Mascagni: Iris – ein vergessenes Juwel

  • Zur Handlung von Pietro Mascagnis "Iris" verweise ich auf den exzellenten Beitrag von Gerhard Wischniewski im Opernführer.


    Die Oper wurde am 22. November 1898 am Teatro Costanzi in Rom uraufgeführt. Interessant ist, dass der Librettist Luigi Illica sechs Jahre später auch das Libretto zu Puccinis "Madama Butterfly" schrieb.


    Leider konnte sich das Werk trotz unbestreitbarer Qualitäten nicht dauerhaft im Standardrepertoire durchsetzen. Mit seinem japanischen Handlungsort war Mascagni eigentlich "auf dem richtigen Dampfer", denn "Madama Butterfly" wurde wenig später ein weltweiter Hit.


    Kurioserweise sah Pietro Mascagni den Verismo nicht als seine wahre Leidenschaft an. Der Erfolg von "Cavalleria rusticana" verbitterte ihn sogar zunehmend und er meinte im Alter: "Sie krönten mich, bevor ich König war." Tatsächlich verstellte dieses Frühwerk den Blick auf seine späteren Opern.


    Ein großes Interesse an Japans Geschichte, Kunst und Kultur überflutete Europa im späten 19. Jahrhundert geradezu. Das Land in Fernost hatte sich erst 1853 (zwangsweise) wieder geöffnet. Dem vorausgegangen war eine seit 1639 endgültig bestehende totale Abschottung gegenüber der Außenwelt (jap. Sakoku, wörtlich: "Landesabschließung"), die sich seit dem frühen 17. Jahrhundert angekündigt hatte. Die Musik sprang (wie üblich) etwas später als die übrigen Künste auf diesen Zug auf. Erste Versuche gab es seit den 1870er Jahren. "La Princesse jaune" (1872) von Saint-Saens und "The Mikado" (1885) von Gilbert und Sullivan eröffneten die Reihe.


    Auch Italien wurde vom Japan-Fieber erfasst. Illica entschloss sich 1894 für ein Libretto mit japanischem Sujet. 1896 konnte er Mascagni dafür gewinnen, der dann nahezu zweieinhalb Jahre an seiner Oper schrieb, die schließlich im Oktober 1898 vollendet war.


    Die Uraufführung war ein voller Erfolg und bald schon spielte man das Werk auch an der Scala in Mailand und an der Met in New York. Lawrence Gilman, ein seinerzeit berühmter Kritiker, schrieb gar: "Dieses Werk ist dazu angetan (obwohl es ihm höchst wahrscheinlich nicht gelingen wird), Mascagni unsterblich zu machen."


    Der Hauptgrund, wieso sich "Iris" nicht im Standardrepertoire durchsetzen konnte, war wohl Puccinis "Madama Butterfly". Puccini selbst lobte zwar die "blendende und farbige Instrumentation", fand aber die Handlung von "Iris" langweilig.


    Interessant sind neben der reichhaltigen Orchestrierung (mit Gongs, Celesta, Glockenspiel, Schellen und Röhrenglocken) gerade die rein instrumentalen Stellen. So hat der Anfang des 1. Aktes Züge einer Tondichtung (Übergang Nacht zum Sonnenaufgang). Ausgedehnt symphonisch ist dann nochmal die Einleitung zum 3. Akt.


    Aufnahmen gibt es bis zum heutigen Tage wenige. Referenzcharakter hat noch immer die Stereoeinspielung von Giuseppe Patanè mit dem Münchner Rundfunkorchester und illustrer Besetzung: Plácido Domingo als Osaka, Ilona Tokody als Iris und Juan Pons als Kyoto (CBS, 1988). Daneben findet man nur stark angejahrte Monoproduktionen.


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Hallo Joseph II,
    dies beiden Aufnahmen wurden leider unterschlagen ... ;)


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    Die Aufnahme mit Cura und Dessi ist von 1996 und die Besetzung ist ganz hervorragend, sehr zu empfehlen!


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Danke für die Ergänzungen, lieber Fiesco!


    Manfred warnte andernorts allerdings eher vor besagter Aufnahme:


    Die Livemontage von 1996 (Rom, Dirigent: Gianluigi Gelmetti) kenne ich zwar, werde ich aber nicht empfehlen. Nicolai Ghiaurov kämpft mit den Resten seiner Stimme, José Cura brüllt sich durch die Oper, Daniela Dessi bleibt blass ...

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Lieber Joseph


    du hast vollkommen recht, die Oper enthält soviele schöne Gesänge und auch rein instrumentale Teile, das sie es wirklich wert wäre, wieder einmal aufgegriffen zu werden. Mit Mascagni verbinden die meisten nur Cavalleria rusticana, selbst L'amico Fritz wird nur selten noch aufgeführt. Die von dir vorgestellte CD aus 1989 mit Ilona Tokody als Iris und Placido Domingo als Osaka habe ich schon seit einigen Jahren. Auf you tube gibt es auch mehrere Gesamtaufnahmen der Musik, aber -soviel ich weiß - nur eine Inszenierung, die ich mir aber noch nicht vollständig angesehen habe. Das werde ich aber, nachdem du die Oper hier neu angesprochen hast, in den nächsten Tagen einmal tun. . Leider sind auch fast alle anderen Opern von Mascagni, von denen Musikwanderer, Michael M. und ich noch einige beschrieben haben, aus welchen Grunde auch immer, weitgehend vergessen.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Danke für die Ergänzungen, lieber Fiesco!
    Manfred warnte andernorts allerdings eher vor besagter Aufnahme:


    Hallo Joseph II, das ist leider für meine Begriffe ein Klischee das Cura brüllt, später zum Teil ja, ich habe ihn öfters Live gesehen und war auch meistens begeistert! Aber, der eine so der andere hört es anders, mir gefällt sie!


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

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  • In Nagasaki kann man in einem Museum die Perlenkrone sehen, die Iris bei der japanischen Uraufführung von Mascagnis Oper getragen hat.
    Ich habe davon ein Bild gemacht und auch die Tafel fotografiert, die die Erklärungen dazu gibt!
    Leider weiss ich nicht wie ich eine JPG-Bilddatei von meinem Rechner in den Thread einstellen kann. Schade! Könnte mir das Jemand erklären?
    Die Krone macht echt Eindruck!


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Mir war es vergönnt, Iris im Mai 2007 in Chemnitz zu erleben.


    Die Musik ist tatsächlich total zu Unrecht fast vergessen, sie verbreitet teilweise denselben Glanz wie die im ähnlichen Milieu angesiedelte Butterfly. Schon der Eingangschor, der ein gewaltiges, den Sonnenaufgang ankündigendes Crescendo enthält, läßt ahnen, was diese Oper zu bieten hat. Anbei ein sehr hörenswertes Beispiel einer Aufführung der Oper Rom aus 2008, mit Introduction und Chor.



    Die Inszenierung von Jakob Peters-Merx mit den Kostümen von Markus Meyer machte keinerlei Experimente, sie folgte den Vorgaben des Komponisten und zauberte fernöstliches Flair auf die Bühne. Ein unvergeßliches Erlebnis. Hier noch die musikalischen Hauptakteure:


    Robert-Schumann Philharmonie unter Niksa Bareza (es war seine letzte Oper in Chemnitz, ihm folgte Frank Beermann)
    Iris - Swetlana Katchour ganz bravourös
    Osaka - Francesco Anile mit glänzendem Tenor
    Kyoto - Hannu Niemelä
    Vater - Kouta Räsänen.


    Schön, daß Joseph II an diese leider vernachlässigte Oper erinnert hat. Es ist auch für mich eine Erinnerung, eine schöne Erinnerung.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Leider weiss ich nicht wie ich eine JPG-Bilddatei von meinem Rechner in den Thread einstellen kann. Schade! Könnte mir das Jemand erklären?


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  • Liebe Taminos,


    nachdem ich das erste mal Mascagnis Cavalleria gehört hatte, brach bei mir ein wahres Mascagni-Fieber aus, das darin mündete, dass ich von allen seiner Opern Aufnahmen im Regal stehen habe. Doch die Ernüchterung war groß - wirklich hörenswert empfand ich nur Isabeau, L'amico fritz, Nerone (!) und am meisten Mascagnis Iris, die es jedoch alle verdient hätten, aufgeführt zu werden. Live habe ich bisher jedoch nur Isabeau und die Cavalleria erlebt...Iris wäre wirklich verlockend. Von der Oper habe ich sowohl die Aufnahme von Magda Olivero als auch die mit Domingo, wobei ich der letzteren den Vorzug geben würde. Für eine genauere Begründung, müsste ich aber beide nochmal probehören.
    Die Oper - die von einigen Musikfreunden höher als die Butterfly gewertet wird, so auch ich - besticht vor allem durch ihren grandiosen Eingangs- und Schlusschor Inno al sole. Diese grandiose Klimax, die Mascagni hier aufbaut, gehört zu den schwierigsten Chorstellen im Opernbereich überhaupt, habe ich mir sagen lassen. Insgesamt besticht die Oper natürlich durch ihre farbenprächtige Instrumentierung und schönen melodischen Einfallen. Zu den Highlights gehören die Tenor Arie Apri la tua finestra und Iris Arie Un dì ero piccina. Das Intermezzo ist nicht weniger hörenswert und besticht durch ihr asiatisches Kolorit, kann aber mit den Intermezzi seiner anderen Opern nicht ganz mithalten. Insgesamt ist es ein hochdramatisch mitreißende Musik, die wirklich eine breitere Zuhörerschaft verdient!


    LG
    Christian

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    Lieber Maurice,
    ich werde das versuchen, wenn es wirklich ohne Anmeldung und ganz unkompliziert ist!!


    Auf jeden Fall: hab herzlichsten Dank für Deinen Rat und die Mühe!


    Mit besten Grüßen


    Caruso41

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  • Doch die Ernüchterung war groß - wirklich hörenswert empfand ich nur Isabeau, L'amico fritz, Nerone (!) und am meisten Mascagnis Iris, die es jedoch alle verdient hätten, aufgeführt zu werden


    Nachdem ich in der letzten Zeit ein wenig in einige seiner Opern gehört habe, möchte ich insofern zustimmen, als dass "Iris" ein Niveau besitzt, das Mascagni nicht durchgängig aufzuweisen hat. "Amica" und "Guglielmo Ratcliff" beispielsweise wirken auf mich recht uninspiriert. "Isabeau" hat eine andere Klasse, was man schon am Beginn der Oper merkt. Vielleicht lagen diesem Komponisten gerade die monumentaleren Stoffe, wie ja auch "Nerone" zu belegen scheint.


    Was hältst Du denn von "Cavalleria rusticana"? Das ist ja die einzige Mascagni-Oper, die sich bis heute gehalten hat.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Lieber Joseph II.,


    verzeih die späte Antwort, aber ich schaffe es nur noch sehr selten im Forum zu schreiben. Bzgl. deiner Aussage, dass "Iris" ein Niveau besitzt, das Mascagni nicht durchgängig aufzuweisen hat. (Zitat Ende), habe ich mal gelesen, dass es wohl daran läge, dass Mascagni seinen ersten Gedanken immer als seinen Besten angesehen hätte und somit sehr unkritisch mit seinen Werken gewesen sei. Leider weiß ich gerade nicht mehr, wo ich es gefunden habe.
    Die Qualität schwankt tatsächlich sehr, Parisina und Piccolo Marat empfand ich als ziemlich einfallslos. Den Ratcliff finde ich jedoch interessanter, da Mascagni hier total auf Wagners-Spuren wandelt, Amica ließ mich auch ziemlich kalt.
    Die Rusticana ist natürlich ein Geniewurf. Dieser vehement dramatische Ausdruck der Musik, diese Leidenschaften und letztendlich auch wirklich hervorragende Melodien - das ist schon wirklich toll, und qualitativ sicher höher als der Bajazzo anzusetzen. Im Grunde hat sich Mascagni jedoch von seinem Erstling wegentwickelt und auch an Qualität gewonnen, was besonders in der Isabeau und Iris zu hören ist, die auch von der Instrumentation ausgereifter erscheint und nicht mehr so plakativ wirken möchte. Jedoch hat sein Publikum dies nicht erwartet...das wurde ihm wohl auch ein wenig zum Verhängnis.


    LG
    Christian

  • Nachdem ich mir die Oper gestern noch einmal komplett angehört habe, noch einige Worte zur Studioeinspielung von Giuseppe Patanè von 1988:


    Ich glaube, hier wurde tatsächlich eine Referenz geschaffen, an der man sich noch heute messen muss. Etwas Besseres kam auch 30 Jahre später nicht nach. Überhaupt gibt es aus neuerer Zeit sowieso nur mehr Live-Aufnahmen, so dass sich diese Studioproduktion schon deswegen abhebt. Das fängt beim großartigen Dirigat des leider kurz nach der Einspielung viel zu früh verstorbenen neapolitanischen Maestro an. Wie schon in seiner grandiosen Einspielung von Bellinis "I Capuleti e i Montecchi" (EMI) stellt Patanè hier einmal mehr sein Können unter Beweis. Die in "Iris" nicht seltenen rein orchestralen Passagen geraten zu kleinen Tondichtungen. Das Münchner Rundfunkorchester spielt hier blendend auf (kein Wunder, dass sie Patanè zum Chefdirigenten machten). Ilona Tokody in der Titelrolle klingt zwar etwas reif, doch macht sie dies durch Expressivität wieder wett. Plácido Domingo ist als Osaka eine Luxusbesetzung und fast zu nobel für einen solchen Schurken. Trotzdem geht Domingo in seiner Rolle voll auf und adelt diese Produktion durch sein Mitwirken. Ausgezeichnet Juan Pons als der andere Übeltäter Kyoto. Dasselbe gilt für Bonaldo Giaiotti als blindem Vater. Ein toller Chor rundet das Bild noch ab. Eine Neuauflage dieser Einspielung wäre wirklich längst überfällig.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões