Lucia di Lammermoor Leipzig 25.02.2017

  • Es war dies die 5. von insgesamt sechs Vorstellungen in dieser Spielzeit. Die Lucia wurde diesmal von Eun Nee You gesungen, die sich in der Rolle mit Anna Virovlansky,die die Premiere gesungen hat, abwechselt.


    Als kurzfristiger Einspringer wurde die Rolle des Edgardo wegen einer Erkrankung von Antonio Polo durch Xavier Moreno übernommen.


    Wieder einmal mehr zeigt das Haus, dass es in der Lage ist, auch anspruchsvolle Stücke ohne weiteres adäquat zu besetzen. Eun Nee You gehört ja schon seit längerem zum Ensemble; Besucher der Leipziger Oper werden sie eventuell schon als Violetta in der Traviata erlebt haben.


    Mit den mörderischen Koloraturen der Rolle, insbesondere auch in der sogenannten „Wahnsinnsarier“ hat sie keinerlei Probleme; Das perlt und fließt nur so dahin, so dass es ein schieres Vergnügen ist zuzuhören. Allerdings ist Ihre Lucia sehr weit weg vom Damatischen, vom Stimmcharakter wirkt sie sehr jung, verletzlich, zart.


    Sehr gut gefallen hat mir auch Moreno, der sich trotz des kurzfristige Einspringens sehr gut in die Inszenierung eingefügt hat. Ich habe ja ohnehin ein gewisses Faible für Tenöre, die er einen baritonalen Stimmcharakter haben.
    Hausmann gab seinem Enrico, wenn erforderlich, mit robustem Bariton den nötigen stimmlichen Furor.


    Auch die übrigen Rollen waren gut besetzt; der Chor(wie ich in Leipzig nicht anders erwartet haben) präzise und wohltönend.
    Das Orchester unter Bramall (der wohl nach München geht) einmal mehr in Bestform. Ich habe jedenfalls keine Patzer gehört und die „Schmiegsamkeit" im Klang, die ich bei Donizetti erwarte, war jederzeit vorhanden.


    Die Vorstellung war seit langem ausverkauft, vermutlich auch, weil sich herumgesprochen hat, dass Katharina Thalbach durchaus die Erwartungen auch eines konservativen Opernpublikums erfüllt, ohne banal zu werden. Ein origineller Einfall, die drei Hexen(?) am Anfang, die auch später noch als personifiziertest Verhängnis der Lucia sowie am Schluss in der Friedhofsszene auftauchen. Sie lassen keinen Zweifel daran, dass die ganze Geschichte von Anfang an vom Bösen, vom Verhängnis überschattet ist (an dem sie sichtliches Vergnügen haben), dem die Protagonisten ausweglos entgegen treiben und erinnert mich natürlich etwas an den Anfang von Macbeth, wie man auch Anklänge an Verdi natürlich in der Musik nicht überhören kann.


    Das Bühnenbild ist naturalistisch, mit schaurigem schottischem Hochland, Blitz und Donner und einem großen Mond. Effektvoll, am Ende die Verbrennung der Leiche Lucias, zu der sich der todwunde Edgardo ins Feuer stürzt.


    Die Premiere soll bereits ein rauschender Erfolg gewesen sein; auch gestern gab es begeisterte Ovationen. In dieser Spielzeit ist noch einer Vorstellung für den 6. Mai, diesmal wieder mit Virovlansky in der Titelrolle geplant.
    Wir sich diese unbedingt empfehlenswerte Inszenierung ansehen will, sollte sich besser mit der Kartenbestellung beeilen.

    res severa verum gaudium


    Herzliche Grüße aus Sachsen
    Misha

  • Als Ersatz bietet sich Chemnitz an. 30.4. ist so ein Termin. Steht in meinem Terminkalender rot eingerahmt, noch gibt es Karten. Die Oper Leipzig ist seit Konwitschny zumindest bei mir doch arg mit Vorurteilen behaftet und steht nicht mehr auf meiner Agenda. Kann sich aber ändern, ich bin nicht nachtragend.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Konwitschny und seine Jünger sind Geschichte (übrigens finde ich seine Bohéme, die Leipzig noch im Repertoire hat, sehr gelungen). Gut, es gibt - wie jüngst bei Turandot - noch gelegentlich das, was hier im Forum als "Regietheater light" bezeichnet wird, aber Schirmer und sein Team haben das Haus wieder am Publikumsgeschmack ausgerichtet. "Der Not gehorchend, nicht dem eignen Trieb?" Jedenfalls lässt sich mit schwindendem Publikum kaum die Forderung nach Steuergeldern untermauern ;) ; wobei ich Prof. Schirmer allerdings eine Orientierung am Publikum (auf hohem Niveau) aus Überzeugung unterstelle.
    Wie gesagt, die Leute standen nicht ohne Grund gestern noch für eventuelle Restkarten an der Abendkasse Schlange. Hätte nicht K. Thalbach inszeniert, wäre wahrscheinlich die Inszenierung vom linksgrünen Feuilleton gnadenlos verrissen worden; so beschränkt sich auch die "Opernwelt auf eine ganz zarte Andeutung von "Kitsch" Elementen ;)

    res severa verum gaudium


    Herzliche Grüße aus Sachsen
    Misha

  • Na ja, die Regiearbeiten von Thalbach fallen aber stets recht unterschiedlich aus. Manche sind wirklich hochmotiviert und andere einfach für die Tonne, wie zB ihr Rigoletto in Köln oder der Hänsel in Dresden. Richtig werktreu habe ich von ihr eigentlich nur das schlaue Füchslein gesehen. Und so richtig gefallen tun mir die Fotos aus Leipzig auch nicht. Dennoch ist es auf jeden Fall 100 mal besser als die Lucia, die ich vor kurzem in Bonn erleben musste.

  • Zitat

    Zitat von Knusperhexe: Dennoch ist es auf jeden Fall 100 mal besser als die Lucia, die ich vor kurzem in Bonn erleben musste.


    Lieber Knuspi,


    nach allem, was in Bonn in der letzten Zeit verbrochen wurde, zieht mich nichts dahin, obwohl Bonn noch im Rahmen der von hier an einem Abend erreichbaren Ziele läge. Da müsste sich dort schon Entscheidendes ändern.


    Liebe Grüße

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Liebe Freunde des publikumsfreundlichen Operntheaters!


    Es ist wohltuend zu lesen, dass sich Leipzig dem Zugriff willkürlicher Überinterpretation wieder entzogen zu haben scheint. Da besteht ja eine berechtigte Hoffnung, dass sich das herumspricht und dass es seine Wirkung auf andere Städte nicht verfehlt. Und falls nicht, bleibt immer noch Liberec / Reichenberg im schönen Böhmen!


    Herzliche Grüße von Sixtus

  • Wie gesagt, die Leute standen nicht ohne Grund gestern noch für eventuelle Restkarten an der Abendkasse Schlange. Hätte nicht K. Thalbach inszeniert, wäre wahrscheinlich die Inszenierung vom linksgrünen Feuilleton gnadenlos verrissen worden; so beschränkt sich auch die "Opernwelt auf eine ganz zarte Andeutung von "Kitsch" Elementen


    Lieber Misha,


    sind Theaterkritiken jetzt parteipolitisch verfärbt? Nicht gut sowas. Aber das Gefühl der Parteipolitik in allen Zeitungen von USA bis zu uns sollten wir lieber runterschlucken, das hat generell einen faden Geschmack.


    Zurück zum Opernhaus Leipzig. Mein Wunsch war und ist eigentlich, wieder einmal einen schönen Ring und vor allem eine attraktive "Frau ohne Schatten" zu sehen. Beides ist im Leipziger Spielplan enthalten, aber bei beiden Inszenierungen hilft mir die Website der Oper für meine Entscheidung. Und sie ist leider nicht für Leipzig gefallen. Mein letzter Ring (live) ist sicher 10 Jahre her, es war Chemnitz in einer gut zu ertragenden Regietheaterlight Version. Was danach in meinem Einzugsgebiet (Dresden, Weimar, Meiningen und eben Leipzig) kam hat mich Abstand nehmen lassen. Da lege ich eine meiner DVD ein, genieße die schöne Schenk-Inszenierung an der Met und vermisse innerlich das Aha-Erlebnis live. Aber das würde in Leipzig nicht kommen, ich würde mich ärgern, da bei mir die Optik auch eine Rolle spielt.


    Noch schlimmer ist es mit dem Strauss - eigentlich eine meiner Lieblingsopern. Gesehen habe ich sie nur 2x in Dresden, immerhin noch unter Sinopoli, mit Botha, de Vol, Studer in ihrer noch guten Zeit u.a. Auch diese Inszenierung war modern, die Falkenrufe waren immer mit Error-Zeichen auf der Hintergrungleinwand hinterlegt. Aber es war meine erste Frau ohne Schatten, ich war unvoreingenommen und noch neugierig. Neben mir saß eine Frau, die noch älter war als ich, und die erinnerte sich schmerzhaft an tolle Inszenierungen, die sie in Dresden schon gesehen habe. Nun geht es mir genauso. Ich habe die relativ unschöne Dresdener Inszenierung im Kopf und vergleiche mit Fernsheaufzeichnungen aus Salzburg (grauenhaft die Verlegung ins Studio) oder München. Dann schon lieber meine DVD mit Studer, Hale, Moser u.a. Aber nicht Leipzig.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Ich finde es allerdings häufig sehr auffällig aus welchem politischen Lager die Kritik an traditionellen Inszenierungen herweht. Das hat wirklich sehr oft den rot-grünen Weltverbessererbeigeschmack. Ich vermute, dass das bei vielen Rezensenten heute völlig unbewusst geschieht, weil diese Sichtweise ja überall als die moralisch richtige gelehrt wird. Im Gespräch enttarnt sich das häufig selbst und stellt sich als angelernte Sentenzen dar. Übrigens auch bei vielen Regisseuren.


    Zu deinen Wünschen: ich erhoffe mir von meinem gesamten Opern Kanon endlich mal wieder schwelgerisch, dem Libretto verpflichtete Inszenierungen zu sehen. Beim Ring habe ich ein wenig Hoffnung für Düsseldorf. Die Plakate sehen recht ansprechend aus.

  • Wobei gerade eine expressive Oper wie die "Frau ohne Schatten" sich anbietet, sämtliche Tricks und Effekte einer modernen Bühnentechnik zu nutzen.
    Die verschiedenen Handlungsebenen lassen sich nicht 1:1 wie im Libretto auf die Bühne übertragen sondern bedürfen immer irgendeiner Art der Interpretation oder Deutung in eine gewisse Richtung. In Wiesbaden (Lauffenberg) ist die Frau ohne Schatten leider misslungen. Die DVD der Salzburger Festspiele hat mit der Studioproduktion der 1950er Jahre eine interessante Idee, ist aber nicht sonderlich gut ausgearbeitet und wirkt mehr konzertant als innovativ.


    Sonst bin ich auf Frau ohne Schatten dieses Jahr in Leipzig, Hamburg, Berlin und München gespannt!


    Bei Richard Strauss ist der Rosenkavalier eine der Opern, die doch sehr häufig klassisch bzw. konservativ inszeniert sind. Die Rosenkavaliere der letzten Jahre aus Wien, München, Düsseldorf, Mannheim, Karlsruhe und auch an kleineren Häusern wie Altenburg hielten sich sehr streng ans Libretto.
    Und wenn es Regietheater bedarf (der überaus gelungene Herheim Rosenkavalier in Stuttgart ist hier zu nennen oder auch der Frankfurter Rosenkavalier), dann sind nur einige Elemente "modern", die Handlung wird weiterhin wie gehabt dargestellt und auch einige Kostüme sind ihrer Zeit entsprungen.


    Elektra sieht man auch sehr häufig in einer konservativen Produktion. Wobei Elektra ja schon als Oper an sich Regietheater verkörpert? Eine Elektra kann man gar nicht Regietheater-frei inszenieren.


    Lucia lässt sich selbstverständlich hervorragend in klassischen Bühnenbildern inszenieren.

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