Von berühmten Toningenieuren, Produzenten, Studios und Locations

  • In der goldenen Zeit der Stereoschallplatte gab es einige Studios, Konzertsäle und andere Locations, die geradezu einen legendären Ruf genossen. Ähnliches ist über einige verantwortliche Toningenieure zu sagen. Man ging davon aus, daß diese Studios und Tontechniker eine Art Gütesigel für akustisch gelungenene Aufnahmen galten. Die Mehrheit der Plattenkäufer nahm davon indes kaum Notiz, und ob diese Namen heute noch bekannt sind, das vermag ich nicht zu sagen. Dieser Thread wird es zeigen. Auch heute git es noch solche Tontechnikikonen, da aber das Niveau insgesamt angestiegen ist, so stehen sie nicht so im Mittelpunkt wie ihre berühmten Kollegen aus der Vergangenheit.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • jIch war jetzt doch ganz erstaunt, als ich sah, dass das autobiographische Buch des EMI-Produzenten Suvi Raj Grubb nicht nur auf dem secondhandmarkt sondern auch noch ganz regulär auf dem ersten Markt und als Massenprodukt Taschenbuch erhältlich ist. Spricht doch für eine anhaltende Wertschätzung und Bekanntheit legendärer Produzenten des goldenen Zeitalters der Musikindustrie.


    Er hat Jehova gesagt!

  • Einer der berühmtesten Tonmeister der Deutschen Grammophon Gesellschaft war Günter Hermanns. Er war für die meisten Tonaufnahmen mit Herbert von Karajan verantwortlich. Soweit ich weiß stammen all 3 Beethoven Zyklen mit Karajan und den Berliner Philharmonikern von ihm. Karajan schätzte ih sehr, böse Zungen behaupteten, der Grund für diese Wertschätzung sei, daß er Karajan in Spezialfällen sebst ans Mischpult ließ. - Böse Zungen..........


    Die deutsch Wikipedia würdigt ihn keines Wortes, wohl aber die englische

    Zitat


    Günter Hermanns was a Classical recording engineer and producer. He recorded and worked with Herbert von Karajan and the Berliner Philharmoniker very closely. He worked exclusively for the German DGG record company from the late 1950s until the 1980s. He has also recorded Claudio Abbado, Mstislav Rostropovich, Karl Böhm, Plácido Domingo, Anne-Sophie Mutter, Wilhelm Kempff, Carlo Maria Giulini, Rafael Kubelik, and others.


    Durch den Einsatz unzähliger Stützmikrophone erzielte er einen transparenten Klang auf Kosten der realen Räumlichkeit


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich weiß nicht, ob ich die Intentionen von Alfred richtig einschätze, möchte hier aber eine kleine Liebeserklärung für ein besonders gutes "Aufnahmestudio" einbringen: Die Christuskirche in Berlin-Oberschöneweide (Ortsteil mit früherem Sitz der AEG). Meinen Text habe ich zum großen Teil der Web-Site der Kirche entnommen.


    Ich kenne aus eigenem Erleben während meiner Jahresurlaube in Berlin von 1962 bis 1965, die mich aus persönlichen Gründen täglich nach Oberschöneweide führten, dieses Gotteshaus. Damals war es schon keines mehr, weil es Kriegsschäden gab, die nicht zu beheben waren. Ich habe damals die Organistin kennenlernen dürfen, eine bewundernswerte ältere Dame, die sich traurig über den Zustand "ihres" Instrumentes äußerte, mich aber mal auf der Orgel spielen ließ - natürlich nicht professionell, nur laienhaft. Das aber reichte zur Vorstellung, dass dieses Instrument sehr gut war, sich aber in einem bedauernswerten Zustand befand.


    Die besonders gute Akustik dieses Gotteshauses hat seit Anfang der 60-er Jahre die ETERNA nach Oberschöneweide geführt, weil die Toningenieure hier ideale Voraussetzungen für Klassikaufnahmen vorfanden. Die akustischen Vorzüge der Kirche überwogen die vorhandenen Mängel (desolate Heizungsanlage, defekte Kirchenfenster und keine Chance für einen Telefonanschluss). Die relativ ruhige Lage der Kirche konnte allerdings Anfangs empfindlich durch Flugverkehr gestört werden, weil in den ersten Jahren der Flughafen Tempelhof noch regelmäßig angeflogen wurde und die Einflugschneise genau über der Kirche verlief.


    Zu den Orchestern und Chören, die sich für ETERNA hier regelmäßig einfanden, gehörten z. B. die Akademie für Alte Musik, das Berliner Sinfonie Orchester, das Kammerorchester Carl Philipp Emanuel Bach, das Rundfunk-Sinfonie-Orchester Berlin, das Orchester der Komischen Oper und die Staatskapelle Berlin. Dirigiert haben hier u.a. Paul Dessau, Claus Peter Flor, Heinz Fricke, Hartmut Haenchen, Günther Herbig, Bernhard Klee, Helmut Koch, Kurt Masur, Heinz Rögner, Kurt Sanderling und Otmar Suitner. So wurden u.a. unter Otmar Suitner und der Staatskapelle Berlin alle Sinfonien von Beethoven, Schubert, Schumann, Brahms und Dvorak hier eingespielt, Kurt Sanderling nahm mit dem BSO alle Sibelius-Sinfonien, eine Auswahl von Sinfonien von Mahler und Schostakowitsch auf. Peter Rösel spielte als Solist alle Klavierkonzerte Beethovens und Rachmaninoffs. Bei Opern und Oratorien wirkten u.a. Theo Adam, Eberhard Büchner, Dietrich Fischer-Dieskau, Helen Donath, Sylvia Geszty, Jochen Kowalski, Siegfried Lorenz, Edith Mathis, Kurt Moll, Dagmar Schellenberger, Peter Schreier (auch als Dirigent), Reiner Süß, Siegfried Vogel und Bernd Weikl mit.


    Neben Sinfonik, Kammermusik und Oratorien wurden auch zahlreiche Operngesamtaufnahmen für ETERNA produziert u.a. "Die lustigen Weiber von Windsor" (Nicolai), "Alfonso und Estrella" (Schubert), "Der Wildschütz" (Lortzing) oder "Puntila" (Dessau). Alles Aufnahmen die noch heute von BERLIN Classic vertrieben werden.



    (Copyright für die Fotos: Hans-Joachim Beeskow (2007).

    .


    MUSIKWANDERER

  • Ja es trifft meine Intentionen genau !!
    Es muß in Berlin allerdinmgs ZWEI Kirchen mit ähnlichem Namen gegeben haben, wo noch dazu BEIDE als Aufnahmestudio genutzt wurden.
    Im Internet fand ich dazu folgendes Statement, als ich gestern (erfolglos) nach den Lebensdaten von Günter Hermanns suchte:


    Zitat

    die Berliner Jesus-Christus-Kirche galt für die Tontechniker als problematisch halliger Aufnahmeraum mit div. Echos. Karajans DG-Tonmeister Günter Hermanns begegnete dem tückischen Klang u.a. durch eine Vielzahl an Stützmikrofonen


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Ja, es gibt noch die berühmte Jesus-Christus-Kirche Dahlem .....


    Zitat


    Nutzung als Tonstudio


    Dank der hervorragenden Raumakustik wird die Jesus-Christus-Kirche auch als Tonstudio genutzt. Seit fünf Jahrzehnten dient die Kirche führenden Orchestern, Chören, internationalen Solisten und Dirigenten, wie auch weltweit marktführenden Schallplattenunternehmen, Rundfunk- und Fernsehfirmen als Produktionsort.


    Hier der Wiki Beitrag


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Ich halte die Jesus-Christus-Kirche in West-Berlin für einen exzellenten Aufnahmeort, der ja heute auch immer noch rege genutzt wird. Wenn ich bedenke, wie viele hervorragende Aufnahmen dort entstanden sind - unglaublich.


    Günter Hermanns ist sicherlich kein besonders herausragender Tonmeister. Er hat sich eben Karajans Wünschen unterworfen und war diesem stets "zu Diensten". Das dürfte sein ganzer Verdienst gewesen sein.

  • "Die Nachwelt flicht dem Mimen keine Kränze" - so sgt ein altes Sprichwort aus der Zeit vor ver Ton und Videoaufnahme, weil diese Kunst ja eine flüchtige war, die nicht festgehalten werden konnte.
    Generell neigt die Nachwelt - auch heute noch - dazu vergangene Großen zu vergessen. So geschehen mit einem der "Star-Tontechniker" der EMI, Christopher Parker, der für zahlreiche Klassik-Aufnahmen der EMI in den 50er, 60er und 70er Jahren verantwortlich zeichnete, genauere Daten sind mir nicht bekannt.
    Aufnahmen, er als Tontechniker gennt wurde, konnte man aust tontechnischer Sicht bedenkenlos kaufen, der Mann war ein Könner ersten Ranges.


    Ganz vergessen dürfte er indes doch nicht sein, denn bei den Amozon Bewertungen schreibt ein Leser-Rezensent namens K.K. Friedgen über die MONO Aufnahme von Beethoven Sinfonien unter Klemperer aus dem Jahre 1954/55:


    Zitat

    Zusammen mit einer majestätischen Eroica wurden sie (1954/55) noch in Mono-Klangqualität aufgenommen. Ohne Wissen Legges hat der Toningenieur Christopher Parker in einem separaten Kontrollraum von der Siebten allerdings experimentell eine Stereo-Version erstellt, die hier statt der originalen Mono-Aufnahme zur Veröffentlichung herangezogen wurde.


    Für "Nichteingeweihte" erkläre ich dazu, daß Walter Legge ein erklärter Gegner der Stereotechnik war - DESHALB musste Parker sein Experiment GEHEIM halten....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Günter Hermanns ist sicherlich kein besonders herausragender Tonmeister. Er hat sich eben Karajans Wünschen unterworfen und war diesem stets "zu Diensten". Das dürfte sein ganzer Verdienst gewesen sein.


    Diesen Ruf hat er immer gehabt, aber es ist hier zu hinterfragen ob nicht das Ergebnis die Methode rechtfertigt. Herbert von Karajan schrieb in einem Dankesbrief an Frau Prof. Elsa Schiller (damals einflußreiche Produzentin für die Deutsche Grammophongesellschaft), daß er über den erfolgreichen Aschluß des Projekts dankbar sei und er erwähnt vor allem das Aufnahmeteam, in welchem sich einige zutiefst musikalische Menschen befänden. Letzteres war unmißverständlich eine Anspielung auf günter Hermanns, was dadurch erhärtet wurde, daß er ihn auch für alle späteren Neuaufnahmen der Beethoven Sinfonien heranzog.
    Meiner Meinung nach hätte es bei Karajan nicht ausgereicht, ihm "zu Diensten" zu sein, es musste sch perfekte Arbeit sein, die da abgeliefert wurde. Daß der Beethoven Zyklus vo 1961/63 heute noch immer im Programm ist und eine ernstzunehmende Konkurrenz für andere Aufnahmen darstellt, zeigt , daß hier wirklich perfekte Arbeit - von allen Beteiligten - geleistet wurde..


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo,


    das label "ECM", Gründer und Chef Manfred Eichner, hat nicht nur bei Jazz-Aufnahmen einen hervorragenden Ruf; man hört, dass Eichner selbst zuweilen die Aufgaben des Tonmeisters und -ingenieurs übernahm; das Ergebnis der Aufnahmechnik ist überragend, besonders die ausgeklügelte Ton-/Klangbalance.


    Wenn ich Zeit finde, gehe ich meine CDs nach Klassikaufnahmen bei ECM durch und poste.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

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  • Es ist schon komisch, wenn man vor ganz kurzer Zeit die gleichen Gedanken hatte und jetzt diesenThread hier liest. Wunderbar.
    Normaler weise mache ich eine großen Bogen um Kirtchen und Gotteshäuser. Doch vor ein paar Wochen war ich in Holland in Delft. Was mich gerissen oder bewegt hat dort idie Kirche in der Stadmitte zu betreten kann ich mir nicht erklären. Jedenfalls bin ich dort rein und mir kam aus einer fast leeren Kirche eine Musik entgegen die mich gefangen nahm. Ich schlich mich unauffällig duch das Kirchenschiff und lauschte der Musik von allen Seiten und war einfach nur zu tiefst berührt.
    Später, viel später ging mir durch den Kopf wie es wäre in dieser, genau in dieser Kirche Tonaufnahmen zu machen. Besetzt mit Statisten, nämlich bekleidete Schaufensterpuppen. Die Husten und Prusten nicht. Jedoch sie erzeugen durch die Besetzung eine Klangfarbe die zauberhaft sein muß. Ich bekam bei dem Gedanken eine Gänsehaut.


    https://www.youtube.com/watch?v=Ex9bXcQLd_k


    L.G. Dirk

    Der Menschheit Würde ist in eure Hand gegeben. Bewahret sie. Sie sinkt mit euch, mit euch wird sie sich heben.

  • Ich möchte auf eine wahre Tonmeisterlegende hinweisen, nämlich den Begründer der Decca-Tonmeisterschule, Kenneth E. Wilkinson:


    Kenneth E. Wilkinson (rechts) mit Sir Malcolm Sargent


    Geboren am 28. Juli 1912 in London


    Gestorben am 13. Januar 2004 in Norwich


    Er war von 1937 bis 1980 bei Decca (das muss man sich mal vorstellen - heute undenkbar) und kreierte nicht nur den legendären "Decca-Tree" (stereofones Mikrofon-Aufnahmesystem), sondern bildete auch Generationen von Decca-Tonmeistern aus.
    Er hatte exakte Vorstellungen davon, wie die Musiker im Aufnahmeraum platziert werden sollten und muß ein absoluter Detailfetischist gewesen sein. Von Kollegen und Produzenten wurde er bewundert und geachtet und wurde immer bei seinem Spitznamen "Wilkie" gerufen. Er hatte ein unglaubliches Gespür dafür, die bestklingenden Aufnahmesäle zu finden, so die Kingsway Hall oder die Walthamstow Assembly Hall. Er bevorzugte historische Säle, da diese wärmer und natürlicher klingen würden als moderne Zweckbauten.
    Einem breiten Publikum wurde er bekannt durch seine Zusammenarbeit mit Charles Gerhardt (Produzent und Dirigent) für Readers Digest und RCA ("Classic Film Scores Series"). Auch für das englische Label "Lyrita" wurde er von dessen Chef, Richard Itter, immer angefragt. Er nannte Ihn "a wizzard with mikes".
    Angeblich hat Wilkinson mit über 150 Dirigenten zusammengearbeitet. Bei Decca wirkte er hauptsächlich mit den Produzenten John Culshaw und Ray Minshull zusammen.
    Tätig war er auch in Bayreuth, wo er den Live-Stereo-Ring mit Joseph Keilberth von 1955 betreute (erschienen auf Testament).
    Eine seiner Lieblingsaufnahmen ist wohl Brittens "War Requiem" unter der Leitung des Komponisten, das er zusammen mit Culshaw aufnahm.
    Er verließ Decca im Jahr 1980, als die Firma von der "Poly Gram-Gruppe" absorbiert wurde.
    Ich kann nur sagen, daß Wilkinson-Aufnahmen das Beste sind, was der Markt überhaupt zu bieten hat (neben Living Stereo und Mercury Living Presence). Man schaue nur mal, für wieviele legendäre Decca-Aufnahmen er verantwortlich war - dann erkennt man seine unvergängliche Größe.