Kunstlieder von Beethoven

  • Ich konnte mit der Suche noch keinen Thread zu den Kunstliedern Beethovens finden.


    Ich kenne ehrlich gesagt genau eines, und zwar aus dem Gesangsunterricht. Da war mein erstes Lied "Marmotte" op. 53 no. 7.


    Der Text ist von Goethe:

    Nicht sonderlich tiefgründig, und die Musik ist auch sehr einfach, aber sie ergreift mich. Auf youtube sind einige Aufnahmen. Am besten gefällt mir Schreier:


    Fischer-Dieskau:


    Welche anderen schönen Lieder gibt es von Beethoven und welche Aufnahmen sind empfehlenswert?

  • Es gibt ein Dreierset? mit Peter Schreier, dass die meisten (und alle bekannten) Lieder Beethovens enthält. Es gibt auch mehrere Auswahlplatten (EMI und DG) mit Fi-Di aus unterschiedlichen Stadien seiner Karriere.
    Überhaupt haben die meisten bekannteren männlichen Sänger eine Beethoven-Auswahl im Programm gehabt. Die bekanntesten Einzellieder sind vermutlich "Adelaide" (ein frühes, eher arienhaftes Werk), das Flohlied aus Faust und der (einzige) Zyklus "An die ferne Geliebte". Letzterer ist ein zwar kurzes, aber hochbedeutendes Werk, weil es ein sehr enger Zyklus ist, bei dem die Lieder quasi nahtlos ineinander übergehen, also ganz anders als wenige Jahre später bei Schubert und ein zentrales Werk für Schumann. Das ist auf den meisten Anthologien auch mit dabei.


    Dann gibt es noch einige hundert Bearbeitungen von Volksliedern (meist für Stimme und Klaviertrio), bei denen die Melodien i.d.R. nicht von Beethoven stammen. Die sind aber auch sehr schön.


    Hier gab es schonmal einen thread zu der Volksliedern.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Danke. Ich hatte das Kunstliedforum nicht gesehen und daher in Klassik/Romantik gepostet.


    Meinst du diese Aufnahme

    mit 5 CDs (nicht nur von Beethoven)?

  • Nein, ich meinte dieses Set, ursprgl. Berlin/Eterna, dann Brilliant (meines Wissens sind die Inhalte identisch)



    eine schöne Einzel-CD mit den bekanntesten Liedern (Bariton Stephan Genz) ist die folgende:


    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Es wäre interessant, zu wissen, wie Ihr hier Beethovens Lieder einstuft. Ich erinnere mich, einst im Internet oder in einem Booklet gelesen zu haben daß jemand sinngemäß schrieb, die Lieder Beethovens wären eher ein "Nebenprodukt", "hätten wir keines von ihnen, dann wäre das kein großer Verlust"
    Solche Aussagen können mich auf die Palme bringen, denn genau sie sind es, die oft interessante Werk in die Vergessenheit beförderten, weil hier Autorn von Opernführern, Konzertführern und anderen Nachschlagewerken ihre persönliche Meinung oder Abneigung für alle Zeiten festzementierten...


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zit. Alfred Schmidt: "Solche Aussagen können mich auf die Palme bringen..."


    Und mit Recht!
    Beethovens Liedkomposition stand - und steht noch heute – im Schatten seiner großen und musikhistorisch höchst bedeutsamen Instrumentalwerke. Daher ihre Einstufung als „Nebenprodukte“.
    In der Sache, das heißt als musikalische Werke, sind sie aber alles andere als das. Nicht nur die Tatsache, dass Beethoven insgesamt 79 Lieder (einschließlich einiger italienischsprachiger) hinterlassen hat, macht ihn zum bedeutendsten Liedkomponisten vor Schubert; es ist vor allem ihre musikalische Substanz, die dies bedingt. Wenn man das Wesen des Kunstliedes in seinem Charakter als musikalische Lyrik sieht, dann liegt bei Beethoven spätestens mit seiner Komposition „Adelaide“ eben eine solche vor. Bei dieser 1796 entstandenen Komposition ist es ihm gelungen, auf meisterhafte Weise die lyrischen Bilder in den Versen Matthissons musikalisch einzufangen.
    Und wie sehr hinter dieser Komposition – und auch denen, die nachfolgen – tiefgreifendes Sich-Einlassen auf Lyrik steht, es sich also keineswegs um eine „Gelegenheitskomposition“ handelt – ein „Nebenprodukt also –, das verrät sein an Matthisson gerichteter Widmungsbrief aus dem Jahre 1800:
    „Mein heißester Wunsch ist befriedigt, wenn Ihnen die musikalische Komposition Ihrer himmlischen Adelaide nicht ganz mißfällt und wenn sie dadurch bewogen werden, bald wieder ein ähnliches Gedicht zu schaffen, und fänden Sie meine Bitte nicht unbescheiden, es mir zu schicken, und ich will dann alle meine Kräfte aufbieten, Ihrer schönsten Poesie nahe zu kommen.“
    „Der Poesie nahekommen“, - das ist das Wesen von Liedkomposition. Und Beethoven hat davon – nicht nur in seinem zweifellos bedeutendsten Werk „An die ferne Geliebte", sondern auch in vielen kostbaren Einzelkompositionen – auf herrliche Weise Zeugnis abgelegt.


    (Eben habe ich mich entschlossen, nach Abschluss meiner Arbeit an dem geplanten Thread "Schumann und Heine" die Betrachtung der Beethoven-Lieder in Angriff zu nehmen. Weiß auch nicht, warum ich das bis jetzt noch nicht getan habe.)

  • „Der Poesie nahekommen“, - das ist das Wesen von Liedkomposition


    Hallo Helmut,


    meine Meinung ist Dir bekannt: Die Musik vermittelt die Tiefen der Poesie - zumindest 1 Beispiel, "Die Taubenpost". (Hat der oft schroffe Beethoven mit "seiner" Meinung beim Dichter einen wohlwollenden Eindruck hat hinterlassen wollen?)


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Ich kann nur aus Sicht des Sängers sprechen:
    Ich finde sehr viel Ansprechendes, Berührendes und Gefühlvolles in den Liedern. Leider war Beethoven aber ein viel größerer Pianist als Sänger. - Ich empfinde manche Lieder als nicht unbedingt "stimmfreundlich" komponiert: Lange Passagen in den unangenehmen Übergangslagen, viele Schraubbewegungen nach oben, etc. Ich denke mir dann auch oft: Vielleicht bin ich einfach technisch noch zu wenig versiert. - Jedenfalls empfinde ich viele dieser Lieder als technisch herausfordernd.


    Aber wegzudenken sind Werke wie An die ferne Geliebte, Zärtliche Liebe, Adelaide, Der Kuss, Sechs geistliche Lieder von Gellert für mich keinesfalls. Ich mag sie gerne, ich höre sie oft. Ich empfinde sie auch nicht als "Nebenprodukt". - Aber gut, neben der Brillanz der Symphonien mögen sie vielleicht nicht ganz so hell glänzen.
    LG
    isi

    Die Menschen muss man nehmen, wie sie sind, nicht wie sie sein sollten.
    Franz Schubert

  • Ich weiß, was Du mit dem Verweis auf die "Taubenpost" sagen willst, lieber zweiterbass. Wir hatten ja mal ein interessantes Gespräch darüber.
    Was den Widmungsbrief von Beethoven anbelangt, so drückt er sich darin in der Tat überaus höflich aus. Aber er hat ja auch eine Bitte an Matthisson, und die ist - wie ich das sehe - höchst vielsagend. Er hätte gerne weitere Lyrik von der Qualität einer "Adelaide", weil er Lieder komponieren möchte und dazu die Inspiration durch ihn ansprechende Texte benötigt. Das zeigt eben, dass ihm Liedkomposition ein echtes Anliegen, ein Bedürfnis war. Keine Sache also, die nebenbei betrieben wird, - wenn einem zufällig mal gerade ein Gedicht in die Hände fällt.

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  • Sogar Dietrich Fischer-Dieskau und Fritz Wunderlich haben einige Beethoven Lieder aufgenommen.
    Längst gestrichen - Amazon schreibt - sie hätte noch EIN Exemplar (aber das glauve ich nicht)
    übrigerns zum mehr als doppelten einstigen Preis in dieser Ausgabe der Serie "Galleria"



    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Dietrich Fischer-Dieskau und "einige Beethoven Lieder"?


    Er hat eine ganze Fülle von Interpretationen hinterlassen. Die erste Aufnahme entstand 1951 bei EMI mit dem Zyklus "An die ferne Geliebte" mit Gerald Moore als Begleiter. Dann folgten eine ganze Reihe weitere Produktionen. Die umfassendste ist die 3 Lp-Kassette, die 1966 bei der Deutschen Grammophon erschien. Jörg Demus ist dabei der Begleiter. 1982-84 kam es bei EMI noch einmal zu einer Aufnahme in Gestalt einer Kassette. Hartmut Höll begleitete ihn nun. Sie enthält 53 Lieder Beethovens.

  • Zitat

    Helmut Hofmann: (Eben habe ich mich entschlossen, nach Abschluss meiner Arbeit an dem geplanten Thread "Schumann und Heine" die Betrachtung der Beethoven-Lieder in Angriff zu nehmen. Weiß auch nicht, warum ich das bis jetzt noch nicht getan habe.)


    Wenn du damit beginnst, lieber Helmut, werde ich mich auch mal ab und zu melden, da ich alle Lieder Beethovens habe, komplett in dieser Ausgabe:

    dann Auschnitte in diesen Boxen:


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Ich sehe gerade, lieber Helmut, dass du auch Fischer-Dieskau angesprochen hast. Allein die von mir gepostete CD mit Jörg Demus enthält 27 Lieder, darunter z. B. mit "An die Hoffnung" op. 98 (Text Christoph August Tiedge) mit 7:48 min oder der Adelaide (Friedrich von Matthison) op. 46 mit 6:29 min. oder Seufzer eines Ungeliebten - Gegenliebe (Gottfried August Bürger) WoO 118 richtig umfangreiche.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Zit. Alfred Schmidt: "Solche Aussagen können mich auf die Palme bringen..."


    Und mit Recht!
    Beethovens Liedkomposition stand - und steht noch heute – im Schatten seiner großen und musikhistorisch höchst bedeutsamen Instrumentalwerke. Daher ihre Einstufung als „Nebenprodukte“.
    In der Sache, das heißt als musikalische Werke, sind sie aber alles andere als das. Nicht nur die Tatsache, dass Beethoven insgesamt 79 Lieder (einschließlich einiger italienischsprachiger) hinterlassen hat, macht ihn zum bedeutendsten Liedkomponisten vor Schubert; es ist vor allem ihre musikalische Substanz, die dies bedingt.

    Mein Hang Komponisten-Ouvres immer möglichst integral zu hören (wenn auch gelegentlich mal nur eine Gattung pro Komponist dran ist), führt dazu, dass ich solche als "Nebenprodukte" bezeichneten Werken doch recht häufig höre. Beethoven ist, wie Helmut Hofmann zurecht sagt, der bedeutendste Liedkomponist vor Schubert. Seine Lieder berühren mich immer wesentlich mehr, als Mozarts. Eigentlich komisch, da Mozart ja mehr aus der Melodie denkt und schreibt, als Beethoven.

    Die Lieder, die mich am meisten begeistern und berührend sind die Opp. 32, 46, 48, 83.1, 94, 98 & WoO 150.


    Beethovens Adelaide Op. 46 gefällt mir vom Melodiefluss noch besser, als Schuberts Vertonung. An die ferne Geliebte Op. 98 ist ein großartiger kleiner Zyklus, theoretisch so etwas wie der erste Liederzyklus überhaupt. Das Finale "Nimm sie hin denn diese Lieder" hat mich mit der leisen Melancholie, die gleichzeitig tröstlich und hoffnungsvoll ist schon immer berührt. Schumanns Verarbeitung in der 2. Sinfonie ist dann eher mitreißend, als berührend - gefällt mir aber nicht minder.


    Doch besonders möchte ich auf das kleine Abendlied WoO 150 hinweisen. Ein kleines Juwel, dessen feierliche Melodie choralartig wirkt und dem Text entspricht. Das Gedicht von Otto Heinrich von Goeble wird als Strophenlied (freilich mit variierender Begleitung in den vier Strophen) vertont. Die dreigeteilte Melodie steigt zunächst ab, dann emphatisch auf und findet schließlich einen hymnischen Abschluss. Der Melodiefluss entspricht dabei dem lyrischen Aufbau jeder Strophe: Klage - Hoffnung - Gewissheit würde ich das in eigenen Worten und etwas schubladenhaft charakterisieren. Im ersten Strophenteil wird zu absteigender Melodie entweder geklagt, oder wenigstens die Dunkelheit besungen, bevor es zu Lichtmetaphorik und schließlich (religiöser) Glaubensgewissheit kommt.

    In der ersten Strophe liegt zwar kein Klage vor, dafür Dunkelheitsmetaphorik ("Wenn die Sonne niedersinket..."). Abgelöst wird sie zu nun aufsteigender und mit feierlichen Akkorden begleiteter Melodik von Lichtmetaphorik ("Wenn die Sterne prächtig schimmern, tausend Sonnenstraßen flimmern"). Sie mündet zu sich einpendelnder Melodik, die einem formelhaften Choralschluss ähnelt mit einer Art Gewissheit: "Fühlt die Seele sich so groß, windet sich vom Staube los".

    Dass Beethoven nicht schematisch vorgeht, zeigt sich in der zweiten Strophen, wo der Abstieg der Melodie zunächst umgekehrt als Aufstieg komponiert ist, weil kurzfristig von den "Sternen" die Rede ist.

    In der dritten Strophe wieder Klage ("Ob der Erde Stürme toben") - Hoffnung ("Keine Furcht kann sie mehr quälen...") - Gewissheit ("Mit verklärtem Angesicht schwingt sie sich zum Himmelslicht").

    Ebenso in der letzten Strophe: "Lange nicht mehr dauert meine Erdenpilgerbahn" - "Bald hab ich das Ziel errungen..." - "Ernte bald an Gottes Thron meiner Leiden schönen Lohn".


    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • „Der Poesie nahekommen“, - das ist das Wesen von Liedkomposition. Und Beethoven hat davon – nicht nur in seinem zweifellos bedeutendsten Werk „An die ferne Geliebte", sondern auch in vielen kostbaren Einzelkompositionen – auf herrliche Weise Zeugnis abgelegt.

    Und davon zeugen auch die bereits erwähnten Aufnahmen. Geht man diverse Diskographien von Sängern durch, Beethoven ist meist anzutreffen. Sogar bei Kirsten Flagstad. Preiser veröffentlichte die sehr lyrischen Einspielungen mit Karl Erb. Michael Raucheisen hat im Rahmen seiner brühmten Lied-Edition 52 einzelne Titel eingespielt. Sie entsprechen oft nicht mehr unseren heutigen Vorstellungen - aber es gibt sie, und sie sind auch auf CD zugänglich.



    Nicht zu vergesen die noch nicht erwähnte Gesamtaufnahme mit Hermann Prey und Pamela Coburn bei Capriccio. In seiner mehrteiligen großen Platten-Liederedition, die beim Minnegesang beginnt, findet sich freilich auch eine stattliche Beethoven-Abteilung.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • (Eben habe ich mich entschlossen, nach Abschluss meiner Arbeit an dem geplanten Thread "Schumann und Heine" die Betrachtung der Beethoven-Lieder in Angriff zu nehmen. Weiß auch nicht, warum ich das bis jetzt noch nicht getan habe.)

    Ist es dazu gekommen, lieber Helmut Hofmann ? Ich habe keinen Thread gefunden, aber deine Betrachtungen würden mich sehr interessieren.

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Schön, dass Du dich für Beethovens Liedschaffen interessierst, lieber Tristan. Ja, ich habe damals diesen Thread "in Angriff genommen" (würde ich heute nicht mehr so formulieren, klingt so kriegerisch), und er liegt fertig vor, hier nämlich:

    Ludwig van Beethoven. Liedmusik im Geist der Klassik


    Du kannst dich übrigens über all das, was zum Thema "Kunstlied" hier im Forum an Threads vorhanden ist, in diesem Inhaltsverzeichnis informieren:

    THEMEN des KUNSTLIEDFORUMS nach Komponisten geordnet


    Ich hoffe sehr, dass ich dir mit meinen Ausführungen zu Beethovens Liedern dienlich sein kann.