Johann Strauss jr (1825 -1899) - ein Ausnahmemusiker seines Genres

  • Neulich hat jemand im Forum bedauert dass Johann Strauß kein einziges "ernstes Stück" geschrieben habe.
    Ich bedaure das nicht, denn das was er hinterlassen hat ist ohnedies nicht genügend gewürdigt, darüber kann auch das alljährliche Wiener Neujahrzkonzert und das "Johann Strauß Orchester" eines selbsternannten "Walzerkönigs" aus den Niederlanden nicht hinwegtäuschen.


    Daher habe ich mich entschlossen diesen Komponisten und seine Werke - unter hoher Berücksichtigung der Gelegenheitswerke - in wenig in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stellen.


    Der WIKIPEDIA Beitrag ist ja nicht besonders ausführlich, enthält aber ein paar Informationen, die mir selbst nicht bekannt waren, wie beispielsweise, warum Strauß gegen den Willen seines gleichnamigen Vaters (Johann Strauß Vater) Musiker werden konnte:
    Aus Rache für "eheliche Untreue" von Johann Strauss Vater unterstützte die Mutter seine musikalische Ausbildung bei Joseph Drechsler (1782-1852) massiv.
    Der Vater sah zu rechte einen kommenden Konkurrenten heranwachsen. Vorerst aber starb einer von ihnen: Joseph Lanner (18011-1843)
    Aber schon 1844 trat der Sohn (Johann Strauß Sohn. dem unser Thread gewidmet ist) erstmals 1844 im Casino *Dommayer in Hietzing auf.


    Dort konnte der 19 jährige sich einem interessierten Publikum präsentieren. Das sensationshungrige Wiener Publikum kann in Massen, tanzen war vorgesehen, aber es waren zu viele Leue da


    Ich verlinke an dieser Stell zu op.1 "Sinngedichte"- So begann eine Weltkarriere.
    Hören wir den Walter heute, so werden wir sagen: "Ganz nett"
    Unter den Werken von Strauss finden wir prägnanteres - auch unter den "Gelegenheitswerken"
    Und deren gibt es etliche, Strauß wollte immer aktuell sein, quasi ein musikalischer Chronist der zeit.
    Für das zeitgenössische Publikum war der Walter indes eine Sensation. Begeistert stellte man fest, daß der Sohn ebensogut komponieren konnte wie der Vater......



    mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred



    *) nicht identisch mit dem heutigen Cafe Dommayer

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Im Eröffnungsbeitrag schreibt Alfred, dass Strauß „immer aktuell“ sein wollte, „quasi ein Chronist der Zeit“ und man kann dies durchaus an einigen Werken ablesen: Den Bau der Ringstraße beispielsweise, eingeleitet durch den Abriss der alten Stadtmauer, kommentierte Strauß mit der Komposition der „Demolier-Polka“. Und er war der erste, der Richard Wagners Musik in Wien vorstellte: 1853 brachte er das Vorspiel zum dritten Akt des „Lohengrin“ und den Pilgerchor aus „Tannhäuser“ (wahrscheinlich nur instrumental); 1854 im Sophiensaal die Ouvertüre zu „Tannhäuser“.


    Wagner schreibt in seinen autobiographischen Skizzen:
    „Auf den eigentlichen Lebensnerv des Wiener Theatergeschmackes traf ich bei der Oper ‚Zampa‘, welche damals das fast tägliche Repertoire an beiden Operntheatern, am Kärntner Tor und in der Josephstadt, erfüllte. Beide Theater wetteiferten im Feuer für diese außerordentlich beliebte Leistung: hatte das Publikum sich den Anschein gegeben in ‚Iphigenie‘ zu schwelgen, so raste es mit voller Wahrhaftigkeit in ‚Zampa‘; und trat man aus dem Theater der Josephstadt, in welchem soeben ‚Zampa‘ alles in Ekstase versetzt hatte, in die unmittelbar daran gelegene Tabagie von Sträußlein, so brannte mir unter Strauß' fieberhaftem Vorspiel ein Potpourri aus ‚Zampa‘ entgegen, welches die gesamte Zuhörerschaft fast ersichtlich in Flammen setzte. Unvergeßlich blieb mir hierbei die für jede von ihm vorgegeigte Pièce sich gleich willig erzeugende, an Raserei grenzende Begeisterung des wunderlichen Johann Strauß. Dieser Dämon des Wiener musikalischen Volksgeistes erzitterte beim Beginn eines neuen Walzers wie eine Pythia auf dem Dreifuß, und ein wahres Wonnegewieher des wirklich mehr von seiner Musik als von den genossenen Getränken berauschten Auditoriums trieb die Begeisterung des zauberischen Vorgeigers auf eine für mich fast beängstigende Höhe.“


    Johann Strauß hat auch Kompositionen der „Kollegenschaft“ verarbeitet - ein Beispiel ist die „Künstler-Quadrille“ op. 201 mit Musik aus Werken von Mozart über Beethoven, Weber, Mendelssohn bis hin zu Paganini.:


    .


    MUSIKWANDERER

  • Neulich hat jemand im Forum bedauert dass Johann Strauß kein einziges "ernstes Stück" geschrieben habe.


    Wie hätte wohl eine Symphonie von Johann Strauss geklungen? Leider werden wir es nie erfahren.


    Immerhin ein einziges Mal her sich an einer echten Oper versucht: 1892 mit "Ritter Pásmán", einer dreiaktigen komischen Oper. Die hohen Erwartungen wurden indes bitter enttäuscht, die Resonanz blieb sehr verhalten. Das Werk war mir bis vor kurzem auch gar nicht bekannt.


    Es gibt bis heute davon offensichtlich nur eine einzige (und noch dazu gekürzte) Aufnahme: 1975 in Wien entstanden mit dem ORF-Symphonieorchester unter Heinz Wallberg. Hier erhältlich.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Neulich hat jemand im Forum bedauert dass Johann Strauß kein einziges "ernstes Stück" geschrieben habe.

    Genau genommen ist das nicht richtig, denn unter der Opuszahl 243 wird die 'Romanze Nr.1 d-Moll für Violoncello und Orchester' geführt und die Opuszahl 255 ist an die 'Romanze Nr. 2 g-Moll für Cello, Harfe und Orchester' vergeben. Das aber ist auch nur wieder teilweise richtig, denn die Opuszahl 255 gilt auch für die 'St. Petersburg-Quadrille, nach russischen Themen'. Schlamperei? Unaufmerksamkeit? Ich weiß es nicht. Aber die beiden Romanzen finden sich sogar bei Youtube:




    Wenn man nicht weiß, wer der Komponist ist, kommt man sicher nicht auf den Wiener Walzerkönig - oder sehe (und höre) ich das falsch?


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Zitat

    Wie hätte wohl eine Symphonie von Johann Strauss geklungen? Leider werden wir es nie erfahren.


    Er wird genau gewusst haben, warum er es nicht gemacht hat
    Seine Domäne waren eben die Walzer (auch Konzertwalzer) Polkas, Mazurken etc--


    Wie erwähnt war seine Oper nichr erfolgreich, und das git auch für die meisten Operettem


    Die "Nacht in Venedig" war ein veritabler Flop und wurde durch zahlreiche Umarbeitungen und ergänzungen von fremder Hand erst publikumswirksam gemacht.


    "Wiener Blut" ist eine Kompilation von Adolf Müller jun, der Musik aus anderen Werken Von Strauß gekonnt zusammenstellte. Johann Strauß hatte sich (was ich bisher nicht wusste) damit einverstanden erklärt (er war zu krank und schwach um noch zu komponieren)
    einverstanden erklärt und soll beratend tätig gewesen sein.
    Die Premiere fand allerdings erst nach dem Ableben von Strauß am Wiener Carltheater statt. Sie war ein veritables Fiasko und führte zum Selbstmord des Theaterdirektors Franz Jauner, der sein Theater in den Konkurs gewirtschaftet hatte und sich von einer Operette von Johann Strauß die Rettung versprochen hatte.


    Strauß war aus seinem Parkett bestens etabliert, und er wollte sicher kein Risiko eingehen, denn er war eine eher schüchterne und ängstliche Natur:


    Kolportage:
    Er konnte nicht tanzen, legte sich bei Eisenbahnfahrten bei der Fahrt durch Tunnels aus Angst flach auf den Bauch und fragte, nachdem er Eine Einladung nach Boston (1872) bekommen hatte: "Und was, menss mich massakriern - die Indianer ??"


    Ich kenne diese Gerüchte seit Jahren konnte aber heute keine Quellen finden....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Also ich für meinen Teil hätte es dem 'Schani' schon zugetraut, eine Sinfonie zu schreiben und sie wäre bei seinen Instrumentierungskünsten sicherlich auch gut geworden. So wie es mich vor vielen Jahren auch überrascht hat, dass Franz von Suppé ein d-Moll-Requiem geschrieben hat, dass sich hören lassen kann und einen Meister zeigt.


    Von Johann Strauß gibt es neben den schon erwähnten und durch Youtube-Beispiele aufgezeigten ernsten Stücken noch einige kleinere Sachen, die keine Opuszahlen aufweisen, denen ich in meinem privat angelegten Johann-Strauß-Werkeverzeichnis das WoO-Ordnungssystem gegeben habe - es erleichtert mir die Recherche.


    Unter diesen WoO-Nummern gibt es zwei 'Symphonische Poeme' mit den Titeln 'Traumbild I' und 'Traumbild II'



    .


    MUSIKWANDERER

  • Herzlichen Dank für den Hinweis auf diese mir bisher unbekannten absoluten Kuriositäten!


    Wie ich gerade bei Naxos nachlas, handelte es sich bei den beiden "Traumbildern" um ganz späte Werke, die erst im Nachlass nach dem Tode von Strauss herausgebracht wurden.


    Johann Strauss schrieb darüber selbst: "Wie ich mir jetzt die Zeit vertreibe, ist sehr komisch. Ich begann ein zwischen Ernst und Humor gehaltenes Orchesterstück, mich an keine Form bindend. Der Ernst zum Scherz bildet einen großen Sprung, demnach ich es der freien Phantasie überlassen muß, wie die Sprünge geschehen. Die erste dieser musikalischen Verirrungen ist mehr leidenschaftlich, die zweite ist ein Porträt Adèles."


    Der Verlag Josef Weinberger sprach in einer Zeitungsannonce vom 8. Dezember 1899 von einer "Novität" und einem "sensationelle[n] musikalische[n] Weihnachtsgeschenk". Offenbar wurde damals lediglich vom "Traumbild 1" eine Orchesterfassung veröffentlicht. Die Reihenfolge wurde offensichtlich vertauscht, denn das Porträt von Strauss' Gattin Adéle war ursprünglich Nr. 2. Eine Aufführung kam am 21. Jänner 1900 im Rahmen eines "Johann-Strauss-Gedächtniskonzerts" zustande. Das heute als "Traumbild 2" betitelte Werk erschien höchstwahrscheinlich nur als Klavierausgabe. Die auf YouTube verlinkte Aufnahme ist dem Infotext zufolge die Weltersteinspielung der Orchesterfassung.


    Der Begriff "Symphonische Dichtung" trifft auf das tiefgründigere "Traumbild 1" m. E. durchaus gut zu. Merkmale einer Tondichtung entdecke ich übrigens auch beim Tanzwalzer "Geschichten aus dem Wienerwald" op. 325, einem der stärksten Werke aus der Feder von Johann Strauss Sohn.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

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    – Luís de Camões