Liebe Taminos,
eigentlich schrecke ich vor außerdeutschen Tourneevorstellungen in meinem Wolfsburger Theater zurück - zu oft war die Qualität zum Fürchten. Aufgrund Chrissy's euphorischen Beschreibungen der Vorstellungen aus Liberec, bin ich aber nun doch zur Vorstellung der Rusalka gegangen. Die Oper Liberec, zusammen mit der Tschechischen Oper Prag brachten Rusalka - eine Oper die ich schon vor Jahren mal gehört habe, aber nun erst für mich entdeckt habe. Was für ein herrliches Werk!
Um es vorweg zu nehmen - es war ein größtenteils äußerst beglückender Opernabend. Doch von vorne. Die Szenerische Umsetzung war ganz hervorragend. Nachdem das Vorspiel bei geschlossenem Vorhang erklang, zeigt die Szene des ersten Akts eine grüne Wiese im Wald samt Teich, Röhricht und Steg, grüne Elfen tanzen, der Mond scheint - es war wirklich toll anzusehen. Die Personenführung war durchweg spannend, auf der Bühne passierte immer etwas, seien es Lichteffekte, Nebel, etc.. Es war ein harmonisches Ganzes.
Der zweite Akt spielt vor er Waldszenerie, allerdings nun mit einem großen Saal vorweg - prächtige Treppenläufe und Kronleuchter stellen zwar quantitativ dezent, aber durchaus treffend den Schlossakt dar. Besonders eindrucksvoll gelang der Tanz der Festgemeinde zur Ballmusik. Die letzte Szene spielt wieder beim Wald im Teich.
Rein optisch war das Werk ein Genuss, aber auch die Personenführung war wie geschrieben hervorragend. Toll, dass Martin Otava entlang der Musik inszenierte und manchen musikalischen Effekt auf das Spiel der Sänger übertrug. Einzig störend war der Scheinwerfer, der immer den handelnden Personen folge...das kann man heute besser lösen und wäre größtenteils auch nicht nötig gewesen, wirkte fast ein wenig lächerlich.
Auf musikalischer Seite kann ich auch nicht groß klagen. Überrascht war ich vor Orchester unter Leitung von Martin Doubravsky, welches doch durchaus anders klingt (besonders das Holz), als ein deutsches Orchester. Die Qualität und Spielfreude der Musiker war viel besser als erwartet. Obgleich die Geigen manchmal etwas schwächelten, so war das Blech geradezu wunderbar im Klang. Doubravsky hielt Orchester und Sänger perfekt zusammen. Da klapperte nichts. Und obgleich er prachtvoll, auskostend aufspielen ließ, hatten die Sänger im sonst eher problematischen Wolfsburger Haus keine Probleme dagegen anzukommen.
Der Wassermann von Pavel Vancura war das Highlight. Ein wahrer Sängerdarsteller - toll gespielt, prachtvoll ausgesungen, großes Volumen, aber auch ganz leise und zart wenn es darauf ankommt. Er erhielt den meisten Applaus am Schluss. Tomas Cerny als Prinz sang mit einem wohlklingenden lyrischen Tenor, der jedoch recht klein war. In den Höhen schwächelte er deutlich und im Spiel war er etwas zurückhaltender. Die Rusalka von Vera Polachova war genauso hervorragend gespielt wie der Wassermann. Absolut glaubhaft nahm man an ihrem Schicksal teil. Obgleich ich ihren starken Sopran zuerst etwas scharf empfand, so fand ich stets mehr Gefallen an ihr. Das Lied an den Mond wurde zu einer reinen Gänsehautpartie für mich. Spitzentöne, sanfte Klänge und die Trauer - das war großer Gesang! Von Petra Vondrova als Hexe kann man nichts anderes sagen. Auch das restliche Ensemble, die Elfen, die Fürstin, Küchenjunge und Jäger waren großartig besetzt - es war ein Fest. Einziger Wermutstropfen - die Musik hinter der Bühne wurde über Mikros übertragen...in fast unerträglicher Lautstärke.
Insgesamt - eine vollauf beglückende Vorstellung! Das Publikum dankte mit standing ovations (das heißt in Wolfsburg nicht viel...aber auch ich stand...das heißt was :D). Mal eine Regie ohne aufgedrägte Metaebene, ein wirklich herrliches Bühnenbild, toller Gesang und Orchester. Vielleicht muss ich auch einmal nach Liberec fahren. Ich kann Chrissy jetzt verstehen! Auch wenn ich der Meinung bin, dass man auch Modern mit Zeitverschiebung toll inszenieren kann - solch einen Genuss hatte ich bisher selten!
LG
Christian