Ludwig van Beethoven - Seine Freunde und sein Umkreis

  • Dieser Thread ist gewissermaßen ein Bruder des Threads


    Franz Schubert - seine Freunde und sein Umkreis


    an dem das Interesse nun allmählich nachgelassen hat, der aber 50 Beiträge (auch wenn die meisten von mir erstellt wurden) und über 3600 Seitenaufrufe erzielt hat. Das sit natürlich nur ein momentaner Zwischenstand, denn vermutlich im herbst wird dieser Thread fortgeführt.


    Heute geht es um die Bekanntschaften von Ludwig van Beethoven, über die - so glaube ich wenigstens - einer breiteren Öffentlichkeit (und ich meine hier die "Klassikhörer Szene) nicht allzu bekannt sein dürften. Ich werde also versuchen, einige Zeitgenossen, die mit ihm in Kontakt waren, freundschaftlich, feindschaftlich, wohlwollend oder mißgünstig in den Focus dieses Threads zu stellen und lade am Thema Interessierte ein, das Gleiche zu tun....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich weiß nicht, ob das nur ein subjektiver Eindruck ist, aber die meisten Informationen in Bezug auf seinen Bekanntenkreis gibt es gibt es über Wolfgang Amadeus Mozart - wenn wir und mit Komponisten der Wiener Klassik befassen.
    Auch über Beethoven gibt es viele Informationen, aber ähnlich wie bei Schubert - handelt es sich nur um ein relativ grobes Bild, oft von Vorurteilen gezeichnet und mit Anekdoten angereichert. Bei Mozart waren es Nemetschek, Pahlen, Braunbehrends und Hildesheimer, die Hildesheimer die wichtige Faskten und Deteils über seine Familiem seine Bekanntschaften, Kollegen, Konkurrenten und Förderer sammelten und dan - oft sehr subjektiv gefärbt - überlieferten. Bei Schubert was es Otto Erich Deutsch (1883–1967), der nicht nur das bekannte Verzeichnis, sonderen auch mehrere Bücher über das Leben von Schubert herausgab, wobei er sich dankenswerterweise sehr an zusammengetragene Berichte von Zeitzeugen aus dem Umkreis von Schubert hielt.
    Sicher gibt es auch über Beethoven zahlreiche Literatur - aber ein Standardwerk, eine Beethoven-Bibel gewissernaßen, ist mir persönlich zumindest nicht bekannt. Es gibt zahlreiche Statemnts und Fakten über Beethoven, aber ich glaube, seine Personen, mit denen er täglichen Umgang pflegte sind weitgehend unbekannt. Es gibt immer wieder Namen, wie Czerny, Ries, Schindler etc, aber wie die Beziehungen zueinander waren, das dürfte nicht wirklich allzi bekannt sein. Beethoven und Kuhlau, Beethoven und Haydn, Beethoven und Goethe etc etc- Wie standen sie zueinander ? Wie beurteiten sie Beethoven, wie beurteilte er sie ?
    Die Grundlagen für einen solchen Thread sind denkbar günstig, denn Beethoven ist der einzige Komponist, wo ausnehmend viele Gespräch in authentischer Fassung aufgezeichnet wurden, und zwar - durch Beethovens Ertaubung bedingt - in den "Konversationsheften" Beethovens, wo dieser den jeweiligen Gesprächsparner bat, seine Äussereungen und Fragen einzutragen, die dann er, Beethoven - ebenfalls schriftlich beantwortete.
    Ein weitere gute Quelle sind zahlreiche Booklets von Klassik CDs, wo immer wieder kurze Episoden und Erlebnisse mit Zeitgenossen festgehalten sind.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Eine der interessantesten Begegnungen im Leben Beethovens war sicherlich jene mit dem Dichterfürsten Johann Wolfgang von Goethe im Sommer des Jahres 1812 in Teplitz, 90 km nordwestlich von Prag. Der Tondichter traf den Dichter. Allein daran merkt man schon den allmählichen Wandel im Ansehen eines Komponisten, zuvor bloßer "Tonsetzer".


    Beethoven hat das Treffen gesucht. Goethe war nicht abgeneigt. Als der Ältere und als lebende Legende wäre es aber abwegig gewesen, es hätte sich umgekehrt verhalten. Prof. Dr. Martin Geck hat in seinem informativen Artikel bei der "Zeit" recht, wenn er von einer "Begegnung zweier Generation, zweier Jahrhunderte" spricht.


    Schon zuvor hatte sich Beethoven bekanntlich mit Goethe beschäftigt. Die Schauspielmusik zu "Egmont" gibt Zeugnis davon.


    Die beiden trennt indes einiges. Während Goethe sich die Anrede "Excellenz" hart erarbeiten musste, hat sich Beethoven als "Napoleon der Musik" (Geck) die Gleichrangigkeit mit der Elite selbst zuerkannt.


    Nichts verdeutlicht die Unterschiede zwischen Goethe als Mann des Ancien Régime und Beethoven als Revoluzzer besser als folgende berühmte Begebenheit in Teplitz:


    Bei einem gemeinsamen Spaziergang kam ihnen der kaiserliche Hofstaat entgegen. Beethoven meinte gänzlich unbeeindruckt zu Goethe: "Bleibt nur in meinem Arm hängen, sie müssen uns Platz machen, wir nicht!" Goethe aber trat beiseite und zog untertänig seinen Hut. Das animierte Beethoven zu Tadel: "Auf Euch hab' ich gewartet, weil ich Euch ehre und achte, wie Ihr es verdient, aber jenen habt Ihr zu viel Ehre angetan!"


    Bettine von Arnim zitiert folgendes Zeugnis, das ihr Beethoven angeblich selbst anvertraut habe: "Als wir gestern vom Spaziergang zurückkehrten, trafen wir die ganze kaiserliche Familie. Goethe ließ meinen Arm los und stellte sich an die Seite des Weges. Ich konnte ihn keinen Schritt weiter bewegen. So schob ich mir den Hut in die Stirn, schloss meinen Gehrock, verschränkte die Arme hinter dem Rücken und ging mitten durch die Gesellschaft hindurch. Prinzen und Höflinge bildeten Spalier, Herzog Rudolf verbeugte sich vor mir und die Kaiserin grüßte als Erste [...]"



    Carl Röhling, Beethoven und Goethe in Teplitz (1887)


    Quelle: http://www.zeit.de/2012/28/Beethoven-Goethe

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Die Beethoven-"Bibel" ist vermutlich am ehesten die Biographie von Alexander Wheelock Thayer (1. Aufl. 1866). Die ist zwar noch ziemlich nahe dran, aber eben nicht besonders wissenschaftlich-kritisch.
    Die "neueren" mir bekannten Beethovenbücher fokussieren sich mehr auf die Musik, z.B.: Paul Bekker (1911), Walter Riezler (1936/1951), Lewis Lockwood (2003). Bei der neuesten Schwarte (Jan Caeyers 2012) bin ich noch nicht so weit.


    http://www.zeno.org/Musik/M/Th…dwig+van+Beethovens+Leben

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Bezogen auf den Vorfall in Teplitz:
    Beethovens Bericht wirkt hier durchaus glaubwürdig, und zwar aus zwei Gründen. Es war eher der Adel als die Könige und Kaiser, die die Standesunterschiede betonten. Die oberste Schicht war im allgemeinen nicht dünkelhaft, sie war nicht mehr zu toppen - und sie erkannte Genies in der Regel als ebenbürtig an. Ausserdem schätztn sie es - ausnahmsweise mal mit Leuten zu tun zu haben, die nicht buckelten, dienerten und heuchelten. Da gibt es in der Geschichte viele Beispiele, wie zum Beispiel Katharina die Große, die in lebhaftem Briefwechsel mit Voltaire stand, oder aber die Begebenheit, wo Karl V während einer Portraisitunge sich nach einem Pinsel bückte und ihn Tizian reichte, der diesem heruntergefallen war.


    Beethoven war ausserst selbstbewusst und in gewissem Sinne sogar anmaßend


    Er war unangepasst und brach zahlreiche Tabus - ob alles Überlieferte wahr ist, das weiss ich nicht.
    Beethoven wurde vom Adel geradezu mit Geschenken überhäuft (dazu später mehr - von mir oder anderen Teilnehmern)
    aber es war nicht unbedingt dankbar und ging auch nicht "ehrbietig" mit ihnen um


    Einst bekam er von einem Fürsten einen prunkvollen Ring mit auffallenden
    Beethoven wollte ihn sofort versetzen oder verkaufen. Dabei stellte sich heraus, daß der Stein unecht war, der Ring war wertlos.
    Beethoven beschwerte sich - und erhielt zur Antwort: "Das Geschenk eine Fürsten verkauft man nicht !!"*



    mfg aus Wien
    Alfred


    *) ich kann mich nicht für den Wahrheitsgehalt der Geschichte verbürgen,
    wenn sie nicht wahr ist, so ist sie wenigstens gut erfunden

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Es ist nicht einfach sich ein konkretes Bild über Beethovens Freundschaften zu machen und würde eine relativ umfangreiche Beschäftigung mit dieser Thematik benötigen die über einen herkömmlichen Forenbeitrag weit hinausgeht. Zum einen stellt sich die Frage wie intensiv die jeweilige Freundschaft tatsächlich war. So könnte etwa ein reger Kontakt zu einer Person zwar bestanden haben, dieser aber vordergründig dadurch zustande gekommen sein, indem sich Beethoven gewisse pragmatische Vorteile davon versprochen hatte, was sich wiederum natürlich auch nicht bei der Kontaktperson ausschließen lässt. Doch es muss auch nicht zwangsläufig immer so sein, dass hier bei jedem Verleger, Grafen oder Fürsten ein rein wirtschaftliches Kalkül dahinter stand. Somit ist die Häufigkeit der Begegnungen oder Anzahl der Briefe kein sicheres Indiz dafür wie freundschaftlich Beethoven mit dieser Person tatsächlich verbunden war. Ein anderes Merkmal wäre die Dauer des persönlichen oder schriftlichen Kontaktes. Manche hielten einen überwiegenden Teil seines Lebens, während andere nur von relativ kurzer Dauer waren (auch hier die Problematik inwieweit nur flüchtige Bekanntschaft oder schon freundschaftliche Verbundenheit für kurze Dauer). Es würde sich hier somit bzgl. einer groben Übersicht eine vertikale und horizontale Sichtweise anbieten, auf der horizontalen Achse die Zeitspanne, auf der vertikalen die Intensität des Kontaktes. Ich werde mich hiermit aber mit einer groben zeitlichen Zuordnung bestimmter Personen begnügen, da eine halbwegs seriöse grafische Darstellung schon eine weitaus umfangreichere Recherche benötigen würde. Ich möchte die Kontakte in 3 grobe Kategorien zusammenfassen: Die Bonner Freunde, mit denen in Wien (meines Wissens) kein Kontakt mehr bestand, die Wiener Freunde, mit welchen Beethoven noch keinen Kontakt in Bonn hatte, sowie alle Freundschaften welche schon in Bonn bestanden, aber auch in seiner Wiener Zeit noch gepflegt wurden.


    Die Auflistung soll im Grunde genommen platonische Freundschaften enthalten, aber es ist natürlich schwer hier bei Beethovens umworbener aristokratischer Damenwelt immer so genau zu unterscheiden, sowieso bei der historischen Distanz und den der Nachwelt verborgen gebliebenen Details. Außerdem können sich auch Zustände ändern und Grenzen sind hier bekanntlich auch fließend. Ich erhebe aber auf keinen Fall den Anspruch auf Vollständigkeit, sondern dies soll nur eine grobe und mangels der schon benannten Nachteile auch eine teils subjektive Darstellung bieten.


    Eine wichtige Zuordnung bieten natürlich die Briefe auf die ich mich hauptsächlich stütze, eine vorwiegende Freundschaft von Angesicht zu Angesicht ist, insofern nicht andere Quellen dies nahe legen, nachträglich nicht belegbar und wäre nur rein spekulativ. Eine sehr interessante Quelle ist darüber hinaus auch die Erinnerung von Gerhard von Breuning „Aus dem Schwarzspanierhause. Erinnerungen an L. van Beethoven aus meiner Jugendzeit.“ Mit den Breunings kam Beethoven schon in Bonn im Jahr 1784 in Kontakt, indem er als Klavierlehrer für die Kinder seines langjährigen Freundes Stephan von Breuning, Eleonore und Lorenz, tätig war. Da die Breunings 1801 nach Wien zogen, bestand noch bis zu Beethovens Tod ein freundschaftlicher Kontakt. Der 1813 in Wien geborene Gerhard von Breuning, hatte in den letzten Lebensjahren Beethovens wertvolle Erinnerungen gesammelt, welche er niederschrieb. Sein Vater konnte nicht mehr seine mit Schindler und Wegeler geplante Biographie schreiben, denn er starb nur wenige Monate nach Beethoven (nach den Erinnerungen seines Sohnes war hier angeblich der Tod Beethovens zum. nicht ganz unbeteiligt daran). Das ist auch für die Nachwelt sehr bedauerlich, da dadurch gleichzeitig die Erinnerungen verloren gingen, welche Stephan von Breuning noch auf Papier festhalten wollte.


    Teil 1


    BONNER FREUNDE


    Je nachdem wie man Freundschaft definiert, können die hier drei genannten u.U. kritisch gesehen werden. Zumindest riss bei den tiefergehenden Freundschaften aus der Bonner Zeit auch darüber hinaus nicht der Kontakt ab.


    Gottfried Fischer (1780 – 1864)


    Fischer war ein Bonner Bäckermeister welcher in seiner Kindheit einige Zeit mit dem musikalischen Talent verbrachte, da die Beethovens Untermieter bei den Fischers waren. Wobei ich persönlich eine wahre Freundschaft zu Gottfried bei diesem Altersunterschied eher anzweifle (Beethoven wird sich in seiner Pubertät wohl weniger permanent mit Kleinkindern abgegeben haben) Als Beethoven nach seinem Tod zunehmend populärer wurde, hatte Fischer die Idee diese ehemalige Verbindung auszunutzen und gemeinsam mit seiner älteren Schwester Cäcilia Erinnerungen herauszubringen, das heute sog. „Fischersches Manuskript“. Darin werden recht banale Erlebnisse geschildert, wie etwa Beethoven als Eierdieb der auf frischer Tat ertappt entgegnet „Mein Bruder Casper hat mir mein Taschentuch da reingeworfen, das will ich wieder rausholen!“ Wie glaubwürdig diese Schilderungen sind ist natürlich wieder eine andere Frage. Untermauert wird diese Glaubwürdigkeit jedenfalls nicht gerade, indem die in den 1850er Jahren verfasste Reinschrift teils stark von der Ursprungsfassung aus den 1830er Jahren abweicht.


    Christian Gottlob Neefe (1748 – 1798)


    Er war der erste bedeutende Kompositionslehrer Beethovens und gab zudem Unterricht im Cembalo-, Orgel- und Generalbassspiel. Es ist natürlich bis zu einem gewissen Grad spekulativ, inwieweit darüber hinaus eine Freundschaft zu dem deutlich älteren Neefe bestand. Vielleicht war er ja für Beethoven zum. anfänglich der väterliche Freund den er in seinem leiblichen Vater weniger fand. Caeyers schreibt in „Beethoven – Der einsame Revolutionär“: „Sein Verdienst ist es, Beethovens intellektuellen und musikalisch-kulturellen Horizont erweitert und die Grundlage zu einem ausgeprägten Berufsethos geschaffen zu haben. Sein Eifer erklärt sich nicht zuletzt durch eine Art Sendungsbewusstsein, das vor allem von freimaurerischem Gedankengut bestimmt war.“ Nach Caeyers kühlte jedoch angeblich das Verhältnis aufgrund einer zunehmend geistigen Entfremdung um 1785 ab.


    Wilhelmine von und zu Westerholt-Gysenberg (um 1774 – 1852)


    Laut Wheelock Thayer angeblich die erste große Liebe Beethovens. Doch vielleicht war es doch nur eine Schwärmerei da sich zu dem Zeitpunkt als sich beide kennenlernten Beethoven 15 und Westerholt-Gysenberg 12 war. Die Briefanschrift spricht auch eher für eine platonische Freundschaft („ma très chere amie“ -> „meine sehr liebe Freundin“) Franz Gerhard Wegeler, sein Jugendfreund aus Bonner Zeit, bringt hingegen den Namen Johanna von Honrath ins Spiel wenn es um Beethovens erste Liebe geht. Die damals in Köln wohnhafte Honrath verbrachte aber auch nur einige Wochen in Bonn, als sie zu Gast bei den Breunings war. Somit bleibt alles in allem eher der Eindruck von einer höchstens kurz aufflammenden Liebschaft.


    WIENER FREUNDE


    Carl bzw. Karl Amenda (1771 – 1836)


    Dieser kann wohl ohne Zweifel tatsächlich als enger Freund Beethovens betrachtet werden. Das geht auch eindeutig aus der schriftlichen Konversation hervor. Der Theologe und Violinist war auch einer der Ersten der von Beethovens Ertaubung im Brief vom 01. Juli 1801 erfuhr und dieser darin auch gebeten wurde „…als ein großes Geheimniß aufzubewahren“. mein lieber, mein guter Amenda , mein herzlicher Freund!“ und lässt weiterfolgend auch interessante Einblicke in gewisse, verschiedenste menschliche Naheverhältnisse zu: „… - jezt ist zu meinem Trost wieder ein Mensch hergekommen mit dem ich das Vergnügen des Umganges und der uneigennüzigen Freundschaft theilen kann, er ist einer meiner JugendFreunde (Anm. d. Verf.: Stephan von Breuning), ich habe ihm schon oft von dir gesprochen, und ihm Gesagt, daß seit ich mein Vaterland verlaßen du einer derjenigen bist, die mein Herz ausgewählt hat, auch ihm kann der Z. [meskall] nicht gefallen, er ist und bleibt zu schwach zur Freundschaft, ich betrachte ihn und S. [chuppanzigh] als bloße Instrumente, worauf ich, wenn's mir gefällt, spiele, aber nie können sie edle Werkzeuge meiner innern und aüßern Thätigkeit, eben so wenig als wahre theilnehmer Von mir werden, ich taxire sie nur nach dem, was sie mir leisten“.


    Das ist auch insofern interessant, da auch Schuppanzigh und Zmeskall von diversen Autoren der Klassikwelt als Freunde bezeichnet werden und es mir deswegen auch wichtig ist, gerade bei Beethoven sehr vorsichtig mit diesem Begriff umzugehen. Hier kann oft der äußere Schein trügen und auf keinen Fall darf ausschließlich nach der Häufigkeit des Kontaktes gegangen werden. So bin ich mir auch ziemlich sicher, dass etwa Anton Schindler aus Beethovens Perspektive kein Freund, sondern viel eher das „bloße Instrument“ war, für das sich aber Schindler aufgrund seiner berechnenden, eigentlich schon zudringlich erscheinenden Verehrung auch nicht zu Schade war. Beethoven selbst bezeichnete ja einmal Schindler in einem Brief vom 19. August 1823 an seinen Bruder Johann als „…diesen niederträchtigen verachtungswürdigen Menschen.“


    Joseph Carl Bernard (1780 – 1850)


    Der Schriftverkehr hinterlässt auch hier den Eindruck eines freundschaftlichen Verhältnisses. Immerhin vertraut er ihm die zeitweise Obhut über seinen Neffen Karl an, was schon ein gewisses Vertrauensverhältnis voraussetzt. Die Briefe an den Journalisten, Schriftsteller und Librettisten sind aber nicht ganz so herzlich geschrieben wie etwa an Amenda oder Breuning, weswegen ich hier eine nicht so tiefergehende Freundschaft dahinter vermute.


    Karl Holz (1799 – 1858)


    Bei Holz bin ich mir noch unsicher. Es bestand zumindest ein häufiger Kontakt, da es einige Einträge von Holz in Beethovens Konversationshefte gibt und der Neffe Karl schon spöttelte er sei „jährlich 365 mahl zu Mittag eingeladen“. Der zweite Geiger im Schuppanzigh-Quartett wurde aber mit den Aufgaben Anton Schindlers betraut, als Beethoven mit dem Vorgänger zunehmend unzufriedener wurde und fürchtete „…daß mir einmal ein Großes Unglück durch Sie bevorsteht.“ Aufgrund dieser Zurückweisung fälschte Schindler auch einige unvorteilhafte Konversationseinträge über Holz, welche erst einige Jahrzehnte später als Fake entlarvt wurden. Nach dem Urteil der Beethovenforschung in Bonn ist er als Freund und enger Vertrauter zu sehen, inwieweit er aber dennoch, bei all den für Beethoven nützlichen Erledigungen, nicht auch zumindest teilweise ein „Instrument“ war, muss letztendlich doch offen bleiben. Natürlich sollte auch andersherum in Betracht gezogen werden, dass sich der damals noch relativ junge Holz Vorteile für seine weitere Karriere versprach, wenn er einem schon damals äußerst prominenten Komponisten zur Hand geht. Zumindest glaube ich aber schon, dass Beethoven größere Zuneigung für Holz als für Schindler übrig hatte.


    Nannette Streicher (1769 – 1833) / Andreas Streicher (1761 – 1833)


    Durch die briefliche Konversation kann man hier wieder relativ zweifellos eine tiefergehendere Freundschaft herauslesen. Das Ehepaar Streicher hat auch eine recht interessante Biographie. Nannette ist die Tochter vom berühmten Klavierbauer Johann Andreas Stein, heiratete Johann Andreas Streicher und zog bald darauf mit ihm nach Wien wo sie den Betrieb des zwei Jahre zuvor verstorbenen Vaters gemeinsam mit ihrem Bruder übernahm. Sie waren zudem im damaligen Musikleben von Wien ein wichtiger Bestandteil, indem sie regelmäßig Konzerte veranstalteten und sich schon allein durch ihre berufliche Tätigkeit ein sehr gutes Netzwerk an Künstlern aufbauen konnten. Man könnte deswegen in Versuchung kommen, auch hier Beethoven ein eigennütziges Interesse zu unterstellen. In den vielen erhaltenen Briefen wird aber eine nicht unbedingt dafür notwendige intime, offene Unterhaltung geführt, bei der auch teils äußerst private Dinge anvertraut, aber auch Nannettes Ratschläge in Haushaltsfragen erbeten wurden.


    Die zu Beethovens Zeiten in der heutigen Ungargasse 46 befindliche Streichersche Fabrik mit Konzertsaal ("Alte Streicherhof" bzw. das Haus "Zum heiligen Florian) musste aufgrund von starken Kriegsschäden vom zweiten Weltkrieg, schließlich 1959 abgerissen werden.


    Streicherhof.jpg

    Bildquelle: Wien Geschichte Wiki

    Ignaz Freiherr Gleichauf von Gleichenstein (1778 – 1828)


    Ab etwa 1807 kam Beethoven in Kontakt mit dem Juristen aus Staufen in Breisgau. Es macht den Eindruck als wäre dieser auch einer der nahestehenden Freunde gewesen. So war Beethoven einmal gegen Ende des Jahres 1807 in Sorge um seinen Freund Stephan von Breuning und bat Gleichenstein schriftlich sich um diesen zu kümmern. Sätze wie „…ich bitte dich ich beschwöre dich daher im Namen der guten Edeln Gefühle, die du gewiß besizest“, oder „…doch dein Edles Herz, das ich recht gut kenne, braucht wohl hierin keine Vorschriften…“, machen den Eindruck einer größeren Wertschätzung als bei schriftlichen Konversationen zu gewissen anderen Personen bei denen Beethoven etwas zurückhaltender mit solchen Komplimenten war.


    Therese Malfatti (1792 – 1851)


    Stellenweise kann man lesen, dass Beethoven mit ihr erstmals im Jahr 1810 durch Gleichenstein in Kontakt kam, welcher auch im darauffolgenden Jahr ihre jüngere Schwester Anna heiratete. Das stimmt so wohl nicht, da Beethoven schon im Jahr 1808 den Onkel Thereses (nicht Cousin wie in Wikipedia fälschlicherweise behauptet), den Arzt Johann Baptist Malfatti kennenlernte und es somit wahrscheinlicher erscheint, dass dieser schon zuvor den Kontakt herstellte. Man kann darüber streiten ob sie in einer Auflistung platonischer Freundschaften nicht deplatziert ist, denn es geht hier schon mehr in die Richtung seiner Liebschaften. Beethovens (angebliche) Annäherungsversuche als Klavierlehrer blieben aber fruchtlos und über den Grund gibt es zwei verschiedene Versionen. In einer soll es Gleichenstein gewesen sein, welcher ihn dabei zurückhielt, in der anderen hatte angeblich Therese keine Empfindungen für Beethoven. Sie kommt auch als mögliche „Elise“ der bekannten Bagatelle in Betracht, da es möglich erscheint, dass sich der damalige Entdecker des Autrographs, Ludwig Nohl, verlesen hatte (was ja hinsichtlich der teils problematischen Lesbarkeit von Beethovens Schrift ja nicht ganz abwegig erscheint) Noch dazu wo die originale Partitur aus dem Umfeld Malfattis stammte. Die zwischenzeitlich aufkeimende These der Elisabeth Röckel wurde jedenfalls schon von dem Forscher Michael Lorenz stichhaltig widerlegt (siehe folgende Abhandlung: https://homepage.univie.ac.at/….lorenz/beethovens_elise/). Jedenfalls bezeichnete sich Beethoven in der schriftlichen Konversation mit Therese als „ergebenster Diener und Freund“ und bezüglich der Inhalte gibt es schon wesentlich eindeutigere Liebesbeweise (wie etwa manche an Josephine Brunsvik bzw. Deym gerichtete Briefe)


    Graf Moritz von Lichnowsky (1771 – 1837)


    Normalerweise bin ich bei Mitgliedern der Aristokratie vorsichtig, da hier ein vorwiegend zweckorientierter Kontakt, von dem letztendlich beide Seiten profitieren, recht wahrscheinlich erscheint. Doch bei Graf Moritz von Lichnowsky möchte ich eine der wenigen Ausnahmen machen. Die Einträge des Sohnes Karl von Lichnowskys in Beethovens Konversationshefte, zeugen von einem recht vertrauten Umgang. Der von Beethoven an Moritz gerichtete Kanon „Bester Herr Graf, sie sind ein Schaf“ scheint ebenso ein Indiz für eine nähere und unverkrampfte Verbindung der Beiden zu sein. Immerhin widmete er dem Grafen auch einen Kanon mit einem weniger anzüglichen Titel, welcher auch als ein Zeichen seiner Zuneigung verstanden werden kann: „Freundschaft ist die Quelle wahrer Glückseligkeit“. Das schließt natürlich nicht aus, dass diese Bindung für Beethoven auch teilwese von Nutzen war, wie etwa als er 1818 ein Geschenk, einen Flügel von Thomas Broadwood von London erhielt und Lichnowsky schriftlich bat, seine Beziehungen beim Zoll spielen zu lassen. „Mein sehr werther Freund, mein lieber Graf! (…) ich warte nun das Resultat von ihren gütigen Bemühungen oder Nachforschungen ab, alsdenn wird wohl nichts besseres seyn, als mich an Se. Exzellenz den gr. Stadion selbst schriftlich oder Mündlich zu wenden. – ich hoffe bald des vergnügens, sie zu sehen,,[sic] Theilhaftig zu werden; – mit inniger Liebe u. Verehrung - ihr Freund Beethowen.“ Ganz ohne Reibungen verlief der Kontakt aber nicht ab wie eine kurze Mitteilung von Anfang April 1824 zeigt: „Falschheiten verachte ich – besuchen sie mich nicht mehr, keine Akademie wird seyn – B — — vn A Monsieur le Comte Maurice Lichnowsky.“


    Gräfin Anna Maria (Marie) Erdödy (1778 – 1837)


    Beethoven bezeichnete seine damalige Förderin als „Beichtvater“ und wohnte von 1808 bis 1809 in ihrer Wohnung, welche sich in der Krugerstraße Nr. 1074 (nebenbei bemerkt eine Etage tiefer unter den Lichnowskys. In dem Haus wohnten gegen Ende des 18. Jhdt. auch Konstanze Mozart und Joseph Haydn) befand, also im heutigen 1. Wiener Gemeindebezirk an der heutigen Stelle Krugerstraße 10/Walfischgasse 9. Es kam dann auch zu einem Streit, weswegen Beethoven auszog, dieser sich aber bald darauf entschuldigte: „Meine lieber gräfin ich habe gefehlt, das ist wahr – verzeihen sie mir, Es ist gewiß nicht <vorgesezte> vorsäzliche Boßheit von mir, wenn ich ihnen wehe gethan habe – erst seit gestern Abend weiß ich recht wie alles ist, und es thut mir sehr leid, daß ich so handelte – lesen sie <aber> ihr Billet kaltblütig, und urtheilen sie selbst, ob ich das verdient habe, und ob sie damit nicht alles Sechsfach mir wiedergegeben haben, <wenn> indem ich sie beleidigte ohne es zu wollen schicken sie mir noch heute <ihr> mein Billet zurück, und schreiben mir nur mit einem Worte, daß sie wieder gut sind, ich leide unendlich dadurch, wenn sie dieses nicht thun, ich kann nichts thun, wenn das so fortdauren soll – ich erwarte ihre Verzeihung.“ Der freundschaftiche Kontakt hielt noch länger an wie man auch aus der schriftlichen Korrespondenz erfährt. 1817 schreibt er in einem vertrauensvollen Brief „Tausendmal habe ich an sie liebe verehrte Freundin gedacht.“


    Da das damalige Gebäude schon 1824 abgerissen und an der Stelle ein neues Palais erbaut wurde (welches dann nach Kriegsschäden ebenso 1965 demoliert wurde) gibt es nicht einmal Fotos des damals von Beethoven bewohnten Gebäudes. Man kann nur einen sehr groben Eindruck beim Vogelschauplan von Huber bekommen.


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    Bildquelle: Huber Plan Edition Winkler Hermaden


    (die spitz zugehende Häuserzeile ganz links direkt bei der Stadtmauer und hier beim dritten Hausdach von unten)


    Antonie Brentano (1780 – 1869) / Franz Brentano (1765 – 1844)


    Es sollte auch Antonie Brentano in dieser Liste sein, da es nach meinem Eindruck nicht allein um körperliche Anziehung, sondern auch um gegenseitige große Wertschätzung ging. So schrieb sie in ihr Tagebuch von einer „Wahlverwandschaft“ und der Kontakt riss nach dem ersten Kennenlernen 1810 auch nie ab (es gab bis in seine letzten Lebensjahre einen Briefverkehr zu den Brentanos nach Frankfurt) Somit möchte ich auch garnicht auf die Diskussionen um die unsterbliche Geliebte eingehen. Ihr Ehemann Franz Brentano unterstützte auch Beethoven in verschiedenen Belangen (unter anderem als Vermittler für den Verlag Simrock). Als Beethoven Maximiliane, der Tochter der Beiden, die Klaviersonate op. 109 widmete, entschuldigte er sich in einem Brief nicht vorher das Einverständnis geholt zu haben „…mögten Sie dieses als ein Zeichen meiner immerwährenden Ergebenheit für Sie u. ihre ganze Famil[i]e aufnehmen – geben Sie aber dieser Dedikation keine üble Deutung auf irgend ein Intereße oder gar auf eine Belohnung – dies Würde mich sehr kränken, Es gibt ja wohl noch edlere Beweggründe, denen man d.g. zuschreiben kann, wenn man schon durchaus Ursachen finden wollte.“


    Familie von Cajetan Giannatasio del Rio (1764 – 1828)


    Cejetan Giannatsio del Rio war der Leiter eines Erziehungsinstitutes in Wien, welches der Neffe Karl von 1816 bis 1818 besuchte. Dadurch enstand ein freundschaftlicher Kontakt. Vor allem die Tochter Fanny war eine glühende Verehrerin des damals schon berühmten Komponisten. Wahrscheinlich war die Verbindung aber doch eher nur oberflächlicher Natur, denn vor allem als Karl das Institut verließ, schien die gegenseitige Kontaktaufnahme nur gelegentlich zu erfolgen, riss aber nicht gänzlich ab. Fanny schrieb darüber auch ihre Erinnerungen auf: „Es war im Jahre 1816, da kam er zum erstenmal in unser Haus, um seinen geliebten Karl in das Institut zu geben, welches mein Vater schon seit dem Jahre 1798 errichtet hatte. Dieses Begebnis war für die Töchter besonders erfreulich, und ich sehe noch, wie Beethoven mit Beweglichkeit sich hin und her drehte und wie wir, auf seine dolmetschende Begleitung, Herrn Bernard, später Redakteur der ‚Wiener Zeitung‘ nicht achtend, uns gleich zu Beethovens Ohr wandte; denn schon damals mußte man ihm ganz nahe sein, um sich ihm verständlich machen zu können. Von dieser Zeit an hatten wir das Vergnügen, ihn oft zu sehen, und später, als mein Vater mit dem Institut in die Vorstadt zog, Landstraß-Glacis, nahm auch er sich eine Wohnung in der Nähe, und den nächsten Winter war er fast alle Abende in unserm häuslichen Kreise…"


    Das erwähnte Institut auf dem Landstraß-Glacis befand sich in der heutigen Reisnerstraße 3. Der heutige Bau ist aus dem Jahr 1836, also nicht die Originalstätte.


    Franz Brunsvik (1777 – 1849) / Therese Brunsvik (1775 – 1861) / Josephine Brunsvik (1779 – 1821)


    Franz Brunsvik soll recht gut Violoncello gespielt haben und kam 1799 durch seine Schwestern mit Beethoven in Kontakt. Er war zwar auch wie Erdödy oder Lichnowsky adeliger Abstammung, im Gegensatz zu diesen Beiden, haben sich aber Brunsvik und Beethoven gegenseitig geduzt. Das könnte möglicherweise für ein noch näheres Verhältnis sprechen. Im Brief vom 4. Juli 1811 kann man so eines auch hineindeuten. Beethoven ersuchte darin Brunsvik zu einem Kuraufenthalt zu begleiten: Freund deine Absagung kann ich nicht annehmen, ich habe Oliva fortreisen laßen allein und zwar wegen dir, ich muß jemand vertrauten an meiner Seite haben, soll mir das Gemeine Leben nicht zur Last werden, ich erwarte dich spätestens bis 12ten dieses Monaths auch meinetwegen bis 15ten dieses Monaths, doch ohne widerrede[.] Es ist allerhöchster Befehl dieser kann nicht ohne schwere Ahndung und strafe verspottet werden, sondern Es heißt ihm ohne alle Bedingung folge leisten - hiermit gehabt euch wohl lieber Getreuer, den wir gott bitten in seine gnädige Obhuth zu nehmen - gegen Morgens gleich Nach Aufstehen vom Kaffetisch.“ Andererseits versiegte etwa vier Jahre später, im Gegensatz zu manch anderen Kontakten Beethovens, auch die schriftliche Korrespondenz, als Brunsvik nach Martonvásár zog, um hier das Familiengut zu verwalten.


    Therese und Josephine waren bekanntlich Klavierschülerinnen von Beethoven und diese Unterrichtsstunden gab er zeitweise sogar täglich und unentgeltlich (er verlangte aber auch kein Honorar bei Ries und Czerny, auffällig war wohl eher die Häufigkeit). Die große Wertschätzung war aber sicherlich gegenseitig. "Dem seltnen Genie / dem grossen Künstler / dem guten Menschen / von T.B." schrieb Therese auf ein ihm gewidmetes Bild. Besonders populär ist jedoch die Liebesbeziehung zu Josephine, welche seit jeher durch den berühmten Brief an die unsterbliche Geliebte alle Romantiker in ihren Bann zieht. Aus damals rechtlichen Gründen war eine Heirat schwer möglich, denn Josephine hätte ihren Adel aufgeben müssen und in weiterer Folge das Sorgerecht über ihre adeligen Kinder aus erster Ehe verloren. Sie distanzierte sich zunehmend, hatte aber mit ihrem zweiten Ehemann Christoph von Stackelberg nur Unglück und Leid erfahren, während Beethoven resignierte. Therese schrieb später treffenderweise in ihr Tagebuch: „Beethoven! ist es doch wie ein Traum, dass er der Freund, der Vertraute unseres Hauses war – ein herrlicher Geist! warum nahm ihn meine Schwester Josephine nicht zu ihrem Gemahl als Witwe Deym? Sie wäre glücklicher geworden als mit St[ackelberg]. Mutterliebe bestimmte sie – auf eigenes Glück zu verzichten“


    Der erwähnte Klavierunterricht fand sehr wahrscheinlich im Palais Deym statt. Ein paar Informationen und Bilder gibt es dazu auf dieser Seite:


    Palais Deym Rotenturmstraße

    „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.” (Marie von Ebner-Eschenbach)

    Einmal editiert, zuletzt von âme ()

  • Teil 2


    LANGANHALTENDE FREUNDSCHAFTEN (Bonn und darüber hinaus auch in Wien)


    Franz Anton Ries (1755 – 1846) / Ferdinand Ries (1784 – 1838)


    Ich sehe das als eine langanhaltende Verbindung, da Beethoven Ferdinand Ries vorwiegend aufgrund der freundschaftlichen Kontakte zu seinem Vater, als Klavierschüler aufnahm. Für die damaligen beschwerlichen Reisebedingungen war Ferdinand meiner Ansicht nach schon ein Globetrotter, so ließ er sich allein von 1802 bis 1813, also innerhalb von 11 Jahren in mind. neun verschiedenen Gegenden nieder (lässt man jetzt mal die verlängerten Reiseaufenthalte auf der Strecke nach Russland beiseite) Aufgrund Basis seiner zwei Wien-Aufenthalte gibt es sehr unterhaltsame und interessante Notizen über den Kontakt mit Beethoven. Daraus sind schon mittlerweile legendere Anekdoten und Zitate entstanden, wie etwa der oft zitierte Ausspruch „Für solche Schweine spiele ich nicht!“ Glaubt man Ries in seinen Ausführungen, so war dieser Kontakt von gegenseitiger Wertschätzung und Vertrauen geprägt, aber der talentierte Klavierschüler kann andererseits auch als eine Art Vorgänger von Anton Schindler (und Franz Oliva) betrachtet werden, denn er wurde von Beethoven ebenso für diverse Erledigungen (Botengänge, Korrespondenzen, Besorgungen,…) zugeteilt. Als Ries nach London zog bestand weiterhin ein schriftlicher Kontakt, wobei auch hier Beethoven Ries ständig um Gefälligkeiten bat (etwa Vermittlung zu Londoner Verlegern und Gesellschaften) Da somit Beethoven meist einen gewissen Nutzen aus dem Kontakt mit Ries beziehen wollte, bin ich mir über dieses Verhältnis nicht ganz im klaren. Passend zu der Josephine-Geschichte schrieb er ihm in einem Brief vom 8. Mai 1816 nach London "leider habe ich keine [Frau], ich fand nur eine, die ich wohl nie besizen werde, bin aber deswegen kein weiberfeind".


    Franz Gerhard Wegeler (1765 – 1848)


    Wegeler war nicht nur ein Jugendfreund aus der Bonner Zeit. Der in Bonn geborene Mediziner hielt auch noch später sowohl den Kontakt zu Beethoven, als auch zu Stephan von Breuning. Zunächst floh dieser 1794 aufgrund französischer Truppenbelagerung in Bonn ebenso nach Wien, kehrte aber zwei Jahre darauf wieder in seine alte Heimat zurück. Somit sahen sie sich nie mehr wieder, behielten aber die schriftliche Korrespondenz bis zu Beethovens Tod bei. Darin lässt sich ein recht herzlicher, inniger Umgang erahnen. Es ist auch bezeichnend und spricht für das Vertrauensverhältnis, dass er auch eine der ersten Personen war, welche von Beethovens Hörleiden erfuhren. Mein guter Wegeler! ich danke dir für den Neuen Beweiß deiner sorgfalt um mich, um so mehr, da ich es so wenig um dich verdiene – du willst wissen, wie es mir geht, was ich brauche, so ungerne ich mich von dem Gegenstande überhaupt unterhalte, so thue ich es doch noch am liebsten mit dir…“ Hier fällt später ebenso der berühmte Ausspruch „ich will dem schicksaal in den rachen greifen“.


    Die Breunings


    Wie schon im Einleitungstext erwähnt bestand zu der Familie Breuning seit 1784 in Bonn ein bis zu Beethovens Tod andauernder freundschaftlicher, persönlicher Kontakt. Vielleicht kann man dies als die tiefgehenste Freundschaft in Beethovens Leben bezeichnen. Einen recht bemerkenswerten Brief schrieb Beethoven an Stephan von Breuning von Baden aus Anfang November 1804, worin er ihn um eine Versöhnung bittet. „…Boßheit wars nicht, was in mir gegen dich vorgieng, nein ich wäre deiner Freundschaft nie mehr würdig, Leidenschaft bey dir und bey mir – aber Mißtrauen gegen dich ward in mir rege – Es stellten sich Menschen zwischen unß – die deiner und meiner nie würdig sind; – mein Portrait war dir schon lange bestimmt, du weißt es ja, daß ich es immer jemand bestimmt hatte, wem könnte ich es wohl mit dem wärmsten Herzen geben als dir treuer, guter, edler Steffen – verzeih mir, wenn ich dir wehe that, ich litte selbst nicht weniger, als ich dich so lange nicht mehr um mich sah, empfand ich es erst recht lebhaft, wie theuer du meinem Herzen bist, und ewig seyn wirst. (…) du wirst wohl auch wieder so zutraulich in meine Arme fliehen, als sonst“.


    Die vertrauensvolle Freundschaft hielt bis zu seinem Tod, das bezeugt auch, dass Stephan von Breuning an Beethovens Totenbett als Vormund Karls bestimmt wurde. Von Mai bis November 1804 gab es auch eine WG im „Roten Haus“, einem großen Zinshauskomplex welches zum damaligen Zeitpunkt Fürst Nikolaus Esterházy gehörte. Der Grund von Beethovens plötzlicher Flucht ist im schon genannten Brief ersichtlich. Die emotionalen Eindrücke des gemeinsamen Haushalts schilderte Breuning am 13. November 1804 an Wegeler: „Sie glauben nicht, lieber Wegeler, welchen unbeschreiblichen, und ich möchte sagen: schrecklichen Eindruck die Abnahme des Gehörs auf ihn gemacht hat. Denken Sie sich das Gefühl unglücklich zu sein, bei seinem heftigen Charakter, hierbei Verschlossenheit, Mißtrauen, oft gegen seine besten Freunde, in vielen Dingen Unentschlossenheit! Größtenteils, nur mit einigen Ausnahmen, wo sich sein ursprüngliches Gefühl ganz frei äußert, ist Umgang mit ihm eine wirkliche Anstrengung, wo man sich nie selbst überlassen kann. Seit dem Mai bis zu Anfang dieses Monats haben wir in dem nämlichen Hause gewohnt, und gleich in den ersten Tagen nahm ich ihn in mein Zimmer. Kaum bei mir, verfiel er in eine heftige, am Rande der Gefahr vorübergehende Krankheit, die zuletzt in ein anhaltendes Wechselfieber überging. Besorgnis und Pflege haben mich da ziemlich mitgenommen. Jetzt ist er wieder ganz wohl. Er wohnt auf der Bastey, ich in einem vom Fürsten Esterházy neuerbauten Hause vor der Alster-Kaserne, und da ich meine eigene Haushaltung führe, so ißt er täglich bei mir."


    Die Breunings dürften wohl nicht so oft die Behausung wie ihr guter Freund gewechselt haben, denn aus den von August 1825 beginnenden Erinnerungen Gerhard von Breunings (also 21 Jahre später), erfährt man, dass Beethoven ihnen beim Treffen mitteilte „…daß er bald - Ende Septembers – in unsere unmittelbare Nachbarschaft: das Schwarzspanierhaus (wir wohnten in dem rechtwinkelig gegenüberstehenden fürstlich Esterházy’schen Rothen Hause) ziehen werde, welche Mittheilung gesteigertes Interesse hervorrief; daß er dann recht oft und viel mit uns wieder zu verkehren gedenke; …“


    Das besagte „Rothe Haus“ befand sich in der damaligen Alservorstadt, dem heutigen 9. Wiener Gemeindebezirk. Unter dem Besitz Esterházys wurde der Komplex ausgebaut und umfasste 4 Höfe, 20 Stiegenhäuser und mehr als 150 Wohnungen. Wie so viele Gebäudekomplexe aus dem 17. und 18. Jhdt. in Wien wurde auch dieses im Laufe der Zeit demoliert. Das Ende wurde im Jahr 1861 eingeleitet, als die mittlerweile überschuldeten Esterházys Das Rote Haus an einen gewissen Leopold Popper um 60.000 (österr.) Gulden verkauften. Zum Abriss kam es aber unter einem anderen Hausbesitzer, der Union-Baugesellschaft, welche den Komplex 1876 erwarben und schrittweise bis 1889 demolierten. Eine der Straßen welche auf dem Areal des ehemaligen Komplexes errichtet wurden, hat man auch Rotenhausgasse benannt. Mehr zum Roten Haus, wie etwa zu seiner damaligen Lage und heutigen Überresten auf dieser Seite:


    Rotes Haus - Geschichte und Funde



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    Bildquelle: Beethoven-Haus Bonn, NE 81, Band II, Nr. 373


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    Bildquelle: ONB, 198.291B POR MAG



    Im Vordergrund das "Rote Haus" welches an die Alser-Kaserne anschloss. Rechts ist noch die Schwarzspanierkirche zu sehen, welche an das Schwarzspanierhaus (weiter rechts, nicht mehr im Bild) angebaut war. Die letzte Wohnstätte Beethovens in der er auch am 26. März 1827 verstarb.


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    Bildquelle: Beethoven-Haus Bonn, B 198/a


    Eine der ältesten Fotografien des Gebäudes aus den 1870er Jahren. Deshalb sieht man noch ungefähr die Situation wie zu Beethovens Zeiten. 1903 wurde das Schwarzspanierhaus demoliert. Gerhard von Breuning beschrieb dieses Quartier folgendermaßen: "Zur Wohnung gelangte man über die schöne Haupttreppe. Im zweiten Stockwerke links durch eine einfache, etwas niedere Türe entretend, befand man sich in einem geräumigen Vorzimmer mit einem Fenster...nach dem Hofe. Aus diesem Vorzimmer geradeaus kam man in die Küche und in ein großes Dienstbotenzimmer,... links aber in ein sehr geräumiges Kabinett mit einem Fenster auf die Straße hinaus. Die beiden Gemächer rechts vom Eintrittszimmer waren nun erst eigentlich Beethoven's Aufenthalt, und zwar das erste sein Schlaf- und Clavierzimmer, das letzte, das Kabinett, sein Kompositionszimmer. In Mitten des ersten (zweifenstrigen) Zimmers standen in einander, Bauch an Bauch gesetzt, zwei Claviere. Mit der Claviatur gegen den Eintritt zu jener englische Flügel, welcher ihm einst von den Philharmonikern aus England zu Geschenke gemacht worden war... Nach der andern Seite - mit der Claviatur gegen die Thüre des Kompositionszimmer sehend - stand ein Flügel des Clavierfabrikanten Graf in Wien, Beethoven zur Benutzung überlassen... Auf dem Pfeiler zwischen beiden Fenstern dieses Zimmers stand ein Schubladkasten, und auf demselben die Wand hintan eine vierfächerige, schwarz angestrichene Bücherstellage mit Büchern und Schriften, vor derselben auf dem Kasten aber lagen mehrere Hörrohre und zwei Geigen; all dieß in Unordnung und arg verstaubt. Beethovens Bett, Nachtkästchen, ein Tisch und Kleiderstock nächst des Ofens machten den Rest dieser Zimmereinrichtung aus. Das letzte (wieder einfenstrige) Zimmer war Beethovens Arbeitsstube. Hier saß er an einem etwas abseits vom Fenster, gerade vor die Eingangsthüre gestellten Tische, mit dem Gesichte nach der Thüre zum großen Zimmer gewendet, die rechte Körperseite dem Fenster zugekehrt."


    Heute erinnert an diesen Ort nur noch die übriggelassene Fassade der Schwarzspanierkirche:


    Schwarzspanierkirche.jpg



    Quelle: Wikimedia, Public Domain



    Wie geschrieben kann diese Auflistung nur selektiv und subjektiv sein, hoffe aber zumindest doch, hier die wichtigsten Personen berücksichtigt zu haben. Einige andere Kontakte habe ich mit Absicht nicht in meine Auswahl genommen, wie etwa der schon angeführte Anton Schindler, oder auch Erzherzog Rudolph: auf mich persönlich wirkt diese Verbindung zu zweckmäßig (voneinander stark profitierend), wahrscheinlich auch durch Rudolphs Stellung zu formell um hier tiefere Freundschaft zuzulassen. Zudem schrieb Beethoven in manchen Briefen auch nicht vorteilhaft über ihn (wie etwa 1818 an Ries: „…Durch meine unglückliche Verbindung mit diesem Erzherzog bin ich beynahe an den Bettelstab gebracht.“), Carl Czerny: viel weiß man nicht, sind drei Jahre als Klavierschüler ein überzeugendes Argument für eine Freundschaft?, Johann Baptist Pasqualati: ein glühender Verehrer der von Beethoven auch nur recht förmlich kontaktiert wurde, wenn dieser bei ihm Hilfe oder Ratschlag suchte, Franz Oliva: der direkte Vorgänger Anton Schindlers, also Mädchen für Alles von 1809 bis 1820. Zwar widmete ihm Beethoven 1809 ein Werk schrieb aber später einmal Pasqualati: „Der Lumpenkerl Oliva (jedoch kein edler L–k–l) kommt nach Ungarn, gib Dich nicht viel mit ihm ab; ich bin froh, daß dieses Verhältniß, welches blos die Noth herbeiführte, hierdurch gänzlich abgeschnitten wird. – Mündlich mehr…“. Leute wie Anselm Hüttenbrenner, Tobias Haslinger, Franz Grillparzer,… wie gut war hier der Kontakt, wie groß die gegenseitige Zuneigung? Möglicherweise können hier noch Vorschläge, oder Argumente dafür oder dagegen gemacht werden. Schließlich sind alles nur Einschätzungen aufgrund gewisser schriftlicher Quellen und meinem persönlichen Empfinden über den freundschaftlichen Begriff. Wenn man den heutigen Freundschaftsbegriff auf Social Media, wie etwa Facebook heranzieht, waren sie dann wohl alle Freunde. Aber ein simples „sich kennen“ bzw. voneinander Notiz zu haben, kann ja hoffentlich nicht die Messlatte sein. Für mich steht dahinter schon eine stärkere gegens. Sympathie und Wertschätzung, bei der nicht vordergründig funktional, eigennützige Beweggründe im Vordergrund stehen. Eine Person die einem menschlich fehlt, wenn man diese schon länger nicht gesehen hat.



    Liebe Grüße

    „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.” (Marie von Ebner-Eschenbach)

    Einmal editiert, zuletzt von âme ()