Musik zu hören.
    Röntgens Sinfonie Nr 18 ist durchaus eigenständig - es gibt aber Reminiszenzen an vergangenes, das aber sehr individuell aufgearbeitet wurde, so die "barocken" Anklänge im ersten Satz, wo Pauken und Trompeten eine wichtige Rolle spielen - und dennoch sehr persönlich eingesetzt werden. Sehr eingängig der zweite Satz - indes scheint der Wiedererkennungswert relativ schwach ausgeprägt - aber um das endgültig zu behaupten, muß ich das Werk wohl öfter hören. Im Beiheft wird einmal mehr Mendelssohn bemührt, denn angeblich ist im 3. Satz (Scherzo) das Vorbild hier zu erkennen. Das mag stimmen, aber Röntgen erzielt eine andere Stimmung und bleibt doch sehr eigenständig.
    Persönlihch höre ich mendelssohnsche Klänge eher im Finalsatz, der zwar sehr verhalten und solistisch beginnt aber nach kurzer Zeit die Stimmung total verändert, fast italienische Lebensfreude wird vermittelt. Gegen Ende dominieren wieder die Pauken, sie erinnern an den Beginn der Sinfonie und bilden hier quasi das ähnliche Thematische Gegenstück.
    Röntgen begann die Sinfonie am 27. Mai 1931 und beendete die Fassung für 2 Klaviere am 28. Mai, fertig instrumentiert war die Sinfonie am 13. Juni des gleichen Jahres....

    mfg aus Wien
    Alfred


    clck 2357

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Auf der gestern hier gezeigten CD mit der 18. Sinfonie sind auch einige andere orchestrale Stücke enthalten. Besonders gefallen haben mir die 6 Altniederländischen Tänze op 46 ("Zes Oud-Nederlandsche Dansen")
    Sie sind zum Hinknien schön. Allerdings handelt es sich hier nicht um Eigenkompositionen von Röntgen sondern um ein Neuarrangement von Stücken aus einer Sammlung des Tielman Susato (1500-1564) aus dem Jahre 1551 ("Danserije")
    Röntgens Absicht bestand darin diese alten Stücke einer breiterein Öffentlichkeit bekannt zu machen - also verzichtete er auf eigene Hinzufügungen und Bearbeitungen über die Instrumentierung hinaus....
    Über Tielman Susato werden wir uns zu geeigneter Zeit und in einem anderen Thread unterhalten....
    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich habe soeben Röntgens 6. Sinfonie gehört, die den Beinamen "Rijck God wie sal ic claghen" ("Großer Gott, wem soll ich klagen") trägt. An diesem nur 16 Minuten lang dauernden einsätzigen Werk ist vieles bemerkenswert. Schon der wuchtige, kriegerische Beginn, der aber immer wieder durch sanfte Stellen gebrochen wird, lässt aufhorchen. Im Mittelteil der Sinfonie finden wir einen Chorteil der von einem gemischten Chor vorgetragen wird - eigentlich singen jeweils ein Frauen- und Männerchor im Dialog zueinander. Sie singen eine Melodie , die schon seit ca 1525 gedruckt wurde auf einen von Röntgen veränderten und stark gekürzten Text. Röntgen dürfte für historische Musikthemen eine Vorliebe gehabt haben, wie wir schon bei den "Altniederländischen Tänzen, op 46" - erwähnt in Beitrag Nt 13 dieses Threads - feststellen konnten. Das Werk wurde November/Dezember 1928 komponiert. Trotz seiner relativen Kürze ist es ein beeindruckendes Stück. Röntgen ist hier gewiss nicht epigonal - ich wüsste nicht an wen mich sein Stil erinnern sollte. Manche werden - trotz der Kürze - hier Bruckner nennen - ich würde das aber strikte verneinen....Ich glaube, wenn man einige seiner Sinfonien gehört har, kann man ihnen durchaus einen eigenen "Röntgen-Stil" attestieren. Vielleicht geschieht das Wunder und cpo setzt die vorzügliche Serie seiner Sinfonien fort.....
    Die Röntgenaufnahme gibt es derzeit bei jpc um Euro 7.99

    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ob je alle Sinfonien von Julius Röntgen in dieser Serie erhältlich sein werden - und ob ich persönlich es erleben werde - ist mehr als fraglich, aber immerhin wird das Angebot nun um weitere 2 Sinfonien (und eine Serenade) erweitert. Die Aufnahme stammt bereits vom 28. Dezember 2005 wird aber erst jetzt erstmal veröffentlicht. War um das so ist, darüber kann man nur spekuiliern, ich vermute, daß cpo sein Pulver nicht vorschnell verschioessen wollte. Die Interessenten warten oft Mopnate bis Jahre auf die nächste Folge splver Editionen, ist die Erschinungsfolge aber zu knapp, denn erlischt oft das Interesse (Zahlreiche halbfertige Projekte in meiner Sammlung untermauern diese These)
    Ich widme mich heute einer kurzen Vorstellung - der Sinfonie 9, welcher Röntgen selbst den Titel "Die Bitonale" gab. Ich verstehe zu wenig davon, aber im Beiheft wird behauptet die Bitonalität in dieser Sinfonie sein nicht wirklich echt, Röntgen spiele nur ein wenig damit, der Kern bliebe immer ein tonaler. Dafür spricht, daß mich das Werk ausgesprochen beeindruckt hat. Es besitzt lediglich eine Spielduaer von knapp 17 Minuten und ist einsätzig. Röntgen betrachtete das Werk als überaus modern, was aus einigen seiner Briefe an Kollegen hervorgeht. Modern - was ist darunter zu verstehen ? Ich würde hier sehr vorsichtig urteilen. Tatsache aber ist, daß die Sinfonie sehr eigenwillig, markant und beeindruckend ist, Vor allem die Instruntiereun ist IMO meisterlich. Das Werk stammt aus dem Jahre 1930 und war zuerst in einer Fassung für 2 Klaviere entworfen, der Orchserterstz folgte in nur einem Monat. Genauen Beobachtern wird aufgefallen sein, daß die Sinfonie trotz ihr (relativ) niedrigen Nummer (9 von 25) nur knapp 2 Jahre vor dem Tod des Komponisten entstand. Das erklärt sich daraus, daß er speziell in den letzten Lebensjahren äusserst produktiv war.
    Der Beinn des Werkes weckte sofort mein Interesse: Quasi aus einer dunkeln leisen Klangwolke ist ein glockenähnlicher Klang wahrnehmbar, von Blasinstrumenten begleitet. Dieser Klang wird durch eine Harfe, die im Stück immer wieder einsetzt erzeugt.
    Die Stimmung ist stets wechselnd, es gibt geheinmisvolle, dunkel aber nicht bedrohliche Stellen, Passagen der "Stille" die nur von wenigen Instrumenten durchbrochen wird und eine Gelassenheit, die jäh durch eine agressive Attacke in der Mitte des Stückes unterbroche wird. Ein Inferno bricht aus, welches ebenso plötzlich wie es gekommen ist wieder abebbt und kontemplativer Ruhe Platz macht.Im letzten Viertel kommt kurz Leben in die Sinfonie um allmählich gegen Ende des Werkes jene ruhige Stimmung zu erzeugen, mit der die Sinfonie begonnen hat. mit ebendenselben Harfenklängen verlöscht die Sinfonie
    Ein - wenn vielleicht nicht modernes - so doch - originelles, klangschönes und eigenwilliges Werk, das eine Bereicheung der Klassikszene darstellt


    mir freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Für einen depressiven Menschen wie mich, hat der Titel "Schnitter Tod" nur wenig verlockendes. Und so scho ich das Abhören dieser 5. Sinfonie von Röntgen immer wieder hinaus. Heute habe ich mich aufgerafft und war mehr als überrascht.
    Röntgen hat den Schrecken des ersten Weltkrieges in den Folgejahren immer wieder verarbeitet. Eines dieser Werke, das dabei herauskam ist die dreisätzige 5. Sinfonie "Schnitter Tod" mit Solostimme und Chor im Finalsatz.
    Die Vorlage, das Lied "Schnitter Tod" ist uralt, die ersten schriftlichen Aufzeichnungen darüber gab es in frühen 17. Jahrhundert.
    Es gab zahlreiche Variationen bis zu 80 Strophen, überlebt hat es wahrscheinlich durch seine Aufnahme in die Sammluing "Des Knaben Wunderhorn"
    Diese Fassung von 1806 benützt Röntgen für seine Sinfonie unter der Weglassung der beiden von mir ausgegrauten Strophen:

    Es ist ein Schnitter, der heißt Tod,
    Hat Gewalt vom höchsten Gott,
    Heut wetzt er das Messer,
    Es schneidt schon viel besser
    Bald wird er drein schneiden,
    Wir müssens nur leiden.
    Hüte dich schöns Blümelein!


    Was heut noch grün und frisch da steht,
    wird morgen schon hinweggemäht:
    Die edlen Narzissen,
    Die Zierden der Wiesen,
    Die schön' Hyazinthen,
    Die türkischen Binden.
    Hüte dich schöns Blümelein!


    Viel hundert tausend ungezählt,
    Was nur unter die Sichel fällt:
    Ihr Rosen, ihr Liljen,
    Euch wird er austilgen
    Auch die Kaiser-Kronen,
    Wird er nicht verschonen.
    Hüte dich schöns Blümelein!


    Das himmelfarbe Ehrenpreis,
    Die Tulipanen gelb und weiß,
    Die silbernen Glocken,
    Die goldenen Flocken,
    Senkt alles zur Erden,
    Was wird daraus werden?
    Hüte dich schöns Blümelein!


    Ihr hübsch Lavendel, Rosmarein,
    Ihr vielfärbige Röselein,
    Ihr stolze Schwertliljen,
    Ihr krause Basiljen,
    Ihr zarte Violen,
    Man wird euch bald holen.
    Hüte dich schöns Blümelein!

    Trotz! Tod, komm her, ich fürcht dich nicht,
    Trotz, eil daher in einem Schnitt.
    Werd ich nur verletzet,
    So werd ich versetzet
    In den himmlischen Garten,
    Auf den alle wir warten.
    Freu dich du schöns Blümelein.


    Das Besondere ist aber die meisterliche Komposition. Eher versöhnlich als verzweifelt, klangschön ohne die Ernsthaftigkeit des Themas zu zertstören.
    Eine wundervolle Sinfonie !!!


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Das Besondere ist aber die meisterliche Komposition.
    Eine wundervolle Sinfonie !!!


    Das sehe ich ähnlich. Von den mir bekannten Röntgen-Symphonien zieht mich die Genannte am stärksten in ihren Bann.


    Grüße
    Garaguly