romeo&julia: Unverzichtbare Klassikaufnahmen

  • Hallo werte Musikfreunde und TaminoanerInnen


    Ein schöner Thread an dem wir uns gerne beteiligen möchten.


    Wir sind zwei, Julia gelegentlich selbst am Klavier vorfindend (Hobby), mit Vorliebe J.S.Bach, Schumann und Haydn.
    Romeo, ohne eigene Spielerfahrung, hört ihr aber gerne zu, trotzdem jahrzehntelange Beschäftigung mit klassischer Musik und Jazz.


    Unser Interesse gilt natürlich dem Solowerk für Klavier. Via dem Jazz hörten wir anfangs vor allem zeitgenössische Musik sowie dem 20. Jahrhundert. Zu unseren Lieblingen gehören Gubaidulina, Schnittke, Ligeti, Ravel, Janacek oder Schostakovich. Langsam wuchs unser Interesse in die Vergangenheit. So kamen wir nun in der Renaissance an mit Stops in allen Zeitepochen mit Schwerpunkt Beethoven, Schubert, Bach, Chopin, Monteverdi aber auch Dufay, Ockeghem oder Morales aus der Renaissance.


    Unsere Sammlung setzt sich nicht nur aus den verschiedenen Zeitepochen zusammen, sondern sie enthält auch viele unterschiedliche Aufnahmen desselben Werkes, insbesondere gilt dies für das Klavierwerk.


    So werden wir CD’s aus verschiedenen Zeitepochen und Stilrichtungen vorstellen können und hoffentlich so etwas für Abwechslung sorgen. Die Nennungen werden zufällig erfolgen und haben nicht immer den Anspruch auf Referenz.


    Und nun viel Freude und weiterhin Spass am Musizieren und Musikhören.


    Gruss


    romeo&julia

  • Hallo liebe TaminoanerInnen


    Zu unseren liebsten Musikgattungen zählt eindeutig das Streichquartett. Besonders oft hören wir uns folgende zwei Werke an;
    Leoš Janácek
    Streichquartette Nr. 1 (Kreuzersonate) von 1923 und Nr. 2 (Intime Briefe) von 1928


    Das Streichquartett "Intime Briefe" ist eng mit Janáceks Biographie verknüpft. 1917 hatte der Komponist die 38 Jahre jüngere - und verheiratete - Kamila Stösslová kennengelernt, und bis zu seinem Tode stand er ganz im Banne dieser Frau. Jaroslav Vogel, der Janácek noch selber gekannt hat, meint in seiner Monographie, es habe sich um eine Beziehung gehandelt, "ohne daß sie sich dabei, wie wir annehmen dürfen, der formalen ehelichen Untreue nach dem Gesetz schuldig machte, ja wahrscheinlich ohne daß sie ihn überhaupt liebte. .." Er hat ihr mehr als 600 Briefe geschrieben. Intim nahe kaum er Stösslová nie, sieht man mal von einem Kuss ab.
    Beide Werke bestehen zwar aus jeweils vier Sätzen, aber Formen wie Sonatensatz, Scherzo oder Rondo lassen sich, wenn überhaupt, nur noch schemenhaft erkennen. Janáceks Streichquartette tendieren mehr in Richtung Programmmusik, ohne sich freilich Takt für Takt in Außermusikalisches übersetzen zu lassen.
    Dem Ersten Streichquartett liegt als literarisches Thema Tolstois “Kreutzersonate” zugrunde. In dieser “Geschichte einer Ehe” steht ein Gutsbesitzer im Zentrum, der aus Eifersucht seine Gattin getötet hat. Tolstoi verurteilt die Ehebrecherin, Janácek jedoch ergreift für sie Partei. Seine Musik ist voller Mitleid für die gequälte, in der Ehe unglücklich gewordene Frau, ganz so, wie sie es bereits zwei Jahre zuvor in der Oper “Katja Kabanowa” gewesen ist. Das Zweite Streichquartett ist autobiografischen Zuschnitts. “Intime Briefe” hat ihm Janácek als Titel gegeben, ohne mehr darüber zu verraten. Doch die Musik spricht für sich: Sie ist eine einzige leidenschaftliche Liebeserklärung, die der vierundsiebzigjährige Komponist seiner um achtunddreißig Jahre jüngeren Muse Kamila Stösslová machte.
    Janáceks Streichquartette fordern den Interpreten nicht nur technisch einiges ab, auch emotional muß die Vierergruppe Farbe bekennen. Es sind Streichquartette im Schnittpunkt zwischen Idylle und Besessenheit.


    Wir möchten die Aufnahme mit dem österreichischen Hagen-Quartett nennen. Sie reiben die Gegensätze der Musik aneinander und lassen die Quartette als Musik des 20. Jahrhunderts gelten und romantisieren die beiden Stücke nicht.



    Gruss


    romeo&julia

  • Hallo liebe TaminoanerInnen


    Heute möchten wir ein stilles, aber umso intensiveres Werk vorstellen. Kürzlich konnten wir dem Konzert mit den Widmungsträgern beiwohnen.


    Sofia Gubaidulina
    Die Sieben Worte 1982
    Für Cello, Bajan und Streicher


    Gewidmet Wladimir Toncha (Cello) und Friedrich Lips (Bajan)


    Der Anstoss zu diesem Werk kam von Toncha der Gubaidulina um ein neues Werk für Cello gebeten hatte.
    Ein Stück mit den sieben Worten Jesu Christi am Kreuz wurde bereits ebenfalls von Schütz und Haydn komponiert. Das Mysterium der sieben letzen Worte Jesu am Kreuz "mit instrumentalen metaphorischen Gesten" in Klänge zu fassen, war das Anliegen der russischen Komponistin Sofia Gubaidulina. Die Kreuzsymbolik ist im Werk allgegenwärtig: Das Cello als Kunstmusikinstrument und Symbol für Christus am Kreuz steht dem irdischen Bajan, einer Knopfharmonika aus der Volksmusik gegenüber als göttliche Vaterwelt und die Streicher stellen den Evangelist dar, durch das der heilige Geist spricht.
    In ihren „Sieben Worte“ knüpft Gubaidulina nicht an Haydn, sondern an Schütz an – insbesondere an dessen Passage „Mich dürstet“ die in ihrem Werk mehrfach auftritt. Wie aus einem musikalischen Keim entfaltet sie aus diesem Motiv die chromatische und mikrochromatische Sprache der Solisten und die Diatonik der Streicher. Nach immer neuen Steigerungen erreicht das Werk seinen Höhepunkt am Ende des sechsten Satzes. Das Cello gleitet nach dem forte fortissimo-Spiel auf der tiefsten Seite im Augenblick des Kreuzestodes hinter den Steg.


    Leider ist zur Zeit keine Aufnahme mit den Widmungsträgern erhältlich. Doch auch die Aufnahme mit Pergamenschikow (Cello),E. Moser (Bayan) überzeugen sehr. Frau Moser ist ebenfalls öfters Widmungsträgerin von Werken Gubaidulinas.



    Gruss


    romeo&julia

  • Hallo liebe TaminoanerInnen


    Zu unserer verwunderung selten im Forum behandelt, möchten wir
    Erwin Schulhoff mit dem Duo für Cello und Violine gerne näher bringen.


    Erwin Schulhoff wurde am 8. Juni 1894 in Prag geboren. Durch eine Empfehlung von Antonín Dvorák wurde er bereits als Zehnjähriger in die Klavierklasse des Prager Konservatoriums aufgenommen. Er setzte seine Studien 1906 in Wien, 1908 in Leipzig und 1913 in Köln fort. Aufgrund seiner exzellenten Studienleistungen erhielt Schulhoff den Wüllner-Preis, außerdem gewann er den Felix-Mendelssohn-Preis gleich zweimal: einmal als Pianist 1913, später dann als Komponist 1918.
    Nach den Kriegsjahren in der Österreichischen Armee lebte er bis 1923 in Deutschland. Hier interessierte er sich vor allem für die radikalen Richtungen der Avantgarde, für Dadaismus und Jazz , wurde aber auch nacheinander oder parallel von Impressionismus, Expressionismus und Neoklassizismus beeinflusst.
    Durch die deutsche Kriegerklärung an die Sowjetunion wurde er plötzlich Bürger eines Feindstaates, am 23. Juni in Prag interniert und in das Konzentrationslager Wülzburg bei Weißenburg/Bayern deportiert, wo er am 18.8.1942 starb. ERWIN SCHULHOFF war nicht in Theresienstadt wie viele seiner jüdischen Künstlerkollegen interniert.
    Sein Duo für Violine und Violoncello (1925) ist Janacek gewidmet und strahlt im Gegensatz zu den bekannten Duos von Ravel und Kodaly die ihre französischen bzw. ungarischen Wurzeln aufzeigen, starken tschechischen Einfluss aus. Die Freiheit des ersten Satzes schafft eine Verbindung zu volkstümlich Unterhaltendem und die Zingaresca des zweiten Satzes ist das perfekte Beispiel von Schulhoffs Einstellung, das "Musik niemals Philosophie ist; sie entstammt einer ekstatischen Grundhaltung und findet ihren Ausdruck in rhythmischer Bewegung". Für Schulhoff ist Rhythmus das zentrale Element der Musik. Das Andantino des dritten Satzes ist eine wunderschöne, traurige Melodie, die über alternierenden Pizzicati von Violine und Cello schwebt, vor dem Finale Material aus dem ersten Satz aufgreift und in einer Explosion von unbändiger Energie und Überzeugungkraft mündet.


    Das Werk wurde bereits verschiedentlich eingespielt. Eine aktuelle Veröffentlichung ist die Aufnahme mit Daniel Hope, Dukes und Watkins.



    Gruss
    romeo&julia

  • Hallo liebe TaminoanerInnen


    1987 bin ich erstmals beim Film „une femme dans mon coeur“ vom schweizer Regisseur Alain Tanner auf die tief beeindruckenden Cellosuiten von Johann Sebastian Bach gestossen. Seither lassen mich die Suiten nicht mehr los und eine stattliche Anzahl verschiedener Interpretationen sind inzwischen unser Eigen.
    Seit jeher gehören die Solosuiten von Johann Sebastian Bach zum Anspruchsvollsten, was die Literatur für Violoncello bereitstellt. Mit der Komposition von Sonaten und Suiten für ein unbegleitetes Melodieinstrument betrat Johann Sebastian Bach für seine Zeit höchst unkonventionelles Neuland.
    Den sechs zeitlich ausgreifenden Werken ist allein mit technischer Virtuosität nicht beizukommen; das Monologisieren ohne begleitenden Partner erfordert vom Interpreten eine interessante und vielschichtige Persönlichkeit, welche jeden der Sätze und jede der Suiten variabel artikuliert.
    Bach hat die Suiten als Studienmaterial anlegte.
    Gleichwohl dürfte deren Entstehung in zeitlicher Nähe zu den Solowerken für Violine liegen und die Zusammengehörigkeit beider Werkzyklen wird durch die Titelseite von Bachs Autograph der Violinwerke untermauert, die die Aufschrift ‘Libro primo’ trägt. Die Cellosuiten sind demnach als Pendant zu den Violinwerken gedacht.


    Von den vielen Einspielungen die in unserem Besitze sind, möchten wir die noch relativ neue Einspielung des deutschen Cellisten
    Daniel Müller-Schott erwähnen. Seine elegante Bogenführung und der schöne Klang seines Instrumentes können durchaus süchtig machen.



    Daniel Müller-Schott "Johann Sebastian Bach, 6 Suiten für Violoncello solo"


    Gruss


    romeo&julia

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  • Hallo liebe TaminoanerInnen


    Die erste Platte die wir uns von Schostakowitsch gekauft hatten war die Kammersymphonie op.110a.


    Seit Beethovens „Rasumowsky-Quartetten“ gibt es in der Geschichte der Gattung den Typus des orchestral konzipierten Quartetts, in dem Stil und Charakter des Werkes die Grenzen des Kammermusikalischen streifen. Diese Grenzen hat Beethoven in seiner Fuge für Streichquartett op. 133 überschritten, so dass das Stück auch in Orchesterkonzerten heimisch geworden ist: die grössere Klangfülle der einzelnen Stimmen führt zu einer besseren Verständlichkeit der kompositorischen Struktur und lässt den Hörer auch die inneren Spannungen im Ausdruck leichter rezipieren.
    Ähnlich verhält es sich bei den Bearbeitungen, die der russische Dirigent Rudolf Barschai von Schostakowitschs Streichquartetten Nr. 8 (op.110) und Nr. 10 (op. 118 ) angefertigt hat. Rudolf Barschais ist Gründer des Moskauer Kammerorchester und war Schostakowitsch-Schüler. Das Werk ist in dieser Form festes Konzertrepertoire geworden. Schostakowitsch schrieb das VIII. Streichquartett zu seinem eigenen Andenken. Die Originalwerke enthalten ausgeprägte orchestrale Elemente. So scheinen die begleitenden Akkord-Schläge im zweiten Satz von Opus 110 mit ihrer sfff-Dynamik geradezu von einer orchestralen Vorstellung inspiriert zu sein; und auch der Pesante-Charakter der Achtel zu Beginn des vierten Satzes suggeriert eine erheblich grössere Klangfülle. Greifbar wird der egozentrische und persönliche Charakter des Stückes in dem oft verwendeten musikalischen Kürzels ‘d-es-c-h’, das die Initialen Schostakowitschs in verschlüsselter Form enthält. In ähnlichem Sinne weisen die Doppelgriff-Partien im zweiten Satz von Opus 118 über die kammermusikalischen Grenzen hinaus; andererseits ist aber auch der Ausdruck des Adagio-Themas das im Fortissimo espressivo vorzutragen ist, von solcher Intensität, dass eine Orchesterbesetzung schon fast natürlich erscheint. Rudolf Barschai ist nicht der einzige, der Schostakowitschs VIII. Streichquartett bearbeitet hat. Das Werk ist 1960 unter dem Eindruck von Bildern der zerstörten Stadt Dresden entstanden, und schon 1961 erschien eine Instrumentierung für Streichorchester und Pauken von Abram Stasevitch. Barschai beschränkt sich in beiden Bearbeitungen auf ein reines Streichorchester, schreibt aber zusätzlich zu den Violoncelli noch Kontrabässe vor, die er gelegentlich teilt, so dass eine Gruppe die entsprechende Partie eine Oktave tiefer spielt. Auch in anderer Hinsicht lässt die Bearbeitung die Absicht erkennen, klanglich zu differenzieren: so in der solistischen Heraushebung einzelner Instrumente oder auch in der dreifachen Teilung der Celli.


    1990 brachte die Deutsche Grammophon die beiden Bearbeitungen unter Rudolf Barshai mit dem Chamber Orchestra of Europe heraus. Leider ist die Aufnahme zur Zeit nicht mehr greifbar.



    Gruss


    romeo&julia

  • Hallo liebe TaminoanerInnen


    Wir sind grosse Liebhaber des Streichquartettes. Eine besondere und längjährige Liebe hegen wir gegenüber dem
    Streichquqrtett d-Moll D810 „Der Tod und das Mädchen“ von Franz Schubert 1824 komponiert.


    Das Streichquartett d-Moll , eines der Werke, mit denen Schubert sich den Weg zur grossen Sinfonie bahnen wollte, spiegelt seine Verzweiflung über berufliche und private Fehlschläge wider, „jenes fatale Erkennen einer miserablen Wirklichkeit“, über das er zur Zeit der Komposition schrieb. In seiner bedrückenden Wirkung fand das Werk durchaus nicht ungeteilten Beifall: Nach der Uraufführung, die 1826 privat im Freundeskreis stattfand, soll der 1. Geiger (Ignaz Schuppanzigh, dessen Quartett auch Beethoven-Streichquartette uraufführte), zu Schubert gesagt haben: „Brüderl, das ist nichts, das lass gut sein; bleib du bei deinen Liedern!“, worauf dieser die Noten „still zusammenpackte und sie für immer in seinen Pulte verschloss“. Zu Schuberts Lebzeiten wurde das Werk nicht wieder gespielt; auch einen Verleger fand es erst 1831.
    Seine einzigartige Expressivität und motivische Dichte gewinnt das Quartett durch seinen engen Zusammenhang mit dem Matthias-Claudius-Lied „Der Tod und das Mädchen“ op. 7/3 D531, aus dem nicht nur das Thema der Variationen, sondern auch alle anderen Sätze abgeleitet sind. Das im Jahre 1817 entstandene Lied hat zwei Strophen, deren wichtigste Motive die Tonwiederholung – ein altes Todessymbol – und erst die aufsteigende, dann sinkende Melodik als Ausdruck von Entsetzen und Resignation in der Strophe des Mädchens sind. Der Hauptsatz des Quartetts beginnt mit Tonwiederholungen und den sinkenden Intervallen. Mit immer rascher aufeinander folgenden und nun ansteigenden melodischen Spitzentönen bildet er eine einzige Steigerung, die einen Höhepunkt (T. 41), aber keinen (als Beruhigung wirkenden) Schluss erreicht. Auch dem Seitensatz (ab T. 61) fehlt die melodische oder harmonische Geschlossenheit, die ein Thema üblicherweise erwarten liesse. Im Gegenteil – mit seinen Abschnitten in verschiedenen Tonarten, den modulierenden Sequenzen, harmonischen Rückungen und abrupten Stimmungswechseln trägt er durchführungsartige Züge. Die Gefahr eines Spannungsabfalls in der Durchführung selbst wegen dieser Vorwegnahme meistert Schubert mit Bravour: Eine sehr komplexe Satztechnik mit Überlagerungen verschiedener Rhythmen in den einzelnen Stimmen bei gleichzeitiger höchster motivischer Dichte entsteht durch Kombination von Hauptsatz- und Seitensatzmotiven.
    Kühne Harmoniefortschreitungen führen in einer grossangelegten Steigerung auf die Reprise hin. Dem bisherigen kompositorischen Verfahren, die Spannung immer weiter zu erhöhen, wird auch der Beginn der Reprise gerecht: Sie setzt gleich mit dem als Höhepunkt der Hauptsatzgruppe konzipierten Abschnitt ein. Die dabei ausgesparte Hauptsatz-Eröffnung greift Schubert in der Coda wieder auf: Sie täuscht zunächst – wie der Satzanfang – ein langsames Tempo vor, das jetzt aber tatsächlich beschleunigt wird und noch einmal eine Spannungssteigerung bewirkt. Der Ausklang des hochdramatischen Satzes ist – bei äusserst expressiver Harmonik – nach der Wiedergewinnung des gemässigten Tempos überraschend still.
    Das Thema des 2. Satzes hat den feierlichen Rhythmus eines Totentanzes. Es geht auf das Klavier-Vorspiel des Liedes und die Strophe des Todes zurück, der das verängstigte, sterbende Mädchen tröstet („Gib Deine Hand, du schön und zart Gebild’ / Bin Freund und komme nicht zu strafen / Sei gutes Muts! Ich bin nicht wild / Sollst sanft in meinen Armen schlafen“). Still und verhalten wie das choralsatzartige Thema sind auch die meisten Variationen; nur die 3. und 5. lassen vorübergehend Unruhe, vielleicht sogar Auflehnung, anklingen, die jedoch in beiden Fällen einem versöhnlichen Dur weicht.
    Das wegen seiner Synkopen schon rhythmisch äusserst unruhige Scherzo vereinigt auf knappstem Raum alle drei Hauptmotive des Liedes: die auf- und absteigende Linienführung, hier zu einem Lamentobass verdichtet (dessen fallende Chromatik ein altes Klagesymbol ist), aus der Strophe des Mädchens, und die Tonwiederholungen aus dem Totentanz. Alle Motive kommen auch im Trio vor, dessen D-Dur das permanente Moll der anderen Quartettsätze unterbricht und in seiner sanfteren Struktur wie das Lied selbst den tröstlichen Aspekt des Todesgedanken anklingen lässt. Das Thema des Finales knüpft motivisch an die letzten Töne des 3. Satzes an (die punktierten Rhythmen des Scherzos und des Trios werden in den triolischen 6/8-Takt übernommen) und erinnert in der motorischen Unruhe seiner permanenten Achtelbewegung, den Tonwiederholungen und der aufsteigenden Melodik zugleich an den 1.Satz. Die rasche, geradezu gehetzte Bewegung dieses Sonatenrondos wird in der Coda noch beschleunigt; auch die Harmonik steigert sich zu Rückungen, die die Schlusskadenz in damals buchstäblich unerhört kühner Weise verfremden.


    Ein unerhört bewegendes und eindrückliches Quartett, das uns immer wieder von neuem unter die Haut geht.
    Eine besonders überzeugende Aufnahme findet sich bei der Deutschen Grammophon;



    mit dem Hagen-Quartett


    Gruss


    romeo&julia

  • Hallo liebe TaminoanerInnen


    Der junge deutsche Matthias Pintscher ist zur Zeit Composer in Residence bei Lucerne Festival 2006.


    Besonders gefallen uns seine Fugura I – V für Streichquartett und Akkordeon zwischen 1997 und 2000 entstanden.



    mit Teodoro Anzellotti, Rohan de Saram und dem Arditti Quartet


    Der 1971 im westfälischen Marl geborene Matthias Pintscher ist vorwiegend bekannt für seine Affinität zum Orchesterklang. Schon im Alter von 15 Jahren stand er als Dirigent vor einem Jugendsinfonieorchester. Danach folgten rasch viele Stationen mit Uraufführungen durch Abbado, das Cleveland Orchestra oder bei den Salzburger Festspielen.
    Eine so stupende Produktivität mag den Verdacht auf oberflächliche Schnellschreiberei wecken, doch dafür wäre Matthias Pintscher der falsche Adressat. Gediegenes Handwerk, gründliche Reflexion, ein hochentwickelter Sinn für Klangdramaturgie, für Farbwirkungen und Harmonik sowie ein Glaube an die Sprachfähigkeit und Schönheit der musikalischen Äusserung. Die Orchestermusik nimmt in seinem Schaffen einen besonderen Platz ein. Dabei konzipiert er nicht abstrakte Figuren am Klavier, die er hinterher instrumental einkleidet, Struktur, Klangfarbe und Harmonik bilden vielmehr von Anfang an einen dynamischen Verlauf von ganzheitlicher Art. Sie verschmelzen zu einer für das Werk charakteristischen Ausdrucksgeste, die das persönliche Idiom ausmacht.
    Pintscher reagiert nicht primär auf die umgebende gesellschaftliche Realität, sondern den Bezug zur Wirklichkeit auf ästhetisch vermittelte Weise, im Diskurs mit der Kunst aus Vergangenheit und Gegenwart sucht. Eklektizistische Züge sind ihr weitgehend fremd, vor dem Abdriften in die postmoderne Mentalität bewahrt ihn seine starke Subjektivität. Ein weites Netz von Querbezügen zur Musik, Dichtung und bildenden Kunst spannt sich über sein Werk. Es reicht von der Reverenz an Gesualdo im vierten Streichquartett bis zu Hans Henny Jahnns Sicht auf die Künstlerproblematik oder vom Ästhtizismus in Mallarmés Gedichten. Den zentralen Platz in dieser geistigen Ahnenreihe nahm während über anderthalb Jahrzehnten Arthur Rimbaud ein.
    Wie so oft bei Pintscher, steht hinter seinen Stücken die Wechselwirkung mit aussermusikalischen Künsten. Bei „Figura I –V“ liefert die Auseinandersetzung mit dem bildhauerischen Werk Alberto Giacomettis entscheidende Impulse. Pintscher konstruiert jedoch keine direkte Übersetzung in eine musikalische Klangsprache. Es sind assoziativ angelegte Kommentare, der Raum füllt sich mit einem Widerhall des jeweiligen Objekts in einer primär vom Gestischen her gedachten Klangsprache. Die „Figuren“ stellen fragmentarische Klangreste dar, ein äusserst reduziertes Material wird wieder auf seinen Gehalt hin abgeklopft und bis aufs Letzte ausgereizt. Pintscher will Giacomettis Skulpturen vor dem geistigen Auge, den Versuch unternehmen, einen spezifischen Raum „akustisch zu simulieren“, wie er sagt.
    Verblüffend ist auch hier Pintschers enormes Gespür für instrumentale Klangfarben. Wie vielfältigste Streicherklänge und –geräusche mit denen des Akkordeons korrespondieren, ist phänomenal – grossartig auch die kongeniale Wiedergabe von Teodoro Anzellotti und den Musikern des Arditti Quartet. Eiseskälte und trostlose Leere begegnen einem ebenso wie grosse Stauungen und Gefühlsausbrüche, die jedoch niemals ins Sentimentale abgleiten.
    Das Streichquartett, erst recht das Akkordeon, sind uns als kompakte Klangkörper vertraut. Pintscher sucht demgegenüber gezielt die Bruchstellen und Störungen des Klanges auf: Immer wieder folgt die Musik Risslinien, Klang kippt in Geräusch oder Stille um.


    Herzliche Grüsse


    romeo&julia

  • Hallo liebe TaminoanerInnen


    Witold Lutoslawski ( 1913 – 1994 ) aus Polen fesselt uns schon seit Jahren, insbesondere das


    Concerto for Orchestra ( 1954 )


    Das „Konzert für Orchester“ entstand auf Anregung des grossen polnischen Dirigenten Witold Rowicki ( 1914 – 1989 ), der Lutoslawski um eine Komposition für das 1950 von ihm gegründete Philharmonische Orchester Warschau bat. Zu dieser Zeit übte der Kommunismus noch seine lähmende Wirkung auf die polnische Kultur aus, da der stalinistische „Kunst-Diktator“ Andrej Zhdanov auch in Polen dafür zu sorgen wusste, dass Komponisten an der Modernisierung ihrer musikalischen Sprache gehindert wurden und in ihren Werken politischen Tribut zollen mussten. Seine Doktrin wurde auf der 1949 vom polnischen Kulturministerium einberufenen nationalen Konferenz in Lagow Lubuski Komponisten und Kritikern als verbindlicher Massstab vorgestellt. Auch Lutoslawski bekam die Auswirkungen der stalinistischen Lulturpolitik zu spüren, wurde doch seine „Erste Symphonie“ als „formalistisch“ und hinsichtlich der ästhetischen Kriterien der kommunistischen Gesellschaft als ungenügend kritisiert.
    Das „Konzert für Orchester“, komponiert über einen Zeitraum von fünf Jahren , bildet den strahlenden Höhepunkt Lutoslawskis erster grosser Schaffensperiode. Es markiert so etwas wie den Endpunkt einer ersten, neoklassizistischen beeinflussten Richtung. Der typisch langwierige Reifeprozess spiegelt in gewisser Weise die Einflüsse wider, die er während dieser Zeitspanne zu verarbeiten versuchte – vornehmlich die folkloristischen Elemente Béla Bartoks, die in dessen eigenem „Konzert für Orchester“ besonders hervortreten. In allen drei Abschnitten strebt Lutoslawski formale Selbstständigkeit an. Der erste Satz (Intrada) steht in dreiteiliger ABA-Form. Die Schärfe und Unmittelbarkeit der beiden äusseren Abschnitte kontrastiert auffallend mit dem von einer synkopierenden masurischen Volksweise dominierten Mittelteil, dessen sanfte Synkopen sich auf einen ritualistischen Ausbruch und Rhythmus-Eruptionen hinbewegen, der gewollt auf Stravinskys „Sacre du printemps“ hinweist. Der dreiteilige zweite Satz „Capriccio, Notturno e Arioso“ zeichnet sich besonders durch scherzohaft-huschende Eckteile sowie abrupte Unterbrechungen der charakteristischen, raschen Klangfarben aus, die ein unverwechselbares strukturelles Merkmal der Kompositionsweise Lutoslawskis sind. Das Finale mit dem Titel „Passacaglia, Toccata e Corale“ lässt vermuten, dass der Satz sich in drei eindeutige Abschnitte gliedern lässt, doch tatsächlich findet man hier eine Variationsreihe über ein Passacagliathema vor, die „en route“ einen Abschnitt im Toccata-Stil einschliesst, an den sich das Choralthema anschliesst, sanft eingeleitet von den Holzbläsern.



    hier mit dem Auftragsgeber Witold Rowicki


    Herzliche Grüsse


    romeo&julia

  • Hallo liebe TaminoanerInnen


    Ein weiteres Werk von Schostakowitsch dass uns schon seit langer Zeit stark eingenommen hat ist folgendes Kammerwerk;


    Schostakowitsch: Trio Nr. 2 e-Moll op. 67 für Klavier, Violine und Violoncello


    von 1944


    Dass Schostakowitsch zwei Jahrzehnte nach seinem Klaviertrio op. 8 noch einmal auf die Gattung zurückkam, mag auf den traurigen Entstehungsanlass zurückzuführen sein. Am 11. Februar 1944 war im fernen Nowosibirsk nach einer Herzattacke sein enger Freund Iwan Sollertinski gestorben, der als Musikforscher, Verfasser der ersten russischen Mahler-Monografie und Dramaturg der Leningrader Philharmonie grössten Einfluss auf Schostakowitschs musikalische Entwicklung hatte. Und da sich seit Tschaikowskys Opus 50 in memoriam Nikolai Rubinstein das Klavier-Trio bei russischen Komponisten als eine Art Tombeau-Gattung eingebürgert hatte (auch Rachmainiov, Catoire und Goldenweiser haben solche Klaviertrios zum Andenken einer Person komponiert), komponierte Schostakowitsch im Andenken an Sollertinski das e-Moll-Trio, das er selbst am 14. November 1944 zusammen mit zwei Mitgliedern des Beethoven-Quartetts, Dmitri Tziganow und Sergej Schirinsky, im befreiten Leningrad aus der Taufe hob. Auf dem Programm stand auch die Uraufführung von Schostakowitsch’s 2. Streichquartett.
    Das Trio besteht aus vier Sätzen und beginnt eher unheimlich mit einem Thema hoch oben auf dem Cello in Flageoletthöhen. Der Lamento-Charakter äussert sich vor allem in der fahlen Intonation des slawisch angehauchten Eingangsthemas (mit flageolottierendem Cello und sordinierter Violine.) und in den massigen Choralakkorden des Klaviers im Largo, die eine düstere Passacaglia grundieren. Beide Motive erscheinen noch einmal abrundend am Schluss des Finals, das im Gegensatz zum ungetrübt musikantischen Scherzo (Allegro non troppo) zu den hintergründigsten Schlusssätzen bei Schostakowitsch zählt: ein ruhig, doch bestimmt pochender Totentanz mit zwei Themen von auffallend „jüdischem“ Zuschnitt. Im Schlusssatz sorgt eine schiefe Melodie auf dem Klavier für nervöse Energie, die später wieder mit dramatischer Wirkung im Streichquartett Nr. 8 op. 110 auftaucht.


    Eine intensive aber noch immer nahe am Notentext orientierte Aufnahme stammt vom Jean Paul Trio



    Herzliche Grüsse


    romeo&julia

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  • Hallo liebe TaminoanerInnen


    Gerne möchten wir ein weiteres von uns sehr geschätztes Werk von Leos Janácek (1854-1928 ) vorstellen.


    Mladi (1924) für Bläsersextett


    Mladi wurde 1924 komponiert, eine Rückbesinnung zu seinem 70. Geburtstag an seine Jugendzeit als Chorknabe im Augustinerkloster in Brünn. Der „Marsch der Blaukehlchen“ (wie er den dritten Satz einmal nannte) zeugt am unmittelbarsten davon. Trotz der Rückschau schrieb er in seiner längst erreichten äusserst reduzierten Sprachmelodie, hier ausgelöst von den Worten Mladi, zlate mladi" (Jugend, goldene Jugend). Die lebhafte Rhythmik sowie polyrhythmische Komposition weist eine sparsame Verwendung des Instrumentariums auf. Die Instrumente pausieren immer wieder auch über längere Strecken. Dem entspricht auch das ungewöhnliche Erscheinungsbild vieler Janácek-Partituren dieser Zeit, so auch der Mládi-Partitur: Janacek komponierte in seinen letzten Lebensjahren nicht mehr auf Notenpapier, sondern zog sich die Notenlinien - freihand! - selbst und ließ sie beim Pausieren eines Instruments enden. Spass und Gelöstheit äussern sich musikalisch in kurzen Variations- und Reihungsformen, die sich zu Rondo-Typen zusammenschliessen. Das Werk wurde erstmals bei einem Konzert zum 70. Geburtstag des Komponisten 1924 aufgeführt.


    Dieses Werk fesselt uns durch seine polyrhythmischen Verwicklungen, die sich immer wieder auflösen im pulsierenden Vorwärtsdrängen.


    Eine überzeugende Interpretation liefert das Ensemble Villa Musica



    Herzliche Grüsse


    romeo&julia

  • Hallo liebe Taminoaner/Innen


    Generell hören wir sehr gerne Kammermusik. Besonders mögen wir die Sonate für Klavier und Violoncello A-Dur op. 69 von Ludwig van Beethoven.


    Ludwig van Beethoven:
    Sonate für Klavier und Violoncello A-Dur op. 69


    Beethoven hat fünf Sonaten für Klavier und Violoncello komponiert, die in ihrer Art eine neue Gattung begründen. Bereits in den frühen, dem König Friedrich Wilhelm II. von Preussen gewidmeten, zweisätzigen Violoncello-Sonaten op. 5 von 1796 hat Beethoven die überkommene Tradition der begleiteten Klavier- bzw. Solosonate verlassen, indem er beide Instrumente obligat den musikalischen Prozess gestalten lässt. Zeitigt die Faktur der in zeitlicher Nähe zur 5. Sinfonie op. 67 entstandenen, weder heroisch noch klassizistisch anmutenden Sonate A-Dur op. 69 bereits Risse, so tritt der auf den Stil des Spätwerks vorausweisende romantische Bruch in den Violoncello-Sonaten op. 102 offen zu Tage.
    Die Sonate A-Dur op. 69 stammt aus den Jahren 1807/1808. Sie ist in folgende vier Sätze unterteilt:
    Allegro ma non tanto
    Allegro molto
    Adagio cantabile
    Allegro vivace
    Als Beethoven zwischen 1807 und 1808 die Sonate A-Dur op.69 komponierte, war die mittlere Periode längst erreicht, im Grunde schon in Richtung des Spätwerks verlassen. Die Sonate ist dem immer hilfsbereiten Freunde Ignaz Baron von Gleichenstein gewidmet. Das Widmungsmotto „Inter lacrimas et luctum“ (Zwischen Tränen und Trauer) auf dem Widmungsexemplar erinnert rein äusserlich wohl an das glanzvolle Spiel ihrer frühen Vorgängerinnen op. 5, weicht jedoch einem sublimiert-ausgewogenen Kammermusikton. Das Werk trägt bereits den Stempel der schwierigen Jahre 1807-1808. Ein friedliches, pastorales Thema, ein wildes, brutales Motiv – Träume und Kämpfe – prallen aufeinander und bekämpfen sich im Rahmen der Sonatenform. Die Sonate soll das Streichinstrument ein Stück aus dem Schatten des Klaviers bringen. Der freie Einsatz des Violoncellos zu Beginn des 1. Satzes lässt an jenes Improvisatorische und Rhapsodische denken, dass Beethovens Werken bei aller Formenstrenge innewohnt. Von Satz zu Satz spannen sich Gedankenbögen oder Reminiszenzen. Die Klaviertechnik nähert sich hier dem Klavierkonzert G-Dur op. 58. Rhythmisch und harmonisch spielt, vor allem im 2. Satz, das Klaviertrio D-Dur, das sogenannte „Geistertrio“ hinein, das in der letzten Cellosonate noch viel stärker in Erscheinung treten soll. Ähnlich wie in der Klaviersonate C-Dur, verzichtet Beethoven auf einen selbstständigen langsamen Satz. Er bringt stattdessen eine ausdrucksvolle, nicht sehr umfangreiche Einleitung zum Finale, das einer motivisch wohldurchdachten Virtuosität die Schleusen öffnet. Das Finale leitet die „cantabile“ Melodie, eine der zauberhaftesten des Komponisten, zu einer Folge schneller sanglicher Motive von lächelnder Zärtlichkeit und Heiterkeit über. Es weist eine stark genregeprägte Gestaltung auf und folgt traditionellen Bahnen, freilich mit manch überraschender Wendung.



    Andras Schiff und Miklos Perényi haben eine besonders intensive und mitreissende Aufnahme eingespielt und uns besonders am Herzen liegt. Produziert wurde die Aufnahme von ECM und 2004 herausgebracht.



    Herzliche Grüsse


    romeo&julia