In diesem Thread möchte ich meine persönlichen Top 3 – Schleiertänze aus der Oper „Salome“ vorstellen, jedoch auch andere Versionen kommentieren, die nichts, oder nur indirekt mit der Oper zu tun haben.
Ich habe mir im Laufe der Zeit viele verschiedene Versionen angesehen, manche gefielen mir sehr gut, manche waren ok, und manche ziemlich mies und/oder enttäuschend.
Bevor ich diese Auflistung starte, möchte ich allerdings noch ein paar erklärende Worte vorausschicken.
Meine Idealvorstellung einer Salome sieht in etwa so aus wie auf diesem Plattencover:
Am liebsten hätte ich auf der Bühne diese erdrückende, dekadente Fin de siècle Stimmung, mit schillernden Farben usw., so wie ich mir das bei Wilde irgendwie vorstelle. Wilde kannte auch etwa das berühmte Salome-Gemälde von Gustave Moreau, und soll, laut welt.de (https://www.welt.de/welt_print…b-dampfen-die-Perlen.html) gesagt haben:
Zitat"Grün wie eine exotische und giftige Eidechse". Oscar Wilde hatte eine sehr genaue Vorstellung davon, wie diese Salome, Titelheldin seines Dramas, ausstaffiert sein sollte. Am liebsten hätte er sie ganz "splitternackt, nur mit schwerem Edelstein-Halsschmuck drapiert" gesehen. "Ihre Wollust muss unermesslich, ihre Pervertiertheit grenzenlos sein. Die Perlen auf ihrem Leib müssen dampfen", charakterisierte Wilde die Prinzessin von Judäa.
Strauss selbst meinte, dass seine Musik hier in „fremdartigen Kadenzen schillert wie Changeant-Seide“, was es doch gut trifft. Das ist natürlich nur mein persönlicher Geschmack, und man kann das natürlich als „kitschig“ oder „hollywoodmäßig“ kritisieren, weil das wohl Stile sind, wie man sie aus alten Hollywoodfilmen aus den 40er oder 50er Jahren kennt, die aber mit der Realität meist nichts zu tun haben. Allerdings, das ganze Theaterstück ist schon alles andere als realistisch, und sehr symbolträchtig und unwirklich.
Ich kann es gleich sagen: ich habe auf YouTube keine einzige Version gefunden, die diesem Ideal annähernd entspricht, sei es vom Bühnenbild, sei es von den Kostümen oder der Salome-Darstellerin her. Und dennoch schreibe ich so eine Liste, weil ich nicht ausschließlich meine eigene Idealvorstellung umgesetzt sehen möchte, sondern auch offen für neue Ideen bin - ich lasse mich gerne positiv überraschen!
Es soll aber bitte hier nicht um meine Idealvorstellung, aber auch nicht um das Regietheater gehen. Mir ist klar, dass manche die von mir vorgestellten Videos nicht gut finden, aus unterschiedlichen Gründen, aber ich rede hier absichtlich nicht über irgendwelche Regiekonzepte oder Hintergründe, sondern einfach nur über den Tanz als eigenständige(!) Nummer – Strauss hat ihn auch komponiert, als er die restliche Partitur bereits beendet hatte.
In manchen Fällen besteht das Video nur aus dem Tanz, in anderen Fällen gibt es längere Videos; da werde ich den Link so schreiben, dass, wenn man drauf klickt, man direkt an der richtigen Stelle landet und nicht erst suchen oder auf eine bestimmte Zeit springen muss.
Natürlich behalte ich mir vor, dass sich die Reihenfolge einmal ändert oder ein anderes Stück meine neue Nummer 1 wird.
Na gut, dann fange ich mal an:
Platz 1:
https://youtu.be/DINWRmwY0c0?t=1h14m43s
Diese Version gefällt mir von allen momentan am besten. Die Beleuchtung und das Bühnenbild kommen meiner Vorstellung schon recht nahe. Salome wird permanent von weichem Licht beschienen, die Kulissen bleiben hier großteils im Dunkeln. Eine Kleinigkeit die mir hier aufgefallen ist: im Hintergrund wandert langsam der Mond in die Höhe, Salome wird jedoch immer von vorne beschienen. Logischerweise müsste sie eigentlich von hinten beschienen werden. Das Problem hätte man lösen können, indem man den Mond gar nicht erst zeigt, und nur seine Strahlen zu sehen bekommt.
Man hat es hier nicht mit einem klassischen Schleiertanz zu tun, aber der große Vorteil ist, dass er nicht von der Sängerin interpretiert wird, sondern von einer echten Tänzerin, und das sieht man auch deutlich, da sie sich elegant und geschmeidig bewegen kann, und nicht so ungelenk und hakelig, wie man es leider häufiger sieht. Es gibt zwar schon mehrere Stellen, die ich eher unfreiwillig komisch finde, was auch daran liegt, dass oft nicht getanzt, sondern eher „performt“ wird. Aber auch richtig gute Stellen wie diese hier:
https://youtu.be/DINWRmwY0c0?t=1h21m52s
Diese Stelle ist mir am liebsten, denn man hat hier nicht das Gefühl, dass die Tänzerin sich zur Musik bewegt, sondern umgekehrt: die Musik bewegt die Tänzerin. Man merkt auch, dass jede Bewegung genau getimt und auf die Musik abgestimmt ist. Das mag vielleicht beim ersten Hören nicht so auffallen, aber wenn man sich die Details in der Musik anhört, jeden neuen Taktanfang, jeden leisen Schlag der kleinen Trommel, die Glissandi-Schübe der Cellis, und dazu die Details in den Bewegungen ansieht, dann hat das schon was. Ich kann mich natürlich irren, aber da habe ich auch das Gefühl, dass der Choreograph sich die Partitur genau angesehen hat. Diese Bewegungen zu dieser Musik finde ich auch wesentlich erotischer als reine Nacktheit (die es in dieser Version übrigens nicht gibt).
Platz 2:
http://www.youtube.com/watch?v=JNgniBjT3RI
Hier handelt es sich um eine Probe, allerdings schon im Opernhaus, mit Kostümen und Bühnenbild, sowie vollem Orchester – ab und zu ruft der Regisseur noch hinein.
Auch diese Version gefällt mir, besonders im Vergleich zu anderen Versionen, sehr gut; abgesehen davon, dass Nicola Beller Carbone eine tolle Figur hat, kann sie sich gut bewegen. Die Choreografie geht m.E. manchmal doch an der Musik vorbei, aber es wird viel mit großen, halbdurchsichtigen Tüchern getanzt, und gegen Ende wird es sogar spannend – die Nacktheit am Ende wird dabei, wie ich finde, recht fantasievoll inszeniert, alles andere als voyeuristisch oder obszön.
Leider gibt es hier keine „Bauchtanz-Einlagen“ wie im Video auf Platz 1, wirklich getanzt wird eigentlich auch nicht, aber dennoch hat diese Version was.
Platz 3:
http://youtu.be/uU1KSILnCAo?t=1h1m29s
Hierbei handelt es sich um eine Aufführung von 1996, die offenbar von einer VHS überspielt wurde, dennoch ist die Qualität (für mich) in Ordnung.
Die Choreografie des Tanzes finde ich, ganz ehrlich gesagt, nicht wirklich gelungen. Meistens habe ich das Gefühl, dass dem Choreografen nicht wirklich viel eingefallen ist, spannend finde ich ihn nicht,
Der Grund, wieso dieses Video auf Platz 3 landet ist folgender:
Hier gibt es sehr schön und stimmungsvoll ausgeleuchtete Kulissen, die zwar nicht partiturgetreu sind, aber dennoch sehr gut zu der Oper passen (inkl. Fackeln und Zisterne im Boden), die Kostüme gefallen mir, und auch die Salome-Sängerin hat schwarze Haare und sieht recht jung aus. Das Ganze wurde auf einer Freiluft-Bühne aufgeführt, nach Einbruch der Dunkelheit.
Salome-Tänze, die nicht von Strauss sind
Natürlich gibt es nicht nur die Oper, sondern auch das Theaterstück von Wilde, sowie verschiedene Interpretationen des Tanzes, oder andere Geschichten, in denen er vorkommt. Auch hiervon habe ich mehrere gesehen, werde aber kein Ranking machen, weil ich bis auf eine Ausnahme, die ich gleich als erstes nennen werde, bislang alle recht enttäuschend fand.
Eine ganze Zeit fürchtete ich, dass die Strauss-Version des Tanzes mich derart beeinflussen würde, dass ich nicht mehr offen bin für andere Vertonungen. Bis ich diese Version hier gesehen habe:
https://www.youtube.com/watch?v=zIoL4SkN2XU
Es handelt sich dabei um einen Tanzfilm von 2002 unter der Regie von Carlos Saura.
Zuerst zur Musik: ich finde sie echt gelungen! Es ist ein ganz eigenständiges Stück, keinerlei Anspielungen oder Anleihen bei Strauss. Das Stück beginnt sehr ruhig, mit einem langsamen Rhythmus verschiedener Trommeln (welche Trommeln das sind kann ich leider nicht sagen, aber mich interessiert es!), unterschiedliche Instrumente spielen Soli, und nach und nach steigert sich das Stück, wird schneller, lebhafter, immer mehr Instrumente kommen hinzu, und erst ganz am Ende wird es wild und entfesselt, wo die Musik vorher immer noch irgendwie kontrolliert war. Ich höre das Stück sehr gerne, es hat schöne Melodien, ist sehr rhythmisch, spannend, und es gibt kleine Spielereien, wie etwa das plötzlich stark anschwellende Streicher-Crescendo, das punktgenau aufhört, bis das nächste Soloinstrument weiterspielt.
Und sehr schön finde ich, dass keine elektronischen Instrumente verwendet wurden (zumindest höre ich da keine). Ich höre auf jeden Fall unterschiedliches Schlagwerk, eine akustische Gitarre, Blasinstrumente und Streicher.
Abschließend bleibt noch zu sagen, dass das Stück eine schöne Mischung aus orientalischer Musik und spanischer Flamencomusik ist.
Aber nicht nur musikalisch, auch die Interpretation des Tanzes (durch die Spanierin Aída Gómez) finde ich hier besonders gelungen! In diesem Tanzfilm gibt es keine aufwändigen Kulissen, keine Paläste, Treppen, Fackeln etc., stattdessen stets eine sehr stimmungsvoll ausgeleuchtete Bühne. Und auch beim Schleiertanz sind die Grundbedingungen eigentlich ziemlich einfach: mehrere Leute sitzen in einem großen Kreis, und Salome befindet sich darin und tanzt. Und dennoch wird er zu keinem Zeitpunkt langweilig, sondern bleibt immer spannend und faszinierend! Was das Tanzen angeht habe ich wenig Ahnung, aber wie schon in der Musik gibt es auch optisch eine Mischung aus „Bauchtanz“ (d.h., zumindest erinnern mich manche geschmeidige, fast schlangenartigen Bewegungen daran) und vereinzelt Flamenco-Passagen, wo mit den Schuhen geklopft wird.
Abgesehen davon, dass ich schon die Choreografie gelungen finde, gibt es auch etwas ganz wichtiges, nämlich, dass auch das Spiel mit der Mimik, die ich besonders wichtig finde. Was nützt einem der beste Tanz, wenn das Gesicht dabei abwesend wirkt, oder man das Gefühl hat, dass da nur eine einstudierte Choreografie runtergetanzt wird? Nein, hier wird auch viel mit der Mimik gearbeitet, die Art, wie sie Herodes ansieht, scheint irgendwie ganz zu Salome zu passen: verführerisch, aber auch verschlagen und überlegen. Wie Sir Michael Caine in einem Ratgeber für angehende Schauspieler schon richtig sagt, es sind oft kleine Details in der Mimik oder Gestik, die vielsagend sind. Salome sieht Herodes etwa zu Beginn an und blinzelt dabei kein einziges Mal, ein Zeichen von Stärke.
Die Tänzerin wird hier mit einem wesentlich härteren Licht als etwa auf Platz 1 angestrahlt (eventuell mit einem Diffusor ein klein wenig weicher gemacht), was ihr auch ein kunstvolles Spiel mit Licht und Schatten erlaubt, etwa wenn Salome den Kopf hin und herwendet, wobei der Schatten abwechselnd die eine, dann die andere Gesichtshälfte ins mystische Dunkel taucht.
(Nebenbei, ich habe erst kürzlich auf YouTube ein Video gesehen, wo es um Burlesque-Tänzerinnen ging, und da gab es verschiedene Frauen, die sich um eine Stelle beworben haben. Da wurde dann öfter kritisiert, dass sehr gut getanzt wurde, aber etwas sehr wichtiges fehlte, nämlich das Spiel mit dem Publikum; dass man ins Publikum sieht, die Art, wie man dreinschaut etc. macht erst eine gute Vorführung aus)
Das einzig Negative an dieser Version für mich ist, dass die Salome-Darstellerin rein optisch doch weit über 30 ist, was man in manchen Einstellungen auch deutlicher sieht. Das wertet den tollen Tanz keineswegs ab, aber gerade bei einem Tanzfilm, wo es nicht auch auf eine gute Stimme wie in der Oper ankommt, hätte man sicher auch auf eine jüngere (oder jünger aussehende) Tänzerin zurückgreifen können. Aber das ist natürlich Geschmacksfrage. Mich stört nicht das Alter an sich, es geht mir rein um die Illusion.
„Negativ“ finde ich zudem, dass das Stück viel zu kurz dauert – aber das spricht ja FÜR diesen Tanz, nicht dagegen
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Eine andere Version finde ich ebenfalls unbedingt erwähnenswert, obwohl es sich gar nicht um eine Salome-Verfilmung handelt. Es ist der Film „King of Kings“ von 1961.
http://youtu.be/wsmBR4OE0nk?t=2m12s
In diesem Film gibt es ebenfalls einen Tanz der Salome, zu dem ich auch einiges sagen möchte.
Die Grundvoraussetzungen sind (für meinen Geschmack natürlich) eigentlich vielversprechend: die Kulissen sehen tatsächlich aus wie ein Palast, auch die Kostüme passen sehr gut dazu. Hinzu kommt, dass die Salome-Darstellerin Brigid Bazlen rein optisch für mich eigentlich schon perfekt wäre, und tatsächlich war sie auch erst 17, eventuell sogar 16 Jahre alt. So stelle ich mir eine Salome eigentlich vor.
Und natürlich die tolle Musik von Miklos Rozsa, die aber leider vom Regisseur für den Film gekürzt wurde!
Doch: die Choreografie des Tanzes ist mehr als enttäuschend, ebenso die ungelenke Darbietung desselben, und auch das vorher schon erwähnte Spiel mit der Mimik fehlt vollkommen. Die Interpretation ist für mich zwar kein totaler Verhau, aber ich kann beim besten Willen nicht verstehen, was Herodes daran gefunden hat!
Dennoch ist diese Version für mich auf jeden Fall erwähnenswert, wegen der wirklich gelungenen Musik sowie den Rahmenbedingungen, die für meinen Geschmack eigentlich fast perfekt sind.
Welche Versionen gefallen euch besonders gut, und warum?
LG,
Hosenrolle1