Wichtige Hinweise zur Schellackplatte

  • Ich möchte, ja, muss hier unbedingt ein paar Hinweise loswerden, was die Handhabung und das Abspielen von Schellackplatten betrifft, weil es da leider (wie man etwa auf zahlreichen YouTube-Videos sieht) soviele Missverständnisse gibt.


    Der Ordnung halber werde ich es numerieren.



    1.) Generell bin ich der Ansicht, und ich denke, dass die meisten, die ein Gefühl dafür haben, mir da Recht geben, dass alte Schellackplatten historische Ton- und Zeitdokumente sind, besonders die GANZ alten.


    2.) Leider herrscht immer noch der Irrglaube, bzw. die Annahme "Schellackplatte = für´s Grammophon".


    Auf diesen Punkt möchte ich besonders eingehen. Schellackplatten wurden bis etwa 1925 akustisch aufgenommen, d.h., es wurde in einen oder mehrere Aufnahmetrichter gesungen und gespielt. Zu dieser Zeit wurden die Platten mit den bekannten Grammophonen abgespielt: man kurbelte es auf, setzte den Tonabnehmer mit dem Trichter drauf, und hörte die Platte so an.


    Als dann die elektrischen Aufnahmen kamen, gab es Veränderungen: zum einen wurde durch die elektrische Aufnahme die Rille breiter (bedingt durch die höhere Lautstärke der Aufnahme), vor allem aber veränderten sich auch die Abspielgeräte! Die akustischen, alten Grammophone wurden abgelöst von den elektrischen Grammophonen, die einen wesentlich leichteren Tonarm hatten, und Nadeln, die für die breiteren Rillen gedacht waren.


    Elektrische Aufnahmen sind und waren also NICHT dafür gedacht, dass man sie auf den alten, akustischen Grammophonen abspielt, denn die Nadeln dafür sind zu dünn für die breite Rille, und statt sie ordentlich abzutasten, schlenkert sie in der Rille herum, und das Gesicht der alten Tonarme zerstört die Tonrille zusätzlich, es wirkt dann wie eine Fräse.
    Deswegen nochmal der Hinweis: elektrische Aufnahmen sind nicht für akustische, alte Grammophone gedacht, auch damals waren sie das nicht! Wer seine elektrischen Platten dennoch darauf abspielt hat einen miesen Sound und zerstört seine Platten.



    3.) Es mag zwar bei akustischen Aufnahmen "authentisch" sein, sie auf akustischen Grammophonen, und bei elektrischen Aufnahmen auf elektrischen Grammophonen abzuspielen, aber: damals waren Schellackplatten alltägliche Gebrauchsgegenstände, die man überall kaufen konnte, sie waren nichts Besonderes und auch damals ging man oft schon unachtsam mit ihnen um.
    Für uns aber sind es, wie gesagt, Tondokumente aus einer längst vergangenen Zeit, die man eigentlich schützen sollte. Fakt ist: bei jedem Abspielen auf einem alten Grammophon wird die Platte abgenutzt, und zwar nicht extrem minimal wie bei Vinylplatten.
    Heute gibt es sehr gute moderne Plattenspieler, die 78 Umdrehungen und mehr können, und eigene Schellack-Tonabnehmer - spielt man seine Platten so ab, dann schont man sie, denn das Gewicht des Tonarmes ist, verglichen mit den schweren Tonarmen damals, sehr sehr leicht. Und SO "unauthentisch" ist es auch nicht, die elektrischen Platten über Lautsprecher zu hören, denn das hat man schon damals so gemacht, entweder in teureren Grammophon-Schränken, oder für den kleineren Geldbeutel mittels aufsteckbarem elektrischen Tonabnehmer, den man z.B. ans Radio anschließen konnte.



    4.) Wenn man dennoch stur bleibt und unbedingt meint, seine Platten von authentischen Grammophonen kaputtmachen abspielen zu lassen, dann bedenkt bitte folgendes: nach JEDER(!) Plattenseite(!) muss die Nadel getauscht werden! In einer Schellackplatte ist unter anderem auch Gesteinsmehl verarbeitet, und man verwendet nach jeder Seite eine neue, spitze Nadel. Die Nadel wird beim Abspielvorgang stark abgeschliffen und muss vor dem nächsten Abspielen ausgetauscht werden. Tut man das nicht, wird die Tonrille nicht nur fürchterlich demoliert, sondern man hat auch einen miesen Sound. Es gab und gibt dafür Nadeldosen, wo meist ein paar 100 Stück drin sind. Es gibt sie auch in unterschiedlichen Stärken, um damit die Lautstärke beeinflussen zu können. Je dünner die Nadel, umso leiser die Wiedergabe. (Einer der Vorteile bei der Wiedergabe auf modernen Plattenspielern ist der, dass man den Tonabnehmer nicht wechseln muss nach jeder Seite, man dreht die Platte einfach um und spielt sie ganz normal ab).


    Ich könnte aus der Haut fahren, wenn ich auf YouTube sehe, wie einer eine elektrische Aufnahme von 1930 auf ein Grammophon von 1910 legt, und die Zuschauer das noch mit Sätzen wie "Das waren noch Zeiten damals" oder "So muss das klingen, richtig nostalgisch!" oder "Die Leute heute haben keine Ahnung mehr wie man Musik richtig hört" kommentieren.
    Viele Leute sitzen da einer falschen Nostalgie auf, weil sie uninformiert sind. Man hat da so schöne alte Geräte, aus der "guten alten Zeit", da kann man doch nicht auf modernen Plattenspielern hören ... und dabei wissen sie nicht, dass das, was sie tun, überhaupt nicht authentisch ist.


    Mal ganz davon abgesehen, dass die Entwickler damals sich genau bewusst waren, welche Schwächen diese Geräte hatten, und nach immer besseren Techniken gesucht haben, um den Verschleiß und die Nebengeräusche zu minimieren. Und als die elektrischen Aufnahmen und deren Abspielgeräte kamen, schlugen die natürlich ein wie eine Bombe, und niemand wollte mehr akustische Aufnahmen haben. Keiner hat da gesagt "Nein, ich will nur akustisch hören, das klang viel besser und das war die gute alte Zeit". Man war am Fortschritt interessiert, an besseren Technologien, auch damals schon, und hat diese dankend angenommen.


    Und als die Vinylplatten kamen, haben die Leute ihre alten Schellackplatten massenweise weggeworfen, auf dem Dachboden verschimmeln lassen oder sie eingeschmolzen, denn nun gab es ja eine noch viel bessere Technik, fast ohne Nebengeräusche, haltbare Tonträger, kein ständiges Nadelwechseln mehr, usw. Warum sollen wir also aus "nostalgischen" Gründen etwas tun, was die Leute damals nur deswegen getan haben, weil sie keine andere Wahl hatten, und was sie damals schon nervig fanden?
    Was ist daran authentisch, wenn wir da sitzen und sagen "Ah schön, das typische Geräusch, wenn die Nadel an der Platte schabt, da fühlt man sich gleich in die Vergangenheit zurückversetzt", wenn die Leute sich damals eher dachten "Zum Glück müssen wir dieses nervige Geräusch nicht mehr hören, jetzt gibt es endlich einen neuen Tonträger, die Vinylplatte"?


    Ich muss gestehen, dass ich anfangs genauso war. Ich hatte null Ahnung von der Materie und dachte "Ah, eine Schellackplatte, die muss man auf Grammophonen abspielen". Ich dachte auch an die "gute alte Zeit", wie toll das gewesen sein muss damals. Später habe ich mir eingebildet, dass Vinylplatten das Nonplusultra sind, wenn es um die Musikwiedergabe geht, auch wegen der "guten alten Zeit", wegen den nostalgischen Gefühlen, und sie sehen ja auch besser aus als CDs, usw.
    Irrtümer, denen ich aufgesessen bin, und die ich zum Glück überwunden habe.



    5.) Wenn man alte Platten in ihren originalen Hüllen hat, oder zumindest in Hüllen aus dieser Zeit, dann ist man leicht versucht, sie auch da drin zu lassen, besonders wenn die Hülle schön gestaltet ist. Aber dennoch: diese Hüllen sind auch dreckig, und der Staub und Dreck wird in die Platte "eingerieben". Ich mache es mit meinen Platten immer so, dass ich sie aus ihrer alten Hülle nehme, reinige, und sie in ganz neue, leere Hüllen gebe. Die gibt es im Fachhandel zu kaufen. Es würde wenig Sinn machen, die Platten zu reinigen, um sie hinterher wieder in die dreckige alte Hülle zu geben.


    Auf keinen Fall sollte man die Platten offen in irgendwelche alten Plattenständer geben! Da gibt es ja auch viele verschiedene, meist auch mit Numerierungen und zum Selberbeschriften. Es tut den Platten aber nicht gut, wenn man sie in diese Ständer stellt, Sonnenlicht und Staub setzen ihnen zu, mal davon abgesehen, dass die Gefahr höher ist, dass sie zu Bruch gehen. Damals waren die Dinger ja, wie schon erwähnt, normale Gebrauchsgegenstände, und man wusste, dass sie nicht sehr lange halten. Da war es vielen egal, wie man sie lagert.



    6) Spielt man seine Schellackplatte vorbildlicherweise auf einem modernen Plattenspieler ab, dann bitte ausschließlich mit dafür vorgesehenen Tonabnehmern, und nicht mit den Vinyl-Tonabnehmern! Spielt man sie damit ab, dann hat man ebenfalls einen schlechten Sound, und zerstört die Nadel dadurch.



    7) Nicht absolut notwendig, aber dennoch empfehlenswert ist es auch, wenn man sich Schellack-Tonabnehmer in unterschiedlichen Stärken kauft, und ausprobiert, welche Nadel mit welcher Platte am besten funktioniert. Mir hat einmal jemand einen Vergleich erstellt: eine Platte wurde mit 4 verschiedenen Tonabnehmern abgenommen, und die Soundqualität schwankte sehr stark. Eine Aufnahme war irgendwie verrauschter und leiser, und eine davon war viel lauter und klarer, weil die Nadel zu der Rille am besten gepasst hat.




    LG,
    Hosenrolle1

  • Zitat


    6) Spielt man seine Schellackplatte vorbildlicherweise auf einem modernen Plattenspieler ab, dann bitte ausschließlich mit dafür vorgesehenen Tonabnehmern, und nicht mit den Vinyl-Tonabnehmern! Spielt man sie damit ab, dann hat man ebenfalls einen schlechten Sound, und zerstört die Nadel dadurch.


    Echte Schellack-Fans wissen das! :D

    Zitat

    Auf keinen Fall sollte man die Platten offen in irgendwelche alten Plattenständer geben! Da gibt es ja auch viele verschiedene, meist auch mit Numerierungen und zum Selberbeschriften. Es tut den Platten aber nicht gut, wenn man sie in diese Ständer stellt, Sonnenlicht und Staub setzen ihnen zu, mal davon abgesehen, dass die Gefahr höher ist, dass sie zu Bruch gehen. Damals waren die Dinger ja, wie schon erwähnt, normale Gebrauchsgegenstände, und man wusste, dass sie nicht sehr lange halten. Da war es vielen egal, wie man sie lagert.


    Da habe ich bei über 500 Schellacks keine andere Wahl! :rolleyes:

    W.S.

  • Wenn man dennoch stur bleibt und unbedingt meint, seine Platten von authentischen Grammophonen kaputtmachen abspielen zu lassen,


    Gibt es eigentlich Nachbauten von Grammophonen für diesen Zweck oder muss man dafür einen alten Apparat kaufen?

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Zitat

    Gibt es eigentlich Nachbauten von Grammophonen für diesen Zweck oder muss man dafür einen alten Apparat kaufen?


    Es gibt moderne PLATTENSPIELER mit Magnettonabnehmer , die auch einen für Schellackplatten zulassen. Solche sind ebenfalls (laut Intenetangebot) erhältlich.
    ACHTUNG !! Nicht alle modernen Plattenspieler sind für 78 UPM angelegt. Echte Sammler historischer Schellackplatten könnten darauf angewiesen sein, einen Plattenspielr zu erwerben, wo sich die Dehzahl stufenlos reguliern lässt, denn am Anfang des 20, Jahrhunders war die Geschwinidkeit der Platten nicht unbedingt genau bei 78 UPM. Das wissen aber nur veritable Kenner und experten. Solche modernen Plattenspieler mit 78 UPM und (meist optionalen) Tonabnehmersystem mit Schellacknadel (Die Nadelspitzenverrundung ist größer) sind natürlich ein wenig teurer, als die "Einsteigermodelle"


    Ich bin eigentlich über den Artike überrascht, denn eigenlich war mit "Schellackecke" die überspielung alter Schellackplatten auf CD gemeint, ich konnte mir nicht vorstellen, daß jemand hier im Forum Schellackplatten besitzt.


    Ein paar "Korrekturen" bzw andere Sichtweisen zum Einführungsartikel möchte ich noch anbringen:


    1)Zwar waren die ersten elektrischen Tonabnehmer um 1925 erfunden worden, aber in die Haushalte fanden sie ihren Weg erst üblicherweise ihren Weg in den mittleren dreißigerjahren


    2) Die Schellackplatte war - zur zeit als sie aktuell war IMO kein "Gebrauchsgegenstand" der nachlässig behandelt wurde . er war ein teurer "Luxusartikel"
    In Kriegszeiten musste man nicht nur den Preis hinlegen, sondern zeitweise sogar ZWEI Schallacks zum Einschmelzen retournieren um EINE neue dafür kaufen zu dürfen (Rohstoffmangel)


    3) Die Platten wurden um 1930 bis später üblicherweise nicht mehr mit den "Trichtergrammophonen", sondern mit den sogenannten "Reisegrammophonen", die eine Art MiniTrichter bereits eingebaut hatten, dessen Fortsetzung der Deckel des Koffers war.


    4)Die Rillen der Schellacks, die mittels "elekrischer" Aufnahmen gemacht wurden (ab ca 1925) waren NICHT breiter, als die ihrer mittels Trichter gemachten Vorgängeer, sie benötigsten daher auch dieselben Nadeln, die es sowieso schon immer in verschiedenen Ausführungen gab. ("Salonnadel"," Konzertnadel" etc)
    Allerdings wurde der Abstand, zwischen den einzelnen Rillenumdrehungen der Spirale erhöht, weil die Amplitude größer war, soll heissen, die Nadel pendelte stärker hinund her . der Spur der Rille folgend, aber bei gleicher Rillenbreite.


    Ein Nachwort zu "historischen" Trichtergrammophonen:
    Sie sind selten, teuer und meist in einem schlchten Erhaltungszustand, bzw wrden sie "modifiziert" und sind dann als Sammlerstück wertlos


    Seit einegen Jahren indes findet man immer wieder Angebote von Nachbauten, die nur von manchen Anbietern als solche deklariert werden.
    Sie sind wunderschön, nostalgisch anzusehen, "Historischer" aussehend als gegliches Original. Meist mit einem gefälschen "His masters Voice - Aufkleber"
    Es sind dies reine Dekorationsstücke, die zum Abspielen von Schellacks VÖLLIG ungeeignet sind


    Sie besitzen in der Regel ein zu schwaches Federwerk, das für "Reisegrammophone" gebaut wurde - und zwar bis in die 60 Jahre (und später ?) Damals wurden solche Grammophone in Billigstausführung vor allem in jene Gegenden der Welt verkauft, wo es noch keinen elektrischen Strom gab.


    Diese Laufwerke sind nicht für das Gewicht eines Trichters gebaut uns spielen Platten kaum bis zum Ende. Die Schalldosen sind übelster Schrott, die Trichterwerden unfachmännisch mit dem Tonarm verbunden, die Nadelstellung ist inkorrekt, der Klang ist grauenvoll, die Lebenserwrtung damit gespielter Schellacks entsprechend gering.


    Man findet solche Geräte aber oft in Internetangeboten und beim unseriösen Antiquitätenhändler. Dort werden die Geräte als von "unbestimmter Herkunft" oder "auf Omas Dachboden aufgefunden", sowie "Familienerbstück" deklariert. Manche Anbieter sichern sich rechtlich dadurch ab (oder versuchen es zumindest) in dem sie behaupten, über die Herkunft nichts zu wissen und sich selbst mit der Materie nicht auszukennen (Damit versucht man eine spätere Betrugsanzeige abzuwenden, was imo kläglich scheitern dürfte) Denn diese Anbieter wissen üblicherweise über die Herkunft der Geräte sehr wohl Bescheid....
    In den USA werden diese "Gammophone" übrigens als "Crapophon" bezeichnet. Nicht vornehem - aber treffend.


    Leider sind die Fälscher auch Schlauer geworden, es gibt bereits einig hier genannte Baueigenarten der Crapophone, die be heutigen Modellen nicht mehrt zutreffen...


    mfg aus Wiien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zwar waren die ersten elektrischen Tonabnehmer um 1925 erfunden worden, aber in die Haushalte fanden sie ihren Weg erst üblicherweise ihren Weg in den mittleren dreißigerjahren

    Das mag sein, dennoch waren elektrische Aufnahmen nicht dafür gedacht, sie auf den alten akustischen Grammophonen abzuspielen.

    Die Schellackplatte war - zur zeit als sie aktuell war IMO kein "Gebrauchsgegenstand" der nachlässig behandelt wurde . er war ein teurer "Luxusartikel"

    Das kam auf die Platten an, manche waren billig, andere waren teuer. Was ich damit zum Ausdruck bringen wollte war, dass Schellackplatten damals die Norm waren, und kein veraltetes nostalgisches Medium aus der Vergangenheit, keine Sammlerstücke so wie heute.
    Aber nachlässig wurden sie oft genug behandelt. Sei es, dass man sie in die besagten Plattenständer gestellt hat, oder dass man sie auf Grammophonen liegen ließ, die womöglich noch eine eingebaute Lampe hatten, die die Platte erhitzt und wellig gemacht hat.

    Die Rillen der Schellacks, die mittels "elekrischer" Aufnahmen gemacht wurden (ab ca 1925) waren NICHT breiter, als die ihrer mittels Trichter gemachten Vorgängeer

    Die Aufnahmen waren aber lauter, und größere Laustärke bedeutet auch breitere Rillen.



    LG,
    Hosenrolle1