Zitate "großer Männer" kritisch gesehen

  • Der letzte große Sommerthread dieses Jahr.
    Damit will ich nicht andeuten, daß er leichtgewichtig sei, sondern, daß er sich lediglich am Rande zur "klassischen Musik" befindet.
    Dennoch sollte es sich in erster Linie um Musik und Kunst und nicht um politische Statements oder Wissenschaftsprognosen handeln
    Besonders im Auge habe ich hier jene "legendären Persönlichkeiten" die immer wieder als "unfehlbare Referenz" im Forum zitiert werden, auch wenn sie oft genug Unsinn verzapften, eigene Interessen in ihren Statements durchklangen oder ihre Aussagen nicht mehr (oder - besser gesagt; derzeit nicht) unserem Verständnis entsprechen, oder vielmehr dem, was man uns als "unser Verständnis" aufoktruieren willl...


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich beginne gleich mit einem Goethezitat, freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Dr Holger Kaltetha in einem anderen Thread, den ich aber nicht noch mehr vom Thema abbringen wollte als er es ohnehin schon ist.


    Zitat

    "Für den Dichter gibt es keine historischen Personen, es beliebt ihm, eine sittliche Welt darzustellen, und er erweist zu diesem Zwecke gewissen Personen aus der Geschichte die Ehre, seinen Geschöpfen ihren Namen beizulegen."


    (Johann Wolfgang von Goethe)


    Na ja - ein wenig war er schon von sich eingenommern der gute Herr von Goethe.
    Viele der auf diese Art verbogenen Personen hätte sich bedankt für die Ehre....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Wer die Form zerstört, beschädigt auch den Inhalt.
    Herbert von Karajan (1908-89), östr. Dirigent


    Ist das Zitat angenehm?


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Bach als der "fünfte Evangelist" (von Schweitzer?): Ich finde, Bach hat nur das Evangelium ausgelegt, also eine praedicatio sonora, aber kein neues geschaffen.

  • Noch ´n Zitat?
    Aus der Oper Capriccio von Richard Strauss, Text u.A. von Stefan Zweig und Clemens Krauss. Der Theaterdirektor La Roche soll die Bewertung vornehmen, ob Text oder Musik gleichrangig wären. Er geht auf Olivier (Dichter) und Flamand (Musiker) ein und sagt über deren Vorführung (eine Vertonung eines Gedichtes von Olivier durch Flamand, die er als blasse Ästheten bezeichnet) ungeheuer zutreffende Worte. z.B.


    "Sie verspotten das Alte, doch sie schaffen nichts Neues." und weiter "Ich bewahre das Gute, das wir besitzen, die Kunst unserer Väter halte ich hoch."


    Ähnlich hat auch Goethe schon gesprochen. Im Vorspiel auf dem Theater (Faust) läßt er den Theaterdirektor sagen:
    "Ihr wißt, auf unsren deutschen Bühnen probiert ein jeder, was er mag".
    Und der Dichter sagt:
    "Was glänzt, ist für den Augenblick geboren. Das Echte bleibt der Nachwelt unverloren."
    Der Sprüche sind genug gesprochen, nun laßt uns endlich Taten sehn (frei nach Goethe, wieder aus dem Faust). Das Threadthema ist unendlich, unerschöpflich, der Zitate gibt es viele. Bei meinen hier genannten Zitaten, die laut Thema kritisch zu bewerten sind, komme ich nicht umhin, eines der Lieblingsthemen von Opernbesuchern im Tamino und auch außerhalb zu streifen. Aber die Zitate zeigen, daß nicht erst seit dem Regietheater gestritten wird.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

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  • Nochmal Schweitzer, Zitat von https://de.wikipedia.org/wiki/…Fuge#Rezeptionsgeschichte über das Thema der Kunst der Fuge:

    Zitat

    „Interessant kann man es [das Thema] eigentlich nicht nennen; es ist nicht einer genialen Intuition entsprungen, sondern mehr in Hinsicht auf seine allseitige Verwendbarkeit und in Absicht auf die Umkehrung so geformt worden. Und dennoch fesselt es denjenigen, der es immer wieder hört. Es ist eine stille, ernste Welt, die es erschließt. Öd und starr, ohne Farbe, ohne Licht, ohne Bewegung liegt sie da; sie erfreut und zerstreut nicht; und dennoch kommt man nicht von ihr los.“


    Womit ich nicht übereinstimme: Ich finde das Thema durchaus interessant und finde die Kunst der Fuge nicht "Öd und star, ...", sondern finde die Kunst der Fuge (richtig gespielt) voller Leben und Energie und würde am liebsten dazu tanzen.

  • „Die Menschen, die sich rühmen, ihre Ansicht niemals zu wechseln, sind Toren, die an ihre Unfehlbarkeit glauben.“
    Honoré de Balzac



    „Gewohnheit, Sitte und Brauch sind stärker als die Wahrheit.“
    Voltaire

  • Du ahnst nicht, mein Sohn, mit wie wenig Verstand die Welt regiert wird
    (Graf Axel Oxenstierna, schwedischer Staatsmann, * 6.7.1583 - + 7.9.1654)


    Daran gibt es nichts kritisch zu sehen, denn: Wie sehr bewahrheitet sich dieser Satz einmal wieder in diesen Tagen!
    :jubel: :jubel: :jubel:


    LG, Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Mozart hat in mehreren Briefen an seinen Vater ein Urtel über ein anderes 'Wunderkind' abgegeben, nämlich über Muzio Clementi (1752-1832). Beide hatten auf Bitten des Kaisers ein Wettspiel ausgetragen und Mozart äußerte sich abschätzig:


    ... und vorgestern als den 24t habe ich bey Hofe gespielt – es ist noch ein Clavierspieler hier angekommen, ein Welscher, er heißt: Clementi. Dieser war auch hineinberufen ...


    Der Clementi spielt gut, wenn es auf Execution der rechten Hand ankömmt. – Seine Force sind die Terzenpassagen – übrigens hat er um keinen Kreutzer Gefühl und Geschmack. Mit einem Wort ein bloßer Mechanicus ...


    ... Clementi ist ein ciarlattano wie alle Wälsche. – Er schreibt auf eine Sonate Presto, auch wohl Prestissimo und alla breve. – und spielt sie Allegro im 4/4 Takt; – ich weiß es, denn ich habe ihn gehört ...

    Der damals 29-jährige Clementi war in seinem Urteil völlig anders, von Mozarts Fähigkeiten sogar äußerst begeistert:


    „Ich hatte bis dahin niemand so geist- und so anmutsvoll vortragen gehört. Vorzugsweise überraschten mich ein Adagio und mehrere seiner extemporierten Variationen, wozu der Kaiser das Thema wählte.“

    .


    MUSIKWANDERER

  • Ich beginne gleich mit einem Goethezitat, freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Dr Holger Kaltetha in einem anderen Thread, den ich aber nicht noch mehr vom Thema abbringen wollte als er es ohnehin schon ist.

    Das stimmt, lieber Alfred! Da spricht schon das stolze Dichter-"Genie", das sich wie ein Gott seine Geschöpfe selber schafft. :D Allerdings dem Inhalt nach könnte den Satz auch Friedrich Schiller geschrieben haben. Im Unterschied zum Historiker sind die Gestalten, die der Dichter schafft, immer etwas "Idealisches". Sonst wäre die Poesie nicht Poesie, sondern nur nackte Prosa.


    Schöne Grüße
    Holger

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  • Der unerreicht Großmäulige unserer Zeit ist natürlich Peter Sloterdijk. Hier zwei Beispiele:
    1. Hätte der Neoliberalismus Titten aus Zement, er sähe aus wie Heidi Klum.
    2. Mit der sich selbst erfüllenden Prognose der rhizomatischen >Gesellschaft< in der anarchistisch-wahrsagerischen Para-Psychiatrie des Poststrukturalismus ist die anti-genealogische Basistendenz der Neuzeit - als Subversionen, Reklamationen, Verweigerungen, Usurpationen, Aspirationen und Hybridisierung - in ihr Mündungsgebiet gelangt.
    3. In diesem Mündungsgebiet möchte ich nicht herumschwimmen.

    Schönheit du kannst zwar wol binden...

    Schönheit machet viel zu blinden...

    Schönheit alle Freyer grüssen...

    Schönheit reitzet an zum küssen...

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Da spricht schon das stolze Dichter-"Genie", das sich wie ein Gott seine Geschöpfe selber schafft. :D Allerdings dem Inhalt nach könnte den Satz auch Friedrich Schiller geschrieben haben.


    Absolut könnte er das. In Bezug auf Verfälschungen konnen die Beiden sich ja die Hand reichen. Übrigens waren sie ja befreundet...
    Hier sehe ich die selbe Anmaßung, wie beim heutigen Regietheater. Die Realität wird zurechtgebogen.
    Die "berühmten" Namen der Dichter beeindrucken mich nicht.
    Ich sehe es so, daß sie keine "Geschöpfe geschaffen" haben, sondern sich an realen bereits verstorbenen Geschöpfen vergangen haben, indem sie ihnen Eigenschaften andichteten, die diese gar nicht hatten. Hier wird Geschichte verfälscht.
    Warum haben die beiden (und viele vor und nach ihnen) eigentlich Personen der Gischichte zerzaust oder verherrlicht und nicht eigene Figuren erschaffen ?
    Die Antwort ist ganz einfach: Weil es sich hier in der Regell um bekannte Persönlichkeiten handelt (zumindest zum Zeitpunkt der Entstehung der Werke waren sie es) wo man auf allgemeines Interesse rechnen konnte. Man (wie sich die Bilder gleichen) versteckte sich gewissermaßen hinter dem Ruhm dieser verblichenen Größen, er erweist ihnen keine Ehre, sondern er bedient sich ihrer.
    Und Schiller - war zumindest in dieser Disziplin der absolute Meister.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • In Bezug auf Verfälschungen konnen die Beiden sich ja die Hand reichen.


    Hier sehe ich die selbe Anmaßung, wie beim heutigen Regietheater. Die Realität wird zurechtgebogen.
    Die "berühmten" Namen der Dichter beeindrucken mich nicht.
    Ich sehe es so, daß sie keine "Geschöpfe geschaffen" haben, sondern sich an realen bereits verstorbenen Geschöpfen vergangen haben, indem sie ihnen Eigenschaften andichteten, die diese gar nicht hatten. Hier wird Geschichte verfälscht.


    "Wißt! Apoll ist der Gott der Zeitungsschreiber geworden
    Und sein Mann ist, wer ihm treulich das Faktum erzählt."

  • "Wißt! Apoll ist der Gott der Zeitungsschreiber geworden
    Und sein Mann ist, wer ihm treulich das Faktum erzählt."


    Ja was ist denn los ? solch erhabene Sprache auf einmal ??


    Ein Beitrag OHNE die Wörter "Mucke" oder "reingezogen"


    Ich verstehe die Welt nicht mehr :no:
    Die einzige Erklärung die sich mir in aller Eile anbietet ist, daß jemand Deinen Account gehackt hat - und an deiner Stelle hier schreibt


    Sollte das der Fall sein, ruf mich einfach an.
    Das bringen wir schon wieder in Ordnung...


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Kleine Abschweifung zu Beitrag 9:
    Mozart hörte bei diesem Wettspiel Clementis Klaviersonate in B-Dur. Er hat sie in seinem Gedächtnis aufbewahrt und Jahre später in der Ouvertüre der "Zauberflöte" verwendet. Als er einmal über diesen "Diebstahl" befragt wurde, antwortete er:
    "Ich soll das Thema gestohlen haben? Schauen Sie doch nach, es ist immer noch in Clementis Noten vorhanden."

  • Im Falle des "Diebstahls" der Noten Clementis verstehe ich die Anschuldigung nicht - Zizate - auch längere waren damals kein Vergehen - es wurde als Ehre für den zitierten ausgelegt. Mozart zitiert in "Don Giovanni" aus "Una Cosa rara" von Vicente Martín y Soler


    Mozart war als Kritiker niemals neutral, er litt an Selbstüberschätzung (was schon Kaiser Joseph II intern anmerkte)


    Kehren wir zurück zu dem was ich mit diesem Thread eigentlich aussagen wollte:
    "Große oder berühmte Männer" waren (und sind) nicht davor gefeit Dummheiten, Unwahrheiten oder Bosheiten bis hin zur realen Bösartigkeit zu sagen.
    Das ist IMO durchaus normal. Bedenklich wird es erst, wenn der Ruhm des "Statementerstellers" so groß ist, daß das Gesagtre über Generationen hinweg kritiklos weitergegeben und oft sogar zum Dogma erhoben wird.


    In der Wissenschaft ist der verzapfte Unsinn klarer erkennbar (oft erst nach Jahrhunderten) bei Aussagen über andere Disziplinen ist das schon schwieriger
    Beispiel:
    "Es muß doch jedem Menschen mit Verstand klar sein, da0 die Erde keine Kugel sein kannm denn da würden ja die Bewohner der unteren Seite herunterfallen,,,,,"


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Absolut könnte er das. In Bezug auf Verfälschungen konnen die Beiden sich ja die Hand reichen. Übrigens waren sie ja befreundet...
    Hier sehe ich die selbe Anmaßung, wie beim heutigen Regietheater. Die Realität wird zurechtgebogen.
    Die "berühmten" Namen der Dichter beeindrucken mich nicht.

    "Und doch hatten Maler und Dichter seit je gleiche Freiheit, zu wagen, was sie nur wollen." (Horaz)


    Zeige mir bitte mal eine Quelle aus 2500 Jahren Literaturgeschichte, wo die Aufgabe des Dichters darauf reduziert wird, irgendeine eine "Wirklichkeit" sklavisch wie ein Zeitungsbericht "unverfälscht" abzuschildern. Wenn Du sie gefunden hast, melde Dich! :D


    Schöne Grüße
    Holger

  • "Es muß doch jedem Menschen mit Verstand klar sein, da0 die Erde keine Kugel sein kannm denn da würden ja die Bewohner der unteren Seite herunterfallen,,,,,"


    Das begreife ich bis jetzt nicht. Wieso gibt es Neuseeländer oder Patagonier?


    Oder steht die Erde nur falsch herum und die Patagonier sollten sich freuen, wenn wir runterfielen? Ich glaube, die Argentinier (zu denen die Patagonier wohl gehören) wären froh, wenn die Franzosen runtergefallen wären. Die Welt ist eben ungerecht.


    "Und sie dreht sich doch!!""
    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Ich bin so vermessen, als ganz normaler Mensch im Thread Zitate "großer Männer kritisch gesehen" zwei Zitate von mir zu veröffentlichen, weil diese in Zitatensammlungen und Kalendersprüchen usw. eingegangen und dort recht oft veröffentlicht werden:

    "Richtige Zeitplanung ist ein Rezept der Erfolgreichen.

    Richtige Zeitnutzung eines der Weisen"

    "Die Liebe hält ewig, wenn sie unbeirrt

    jeden Tag erneuert wird. "

    (Hans A. Hey)

    Liebe Taminos und Besucher "Warum denn in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah." Hier im Forum gibt es den Therad "Allen Taminos zur Freude und Erheiterung". Das ist eine Fundgrube für Zitate, Aphorismen, heitere Anekdoten und Gedichte. Besonders unser lieber Taminofreund Erich Ruthner ist unermüdlich in diesem Thema unterwegs und stellt laufend köstlich heitere Lebensweisheiten dort ein. Danke lieber Erich. Es lohnt sich also, aus diesem nahezu unerschöpflichen Brunnen der Heiterkeit und Besinnlichkeit zu schöpfen.

    Ach und nun hoffe ich, dass sich das Bibelzitat "Wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden" nicht erfüllt und ich wegen eigener Überhöhung nicht zu heftig auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt werde. :untertauch: :hail:

    Herzlichst

    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

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  • Zeige mir bitte mal eine Quelle aus 2500 Jahren Literaturgeschichte, wo die Aufgabe des Dichters darauf reduziert wird, irgendeine eine "Wirklichkeit" sklavisch wie ein Zeitungsbericht "unverfälscht" abzuschildern


    Zum einen wurden meist erfundene Figuren (Beispielsweise Romeo und Julia) auf die Bühne gebracht, ODER man hat ihnen ein Mindestmaß an historischer Wahrheit zugestanden.


    Und wo nicht - da kamen dann so Geschichten heraus, wie jene von Atlantis, wo man sich nie sicher war, ob es das je gegeben hat oder eine Erfindung des Dichters war.
    Ich lese deshalb auch keine Biographien, weil sie die historische Wahrheit über Gebühr verändern.


    Aber wir sind wieder mal vom Thema abgekommen....die Erbsünde von Internetforen gewissermaßen...

    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ein Lieblingszitat meines Vaters, Meister in gleich zwei Handwerksberufen ( Steinmetz und Steinbildhauer) , stammte ebenfalls vom Freiherrn von Goethe. Er versuchte, angefangen bei aufwändigen Kriegerdenkmälern ( z.B. samt Adlerplastiken mit ausgebreiteten Schwingen) bis hin zur einfachsten Grabplatte für ein Kindergrab, immer mit viel Liebe zum Detail ein kleines Kunstwerk zu schaffen. Das Zitat lautet:


    Zitat

    "Vom Handwerk kann man sich zur Kunst erheben. Vom Pfuschen nie."


    Bekommen die "großen Damen" eigentlich einen Extra-Thread? ;)


    Grüsse...MDM

    >>So it is written, and so it shall be done.<<

  • Zum einen wurden meist erfundene Figuren (Beispielsweise Romeo und Julia) auf die Bühne gebracht, ODER man hat ihnen ein Mindestmaß an historischer Wahrheit zugestanden.

    Das "Mindestmaß an historischer Wahrheit" haben aber sämtliche Stücke von Schiller mit historischem Bezug auch. Nur wozu brauchen wir Poesie, wenn wir eine Geschichtsschreibung haben, die alles viel genauer aufzeichnet? Poesie fängt da an, wo die historische Wahrheit aufhört. Ansonsten wäre Poesie schlicht überflüssig. Deshalb hat der Roman traditionell eine so zweifelhaften Ruf und wird als eine eher minderwertige Gattung angesehen, weil er die am wenigsten poetische und dem prosaischen Erzählen von Geschichtsfakten am nächsten kommende Gattung ist. Bei Schiller etwa muss man schon genau hinschauen. Er kritisiert nämlich ausdrücklich das eher "historische" französische Gesellschaftsdrama vom Standpunkt der Empfindsamkeit aus. Schiller geht es darum, den Menschen quasi nackt in seiner "Natur", seinem Menschsein, zu zeigen. Deswegen bewundert er die Griechen, weil sie den Menschen nackt dargestellt hätten ohne (historisches) Kostüm. Da kommt Rousseau durch - die Antithese von Natur und Gesellschaft, das "Zurück zur Natur" angesichts einer verlogenen und sich überlebt habenden Gesellschaft. Das Gesellschaftliche im historischen Gewand ist es gerade, was die wahre Menschennatur verbirgt und in seiner Wirkung deshalb Gefühlskälte bedeutet, so Schiller. Die Empfindsamkeit verlangt also, das Historische und Faktische zu transzendieren. Es geht in diesem Idealismus der Klassiker also nicht darum, irgendeine Realität zu "verfälschen", das ist völlig abwegig, vielmehr zur "eigentlichen" und wahren Realität hinter dem Historisch-Faktischen vorzudringen, das Wesentliche, die "intelligible" Natur des Menschen, zu zeigen, die moralische Person und ihr Handeln, die uns berührt, und deshalb nicht um das für die moralische Empfindung gänzlich Unwesentliche, irgendwelche interessanten historischen Quisquilien, die "exakt" dargestellt werden müssten.


    Dazu habe ich ja einen Kolumnenartikel geschrieben - nur nochmals zur Erinnerung:


    Friedrich Schiller und die Frage: Müssen Kostüme und Kulissen historisch sein?


    :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Zum einen wurden meist erfundene Figuren (Beispielsweise Romeo und Julia) auf die Bühne gebracht, ODER man hat ihnen ein Mindestmaß an historischer Wahrheit zugestanden.


    Und wo nicht - da kamen dann so Geschichten heraus, wie jene von Atlantis, wo man sich nie sicher war, ob es das je gegeben hat oder eine Erfindung des Dichters war.

    Du bestimmst dann selbstverständlich was „über Gebühr“ in der Kunst ist. :)


    das tut einen soooo leid, dass Kunst nun mal keinen Bock hat, sich dem Diktat der Realität dienstbar zu machen und sogar verstärkt Verzicht übt, sie nachzumachen.


    Okay, zurück zum Ring äh Thema


    => Promi-Zitat aus der Welt der Oper:


    "Erst das nachwagnerische Bayreuth.. und seine eifernden Gefolgsleute .. haben Wagners szenische Vorschriften zum sakrosankten Bestandteil des Werkes selbst erklärt. Obgleich.. Forderungen nur durch polizeiliche Reglementierung der Kunst realisierbar wären, bilden sie heute das geistige Rüstzeug aller strammen Parteigänger der sogenannten Werktreue…. Es ist ein unzulässiges Attentat gegen den Komponisten Wagner, sein .. Werk leichthin mit der notorischen Mittelmäßigkeit und dem impotenten Pseudonaturalismus seiner zeitgenössischen Malerei zu identifizieren. Was hat dieses Werk mit einem Stil zu tun, der bar jeder eigenen Idee die Errungenschaft von Klassik und Romantik für den Geschmack des reichgewordenen Spießbürgers zu popularisieren versuchte? .."

  • Zitat

    Du bestimmst dann selbstverständlich was „über Gebühr“ in der Kunst ist


    Im Prinzip ja. Das ist weder eine Anmaßung, noch etwas Neues.
    Was als Kunst akzeptiert wurde und was nicht wurde immer von Leuten "bestimmt", die den Zeitgeist mitprägten - und wenn viele ein Internetforum als bedeutungsloses Spielzeug sehen - so ist das IMO eine krasse Fehleinschätzung. Internetforen sind - ganz allgemein gesprochen - eine "Medienmacht"


    Wie erreichen hier mit Sicherheit mehr Leser als die diversen Klassikzeitschriften.


    Über einen gewissen Zeitraum hinweg galt der "Historismus" als Kitsch oder Schund
    Der Begriff "Gotik" indes geht auf den italienischen Maler, Architekten und Kunsthistoriker Giorgio Vasari (1511-1577) und er bedeutet in etwas "barbarisch"


    Und selbstverständlich bestimmt das Publikum "was über Gebühr" ist und was nicht.
    Und die Entscheidung ist längst gefallen
    Sie wird nur ignoriet, dadurch, daß Politiker unbrauchbare Wertlose Machwerke als "Kunst" subventionieren.
    Wäre das nicht der Fall würden die meisten " progressiven Künstler" elendiglich verhungern - und ich gestehe, daß mich dieser Gedanke nicht wirklich bedrückt...


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Und selbstverständlich bestimmt das Publikum "was über Gebühr" ist und was nicht.
    Und die Entscheidung ist längst gefallen
    Sie wird nur ignoriet, dadurch, daß Politiker unbrauchbare Wertlose Machwerke als "Kunst" subventionieren.
    Wäre das nicht der Fall würden die meisten " progressiven Künstler" elendiglich verhungern - und ich gestehe, daß mich dieser Gedanke nicht wirklich bedrückt...

    Oh, ja, es ist eine Schande, dass bisher keine dringend erforderliche Patientenverfügung gegen die aufgespreizte Agonie des gänzlich überflüssigen Klassikbetriebs in Kraft tritt.
    Diese dreiste Frischzellenkur in Form von staatlichen Subventionen und privaten Sponsoring gehört schleunigst entsorgt, damit wahre Künstler wie Helene Fischer oder Bushido sich gegen hochsubventionierte Wiedergaben wertloser Machwerke wie z.B. Beethovens op. 120 oder Brahms op. 98 sich endgültig durchsetzen…

  • Zitat

    Oh, ja, es ist eine Schande, dass bisher keine dringend erforderliche Patientenverfügung gegen die aufgespreizte Agonie des gänzlich überflüssigen Klassikbetriebs in Kraft tritt.


    Witzle nur drüber - das wird früher kommen als wir ahnen.
    Allerdings werden dann private Sponsoren einspringen was allerdings das Aus für viele Experimente gegen das Publikum bedeuten dürfte.
    Für die Klassische Musik an sich sehe ich keine Gefahr, und am allerwenigsten für Beethoven.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Witzle nur drüber - das wird früher kommen als wir ahnen.
    Allerdings werden dann private Sponsoren einspringen was allerdings das Aus für viele Experimente gegen das Publikum bedeuten dürfte.
    Für die Klassische Musik an sich sehe ich keine Gefahr, und am allerwenigsten für Beethoven.


    Selbstverständlich bilden – gemäß deiner Argumentation - Werke Beethovens und Brahms Experimente gegen das Publikum. Denn nur wenige % der Bevölkerung interessieren sich dafür. Wenige wollen sich das gönnen.
    Falls ein ausdünnender Konzertbetrieb nach und nach abschmiert, werden auch Sponsoren sich verflüchtigen, weil PR-Streukreis irgendwann zu mager ausfällt für eine positiv resultierende Wirkungserfolgskontrolle; ganz im Gegensatz zu z.B. Tokyo-Hotel, Howard Carpendale oder tollen Sport-Events … in den USA sind mittlerer Weile zunehmende Sponsoring-Implosionen im Klassik-Bereich – trotz „konservativen“ Spielplänen - zu beobachten.


    Es wäre – ebenso gemäß deiner Argumentation – dann höchst konsequent, gleichfalls für die Ausdünnung von öffentlicher Bibliotheken und Lehrplänen an Unis und Schulen zu plädieren, zwecks Entsorgung von Machwerken und Schund, weil eben publikumsfeindlich: z.B. Goethes Faust I und II, Hölderlins Oden, Elegien und Gesänge, Thomas Mann, Franz Kafka, Kant etc.. etc.. Denn vergleichsweise – zu z.B. Harry Potter – wird sowas kaum reingezogen; allenfalls mit Schützenhilfe eben des subventionierten Schul- und Unibetriebs.


    Allenfalls im Falle des Autors Thomas Bernard könnte – nach meinen momentanen Dafürhalten - gegebenenfalls eine noch vergleichsweise signifikante Leserschaft existieren.
    Sein Stück „Heldenplatz“ bildet zudem ein besonders funkelndes Juwel aus dem nationalen Kultur-Erbe Österreichs….

  • Diese Ausdünnung hat schonlängst stattgefunden. Der Prozentsatz der Interessenten ist überschaubar - oder realistischer ausgedrückt gering.
    Es wäre auch möglich diesen Betrieb ohne Subventionen aufrecht zu erhalten, wenn man die Gehälter von Operndirektoren, Sängern , Dirigenten, Solisten und Regisseueren auf ein realistisches Maß zurückschraubt. Realistisch ist, wenn der Gedamtbetrag der Kosten einer Aufführung denjenigen der erzielbaren Einnahmen nicht übersteigt.


    Vielleicht sollten wir aber allmählich wieder zum Thema zurückkehren....
    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !




  • Es wäre auch möglich diesen Betrieb ohne Subventionen aufrecht zu erhalten, wenn man die Gehälter von Operndirektoren, Sängern , Dirigenten, Solisten und Regisseueren auf ein realistisches Maß zurückschraubt. Realistisch ist, wenn der Gedamtbetrag der Kosten einer Aufführung denjenigen der erzielbaren Einnahmen nicht übersteigt.


    Du meinst also, ein "realistisches" Gehalt müsste deutlich unter den wahrhaft üppigen 2000 € Mindestgage (brutto) liegen, die an deutschen Bühnen seit letztem Jahr für Solobeschäftigte gilt? Darf ich dich fragen, wie hoch du eine "realistische" Mindestgage ansetzt? Und vielleicht bist du auch gleich noch so gütig, mir ein - meinetwegen auch historisches - Modell für einen dauerhaften Opernbetrieb, der ohne Zuwendungen (die auch eine Finanzierung durch Höfe oder Herrscher einschließt) auskommt oder ausgekommen ist, zu nennen?

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