Rundum ausgezeichnet: Eugen Onegin (Tschaikowsky), Hamburgische Staatsoper, 14.02.2018

  • Spontan beschlossen wir uns noch heute Nachmittag, in die altbekannte (79. Vorstellung seit der Premiere im Jahre 1979; Bühnenbild: Karl-Ernst Herrmann, Inszenierung „nach“ Adolf Dresen) Eugen Onegin-Aufführung der Hamburgischen Staatsoper zu gehen (die deutsche Erstaufführung dieser Oper fand übrigens 1892 in diesem Hause im Beisen des Komponisten unter der Leitung von Gustav Mahler statt). Es war eine rundum, das Bühnenbild, die Inszenierung und die musikalische Leistung (Christoph Gedschold) einbeziehende, herausragende Leistung. Julia Maria Dan, die mich bisher nicht so überzeugt hatte, wuchs über sich hinaus und sang mit ihrem mezzohaft-dunklen Sopran überzeugend eine zunächst noch jungmädchenhafte Tatjana und erreichte in der Schlussszene mit Onegin geradezu dramatisches Tosca-Format. Ihr ebenbürtig sang und spielte Kartal Karagedik die Titelrolle, wenngleich die Sympathien des Publikums nicht unbedingt auf seiner Seite waren. Das gehört aber wohl zu der Rolle dazu. Lyrisch-weich mit dramatischen Ausbrüchen gestaltete Dovlet Nurgeldiyev den verträumten Lenski, in der großen melancholischen Arie im 5. Bild nahm er seine Stimme deutlich zurück und besang ganz verinnerlicht seinen Abschied von Olga und vom Leben (Zwischenruf von hinter uns: „Was für eine schöne Stimme“). Der kurze Auftritt von Alexander Tsymbalyuk als Gremin im 6. Bild war gesanglich überwältigend; schade, dass dieser lange in Hamburg engagierte Bass hier nur noch so selten auftritt. Herausragend waren auch die weiteren Frauenpartien mit Oksana Volkova (Tatjanas Schwester Olga), Katja Pieweck (Gutsbesitzerswitwe und Mutter Tatjanas und Olgas) und Marta Swiderska (die Amme Filipjewna) besetzt. Selbst der als Jaquino im Fidelio mit breit gequetschter Stimme unschön aufgefallene Thomas Ebenstein brachte sein Ständchen als Geburtstagsbesucher Triquet gut zu Gehör. Zu loben bleibt noch der zum Operstudio gehörende Bass Denis Velev, der mit tiefschwarzer Stimme den Sekundanten Saretzki sang.


    Wie klug ist diese Inszenierung durchdacht und wie schön immer noch das Bühnenbild: Erstes Bild: Große, die Bühnenbreite füllende Veranda des Larin‘schen Landhauses mit Blick auf den Garten. Zweites Bild: Zimmer Tatjanas mit hohen, von weißen Gardinen behangenen Fenstern. Drittes Bild: Baum-bestandenen Garten. Viertes Bild: großer, überkuppelter Vorraum im Larin‘schen Landhaus, im Hintergrund eine Tür, die beim Öffnen für die Gäste den Blick auf den Regen frei gibt. Fünftes Bild: Flache, nur von einem blauen Hintergrundprospekt begrenzte, eingenebelte Landschaft. Sechstes Bild: Klassizistisches Ballzimmer, mit offenen Türen zu dahinter liegenden Räumen des Stadtsitzes des Fürsten Gremin. Siebentes Bild: wie sechstes Bild, nur mit heruntergenommenen, am Boden liegenden Kronleuchtern in dem hinteren großen Raum. Das Publikum war sichtlich beglückt von der klassischen Aufführung, man hörte nur Gutes beim Herausgehen. Jubel für Julia Maria Dan, Dovlet Nurgeldiyev und Alexander Tsymbalyuk. Die Aufführung wird noch zweimal gegeben, und zwar am 18. sowie am 22. Februar. Ein Besuch lohnt sich auf jeden Fall, auch von weiter her. Hatte nicht jemand der Mitdiskutierenden einen Besuch dieser Aufführung ins Auge gefasst?

    Oper lebt von den Stimmen, Stimmenbeurteilung bleibt subjektiv

  • Wäre Hamburg nicht so weit weg, wäre diese Inszenierung nicht nur ein Wunsch von mir, sondern im Pflichtprogramm. Leider. Ihr Hamburger seit zu beneiden. Da habt ihr die wunderschöne Elbphilharmonie, die von vielen immer noch geliebte Laeisz-Halle und nun auch noch sehenswerte Operninszenierungen!! Abgesehen davon mag ich auch Musicals. Und weitere interessante Sehenswürdigkeiten auf vielen Gebieten!


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Auch ich bedaure, dass ich es mir nicht leisten kann, wegen werkgerechter Aufführungen in aller Welt herumzureisen. Auch Hamburg wäre für mich mit einer längeren Eisenbahnfahrt und mindestens einer einer Übernachtung verbunden. In Hamburg scheint es - nach etlichen Ausfällen in den letzten Jahren ja wieder ein wenig bergauf zu gehen. Ich freue mich aber für dich, lieber Ralf, dass wenigstens du die Gelegenheit hast, auch mal eine vernünftige Aufführung zu sehen.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)