Richard Wagner und seine Nachahmer

  • Liebe Opernfreunde,


    wie zumeist, ist auch dieser Titel eine Provokation und somit nicht hundertprozentig ernst gemeint. Hier geht es weniger um "Nachahmer", als um Komponisten, die sich im Einflußbereich Richard Wagners befunden haben, und deren Werke von Wagner beeinflußt scheinen. Hier stellt sich wieder die Frage, was typischer Wagner, und was Zeitgeist des späten 19. Jahrhunderts ist.


    Wen kann man überhaupt zum WAgner- Kreis zählen ?
    Mir fallen spontan nur Kienzl Humperdinck und Siegfried Wagner ein.
    (Es gibt aber mehrere)
    Inwieweit vermochten sie sich vom Vorbild zu lösen und Eigenständigkeit zu entwickeln ? Gab es überhaupt einen typischen Wagnerer- Stil ? Und- last but not least: Wieso ist Wagner heute noch gefragt, während jene die im nahestanden, mehr oder weniger vergessen sind.?


    LG
    aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Mir fallen spontan zwei weitere ein:


    Der größte Wagner-Verehrer (wörtlich gemeint!) war bekanntermaßen Anton Bruckner. Man kann nun darüber streiten, inwieweit dies seinem eigenen Werk geschadet oder geholfen hat, aber grundsätzlich kann man wohl sagen, dass er dennoch einen völlig eigenen Stil entwickeln konnte.


    Der zweite ist Richard Strauss. Er ist anfangs stark von Richard Wagner beeinflusst, kann aber auch recht schnell einen eigenen Stil entwickeln. Seine erste Oper Guntram klingt teilweise noch richtig schön nach Wagner, aber schon bei der zweiten ("Feuersnot") gibt es nur mehr gelegentliche Anklänge. Der musikalische Sprung zur dritten Oper ("Salome") ist für mich eines der größten Rätsel der Musikgeschichte.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zu Strauss und Wagner hier eine kleine Amekdote: Als man den älteren Strauss fragte, wie er es geschafft habe, Wagner zu überwinden, erklärte er lakonisch: "Viele Kollegen sind den Berg Wagner hochgekraxelt und dabei abgestürzt. Ich bin einfach um den Berg herumgegangen."


    Florian

  • Welche Komponisten hat Wagner, und dabei v.a. "Tristan und Isolde"
    beeinflußt?
    Primär fällt mir Gustav Mahler ein, wobei ich bei ihm den Einfluß Schuberts ebenso hoch einschätze.

    Otto Rehhagel: "Mal verliert man und mal gewinnen die anderen".
    (aus "Sprechen Sie Fußball?")

  • Zitat

    Original von Theophilus
    Der zweite ist Richard Strauss. Er ist anfangs stark von Richard Wagner beeinflusst, kann aber auch recht schnell einen eigenen Stil entwickeln. Seine erste Oper Guntram klingt teilweise noch richtig schön nach Wagner, aber schon bei der zweiten ("Feuersnot") gibt es nur mehr gelegentliche Anklänge. Der musikalische Sprung zur dritten Oper ("Salome") ist für mich eines der größten Rätsel der Musikgeschichte.


    Ich finde eigentlich das mindestens ebenso große Rätsel die Entwicklung nach Salome und Elektra...? (denn ganz grob könnte man Salome und Elektra ebenso wie "Erwartung" und "Wozzeck" als konsequente Fortspinnung von Tristan sehen)
    Was hatte Gould nochmal über Mozart gesagt :stumm: :D


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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  • Hallo,


    es ist bezeichnend, daß Wagner keine "Schule" im eigentlichen Sinne hinterlassen hat. Pfitzner und Strauss etwa haben sich bald wieder vom übermächtigen Vorbild gelöst und sind eigene Wege gegangen. Sicher gab es Komponisten, die sich wie Humperdinck oder Cornelius an einer nahe am Vorbild orientierten Fortführung des wagnerschen Opernstils versuchten. Aber letztlich blieben sie doch im Schatten Wagners, der eher so etwas wie ein Schlußstein in der Entwicklung der romantischen deutschen Oper bildete. Wo er, wie im "Tristan" die Tür einen Spalt hin in die Moderne öffnete, machten die Exponenten der "Zweiten Wiener Schule" (Schönberg, Berg, Webern) weiter.


    Interessanterweise erlebte Wagners Werk nach dessen Tod gerade in dem Land einen unerwarteten Aufschwung, das für die größten Fehlschläge in dessen Leben steht: Frankreich. Nach der auch psychologisch verheerenden Niederlage von 1871 und dem Zusammenbruch des Zweiten Kaiserreiches befand sich die bis dahin in Europa tonangebende französische Kultur in einer Identitätskrise. In diesem Klima gründete sich 1885 die "Revue wagnérienne", die Zeitschrift der französischen Wagnerianer. Dieser "Wagnérisme" orientierte sich zwar am großen Bayreuther Vorbild, kopierte ihn aber nicht sklavisch, sondern versuchte in mehr oder minder großem Maße, die Elemente Wagnerscher Dramen und Tonsprache mit traditionellen französischen Elementen in Oper und Symphonik zu vermählen. Zu diesem Kreis gehörten etwa César Franck (d-moll-Symphonie), Emmanuel Chabrier (Oper "Gwendoline", 1886), Paul Dukas, Albéric Magnard (nomen est omen!), Vincent d´Indy (Oper "Fervaal", 1897), Edouard Lalo (Oper "Le roi d´Ys", 1888 ), Ernest Chausson (Oper "Le roi Arthus", 1903) und Ernest Reyer (Oper "Sigurd", 1884). Durch den starken Einfluß auf die französischen Symbolisten geriet auch Claude Debussy zeitweise in den Sog des Wagnerschen Musikdramas (teilweise im "Pelléas" hörbar), den er dann aber mit der Zeit wieder abschütteln konnte. Schon vor den patriotischen Aufwallungen zur Zeit des Ersten Weltkrieges war der Höhepunkt der Bewegung aber überschritten. Und nach dem Krieg gehörte Wagner dann in Frankreich schon zur Musikgeschichte, die es zu konterkarieren galt ("Groupe de Six").


    Grüße


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Endlich der nötige Hinweis auf die intensive Beschäftigung mit Wagner bei vielen französischen Komponisten. Man kann noch Gabriel Fauré hinzufügen, dessen einzige Oper Pénélope Wagnersche Leitmotivtechnik verwendet!

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Bei diesem Thema fällt mir ein heute weithin unbekannter Komponist von geradezu tragischer Selbstüberschätzung ein: August Bungert (1846-1915). Als Dichterkomponist à la Wagner schrieb Bungert nach dem Vorbild des "Ring" eine Tetralogie "Homerische Welt" mit folgenden Teilen:
    1. Kirke - UA Dresden 1898
    2. Nausikaa - Dresden 1901
    3. Odysseus' Heimkehr - Dresden 1896
    4. Odysseus' Tod - Dresden 1903


    Die Begeisterung über diesen "neuen Wagner" muß immerhin so gewaltig gewesen sein, daß zeitweise für diese Tetralogie in Bad Godesberg am Rhein ein eigenes Festspielhaus geplant war. Hatte man den legitimen Nachfolger Wagners entdeckt? Bungert selbst muß es wohl geglaubt haben. Der Enthusiasmus des Anfangs entpuppte sich jedoch bald als Strohfeuer. Noch die wilhelminischen Zeitgenossen begannen das allzu hohle, dröhnende Pathos seiner Musiksprache zu kritisieren, was in dieser von hohlem Pathos gesättigten Zeit doch einiges heißen will. Soweit die Musikgeschichte von Bungert noch Notiz nimmt, dann als kuriose Fußnote über einen Komponisten, der sich an Wagner schwer verhob.


    Florian

  • Hallo florian,


    ob Bungerts Musiksprache nun aus "hohlem, dröhnendem Pathos" bestanden hat oder eher doch an klassisch-romantischen Vorbildern orientiert und recht melodiös war (wie ich an anderer Stelle gelesen habe), läßt sich ja leider kaum feststellen, denn es gibt keine einzige Note der Tetralogie, geschweige denn anderer Werke Bungerts, auf CD. Nebenbei bemerkt: ein bißchen Pathos ist bei dem gewählten Stoff ja durchaus auch angebracht. Bungert ist sicherlich kein Großmeister, der jetzt unbedingt in jedes CD-Regal gehört, aber dennoch würde ich mir gerne ein eigenes Bild von ihm machen, zumal heute ja auch immer mehr sog. "Kleinmeister" ihren Weg auf die Silberscheibe finden. Angesichts des Aufwandes, den das ganze Projekt mit sich bringen würde, allerdings wohl eine vergebliche Hoffnung.


    Grüße


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Zitat

    Noch die wilhelminischen Zeitgenossen begannen das allzu hohle, dröhnende Pathos seiner Musiksprache zu kritisieren, was in dieser von hohlem Pathos gesättigten Zeit doch einiges heißen will


    Na endlich wirds doch ein spannender Thread.


    Ich glaube eher , daß Bunger mit seinen Werken "zu spät dran war, eine Geschmackswander begann sich abzuzeichnen.


    Meine Quellen über Bungert stellen lediglich fest, daß seine Werke sämtlich in Vergessenheit geraten sind (Welches Label traut sich ??) - ohne jede Wertung.


    Bungert schrieb auch symhonische Dichtungen, zB "auf der Wartburg" und Kammermusik, sowie Klavierstücke.


    Beste Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Hallo Giselher & Alfred,


    vermutlich muß ich heutzuatge als "Rarität" gelten, denn ich habe vor 40 Jahren ein paar Liedkompositionen Bungerts in einem alten Notenkonvolut meiner Urgroßmutter entdeckt. Ich habe diese Lieder seinerzeit am Klavier durchgespielt, ohne Aufregendes entdecken zu können. In ihrer Schlichtheit erinnerten sie mich an die Rosenlieder des als Komponist dilettierenden Fürsten Eulenburg, des tragischen Freundes Kaiser Wilhelms II. Vielleicht könnte man diese von mir seinerzeit am Piano "exekutierten" Lieder gemütvoll nennen, was melodiöse Elemente durchaus einschließt. In wieweit sie für Bungerts Liedschaffen repräsentativ sind, weiß ich freilich nicht zu sagen.
    Da in diesem Notenkonvolut die Komponisten auch biographisch vorgestellt wurden, kam auch Bungerts Homer-Tetralogie zur Sprache. Bei Drucklegung der Lieder-Noten (um 1900 wohl) war das Mammutprojekt noch nicht vollendet, aber ich erinnere mich, daß damals schon eine Verbindung zu Wagners "Ring" als Vorbild hergestellt wurde. Mich irritierte dieser Hinweis sehr, weil ich mir eine Weiterentwicklung der Wagnerschen Musiksprache von einem Komponisten nicht vorstellen konnte, dessen Lieder mich an Philipp Eulenbzrg erinnerten (die waren in diesem Konvolut auch versammelt) oder bestenfalls als Zelter.
    Natürlich fände ich es spannend, mir via CD ein eigenes Urteil über Bungerts Orchestersprache bilden zu können. Daß er von der Industrie völlig ausgespart wird, obwohl an Angeboten von Klein- und Kleinstmeistern wahrlich kein Mangel besteht, ist gewiß bedauerlich, aber was hätte die Industrie davon, wenn die Kundschaft nur aus Giselher, Alfred und mir bestünde....
    Wenn ich mich trotz Unkenntnis der Tetralogie zu einem Werturteil erkühnte und von hohlem Pathos sprach, dann allein im Vertrauen auf die MGG, aus der ich hier in blühendem Lexikon-Deutsch zitieren
    möchte:
    "Über all dies [Tetralogie und zwei weitere Iliasdramen namens "Achilleus" und "Klytämnestra"] ist die Geschichte längst hinweggeschritten, nachdem sich Bungerts musikdramatische Bemühungen schon wegen seiner mangelnden dramatischen Begabung, vor allem aber infolge eines auf verhängnisvoller Selbsttäuschung beruhenden klaffendenden Widerspruchs zwischen Wollen und Können schon zu seinen Lebzeiten als ein Fehlschlag erwiesen haben."


    Schade eigentlich, daß die Industrie nicht mehr ihr Subskritionskonzept der frühen 60er Jahre neu auflegt. Damals ließ z.B. die DGG über ihre Händler mitteilen, sie beachsichtige eine GA von Pfitzners "Palestrina" oder Busonis "Doktor Faustus", und erst, wenn die Deckung der Produktionskosten durch feste Kaufverpflichtungen gesichert war, wurde das Projekt gestartet. Auf eine Wiederbelebung solcher Art wird der selige August Bungert wohl auf ewig verzichten müssen...


    Florian

  • Hallo allerseits,


    als Nachahmer - jedenfalls aus heutiger Sicht - dürfte wohl auch Felix Draeseke mit seinem "Christus" gelten (Christus. Ein Mysterium in einem Vorspiel und drei Oratorien für großen Chor, Solostimmen und Orchester), der anscheinend als oratorisches "Gegenstück" zum "Ring" gedacht war, wobei ihm das MGG bescheinigt, inhaltlich deutlich auf Gegenkurs zur späten Kunstreligion Wagners gewesen zu sein (eigentlich kein Wunder, Draeseke kam aus einer protestantischen Theologenfamilie). Zu Draesekes Lebzeiten ist das Werk nur zweimal komplett 1912 aufgeführt worden - möglicherweise aufgrund ähnlicher Problematik in Sachen Anforderungen wie bei Wagner. Über spätere Aufführungen habe ich nichts gefunden, immerhin gibt es aber eine offenbar auch jetzt noch greifbare CD-Aufnahme. hat die irgendwer mal gehört?


    Einen schönen Abend noch

  • Der Draeseke-"Christus" ist ein tüchtiges Werk, erinnert mich aber eigentlich nicht so sehr an Wagner als eher an Schumann, vielleicht, weil es sogar für ein Oratorium ein sehr oratorisches Stück ist, um es mal vorsichtig zu formulieren.


    Die Wagnerei hat sich meiner Meinung nach viel eher bei den Franzosen breit gemacht, Chaussons "Roi Arthus" ist ein Meisterwerk der Wagner-Nachfolge, d.h., man spürt, woher Chausson kommt, aber er hat doch genug eigene Persönlichkeit, um bestehen zu können. D'Indys "Fervaal" kenne ich nur in Auszügen (und die in technisch mäßiger Qualität) - meiner Meinung nach sehr mäßig, da haben d'Indys symphonische Werke schon mehr Gewicht.
    Ebenfalls mit Wagner liebäugeln auch Jean Cras und Guy Ropartz, die sich allerdings auch merklich mit der Klangtechnik von Debussy vertraut gemacht haben.


    Ein Kuriosum sind die Wagner-Aufarbeitungen zweier Amerikaner: Templeton Strong mit ein paar Symphonischen Dichtungen und Loeffler mit Orchesterwerken und Liedern.
    Bei den Tschechen ist Fibich stark Wagner-beeinflusst, von Smetana weiß man's sowieso.
    Bei den Italienern sagt man Boito die Wagner-Nähe nach, was ich weder im "Mefistofele" noch im "Nerone" wirklich nachvollziehen kann.


    Ein echtes Unicum ist der Engländer Rutland Boughton, er schwärmte für walisische Sagen und die kommunistische Partei, was vielleicht erklärt, dass man ihn in seiner Heimat nicht so unbedingt gefördert hat. Sein Beitrag: Ein fünf Opern umfassender Arthus-Zyklus und ein "Tristan". Klingt nach gälischem Liedgut auf "Parsifal"-Basis harmonisiert.

    ...

  • Ich möchte an dieser Stelle etwas zum längst vergessenen August Bungert beisteuern.


    Mir ist das Werk erstmals beim Durchblättern einer alten Auflage vom Scholtzes Opernführer (von 1921) aufgefallen, damals dachte ich, es wäre doch toll, wenn sich irgendein Intendant oder irgendeine Plattenfirma finden ließe ...


    Ich zitiere hier die Werkeinführung:


    "Es gibt wohl kaum einen zweiten Dichterkomponisten, dessen Wirken so verkannt wird, wie Bungerts Schaffen. Bungert, eine genial veranlagte Natur, dem nur das größte gerade recht ist, hat uns mit seiner Odyssee eine Trilogie geschaffen, die sich auf gleiche Stufe mit Wagners Riesenwerk dem "Ring des Nibelungen" stellt.
    Man hat den Bungertschen Musikdramen nachgesagt, dass sie keine Leitmotive hätten, und da ohne diese eben ein modernes Musikdrama seit Wagner nicht mehr denkbar ist, so hatte man von des Dichterkomponisten Trilogie absolut keine richtige Vorstellung. Wer aber sich mit den Werken näher bekannt macht, wird bald zu der Überzeugung kommen, dass Bungert ebenso Leitmotive verwendet, wie der Bayreuther Reformator. Nur ist der Inhalt Bungertscher Dramen ein völlig anderer als bei Wagner. Letzterer schildert uns die wild-leidenschaftlichen Gestalten altgermanischer Götter, deren menschliche Charaktere übermenschliche Leidenschaftlichkeit kennzeichnen. Somit aber bewegt sich Wagners Musik fortwährend auf dem Gipfel wildester Sinneslust, und diese entsprechend zu vertonen griff er zur Chromatik. Bungert aber schildert uns in seiner Trilogie Menschengestalten aus dem klassischen Griechenland, Menschengestalten, die in der klassischen Zeit der begabtesten aller Völker gelebt haben sollen und denen schon durch ihr Milieu derartige wilde Leidenschaft fern liegt. Und um diese Gestalten musikalisch wiederzugeben, benutzt Bungert zwar auch Leitmotive, diese sind aber meistens nicht chromatisch, sondern diatonisch, und stehen deshalb hinter den sich unserem Ohre direkt aufdrängenden chroatischen Motiven bescheiden zurück. Trotzdem haben auch Bungerts diatonische Motive Plastik. Auch bei Wagner kann man nach erstem Anhören des Ringes nicht ohne weiteres alle angewendeten Motive heraushören, warum aber verlangt man dann dies beieinem anderen Tondichter?
    Bungerts Instrumentatin ist stets der Situation angepasst, oft heißblütig, oft sonnenklar, oft auch herb oder lieblich. Somit gehört der Dichterkomponist zu den größten Tondichtern der Jetztzeit, und seine Bedeutung wird nach und nach anerkannt. Ja, man befasst sich augenblicklich mit dem Plane, ähnlich dem Bayreuther Festspielhaus den Bungertschen Werken eine besondere Heimstätte zu erbauen."


    Wie wir wissen, ist es zu letzterem nicht mehr gekommen. Als Nachtrag erstmal noch, dass Lilli Lehmann sich wohl sehr für Bungerts Werk eingesetzt hat. Von ihr existiert auch eine der wenigen erhältlichen Aufnahmen, ein Lied "Loreley", auf das IMO das in diesem Thread über Bungerts Lieder geschriebene durchaus zutrifft.


    Gruß von
    vitelozzo-tamare

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    ...Bei den Tschechen ist Fibich stark Wagner-beeinflusst, von Smetana weiß man's sowieso.....


    Auch auf Dvorak, den man ansonsten immer mit Brahms in Verbindung bringt, hat Wagner einen nicht zu unterschätzenden Einfluß gehabt. Das gilt nicht nur für die Opern - schon in der 2. und 3. Sinfonie sind deutliche Echos des Tannhäusers auszumachen.


    Unter den deutschen Komponisten wäre auf jeden Fall noch Hugo Wolf zu nennen, der ja auch immerhin anderthalb leider viel zu selten aufgeführte Opern geschrieben hat....



    Viele Grüße


    Bernd

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  • Zitat

    Original von Bernd Schulz
    Auch auf Dvorak, den man ansonsten immer mit Brahms in Verbindung bringt, hat Wagner einen nicht zu unterschätzenden Einfluß gehabt.


    Ich hörte gerade Dvoraks "In der Natur" op 91. Und in den allerletzten Takten meinte ich deutlich ein Motiv aus der "Walküre" zu erkennen. Ich kenn mich mit den Motivbezeichnungen nicht sonderlich aus, es folgt aber bei Wotans Abschied von Brünnhilde auf die Worte: "mit des Lebewohles letztem Kuss!". Spielen mir da jetzt nur meine Ohren einen Streich oder kann das wirklich ein bewusstes Zitat sein?


    ?( ?( ?(

  • Zitat

    Unter den deutschen Komponisten wäre auf jeden Fall noch Hugo Wolf zu nennen, der ja auch immerhin anderthalb leider viel zu selten aufgeführte Opern geschrieben hat....


    Präziser gesagt: Eine viel zu selten aufgeführte Oper, nämlich den "Corregidor". Vom "Manuel Vanegas" aus der Zeit der Umnachtung gibt es nur ein paar Fragmente, die nicht instrumentiert sind und auf einen starken Verfall der Schaffenskraft hinweisen.
    Ob der "Corregidor" wirklich bühnenfähig ist, will ich dahingestellt sein lassen - das Libretto ist erbärmlich, die Handlung tölpelhaft (die Vorlage ist gut, aber das hätte ein Profi-Librettist umarbeiten müssen) - und die Musik ist herrlich, bloß keine Opernmusik. Und obendrein zu schwer für dieses Sujet.
    Damit keine Mißverständnisse aufkommen: Ich liebe den "Corregidor" aufgrund seiner Musik heiß, aber ich fürchte, daß er für die Bühne einfach nicht taugt.

    ...