Donizetti: Liebestrank in Saarbrücken 22.3. (Pr. 25.2.)

  • Saarbrücken macht sich mausig: Man setzt eine Doppelpremiere an, die ich mir angesichts der Besetzung zugunsten einer MET-Rusalka sparen wollte. Die B-Premiere hatte ich dann merkerseits gebucht, doch am Tag der Aufführung erreichte mich kurz vor Start eine Mail mit der Bitte, meinen Besuch auf die nächste (3.) Vorstellung zu verschieben, da eine kurzfristige Absage das Theater in Stress versetzt habe. Diese 3.Vorstellung ging vor 2 Stunden zu Ende. Hier mein Eindruck in Kürze:
    Die heiterste aller Donizetti-Opern spielte diesmal im verrosteten Weltkulturerbe im nahen Völklingen. Inszeniert von einer Dame namens Solveig Bauer. Sie ließ sich von Volker Thiele ein kompliziertes Bühnenbild bauen, das eine mehrstöckige Gebläsehalle des Völklinger Stahlwerks nachahmt. Einziger Grund: Zeitgleich mit der Entstehung der Oper (im sonnigen Bergamo!) entstand im Saarland die Kohle- und Stahlindustrie!
    Alle Schauplätze wurden also gleichsam nach Nibelheim verlegt - und das Geschehen angeblich tiefenpsychologisch untermauert. Das führte dazu, dass die heitere Komödie, die sich jedem Gutwilligen auf Anhieb erschließt, zu vollständiger Unverständlichkeit verformt wurde. Die Komödiantik wurde nahezu ausgemerzt, und nur eine inszenierte Konfetti-Parade am Schluss verhalf dem verdatterten Publikum zu einem befreienden Durchatmen - und schließlich zum unvermeidlichen rhytmischen Klatschen. The show must go on!
    (Ein Psychotherapeut, so wurde mir erzählt, hat dergleichnen als Hirnfick eingestuft!)
    Hinzu kam, dass der Nemorino, dessen Namen ich hier schamhaft verschweige, das war, was man unter Insidern einen Tenorino (in Wien einen Krawattltenor) nennt: ein zwirnsfadendünner Tenor ohne Eigenschaften, vulgo ohne Timbre, der zwar alle Töne traf, aber fast unhörbar und ohne sinnlichen Reiz. Adina war nicht zu beneiden!
    Ich habe manche Vorstellung erlebt, die das Regisseurtheater in seiner ganzen Wilkür vorführt. Aber diese übertrifft an Deutlichkeit alles. Wenn sich das flächendeckend durchsetzt, können wir die Gattung Oper vergessen.
    Ich breche hier den Bericht ab. Aber ich empfehle jedem, der noch an diese Form des Musiktheaters glaubt, diese Produktion zu besuchen. Ich garantiere, dass ihm dann der Appetit darauf vergangen ist.
    Herzliche Grüße von Sixtus

  • Lieber Sixtus, ich kann nicht nachvollziehen, warum in der Besprechung einer Opernvorstellungen in einem eigenen Thread nicht ein Solist beim Namen genannt und nichts zur musikalischen Qualität gesagt wird. Wird Dir das so auch im "Merker" abgenommen? Oder kommt da noch was? Du zitierst doch immer gern aus Opern. Heute möchte ich es Dir nachtun.


    Hans Sachs iim ersten Aufzug der "Meistersinger von Nürnberg":
    »Der Merker werde so bestellt,
    daß weder Haß noch Lieben
    das Urteil trübe, das er fällt.«


    Für mich leiten sich aus diesem hintersinnigen Spruch auch Zusammenhänge mit der Arbeit von Kritikern ab. Du siehst ich lese Deine Beiträge immer gern. :)


    Grüße von Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Lieber Rheingold,


    ich kann deine Frage verstehen. Aber wie du weißt, kommt da natürlich noch was. Doch diesmal habe ich schnell noch mitten in der Nacht etwas eingestellt, wegen der Aktualität. Und da kam es mir vor alem auf die verrückte Regie an. Dann wollte ich schlafen gehen - ich bin keine Nachteule.
    Zu den Sängern wollte ich in einem nächsten Beitrag kommen. Jetzt nur soviel: Es wurde gut geplappert, teilweise auch schön gesungen. Nur beim Nemorino fehlte es an fast allem. Darauf komme ich aber erst übermorgen zurück, weil ich grade privat etwas im Stress bin. Also bs Samstag Abend!

  • Lieber Rheingold,
    wie versprochen, will ich meinen Kurzbericht zu Ende führen. Diesmal bin ich etwas in Stress gekommen, weil ich am nächsten Vormittag den Merker bedienen wollte (bevor ich die Hälfte wieder vergessen habe!). Und dann hatte ich einen zweitägigen privaten Termin. Manchmal nimmt man sich zu viel vor.
    Die musikalische Seite der Donizetti-Neuproduktion fiel um einiges besser aus als die szenische: Markus Jaursch war ein virtuos plappernder Dulcamara, leider in seiner Bewegungsfreiheit sehr beengt (in seiner Kapsel eingesperrt). Auch James Bobby als Belcore musste sich mit seinen Parlando-Kaskaden durch die monströsen Maschinen quälen und konnte den Macho nicht zur Entfaltung bringen. Sehr gut die Adina: technisch sauber gesungen, sichere Höhen, vielleicht etwas zu wenig Schmelz in der großen Arie, wo sich sich als liebende Frau zeigt. Ihr Nemorino hat glaubhaft gespielt und fehlerlos gesungen, aber mit schmalem Tenorino und ohne persönliches Timbre. Für eine Belcanto-Oper entschieden zu wenig. Das Klangvollste an ihm war sein Name: Carlos Moreno Pelizari.
    Das Ganze wurde am Pult aus routiniert, aber nicht sehr inspiriert von Stefan Neubert geleitet. Die Produktion ist geeignet als Paradebeispiel für Regisseurstheater zum Abgewöhnen - meint zumindest Sixtus

  • Herzlichen Dank meinerseits!
    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • So lösen sich die Knoten auf, wenn auch mit Hindernissen.
    Und was das Meistersinger-Zitat betrifft, so geht es ja noch weiter: "Geht er nun gar auf Freiersfüßen..." Diesbezüglich kann ich Entwarnung geben mit dem Hinweis: "Alles, was ist, endet." Denn "die Zeit, sie ist ein sonderbar Ding"...
    Haben wir eigentlich außer Zitaten noch etwas Eigenes im Kopf? - fragt besorgt Sixtus

  • Ich denke - schon. :) In meiner Jugend unterhielten wir uns im Freundeskreis gern mittels Zitaten aus Opern, die natürlich auch abgewandelt wurden. "Araballa" und auch die anderen Sträusse waren da sehr ergibig. Und selbstverständlich Wagner. Deshalb habe ich Texte immer noch im Kopf.


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent