"Ach wäre es doch nur in Stereo!"

  • Ich möchte diesen Ausruf von Joseph II. aufgreifen. Er fiel im Zusammenhang mit dem Salzburger Mitschnitt des "Don Giovanni" unter Dimitri Mitropoulos von 1956 - und ich finde ihn höchst interessant. Was wäre also wenn?

    Ich kenne diesen Mitschnitt auch. Doch das letzte, woran ich denke, wenn ich ihn höre, ist das Nichtvorhandensein von Stereo. Dafür halte ich die Leistungen aller beiliegen Seiten - Cesare Siepi, Gottlob Frick, Elisabeth Grümmer, Leopold Simoneau, Lisa Della Casa, Wiener Philharmoniker - für zu überwältigend. Sie wären auch in Stereo nicht besser. Schon mit dem gewaltigen Anfang der Ouvertüre werde ich hineingezogen und komme bis zum Schluss nicht mehr davon los. Was ist also so schlimm an Mono? Die Diskussion ist alt, und sie ist bei auch Tamino immer wieder geführt worden. Für mich ist nach wie vor die künstlerische Leistung am wichtigsten, erst dann kommt das Aufnahmeverfahren. Bin ich da altmodisch? Ist Mono oder Stereo eine Generationsfrage?

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Bin ich da altmodisch? Ist Mono oder Stereo eine Generationsfrage?


    Lieber Rheingold,


    so würde ich es nicht sagen. Auch für mich treten technische Aspekte in den Hintergrund, wenn die musikalische Leistung sehr gut bzw. hervorragend ist. Dass diese Aufnahmen in Stereo womöglich noch fesselnder, da plastischer sein könnten, ist allerdings nicht ganz von der Hand zu weisen.
    Aber was hilft dieses "wenn" ? Also freue ich mich einfach an den großartigen künstlerischen Leistungen einer Ära, die ich ja sowieso nur von CDs her kenne ;)

  • Mono oder stereo ist mir beinahe wurscht, aber es gibt natürlich schon Aufnahmen, bei denen mit klangliche Mängel unterschiedlich stark stören.


    Neulich mal wieder aus der großartigen Marcelle-Meyer-Box, Bach, Scarlatti, Mozart, Rameau, Debussy etc. gehört. Die Klangqualität (40er-50er Jahre) schwankt zwischen für mich sehr gut anhörbarem für das Alter gutem Klang und durch übriggebliebene Nebengeräusche und Verzerrungen bei hohen oder lauten Passagen leider doch störendem Klang. Mich stört aber mehr, dass zB von Bach die 4. und 5. Partita gar nicht eingespielt wurden, als dass die 6. in meinen Ohren leider schlechter klingt als die ersten drei. Das liegt manchmal auch an meiner Tagesform, was mich stört.


    Es gibt auch Stereo-Aufnahmen mit ärgerlichen Schwächen, z.B. das klein, dünn und entfernt klingende Orchester in Fricsays bemerkenswerter Fidelio-Aufnahme. Angeblich eine der ersten Stereo-Produktionen der DG, das Verdi-Requiem in Mono einige Jahre vorher klingt voller und "realistischer"... wobei beim Verdi-Requiem Mono schon eine Einschränkung ist, aber eigentlich bräuchte man beim Dies Irae/Tuba mirum eh Mehrkanal.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Mono oder stereo ist mir beinahe wurscht, aber es gibt natürlich schon Aufnahmen, bei denen mit klangliche Mängel unterschiedlich stark stören.


    Das stimmt allerdings. Gerade bei sehr alten Aufnahmen (20er/30er) wünsche ich mir manchmal, dass der Klang insgesamt akzeptabler wäre (z.B. Götterdämmerung unter Bodanzky 1936) egal ob mono oder stereo.

  • MONO ist schon ein Handicap.
    Allerdings gibt es verschiedene Qualitäten und auch verschiedene Genres.
    Mono bei Liedgesang, bei Orgel oder Klavier Solo, gelegentlich auch bei Streichquartett ist nicht so einengend, wie bei großer Sinfonie oder Oper.
    Allerdings ist das auch wieder sehr unterschiedlich. MONO Aufnahmen von Opernarien um 1950 im Studio gemacht, ziehen meist die Stimmen vor um sie nicht vom Orchester zudecken zu lassen, das wird von den meisten als angenehm empfunden, also die präsente Stimme.
    Dann gibt es die extrem flache Aufnahme. Sie hat keine Räumlichkeit.
    Räumlichkeit in MONO ? Das geht doch gar nicht.
    Doch - in gewissem Rahmen geht das schon. Es fehlt zwar die Rechts-Links Ortbarkeit, aber man kan in die räumliche Tiefe hören.
    Diese wurde zwar oft künstlich geschaffen, aber das war erst bei Stereo wirklich ein Problem, als etliche Tontechniker die neuen Spielregel noch nicht kannten oder sie nicht beachteten.
    Bei der zur Diskussion gestellten Aufnahme kommt noch dazu, daß sie live aufgezeichnet wurde.
    Ein Amateurrezensent hat die Publikumsgeräusche beklagt. Dagegen bin ich RELATIV unempfindlich - aber was mich beispielsweise an der Aufnahme stört - das kann man auch bei den Tonschnippseln erkennen - ist der überaus entfernte Klang.
    Sowas kann ich dann nie mit Genuss hören, allenfalls lasse ich es als "historisches Dokument" gelten...


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Für mich ist nach wie vor die künstlerische Leistung am wichtigsten, erst dann kommt das Aufnahmeverfahren.

    Genauso denke ich auch, lieber Rheingold! Und: Es gibt sehr gute Mono-Aufnahmen und schlechte Stereo-Aufnahmen. Die Aufnahmequalität hat nichts mit Stereo oder Mono zu tun. Natürlich sind gute Stereo-Aufnahmen klanglich eine neue Dimension. Aber ich würde nie eine interpretatorisch mittelmäßige Aufnahme nur deshalb kaufen, weil sie Stereo ist und einer Referenz in Mono vorziehen. Es geht mir letztlich um die Musik und nicht den "Sound", die Aufnahmetechnik als Selbstzweck.


    Schöne Grüße
    Holger

  • So wie ja z.B. auch Teleton bin ich ein strikter Stereo-Verfechter - nicht aus dogmatischen Gründen, sondern weil es mir einfach viel mehr Vergnügen bereitet, Stereo-Aufnahmen zu hören.


    Beim Reinhören in verschiedene Aufnahmen z.B. von Furtwängler habe ich eigentlich immer gedacht:
    1. Ist das gut!
    2. Wenn das in Stereo wäre...!


    Ich glaube, dass ich das "Thema Klassische Musik" - mangels musikalischer Bildung - stärker als andere hier vom akustischen (Klang-) Erlebnis angehe, und da wird Stereo dann eben wichtiger als bei anderen, die sich vom rein künstlerischen, musikalischen Reiz leiten lassen.

    Herzliche Grüße
    Uranus

  • Die beste Aufnahme des VC Nr.1 ist die des Widmungsträgers Oistrach / Mrawinsky (Eurodisc).
    Die Aufnahme von 1956 ist leider von Melodiya noch im MONO aufgezeichnet.
    ZU meiner amaligen LP-zeit hatte ich die Melodiya/Eurodisc-LP, die die MONO-Aufnahme "verstereosierte" ... war gar nihct so schlecht und gab dem Ganzen eine Breitenwirkung bei der die Violine aus der Mitte zu orten war.


    DAs wäre schon Klasse, wenn diese grosse INT in STEREO gewesen wäre.
    Oistrachs spätere Aufnahme haben so ihre Meriten: Entweder es wird ist ein LIVE-Husten vorhanden - bei Roshdestwensky/Swetlanow mit beiden VC (auch gossartige Aufnahmen !); oder die INT ist dermassen flach und klanglich total stumpf, wie bei Oistrach/M.Schostakowitsch (EMI).


    - Ich finde die Aufnahme gerade in einer ALTO-Ausgabe - seber habe ich diese in einer Brillant-Konzerte-CD-Box -

    ALTO, 1956 (1. in Mono), 1974. (2.), ADD

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Der Aufhänger zu diesem interessanten Thread (danke für die Eröffnung!) war ja ein Zitat meinerseits. Nun könnte man meinen, mir sei der Klang am allerwichtigsten. Dem ist nun nicht so. Die künstlerische Qualität geht mir schon vor. Wenn ich an meine Anfangszeiten als Klassikhörer zurückdenke, fällt mir aus heutiger Sicht auf, dass mir die Klangfrage sogar (fast) völlig egal war. Mein erster "Don Giovanni" war jener von Karl Elmendorff aus Dresden 1943. Mich faszinierte damals die Stimme von Mathieu Ahlersmeyer in der Titelrolle ungemein. Neulich hörte ich in die Aufnahme mal wieder hinein. Die Faszination für die großartige Besetzung (daneben Schech, Teschenmacher, Weidlich, Hopf, Pflanzl, Böhme, Frick) hält an. Allerdings stellte ich doch fest, dass ich mir das nicht mehr mit demselben Genuss anhören kann, schon gar nicht komplett. Die klanglichen Einschränkungen sind einfach da, weniger stimmlich als beim Orchester.


    Wie schon erwähnt, gibt es aber auch Stereoaufnahmen, die klanglich nicht zufriedenstellen. Das fängt bei einem sehr dünnen Klang an, geht über eine seltsame Links-Rechts-Lastigkeit an (in der Mitte fehlt etwas) und hört bei der Über- und Unterbetonung diverser Instrumente auf. Gerade in frühen Stereoaufnahmen tritt das auf. Sogar Decca war anfangs nicht so ideal ("Don Giovanni" unter Krips 1955, 1. Akt "Walküre" unter Knappertsbusch 1957). In frühen EMI-Einspielungen gehen zuweilen die Pauken fast völlig unter (so in einigen Klemperer-Aufnahmen).

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Das klangliche Empfinden bei Mono-Aufnahmen ist - bei mir zumindest - auch eine Gewöhnungsfrage. Ich habe zu Beginn eigentlich nur Stereo gekannt. Dann entdeckte ich Wilhelm Furtwängler für mich. Anfangs empfand ich Mono hier noch als enorme Einschränkung. In der Zwischenzeit macht es mir kaum noch etwas aus, da ich gerade bei Furtwängler, aber natürlich auch bei anderen bedeutenden Künstlern der Mono-Zeit, daran gewöhnt bin und andere Aspekte in den Vordergrund treten.

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  • Es ist eine Frage der Zeit- Ich erinnere mich gut an die Zeit der Einführung der Stereophonie
    Zunächst war da Skepsis- Die Leute waren nicht bereit ihre schöne Musiktruhe aufzugeben und gegen eine Stereoanlage zu tauschen. Der Plattenindustrie hingegen wurde es mit der Zeit lästig jeder Aufnahme in einer Mono und einer Stereoversion anzubieten. Irgendwann bekamen dann die Stereoplatten einen Kleber mit der Aufschrift:
    STEREO auch MONO abspielbar.
    Es war dies eine der üblichen skrupellosen gemeinen Halbwahrheiten der Industrie: Die Platten waren in der Tat auch mono abspielbar - allerdings dann nie wieder in Stereo, weil der Mono Stichel eine andere Spitzenverrundung besaß und bei öfterem Abspielen die Stereoinformationen aus der Platter quasi herausfräste. Generell war die Lebensdauer dieser Platten dann reduziert. (Unter "Lebensdauer" ist hier gemeint,: soange die Platte noch einigermaßen anhörbar ist)


    Es gab für die "Musiktruhenliebhaber" dann auch versionen in Stereo, was aber sinnlos war, weil beide Lautsprecher viel zu nahe beinander waren - noch dazu nicht optimal vom Plattenspieler entkoppelt !!!


    Irgendwann (um 1970 ?) war dann endgültig der Durchbruch geschafft: Schallplattenfirmen stopten teilweise sogar im Laufen befindliche Projekte, da sie Boxen Halb momo, halb Stereo für unverkäuflich hielten - und vermutlich hatten sie damals sogar recht.


    Mono war ein "NO GO" und manche Mono Aufnahmen wurden elektronisch sogar pseudo-stereophonisiert ("Duplo Sound" etc) was den Klanghörbar - verschlechterte.


    mfg aus Wien
    Alfred


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich besitze zahlreiche Monoaufnahmen (Furtwängler, Callas, frühe Streichquartettaufnahmen etc.) und höre sie auch gelegentlich. Allerdings mag ich das nur wenn ich über die Lautsprecher höre, beim Hören über Kopfhörer (ca. 50% der Zeit) höre ich ausschließlich Stereoaufnahmen.
    Liebe Grüße
    lutgra

  • Der Aufhänger zu diesem interessanten Thread (danke für die Eröffnung!) war ja ein Zitat meinerseits. Nun könnte man meinen, mir sei der Klang am allerwichtigsten. Dem ist nun nicht so. Die künstlerische Qualität geht mir schon vor.


    Lieber Joseph, aus Deinen vielen Beiträgen iist dem Forum sehr wohl bekannt, dass Dir die künstlerische Qualität immer vorgeht - sonst würdest Du Dich ja nicht so stark für Knappertsbusch ins Zeug legen - für einem Dirigent, bei dessen Wertschätzung wir völlig übereinstimmen. Mir hatte nur Dein Ausruf, der diesem Thread den Namen gibt, so gut gefallen, weil er so griffig ist und das auf den Punkt bringt, wohin ich hinaus wollte. :)

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Gibt es eigentlich einen Thread, in dem klanglich herausragende Mono-Aufnahmen vorgestellt werden - nach den Beiträgen hier soll es solche ja durchaus geben? Wenn ich mit dem Stichwort "Mono" suche, habe ich zwar zahlreiche Treffer, einen solchen Thread finde ich aber nicht. Ggf. würde ich sonst gerne einen solchen eröffnen.

    Herzliche Grüße
    Uranus

  • Wer fürchtet sich vor Mono
    Edles Mono - Referenzen


    Es gibt vermutlich noch ein oder zwei mehr, aber die finde ich auf die Schnelle nicht.


    Du hast in einem davon sogar schonmal nach Furtwängler-Aufnahmen gefragt. Es hat aber keiner geantwortet.
    M.E. klingen die meisten Studio-Aufnahmen Furtwänglers ab den späten 1940ern sehr ordentlich. Also z.B. Haydn #88, Schumann #4, Schubert 9, Beethovens 5. KK mit Fischer. Bruckner kenne ich nicht. Von den Brahms-SInfonien gibt es auch ordentlich klingenden Aufnahmen. Allerdings habe ich aufgrund der Vielzahl von Ausgaben keinen rechten Überblick.


    Viele andere häufige Empfehlungen sind schon in den anderen Threads: Callas/De Sabata Tosca, Boheme mit Beecham, Kleiber Rosenkavalier.

    Struck by the sounds before the sun,
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    (Bob Dylan)

  • Eine wirklich ausgezeichnete Mono-Aufnahme, die klangtechnisch nichts zu wünschen übrig lässt, ist z.B. diese hier - aus dem Südwestfunk von 1956 (1. Konzert):



    Schöne Grüße
    Holger

  • Eine wirklich ausgezeichnete Mono-Aufnahme, die klangtechnisch nichts zu wünschen übrig lässt, ist z.B. diese hier - aus dem Südwestfunk von 1956 (1. Konzert):

    Schöne Grüße
    Holger


    Hallo lieber Dottore ......bitte üben!!! Das Cover erschlägt einen ja! :D
    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)