Jean-Pierre Ponnelle’s Regie von Rossini’s Italienerin in Algier, die 1987 ihre Premiere hatte, gehört zweifellos zu den beliebtesten Produktionen der Wiener Staatsoper und sorgt beim Publikum immer für große Unterhaltung und sichere Lacher. Die zeitlose Regie hat bis heute nichts von ihrer Frische verloren. Aber das kann nur wenig darüber hinwegtrösten, dass die musikalische Seite nur wenig befriedigend war.
Diesmal schickte die Staatsoper bis auf eine Ausnahme Sänger des Ensembles auf die Bühne. Mit mehr und weniger Erfolg. Diese eine Ausnahme war der russische Tenor Maxim Mironov, der zu den besten Vertretern seines Faches zu zählen ist. Und es war auch dieser Gast, der die beste Gesangsleistung des Abends erbrachte. Seine Tenorstimme ist beweglich und höhensicher, und er phrasiert ausgezeichnet. Ein typischer Tenore di grazia. Einzige Einwände mögen sein, dass so manchem die Stimme vielleicht etwas zu weiß ist, und es für die Staatsoper etwas an Volumen fehlt. Darstellerisch brachte er sich hervorragend ein. Es schien ihm sichtlich Spaß zu machen, all die Bewegungen und Tanzeinlagen zu spielen.
Und damit sind wir schon beim Ensemble, bei dem Paolo Rumetz als Taddeo sein komisches Talent unter Beweis stellen konnte und der auch stimmlich die Partie mit seinem kernigen Bariton gut zu gestalten wusste. Adam Plachetka, der es inzwischen ja bis an die MET in New York geschafft hat, war als Mustafà uneinheitlich im Vortrag. Da polterte es an einigen Stellen etwas gar sehr. Das war aber vielleicht auch seiner plumpen Darstellung geschuldet, denn Plachetka nahm dem Bey von Algier jede Herrscherwürde und machte ihn zu sehr zum Kasperl. So ein Bey kann doch nur verlieren.
Hila Fahima lieh der vom Bey so verschmähten Elvira ihre helle Sopranstimme, die dann eigentlich nur im Spitzenregister auf sich aufmerksam machen konnte.
Als Haly legte der junge österreichische Bariton und sehr spielfreudige Rafael Fingerlos eine Talentprobe ab. Als Zulma blieb Rachel Frenkel eher unauffällig.
Wenn man genau dies aber von der Interpretin der Titelrolle sagen muss, ist das bedauerlich. Diese wurde der 29-jährigen Margarita Gritskova anvertraut, die bei ihrem Rollendebüt enttäuschte. Die Rolle der Isabella ist ihr aktuell um mehrere Nummern zu groß. Ihr fehlt es an vokaler Virtuosität und auch darstellerischer Präsenz. Wie diese Isabella einen Bey um den Finger wickeln kann, ist nicht nachvollziehbar. Ein Wunder, dass er sie überhaupt bemerkte. Nie hatte man das Gefühl, dass mit dieser Isabella die Hauptrolle auf der Bühne stand. Sie ging im Ensemble regelrecht unter. Auch gesanglich, denn da war in den Ensembles nicht viel von ihr zu hören. Gritskova’s Mezzo verblasste in der Höhe als auch in der Tiefe, Phrasen fehlte es am entsprechenden Atem, schon die Auftrittsarie Cruda sorte sehr beliebig. Die Sängerin ist talentiert, keine Frage, aber eine Isabella singt man nicht im Vorbeigehen. Und Rossini hat seine Tücken.
In diesem Zusammenhang muss man sich die Frage stellen, wieso es der Staatsoper so schwerfällt, geeignete Isabellas zu besetzen. Aus dem Ensemble besetzen ist ja gut und schön, aber dann müssen auch die Sänger da sein.
An eine Agnes Baltsa darf man da nicht denken, die von den bisherigen 90 Vorstellungen seit 1987 mehr als die Hälfte – noch bis 2013 – gesungen hat. Und auch ihre letzte Isabella war noch beachtlich.
Wo sind denn heute die guten Isabella-Interpreten? Wo die erstklassigen Rossini-Mezzos? Schade, dass Elina Garanca die Isabella nie gesungen hat.
Auch mit dem Dirigat von Evelino Pidò wurde man nicht so recht glücklich. Sehr straff, fehlte es oft an Esprit und Raffinesse.
Der Schlussapplaus war für Staatsopernverhältnisse erstaunlich – oder vielleicht doch nicht so erstaunlich - kurz. Mironov und Rumetz erhielten die meisten Bravos. Nach nicht einmal fünf Minuten war es dann auch schon vorbei.
Gewinner des Abends eindeutig Jean-Pierre Ponnelle.
Woher kommen übrigens Begriffe wie „verstaubt“ und „langweilig“ in Zusammenhang mit konventionellen Regiearbeiten? Diese Italiana war nämlich genau DAS nicht.
Gregor