Prokofieff, Serge: Sinfonie Nr.5 B-Dur op.100 - Die Erfolgreichste

  • Das Projekt allen Prokofieff-Sinfonien einen Thread zu stendieren wurde offenbar nicht fortgeführt !?!
    Ausgerechnet die Fünfte, die meistgespielte Sinfonie, die auch zu meinem persönlichen Sinfonien-Favorit von Prokofieff gehört, fehlt.


    Ich gestatte mir eine kurze Einführung, denn ich wollte viel mehr auf einen aussergewöhnlich guten Neuzugang bei mir hinweisen ...


    Prokofieff vollendte 1944 seine Klaviersonate Nr.8 um sich dann nach 14 Jahren Sinfonien-Pause wieder der Sinfonik zuzuwenden und seine fünfte Sinfonie in der Nähe von Moskau in einem Landhaus, in dem er wohnte, zu komponieren.
    Emil Gilels führte im Dezember 1944 die Sonate Nr.8 mit grossem Erfog auf und schon zwei Wochen danach am 13.Januar 1945 erfolgte die UA unter seiner Stabführung im grossen Saal des Moskauer Konservatoriums. Kurz vor diesem Konzert wurde ein Sieg der russischen Armee verlautbart, die aus russischer Sicht ein gutes Omen für die Erstaufführung dieser Sinfonie war.


    :!: Die Sinfonie Nr.5 feierte nicht nur dort ihren Triumph, sondern setzte sich folgend in der ganzen Welt als eines seiner besten Werke durch !
    Nicht zuletzt basiert der Erfolg auf die niemals banalen Themen und der farbigen einfallsreichen Instrumentierung für grosses Orchester mit zudsätzlichen Holzbläsern, Harfe und Klavier.


    Die Satzfolge:
    1. Allegro
    2. Larghetto
    3. Gavotta
    4. Finale: Molto viavace


    Spieldauer (unter meinem persönlichen Favoriten George Szell) = ~ knapp 39Minuten

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Es kam zum Anklang, das die Sinfonie Nr.5 (nach wie vor mein Favorit aller 7Sinfonien) zu den mehr konservativen Sinfonien gehört. Die Sinfonie Nr.6 wird sogar qualitativ bei einigen Taminos vor der Nr.5 einsortiert, weil sie in ihrem Pathos echter wirkt. Der Sinfonie Nr.5 wurde ein schwaches Material, das "lediglich durch harmonische und instrumentierungstechnische Raffinessen aufgebessert" wird attestiert (Edwin).


    Das sehe ich anders, denn das Themenmaterial besticht durch Vielseitigkeit und melodische Eingebung- und das sehe nicht nur ich so - denn die Sinfonie Nr.5 gehört nicht ohne Grund zu den meistgespielten Sinfonien. Sie kommt offenbar beim Hörer am besten an.


    :yes: Es gibt tatsächlich Aufnahmen, bei denen dieser schwächere Eindruck entstehen könnte. Wenn man sich aber die Spitzenaufnahme mit Szell/Cleveland Orchestra (SONY, 1959) anhört, die alle schwächen dieses Werkes eliminiert, dann steigt diese Sinfonie im Beliebtheitsgrad gleich um mehrere Stufen.
    Szell gehört zu den schnellsten Interpreten des Werkes, wodurch an keiner Stelle auch nur der geringste Ansatz von Langatmigkeit entsteht - fabelhafte Aufnahme - und fabelhaftes Werk mit den straffsten Spielzeiten: 10:29 - 07:39 - 11:35 - 09:24.


    Ich habe von der Prokofieff: Sinfonie Nr.5 die Aufnahmen mit Karajan (DG), Kitaenko (Melodiya), Weller (Decca) und Järvi (Chandos) .
    Die Szell-Aufnahme kann es in der Szell-Aufnahme ohne mit der Wimper zu zucken mit allen und den besten russischen Aufnahmen (Roshdestwensky und Kitaenko / Moskauer PH) aufnehmen und ist vom Tempo noch straffer (kein Wunder bei Szell). Sie bietet höchste Präzision im Orchesterklang, bei bestem SONY-Heritage-Remastering-20Bit. Präziser und von den Klangstrukturen super durchhörbar kann es kaum sein, als hier mit Szell.



    SONY-CD / CBS Aufnahmen 1959 (Prok.) und 1965 (Bartok)

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Zur Zeit bin ich "fertig mit den Nerven". Alle Levine-Aufnahmen, die ich mir in den letzten 2Monaten anhöre, haben allerhöchstes Niveau.
    Die Aufname befindet sich in meiner 23CD-DG-BOX "The Art of James Levine" :thumbup::thumbup::thumbup:


    So auch die heute gehörte Sinfonie Nr. 1 und 5 mit James Levine und dem fabelhaft disponierten Chicago SO.
    Die fast ebenso straffen Spielzeiten wie bei Szell, liessen schon vorher auf eine spannende Aufnahme schliessen = 12:33 - 8:22 - 12:16 - 9:18


    8o Umgehauen hat mich dann die DG-Klangtechnik, die Details offenbart, die bisher bei keiner meiner Aufnahmen vorhanden war. Fast revolutionär erscheint mir diese expressiiv spannende Int, denn als Hörergebnis liefert Levine eine referenzwürdige Int mit allen Finessen und Einzelheiten ab, die alles bietet, was man sich für dieses Meisterwerk wünscht.
    JA, auch hier lässt Levine seinen grossen Lehrer Szell als sein Vorbild durchscheinen.


    :?: Diese TOP-Aufnahme scheint sich in unseren Breiten gar nicht gross durchgesetzt zu haben ? Auch die amazon - Kritiken sind ebenfalls nur in Englisch ...



    DG, 1992, DDD



    Noch etwas fällt mir ein:
    Ich hatte Anfang Dezember 2017 im TV Ausschnitte der Sinfonie Nr.5 mit dem geschätzten Dirigenten Maris Jansons gesehen; aber gar nicht ganz, weil er sich derart in einen Schönklang verstrickte, dass mir allmählich langweilig wurde ... sorry - aber man höre mal welch einen Biss hier Levine offenbart !!!

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Eine meiner Lieblingssinfonien.


    Am liebsten höre ich die neue Gergiev-Aufnahme (Mariinsky-Hauslabel).
    Am wenigsten begeisterte mich Alsop/Naxos.
    Vladimir Jurowski (Pentatone) blieb auch hinter meinen hohen Erwartungen zurück.
    Erstaunlich schlecht und rumpelig spielen auch die Wiener Philharmoniker mit Mitropoulos bei den Salzbuerger Festspielen (Orfeo).


    Ansonsten steht noch im Regal (teilweise auch sehr gut und notwendig als Alternativaufnahme) : Karajan, Ozawa, Maazel/Decca, Temirkanov/RCA, Leinsdorf, Rostropowitsch/Erato, Szell/CBS, Roschdestwenskij/BBC und Melodija, Neeme Järvi, Weller, Celibidache/EMI, Rattle, Noseda (BBC Music Magazine), Mitropoulos/BR, Sokhiev, Kitajenko/Gürzenich, Masur, ...


    und vermutlich weitere, die ich gerade nicht griffbereit und vergessen habe. Previn fehlt auf jeden Fall noch. Schade, dass es offenbar keine Mrawinskij-Aufnahme gibt, oder irre ich?




    Szell gibt es übrigens auch nochmal mit den Wiener Symphonikern (Orfeo)!

    Er hat Jehova gesagt!

  • Eine Aufnahme, die ich besonders gut in Erinnerung habe, ist folgende:


    5955d9-1516294629.jpg


    Aus unerfindlichem Grund findet man sie derzeit nicht bei Amazon. Es handelt sich um die Einspielung von Dmitri Kitajenko mit den Moskauer Philharmonikern von 1986 für Melodija. Leider wurde dieser Zyklus nicht vervollständigt (es fehlen Nr. 6 und 7). Bei Prokofiew bevorzuge ich an und für sich russische Interpreten. Swetlanow hat das Werk nicht dirigiert (er machte nur Prokofiews 1. und 7.). Roschdestwenski aus den 60ern ist auch interessant, hat aber nicht diese gute Klangqualität.


    P.S. Habe sie doch gefunden, in anderer Aufmachung und mit der 1. gekoppelt:


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Hallo Josef,


    das ich die russischen Kitaenko-Aufnahmen mit dwer Moskauer PH (Melodiya) favorisiere, davon hatte ich ja mehrfach berichtet. :!: Das gilt insbesondere für die Sinfonen Nr. 2, 3 und 4.
    Nachdem ich dann vor vielen Jahren Szell (SONY) hörte, trat für die Sinfonie Nr.5 Kitaenko deutlich ins Hintertreffen.


    8o Nun habe ich seit ein paar Tagen die o.g. Chicago-Levine-Hammeraufnahme, die auf den Spuren Szells wandelt, aber auch noch als Bonbon eine frapiernde Klangqualität liefert, dass alles Andere fast uninteressant wird.



    Ich habe auch noch die Melodia-Eurodisc-LP-GA-Box mit den Roshdestwensky-Aufnahmen der 7Sinfonien im LP-Schrank stehen, die eines der besten Prokofieff-Int darstellen. Auf CD wollte ich mir diese immer mal zulegen - die waren auch auf CD immer viel zu teuer - aber auf Grund des gebotenen Klanges würde ich mir diese Rosh-Aufnahmen nicht mehr kaufen --- Was soll ich mit dem dort fast historischen Klang ? Der würde bei mir keinen Hörspass mehr erzeugen können !
    8-) Der Vergleich mit Levine würde dann heuer wie "Tag und Nacht" wirken ...

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Ich habe mir vor kurzem die Aufnahme von Thomas Sanderling mit dem Novosibirsk Academic Symphony Orchestra geholt, weil ich einfach mal überprüfen wollte, ob ein russisches Orchester russische Musik tatsächlich besser spielen kann, wie hier manchmal behauptet wird. Tatsächlich kannte ich vorher weder Dirigent (ich kannte nur Kurt Sanderling) noch das Orchester. T. Sanderling hat die russische Staatsbürgerschaft, dürfte sich also dort zu Hause fühlen und ist Gastdirigent des Orchester.


    Im Vergleich zu Littons Aufnahme ist die von Sanderling deutlich differenzierter und lebendiger. Ich kann viel besser mitfühlen.


    Besonders im Kopfsatz hört man Anklänge an Shostakovich Lenningrader Symphonie. Aber auch im zweiten Satz, der einem Scherzo ähnlich ist, hat man immer wieder das Gefühl Shostakovich durchscheinen zu hören. Wobei ich natürlich Shosta Laie bin.


    Die dunkle Seite der Symphonie wird mehr betont, als die lärmende Fröhlichkeit, was mir deutlich besser gefällt. Ich mag die dunklen Bläserstimmen. Und die Kontraste kommen viel besser heraus, als bei Litton.


    Also im ganzen ein guter Kauf, der mir Prokofjievs 5. Symphonie deutlich näher gebracht hat. Und das russische Orchester hat gezeigt, das es was kann. :D


  • [...] ob ein russisches Orchester russische Musik tatsächlich besser spielen kann, wie hier manchmal behauptet wird.


    Das ist eine sehr interessante und schwer zu beantwortende Frage. Der berühmte russische Dirigent Jewgeni Swetlanow meinte mal überspitzt, dass nur Russen russische Musik interpretieren könnten. Auch wenn das so pauschal nicht stimmt und auch oft widerlegt wurde, ist vielleicht ein Fünkchen Wahrheit dran. Gerade zu Sowjetzeiten war das Land ja noch viel mehr abgekapselt und von äußeren Einflüssen isoliert, was sich auch im damals noch sehr spezifischen Orchesterklang zeigte, den zumindest ich als besonders idiomatisch erachte. Nach dem Zusammenbruch der UdSSR haben aber auch russische Orchester mehr und mehr westliche Einflüsse aufgenommen, wurden gewissermaßen "globalisiert". Deswegen kann man heutzutage selbst bei den führenden Orchestern der ehemaligen Sowjetunion nur mehr bedingt diesen Klang feststellen. Sogar das mittlerweile nach Swetlanow benannte Staatsorchester ist kaum mehr wiederzuerkennen.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Nach dem Zusammenbruch der UdSSR haben aber auch russische Orchester mehr und mehr westliche Einflüsse aufgenommen, wurden gewissermaßen "globalisiert". Deswegen kann man heutzutage selbst bei den führenden Orchestern der ehemaligen Sowjetunion nur mehr bedingt diesen Klang feststellen.


    Wahrscheinlich nicht, das stimmt. Vielleicht noch ein bisschen die Art der Interpretation. Aber ich weiß es auch nicht. Einzig sicher ist, dass mir diese Aufnahme mit diesem Orchester sehr gut gefalen hat. Das kann aber natürlich an ganz anderen Faktoren liegen, ich bin da kein Fachmann.

  • Erst heute bin ich dazu gekommen das Septemberheft 2018 von GRAMOPHONE zu lesen.
    Darin fand ich unter der Rubrik "Classics RECONSIDERED" ein ausführliches Gespräch über Karajans 1968-Einspielung von Prokofieffs FIFTH. Sehr interessant! Wer auf der Suche nach der Referenz-Einspielung ist, wird trefflichen Rat bekommen!



    Wer keine Möglichkeit hat, das Heft einzusehen, kann sich gerne an mich wenden. Ich habe eine Kopie gemacht und kann die Interessenten zusenden.


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

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