Haydn, Joseph: Sinfonie Nr.52 c-moll

  • Joseph Haydn: Sinfonie Nr 52 in c-moll


    Besetzung: zwei Oboen, zwei Hörner, zwei Violinen, Viola, Cello, Kontrabass.


    Da die Originalpartitur nicht mehr existiert kann die Enstehungsszeit nur grob eingeschätzt werden, im allgemeinen wird das Jahr 1771 (plus/minus) angenommen.
    Schon bei den ersten Klängen, weiß man das die Sinfonie dem Sturm und Drang zuzuordnen ist. Von Haydns, ihm nachgesagtem Witz und Spritzigkeit ist hier nichts zu hören.
    Der erste Satz ist besonders harsch und schrill, was von mir als unangenehm empfunden wurde, aber auch andere Beschreibungen gehen in diese Richtung, wobei die Beurteilung ob diese besondere Ausprägung ein Vor- oder Nachteil sein mag, natürlich divergieren, Teilweise wird dem ersten Satz das Gefühl des "unverhüllten Zorns" unterstellt, ein Vergleich, der mir eigentlich rechtr gut gefällt.
    Der Musikforscher Robbins Landon verglich diese Sinfonie mit "einer feurigen Explosion" In gewisser Weise ist das richtig, lediglich daß die Mittelsätze nich wirklich feurig sind. Hier herscht Düsternis, de gelegentlich von einiegen "Eruptionen" aufgewühlt wird. Einen Lichtblick aus meiner Sicht, bietet lediglich ein Teil des dritten Satzes, wo Hörnerlang die Finsterniss ein wenig aufhellt und vorläufige Ruhe ins Geschehen bringt. Am besten gefällt mir indes eine Beschreibung die den ziemlich abrupten Ausklang der Sinfonie als "mürrisch" bezeichnet, Das trifft es IMO punktgenau, Ich empfand indes die gesamte Sinfonie als aggressiv, schlill, harsch, düster und mürrisch....
    Sie wird indes von einigen Musikforschern auch als "herausragend" angesehen, da Haydn hier "gewohnte Pfade" weitgehend verlässt. Aber gibt es denn bei Haydn überhaupt "gewohnte Pfade ?
    Ich habe die Aufnahme mit dem Orchester "Tafelmusik" unter Bruno Weil gehört, deren Mozartprojekt leider nach 7 CDs eingestellt wurde (oder gar nicht größer geplant war ?) Sechs davon bessitze ich. Leider ist dieses Projekt nur mehr komplett als Box - allerdings zu einem moderaten Preis (28.99Teuro) im Angebot.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Unter den "Sturm-und-Drang-"Sinfonien in Moll ist das vorliegende Werk anscheinend eines der weniger bekannten. Es hat, wie Nr. 39, ja auch keinen Beinamen. Was die "Konventionalität", bei der man in dieser Epoche immer aufpassen muss, da die Konventionen, die 20 Jahre später verbindlich scheinen mögen, ja erst im Entstehen sind, betrifft, gehört sie eher in die Mitte. Am stärksten "streng-klassisch" scheint mir die "Trauersinfonie" Nr.44. Dagegen sind die "Abschiedsinfonie"Nr. 45, die "La passione" Nr.49 und die "Lamentatione" Nr.26 allein aufgrund der Satzfolgen, aber teilweise auch in einigen Details ungewöhnlicher. Ungewöhnliche Merkmale des vorliegenden Werks sind das Finale und die Reprise/Coda des ersten Satzes, vgl. dazu den wikipedia-Eintrag, vielleicht schreibe ich hier später nochmal etwas mit Zeitangaben dazu.


    Das Menuett wird dort als "wenig tänzerisch" beschrieben. M.E. liegt das an einer leichten (oder zumindest in der Interpretation (Fischer?), die ich gestern im Netz (Haydn 107) angehört habe, hörbaren) rhythmischen Verschiebung: Durch den Auftakt und die Bindebögen tendiert man dazu, halbe Noten (statt Viertel oder ganze Takte) als Zeitmaß wahrzunehmen, wodurch das 1-2-3, 1-2-3 des Menuetts abgeschwächt wird. (Das Trio scheint mir dagegen regulärer dem üblichen Rhythmus zu folgen.)


    Der langsame Satz ist tatsächlich etwas fade. Wie oft in dieser Phase ein sehr starker Gegensatz, weitgehend auf gedämpfte Streicher beschränkt und etwas langatmig (gerade auch im Vergleich zu der Dichte der Ecksätze). Und in "Stimmung" und Melodik kann er nicht mit den herausragenden Sätzen in 44 und 45 mithalten (ist aber auch weit von einem "Ausfall" wie dem Andante in der früheren Nr. 39 entfernt).


    (Es gibt inzwischen zu den meisten Sinfonien, so auch zu dieser, ziemlich gute wikipedia-Einträge. Das war allerdings 2008, als wir hier mit dem Überblick begonnen haben, noch nicht der Fall.)

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • (Es gibt inzwischen zu den meisten Sinfonien, so auch zu dieser, ziemlich gute wikipedia-Einträge. Das war allerdings 2008, als wir hier mit dem Überblick begonnen haben, noch nicht der Fall.)


    In der Tat sind die Wikipedia-Beiträge sehr ausführlich. Ich habe mir daher auch die Frage gestellt, ob damit unsere Werkeinführugen überflüssig sind.
    Nach einiger Zeit kam ich zu dem Schluß, daß sie es keineswegs sind, wenn sie WIKIPEDIA Einträge sind eigentlich nur von Musikern zu verstehen, der Klassik-Normalhörer wird mit den Beschreibungen wenige anfangen können. Kritiker (und auch ich) verwenden daher eine art "Jägerlatein" - eine blumenreiche, mit Symbolen und Vergleichen bereicherte Sprache zur Beschreibung von gehörten Musikwerken, die zwar oft belächelt , aber andrerseits von fast jedem verstanden wird. Zudem brauchen wir hier nicht unbedingt objektiv zu sein, sondern können gewisse Vorlieben und Abneigungen mit in unsere Beschreibung einfließen lassen. Den professionellen Autoren in den diversen Konzertführern fällt zu Haydns Nr 52 sehr wenig ein, sie wird in der Regel recht kurz, einmal sogar mit einem Satz, abgehandelt.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Im Rahmen des "Hörens aller Haydn-Sinfonien" bin ich heute bei dieser Nr 52 angelangt.

    Es ist schon erstaunlich wie in manchen Fällen zwei Höreindrücke, die oft einige Jahre auseinanderliegen sich ähneln können - im konkreten Fall fast bis zur Identität.

    Auch heute habe ich diese Werk als äusserst unangenehm und unschön gefunden - mein Urteil hat sich also nicht geändert. Interessant, daß mir auch heute die betörend schöne kurze Hornpassage aufgefallen ist - quasi eine Oase in der Wüste.

    Aber das ist keine Übertreibung von mir, wenn ich diese Sinfonie ablehne. H.C Robbins Landon, der Verfasser des Vivarte Booklets bezeichnet die beiden Ecksätze, als die "ernstesten und kompromisslosesten Stücke aus Haydns gesamter Symphonik"

    Das ist IMO sehr neutral oder sogar freundlich formuliert, man kann sich aber ausmalen, was da jetzt kommt.....

    Daß hier durch die "zahlreichen Synkopen und Pausen" bereits auf Beethoven voraus verwiesen wird, halte ich aber nicht für richtig...


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich muss für die Sinfonie 52 Partei ergreifen. Ich finde sie einer der besten Sturm und Drang Sinfonien, eine die durchaus mit den Sinfonien 44 und 45 mithalten kann. Zusammen mit der Sinfonie Nr. 49 stellen diese Werke für mich die Moll Sinfonien in Haydns Schaffen dar und müssen auch keinen Vergleich mit Haydns späteren Moll (tatsächlich Moll-Dur) Sinfonien scheuen.


    Anders als in der Sinfonie 45, ist der Kopfsatz der 52. Sinfonie in einer geradezu textbuchmäßigen Sonatenform gehalten, mit einem ausgeprägten zweiten Thema. Das heißt aber nicht das der Satz routiniert ist. Im Gegenteil, Haydn komponiert hier einer seiner dramatischsten sinfonischen Sätze, genauso packend und spannend wie die Kopfsätze von Nr. 44 und Nr. 45. Haydns Kunst ist es, dass er überzeugende Musik sowohl ausserhalb als auch innerhalb einer Form schreiben kann.


    Ich finde den zweiten Satz in keiner Weise langweilig, ganz im Gegenteil er ist in meiner Meinung einer der effektivsten langsamen Sätze des Sturm und Drangs überhaupt. Die immer wiederkehrenden trotzigen Forte-Einwürfe geben dem Satz eine Dramatik die bei den meist in Piano oder Mezzo-Piano gehaltenen langsamen Sätze der Sinfonien 44 und 45 fehlen. Die Stimmung hier erinnert mich ein wenig an die des Capriccios aus dem Streichquartett op 20 Nr. 2.


    Das Menuett ist dem von der Sinfonie 44 ähnlich in dem hier ein Canon suggeriert wird (in 44 ist es ein tatsächlicher Canon). Das Trio ist eine Ableitung vom Menuett in Dur.


    Das Finale beginnt mysteriös leise und verharrt in Piano eine ganze Weile, bis das Orchester in Forte in Dur hereinbricht. Der Satz schließt in Moll und beendet damit einer der kompromisslosesten Sinfonien in Haydns Schaffen. Es ist auch ein Werk das aufzeigt, dass Haydn weit mehr ist als der gut gelaunte Spaßmacher als der er oft porträtiert wird.


    Solomons, Hogwood, Brüggen und Weil liefern alle überzeugende Aufführungen der Nr. 52 ab. Die Aufnahmen von Brüggen und Weil haben den Vorteil, dass sie keine zweiten Wiederholungen (in der Musik hier eher unnötig) spielen lassen.


    LG aus Wien.:hello:

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  • Ich kann gut verstehen, dass dieses Werk bei einigen Unbehagen auslösen kann. Als ich die Sinfonie aus der neuen Solomons Box mit meiner Frau hörte, meinte sie: „Das klingt aber gar nicht wie Haydn“. Sie hatte natürlich Recht. Diese Sinfonie passte gar nicht in das Bild vom gemütlichen Papa Haydn, mit dem wir fast alle aufwuchsen. Während dieses Bild von Sinfonien wie 44 und 45 in Frage gestellt wird, wird es von 52 regelrecht zerschmettert. Das Stück ist für Haydn eher untypisch, aber nicht einmalig. Werke wie die zwei Moll Quartette aus op 20, die Klaviertrios in E-Moll(zumindest der erste Satz) und Fis-Moll, die „Sieben letzten Worte“ die F-Moll Variationen für Klavier und die Nelsonmesse zeigen eine Seite von Haydn die wir nicht gewohnt sind: Aggressiv, kompromisslos, brutal und sogar auch tragisch. Oft zeigt uns Haydn diese Seite nicht, aber sie existiert. Ich glaube, dass das Thema „Haydn in Moll“ einen Thread wert wäre…


    LG aus Wien.:hello:

  • Der langsame Satz hat diese zusätzlichen forte-Kontraste, ich finde ihn aber dennoch weniger effektiv als die der 44 und 45. Die Ecksätze sind sehr gut (das Menuett ist auch gut, aber ein bißchen knapp vgl. mit dem großartigen kanonischen in 44), aber auch hier entsprechen für mich 44, 45, 49 mehr dem "eckigen" Sturm und Drang Gestus. Mir scheint hier die c-moll die "modernste", die schon mehr in Richtung der späteren Moll-Sinfonien geht (auch deswegen hat mir Solomons hier vielleicht nicht so gefallen wie in den anderen).


    Bei Alfred lösen vermutlich alle Moll-Sinfonien Haydns dieser Zeit Unbehagen aus :hahahaha: Das will nicht viel sagen. :cheers:

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    (Bob Dylan)

  • Bei Alfred lösen vermutlich alle Moll-Sinfonien Haydns dieser Zeit Unbehagen aus

    DAs ist sicher nicht unrichtig, ich erinnere mich, daß ich diese Etappe (ich wollte ja ALLE durchnehmen) mit Unlust gehört habe.

    Allerdings sehe ich andere Sinfonien Haydns nicht als "gemütlich" oder senil an, sondern oft als prunkvoll höfisch und repräsentativ - oder aber als "Jagdsinfonien, rustikal mit Hörnern. Aber auch die mit einfachen eingängigen Themen liebe ich - wo Haydn quasi aus nichts wunderbare Musik macht.

    Die Vorliebe für "verstörende" und "spröde" Werke - von wem auch immer - kann ich nicht nachvollziehen - sie passt aber in unsere Zeit - wie ich sie sehe..

    Ich kann mir vorstellen, daß Fürst Nikolaus II solche Werke von Haydn zwar geduldet, sie aber mit scheelen Blicken betrachtet hat ;)


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Mir scheint hier die c-moll die "modernste", die schon mehr in Richtung der späteren Moll-Sinfonien geht (auch deswegen hat mir Solomons hier vielleicht nicht so gefallen wie in den anderen).


    Bei Alfred lösen vermutlich alle Moll-Sinfonien Haydns dieser Zeit Unbehagen aus :hahahaha: Das will nicht viel sagen. :cheers:

    Stimmt, mit dem wichtigen Unterschied, dass sich Nr. 52 nicht in Dur verflüchtigt (siehe alle Moll Sinfonien ab Nr. 78). Sie is damit (zumindest numerisch) Haydns letzte „volle“ Moll Sinfonie. :cheers:


    LG aus Wien.:hello:

  • Stimmt, mit dem wichtigen Unterschied, dass sich Nr. 52 nicht in Dur verflüchtigt (siehe alle Moll Sinfonien ab Nr. 78). Sie is damit (zumindest numerisch) Haydns letzte „volle“ Moll Sinfonie. :cheers:

    Ja, das finde ich auch. 'Reine' Mollsinfonien (auch andere Genres) behagen mir mehr und empfinde ich als 'echter' - alles andere ist Wischiwaschi. Mozart bleibt bei sein beiden g-moll-Sinfonien konsequent, dito bei c-moll-Sonate und -konzert; nicht hingegen beim d-moll - da sitzt mir im Schlußteil des Finalsatzes ein fieses Teufelchen auf der Schulter und macht ständig die Ätsch-Figur "Nä-nä-nä-nä-Nääää-nä":



    :baeh01: - Der Ätscheffekt wird durch die quäkenden Oboen noch verschärft, aber die Stelle 5 Takte vor Schluß macht es dann wieder gut, indem Bässe, Blech und Pauken bereits auf "D" fertig sind, alle anderen noch auf der Dominante herumeiern (in der CD-Aufnahme ist das noch schärfer herausgearbeitet).

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

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  • Ja, das finde ich auch. 'Reine' Mollsinfonien (auch andere Genres) behagen mir mehr und empfinde ich als 'echter' - alles andere ist Wischiwaschi. Mozart bleibt bei sein beiden g-moll-Sinfonien konsequent, dito bei c-moll-Sonate und -konzert; nicht hingegen beim d-moll - da sitzt mir im Schlußteil des Finalsatzes ein fieses Teufelchen auf der Schulter und macht ständig die Ätsch-Figur "Nä-nä-nä-nä-Nääää-nä":



    :baeh01: - Der Ätscheffekt wird durch die quäkenden Oboen noch verschärft, aber die Stelle 5 Takte vor Schluß macht es dann wieder gut, indem Bässe, Blech und Pauken bereits auf "D" fertig sind, alle anderen noch subdominieren.

    Ach, ich kann einer guten Moll vs. Dur Auseinandersetzung auch etwas abgewinnen. Haydns Reiterquartett aber auch seine 70. Sinfonie sind lohnende Werke und natürlich die berühmteste Moll vs. Dur Sinfonie, Beethovens 5.


    LG aus Wien.:hello:

  • Eine der gelungensten moll-Dur-Aufhellungen ist m. E. Carolus Antonius Fodor gelungen:



    Sinfonie c-moll op. 19 8|:yes: - erst in den letzten Sekunden switcht er völlig überraschend ins Bombastisch-Burschikose um. Mit noch knalligerem Blech und Paucken hier:



    Fodors hier ebenfalls enthaltene G-Dur-Sinfonie würde in einer Serie von späten Haydn-Sinfonien (ab den 80ern) nicht als Fremdkörper auffallen; exquisit eingespielt. Leider muß man jede Menge Bestechungsgelder rekrutieren, um an die CD gelangen zu können.

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)