Zitat La Roche (aus einem anderen Thread):
Nicht in ein und derselben Inszenierung, aber ein variantenreicheres Theater, dafür stehe ich ein, dafür steht Gerhard ein uva.
Ich will nicht nach Liberec fahren, um eine Oper so zu sehen, wie es Chrissy kann!
Das solltest Du aber, lieber La Roche, wenn Du wieder mal ein vernünftiges, akzeptables und rundum hochqualitatives, beglückendes Theatererlebnis genießen möchtest.
Und ich weiß und bin mir sicher - Du würdest das auch machen, leider ist die Entfernung zu groß!
Dies nur als kurzes Vorwort - nun zum eigentlichen Thema, zur Premiere von "La Boheme".
Diese war bereits am 9. März und aus Zeit - und pers. (Forums -) Gründen, komme ich erst jetzt dazu, von dieser Premiere zu berichten und ich sage -
Herzlich willkommen im Klub "Freunde der ital. Oper":
Bis auf wenige freie Plätze in den beiden oberen Logen, war das Haus ausverkauft. Wir hatten prima Plätze in der Mitte der 2. Reihe im 2. Rang mit bester Sicht auf alles.
Die Verfechter und "überzeugten Anhänger von modernem Regietheater" behaupten ja immer, wir, die Traditionalisten für werkgetreue Wiedergabe einer Oper,
wollen immer nur dasselbe sehen, wie einen Film oder eine DVD, und verschließen und sperren uns gegen neue Ideen.
Das ist natürlich völliger Unsinn - wichtig ist selbstverständlich, daß der Grundgedanke, das Konzept erhalten und erkennbar bleibt und es keine Verunstaltung ist!
Und so hat sich auch hier die junge Regisseurin Linda Keprtova (34) eine in manchem neue Gestaltung und Sichtweise einfallen lassen
und doch das Werk in allem erkennbar gelassen.
Zu den ersten Takten öffnet sich der Vorhang und gibt den Blick frei auf einen kargen Raum, ausgestattet mit der Malstaffelei, ein paar Stühlen,
einem Tischchen und einem kleinen eisernen Ofen.
Während Rodolfo und Marcello in ihrem Handlungsablauf agieren, wird im Hintergrund eine "Cafe - Sitzecke" angestrahlt mit Tischen und Stühlen,
an denen acht gut gekleidete Personen unbeweglich und stumm sitzen. Das Ganze ist eingefaßt von einem riesigen Bilderrahmen.
Zugegeben, es stört nicht, aber der Sinn, warum das schon im 1. Bild zu sehen ist, erschließt sich mir nicht ganz.
Ich könnte es mir höchstens so erklären, daß es einen bewußt dargestellten Kontrast zur ansonsten ärmlichen Behausung darstellen soll.
Bühnentechnisch hat es natürlich einen Vorteil, weil im 2. Bild der große Rahmen einfach hochgeklappt wird und daraus das Cafe Momus entsteht
und im Vordergrund nur noch zusätzlich ein paar Tische und Stühle dazu gestellt wurden.
Und so wird auch im 3. Bild im Hintergrund die Zollschänke daraus. Natürlich fehlte auch in diesem Bild der leicht rieselnde Schnee nicht und vermittelte die kalte Atmosphäre.
Die Kostüme aller Beteiligten waren auch der Zeit der Handlung entsprechend.
Nun komme ich aber zum einzigen, aus meiner Sicht, negativen Kritikpunkt:
Im 4. Bild, wie im 1., der karge Raum. Die todkranke Mimi wird hereingeführt und auf der Bühne steht nur ein einziger Stuhl.
Auf diesen wird sie gesetzt und stirbt auch darauf im Sitzen!
Und da meine ich, das geht gar nicht!!! (es erinnert mich an die Inszenierung der Dresdner Semperoper, wo Mimi auf einer Holzkiste dahin scheidet).
Wenn man mal gedanklich mit der ärmlichen Behausung mitgeht, meine und sage ich, auch Rodolfo schläft ja in der Opern - Handlungsrealität nicht auf einem Stuhl,
sondern er hat ganz sicher ein bescheidenes Bett oder eine Liege. Und das gehört n. m. M. auch unbedingt dazu!
Sehr gut war die Regie betr. der Personenführung. Allen Akteuren war wie gewohnt, eine große Spielfreude anzumerken.
Ihre Aktionen, Gefühle und Beziehungen zueinander, waren immer glaubwürdig und nachvollziehbar.
Selbst die Szenen der "kleinen Partien", wie der Hauswirt Benoit beim beabsichtigten Eintreiben der Miete, oder die Szene im Cafe Momus zwischen Musetta
und ihrem Galan Alcindoro, toll gespielt.
Hervorragend und großartig die Darstellung und Aktionen vom Chor im Cafe Momus und dabei besondere Hochachtung für die Leistung der mitwirkenden Kinder,
die ja den Chor verstärkt haben.
Kommen wir zur musikalischen Darbietung:
Unter dem gewohnt hervorragenden Dirigat von Chefdirigent "Martin Doubravsky" wurde die Interpretation zu einem Genuß,
zu einer perfekten Interpretation ohne Fehl und Tadel. Er ist wohl wirklich ein Spezialist für die ital. Oper.
Er hat das notwendige Gefühl und das Gespür für diese Musik, trifft die jeweiligen Tempi, wie auch die unterschiedlichen Lautstärken.
Das Orchester folgt ihm absolut und hatte einen großartigen, berührenden Klang. Wie immer und auch gewohnt - überaus hervorragend der Chor.
Alle Solisten boten, neben hervorragender Darstellung, ebenfalls eine großartige gesangliche Leistung.
Bei den Solisten der Mimi und des Rodolfo störte mich etwas ein gewisses Tremolieren ihrer Stimmen.
Dafür hatten sie eine sichere Höhe auch bei den Schlußtönen mit hohem C bei der Arie "Che gelida manina" und beim Duett "O soave fanciulla".
Den Rodolfo sang ja eich echter Italiener. Da hatte ich natürlich besonders hohe Erwartungen. Mir fehlte bei ihm ein wenig das Italianita, auch ein wenig Geschmeidigkeit,
Wärme und Gefühl. Aber das ist meinerseits "meckern auf sehr hohem Niveau" und hängt auch mit Erinnerungen und Vergleichen früher erlebter Aufführungen zusammen.
Und bestimmt, oder vielleicht, spielt auch die Premieren - Nervosität eine gewisse Rolle.
Unter´m Strich war es eine überaus gelungene Premiere und ein beglückendes Erlebnis. Es gab viel Szenenbeifall und am Schluß war das Publikum "ganz aus dem Häuschen".
Es gab überaus lang anhaltenden Beifall, Jubeln, Trampeln, z. T. stehende Ovationen und Bravo - Rufe.
Mit vielen, vielen Vorhängen wurden alle Beteiligten, zurecht auch die Regisseurin (!!!), gefeiert.
Mir sind zwar keine neuen Erkenntnisse und Belehrungen vermittelt worden, dafür war es aber ein genußvoller, beglückender Theaterabend.
Danke für Eure Aufmerksamkeit und evtl. Interesse.
CHRISSY