L'Italiana in Algeri - Wiener Staatsoper, 29.03.2017

  • Jean-Pierre Ponnelle’s Regie von Rossini’s Italienerin in Algier, die 1987 ihre Premiere hatte, gehört zweifellos zu den beliebtesten Produktionen der Wiener Staatsoper und sorgt beim Publikum immer für große Unterhaltung und sichere Lacher. Die zeitlose Regie hat bis heute nichts von ihrer Frische verloren. Aber das kann nur wenig darüber hinwegtrösten, dass die musikalische Seite nur wenig befriedigend war.


    Diesmal schickte die Staatsoper bis auf eine Ausnahme Sänger des Ensembles auf die Bühne. Mit mehr und weniger Erfolg. Diese eine Ausnahme war der russische Tenor Maxim Mironov, der zu den besten Vertretern seines Faches zu zählen ist. Und es war auch dieser Gast, der die beste Gesangsleistung des Abends erbrachte. Seine Tenorstimme ist beweglich und höhensicher, und er phrasiert ausgezeichnet. Ein typischer Tenore di grazia. Einzige Einwände mögen sein, dass so manchem die Stimme vielleicht etwas zu weiß ist, und es für die Staatsoper etwas an Volumen fehlt. Darstellerisch brachte er sich hervorragend ein. Es schien ihm sichtlich Spaß zu machen, all die Bewegungen und Tanzeinlagen zu spielen.


    Und damit sind wir schon beim Ensemble, bei dem Paolo Rumetz als Taddeo sein komisches Talent unter Beweis stellen konnte und der auch stimmlich die Partie mit seinem kernigen Bariton gut zu gestalten wusste. Adam Plachetka, der es inzwischen ja bis an die MET in New York geschafft hat, war als Mustafà uneinheitlich im Vortrag. Da polterte es an einigen Stellen etwas gar sehr. Das war aber vielleicht auch seiner plumpen Darstellung geschuldet, denn Plachetka nahm dem Bey von Algier jede Herrscherwürde und machte ihn zu sehr zum Kasperl. So ein Bey kann doch nur verlieren.
    Hila Fahima lieh der vom Bey so verschmähten Elvira ihre helle Sopranstimme, die dann eigentlich nur im Spitzenregister auf sich aufmerksam machen konnte.
    Als Haly legte der junge österreichische Bariton und sehr spielfreudige Rafael Fingerlos eine Talentprobe ab. Als Zulma blieb Rachel Frenkel eher unauffällig.


    Wenn man genau dies aber von der Interpretin der Titelrolle sagen muss, ist das bedauerlich. Diese wurde der 29-jährigen Margarita Gritskova anvertraut, die bei ihrem Rollendebüt enttäuschte. Die Rolle der Isabella ist ihr aktuell um mehrere Nummern zu groß. Ihr fehlt es an vokaler Virtuosität und auch darstellerischer Präsenz. Wie diese Isabella einen Bey um den Finger wickeln kann, ist nicht nachvollziehbar. Ein Wunder, dass er sie überhaupt bemerkte. Nie hatte man das Gefühl, dass mit dieser Isabella die Hauptrolle auf der Bühne stand. Sie ging im Ensemble regelrecht unter. Auch gesanglich, denn da war in den Ensembles nicht viel von ihr zu hören. Gritskova’s Mezzo verblasste in der Höhe als auch in der Tiefe, Phrasen fehlte es am entsprechenden Atem, schon die Auftrittsarie Cruda sorte sehr beliebig. Die Sängerin ist talentiert, keine Frage, aber eine Isabella singt man nicht im Vorbeigehen. Und Rossini hat seine Tücken.


    In diesem Zusammenhang muss man sich die Frage stellen, wieso es der Staatsoper so schwerfällt, geeignete Isabellas zu besetzen. Aus dem Ensemble besetzen ist ja gut und schön, aber dann müssen auch die Sänger da sein.
    An eine Agnes Baltsa darf man da nicht denken, die von den bisherigen 90 Vorstellungen seit 1987 mehr als die Hälfte – noch bis 2013 – gesungen hat. Und auch ihre letzte Isabella war noch beachtlich.
    Wo sind denn heute die guten Isabella-Interpreten? Wo die erstklassigen Rossini-Mezzos? Schade, dass Elina Garanca die Isabella nie gesungen hat.


    Auch mit dem Dirigat von Evelino Pidò wurde man nicht so recht glücklich. Sehr straff, fehlte es oft an Esprit und Raffinesse.
    Der Schlussapplaus war für Staatsopernverhältnisse erstaunlich – oder vielleicht doch nicht so erstaunlich - kurz. Mironov und Rumetz erhielten die meisten Bravos. Nach nicht einmal fünf Minuten war es dann auch schon vorbei.
    Gewinner des Abends eindeutig Jean-Pierre Ponnelle.
    Woher kommen übrigens Begriffe wie „verstaubt“ und „langweilig“ in Zusammenhang mit konventionellen Regiearbeiten? Diese Italiana war nämlich genau DAS nicht.


    Gregor

  • Zitat

    Zitat von Gregor: Woher kommen übrigens Begriffe wie „verstaubt“ und „langweilig“ in Zusammenhang mit konventionellen Regiearbeiten? Diese Italiana war nämlich genau DAS nicht.

    Lieber Gregor,


    diese Begriffe halte ich für den größten Unsinn überhaupt, der von einigen hier aufgebracht wurde. Neuere Inszenierungen können zwar nicht als verstaubt gelten, aber dafür sind viele davon sind äußerst langweilig in ihrer Kargheit bzw. ärgerlich in ihrer Entstellung der Handlung. Mich und viele Opernfreunde hat noch nie eine konventionelle Inszenierung gelangweilt und wir haben sie noch nie als "verstaubt" empfunden.
    Jean Pierre Ponnelle ist natürlich ein besonderer Höhepunkt. Ich wünschte mir, dass sich modernere Regisseure an solchen guten Vorbildern orientierten.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Lieber Gregor,


    danke für Deinen Bericht. Wenn man, wie ich gerade, in der Provinz lebt und oft neidvoll zu den großen Musikmetropolen blickt, dann ist es tröstlich, dass selbst in Wien nicht alle Vorstellungen auf höchstem Niveau besetzt sind (auch wenn ich das natürlich allen Wiener Opernfreunden herzlich gönnen würde).


    Woher kommen übrigens Begriffe wie „verstaubt“ und „langweilig“ in Zusammenhang mit konventionellen Regiearbeiten? Diese Italiana war nämlich genau DAS nicht.


    Es hat nach meiner Erinnerung niemand behauptet, dass alle konventionellen Regiearbeiten verstaubt oder langweilig wären. Aber es gibt halt eine ganze Menge davon.


    diese Begriffe halte ich für den größten Unsinn überhaupt


    Sagt ausgerechnet der, der mit der "Verunstaltung" den allergrößten Unsinnsbegriff ins Spiel gebracht hat.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Lieber Gregor, vielen Dank für Deinen Bericht. Wir hatten diese Inszenierung auch in Köln. Wobei ich sagen muss, dass mir unsere Vorgängerproduktion von Hampe noch besser gefallen hat. Erfreulicherweise ist sie für Schwetzingen aufgezeichnet worden:
    https://youtu.be/tT_WjT3rNQc
    Lass dich von den Vokabeln der Regietheaterjünger nicht irritieren. Hauptsache ist doch, dass du einen schönen Opernabend hattest. Ich persönlich hätte weit weniger Probleme mit dem Regie Theater, wenn es eine Entwicklung gewesen wäre. Aber das ganze wurde einem selbstherrlicg aufgezwungen nach dem Motto Friss oder stirb, Tod dem Pantoffeltheater und dem reaktionären Bildungsbürgertum. Mittlerweile ist das Ganze dermaßen zum sich selbst wiederholenden Mechanismus gewordeen, dass es nur noch staubt. Aber das würde natürlich keiner der sogenannten Kreativen zugeben, weil sie herrlich gut damit Geld verdienen können. Und die Mitläufer, die laufen eben mit und machen ihren Kotau. Allerdings sind sie auch etwas vorsichtiger geworden. Wenn man vor zehn Jahren noch eine Inszenierung wie die von Ponnelle offen lobte, dann wurde man dermaßen fies angegangen und in Schubladen gesteckt. Das ist jetzt etwas ruhiger geworden an dieser Front. Also, genieße es und vergiss die blöden Adjektive.

  • Kurzer Nachtrag zu der Kölner Inszenierung von Hampe, der in Köln ja auch Intendant war. Sein grässlicher Nachfolger Günther Krämer hat alle werktreuen Inszenierungen von einer Spielzeit auf die andere entsorgt mit der Begründung die Kulissen wären alle nicht mehr zu gebrauchen und die Kostüme verschlissen. Hahaha. Und so sah ich dann beim Kölner Karneval mit wehem Herzen die extrem aufwändig gestalteten Kostüme dieser Italienerin am Straßenrand. Übrigens hat die von Krämer verursachte Spielplanwüste dazu geführt, dass Unmengen von Abonnements gekündigt worden sind.

  • Zitat

    Zitat von Bertarido: Sagt ausgerechnet der, der mit der "Verunstaltung" den allergrößten Unsinnsbegriff ins Spiel gebracht hat.

    Genau!! Und dazu stehe ich weiterhin. Während Begriffe wie "altbacken" oder "verstaubt" von Gegnern der werkgerechten Inszenierungen als armselige Argumente zur Disqualifizierung dieser Inszenierungen verwendet werden, sind die Verunstaltungen der Werke durch Überschmieren oder "Beifügungen" von unpassenden absurden oder lächerlichen Handlungen und Personen für jeden, der das Werk kennt und liebt offensichtliche Tatsachen. Der Begriff "Verunstaltung" ist übrigens - im Gegensatz zu Bertaridos Meinung - kein erfundener Begriff, sondern kann in jedem Lexikon nachgelesen werden.



    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • danke für Deinen Bericht. Wenn man, wie ich gerade, in der Provinz lebt und oft neidvoll zu den großen Musikmetropolen blickt, dann ist es tröstlich, dass selbst in Wien nicht alle Vorstellungen auf höchstem Niveau besetzt sind (auch wenn ich das natürlich allen Wiener Opernfreunden herzlich gönnen würde).


    Lieber Bertarido, da brauchst du dir keine großen Gedanken zu machen. Denn auch in Wien kocht man nur mit Wasser, und man muss sich die Höhepunkte schon mit der Lupe raussuchen. :rolleyes:


    Lieber Gregor, vielen Dank für Deinen Bericht. Wir hatten diese Inszenierung auch in Köln. Wobei ich sagen muss, dass mir unsere Vorgängerproduktion von Hampe noch besser gefallen hat. Erfreulicherweise ist sie für Schwetzingen aufgezeichnet worden:
    https://youtu.be/tT_WjT3rNQc


    Danke für den link, Knusperhexe. :) Da schaue ich gerne mal rein.


    Wer mal einen Blick auf die Ponnelle-Inszenierung in Wien werfen will, kann das mit diesem kurzen Trailer machen:




    Gregor

  • Mich und viele Opernfreunde hat noch nie eine konventionelle Inszenierung gelangweilt und wir haben sie noch nie als "verstaubt" empfunden.


    Klingt ein bisschen so, als würde jemand behaupten, er hätte noch nie einen langweiligen Film gesehen, ein schlechtes Buch gelesen oder ein fades Essen gegessen - so ein Mensch kann nicht viel erlebt haben in seinem Leben ...

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Lieber Michael,


    deine Schlüsse sind nicht sehr geistreich. Sicherlich konnte ich mir im Leben nicht so viel leisten, wie du dir vielleicht leisten kannst, denn ich habe viele Jahre bescheiden leben müssen. Aber was ich mir geleistet habe, war durchweg gut. Was den Film anbetrifft. Ich bin nur selten im Leben mal ins Kino gekommen und im Fernsehen, zu dem ich auch erst in späteren Jahren kam, schalte ich bei langweiligen Filmen einfach ab, genauso, wie ich bei den langweiligen Regisseurstheater-Inszenierungen abschalte bzw. sie aufnehme, um mir durch Betrachtung eines Querschnitts ein Urteil erlauben zu können. Und langweilige Bücher kenne ich auch nur als Schullektüre. Da ich nicht mehr zur Schule gehen, kann ich ein langweiliges Buch schnell aus der Hand legen. Im Opernhaus haben uns lediglich einige wenige Inszenierungen des modischen Stils einen faden Geschmack hinterlassen. Als sich das häufte, haben wir - wie schon mehrfach gesagt - unser Abonnement aufgegeben und nur noch ab und zu eine Oper gewählt, bei der wir sicher sein konnten, dass sie vernünftig inszeniert war.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose