Arenawürdige Aida (Verdi) oder Oper für Schwerhörige, Hamburgische Staatsoper, 28.03.2018

  • Was zunächst als Widerspruch erscheint, ist keiner. Unter der Leitung von Renato Palumbo wurde überlaut gespielt. Zum Glück standen auf der Bühne sehr schallstarke Gesangskräfte. Vor allem Marco Berti (Radames) erschreckte fast mit seinen lauten Stimme (wir saßen allerdings im ersten Rang in der ersten Loge, also ganz vorn). Pianosingen und Legatokultur waren nicht unbedingt seine Sache, auch fehlt ihm eine charakteristische Stimmfarbe. Für eine Arena wie Verona ist seine Stimme dagegen wie geschaffen. Wir hörten ihn dort vor einigen Jahren als Radames. Nun ist Radames wohl sehr schwer zu besetzen, die Rolle ist deutlich stimmkraftfordernd, verlangt aber auch Wohlklang in den eher lyrischen Passagen (Celeste Aida, Schlussduett Aida/Radames). Dass Tenöre für die Rolle des Radames Mangelware sind, zeigt sich auch an den aktuellen Einsatzorten von Marco Berti: Vor einem Jahr Radames an der Metropolitan Oper in New York oder vor zwei Jahren an der Pariser Oper. International gefragt ist auch Kristin Lewis als Aida, die mit dieser Rolle nach Hamburg in Wien auftritt. Ich hatte auch mit ihrer Stimme meine Schwierigkeiten. Nicht, dass die dem lyrischen Spintofach zugerechnete Lewis nicht zu schönen Tönen fähig war, ihre ebenfalls große Lautstärke und die dabei auftretende leichte Schärfe mag auch dem Orchester und dem Partner geschuldet sein. Was ich aber nach langem Nachdenken vermisste, waren die überzeugenden Tonbindungen und die Wärme in der Stimme, wie man sie bei einer Aida erwartet. Roberto Frontali sang einen ordentlichen Amonasro, Alin Anca beeindruckte als Ramphis, vor allem mit einer kräftigen Höhe, während die tiefen Frequenzen nicht so gut „über die Rampe“ kamen. Alexander Roslavets blieb als König stimmlich unauffällig, sehr schönstimmig klang die Stimme von Narea Son als Sacerdotessa aus dem Hintergrund. Einen wirklichen Lichtblick in der Sängerriege gab es aber auch: Elena Zhidkova als Amneris. Ihr schöner, manchmal wie mit einem Silberfaden durchzogener Mezzo war zum einen den Klangfluten gewachsen, zudem gefiel ihre Stimme auch noch im Piano.


    Insgesamt erreichte diese Besetzung lange nicht das Niveau der aktuellen Tosca-Serie und schon überhaupt nicht jene von mir zuletzt 2014, noch unter der Ägide von Simone Young, gehörte Aidavorstellung mit Liudmyla Monastyrska als Aida, dem leider zu früh verstorbenen Johan Botha als Radames, Michaela Schuster als Amneris und Franz Grundheber als Amonasro. Das war noch eine Aida-Aufführung gewesen, die den Besuch lohnte. Heute langweilte ich mich bis zur Pause, das lag aber auch an der doch recht schaumschlägerischen Komposition des verehrten Verdi. Nach der Pause, beginnend mit dem Nilakt, wird es musikalisch besser, fast kammermusikalisch (wenn nur nicht Herr Palumbo so bombastisch dirigiert hätte). Jubel für Kristin Lewis, Elena Zhidkova und Roberto Frontali, aber nicht ausufernd.

    Oper lebt von den Stimmen, Stimmenbeurteilung bleibt subjektiv