Auf die Oper in Münster ist offenbar Verlass – ein gelungener, glücklicher Opernabend war es auch diesmal. Zumal die vielen jungen und sehr jungen Zuschauer – Studenten und Schüler in Scharen – hoffnungsfroh stimmen was die Zukunft der Institution Oper angeht: kein vergreistes Premierenpublikum also. Die Aufführung wurde mit Begeisterung beklatscht – die Beifallsbekundungen wollten einfach nicht enden. Nachdem der Vorhang endlich fiel, musste er noch einmal für einen Schlussapplaus hochgezogen werden.
Regisseur Aron Stiehl ließ auf der Bühne einen Guckkasteneffekt entstehen – Theater im Theater sozusagen. Eine blaue Wand mit Sternen symbolisiert das Universum, aus dem sich ein Bühnenfenster als Ausschnitt öffnet. Während der Ouvertüre erscheint Mephisto im Gewand eines Conférenciers und eröffnet das Theaterstück. Er zieht den blauen Vorhang herunter und ein roter Vorhang schließt sich. Zum dritten Akt nach der Pause schaltet er das Licht aus: Der Teufel inszeniert das eigentliche Spiel. Im Guckkasten zeigt sich der Ort des Geschehens – sei es nun Fausts Studierzimmer oder das Eis-Gefängnis von Margarethe. Die Welt-Wand öffnet aber nicht nur dieses eine Fenster – sie wird für den Chor zum Welt-Haus, wo die scherzenden und saufenden jungen Leute Parterre herausschauen wie die strickenden Damen aus dem ersten Stock. Angesichts von Margarethes „Schande“ wird die Fensterwand zum Sinnbild der Vereinsamung: Die Fenster schließen sich – die Gesellschaft straft sie mit Missachtung und Verachtung – und sie steht der Unendlichkeit des blauen Sternenhimmels gegenüber.
Stefan Veselka, 1. Kapellmeister in Münster und auch bekannter Pianist (er dirigiert und spielt im Mai das 8. Symphoniekonzert mit Mozarts Klavierkonzert KV 488, Dvorak und Janacek) vermochte es schon in der Ouvertüre, Gounods Musik mit böhmischer Leichtigkeit vorzutragen, so dass man bisweilen fast glauben konnte, es erklingt hier Dvorak in Prag. Es gelang seinem immer klaren und durchsichtigen Musizieren vortrefflich, sowohl die sehr französisch-idiomatische „leichte Muse“ heraufzubeschwören als auch den Wechsel ins Tragisch-Dramatische sehr eindringlich zu gestalten. Überhaupt zeigt Gounods Musik für meinen Geschmack ihr Format gerade in der Darstellung von Verzweiflung und Verwirrung, wo sie den Bereich des Unterhaltsam-Gefälligen – und für heutige Ohren vielleicht auch etwas Seichten – vollständig zu verlassen vermag und große Opernmomente tragischen Ausmaßes schafft.
Ein Opernabend lebt letztlich von der Überzeugungskraft der Darsteller – und hier bot die Münsteraner Aufführung eine beeindruckende Vorführung aller Beteiligten. Gregor Dalal schaffte es mit seiner großen tiefen Stimme und schauspielerischer Präsenz, Mephisto zur zentralen Figur werden zu lassen. Henrike Jacob war als Margarethe eine ebenso überzeugende Besetzung wie auch Paul O´Neill als Faust zu Recht immer wieder Szenenapplaus bekam. Sehr gut gefallen hat mir auch Filippo Bettoschi als Valentin für seine sehr eindringliche Gestaltung von Hass und Entsetzen. Der Chor sang und agierte mit großem Engagement und erhielt ebenfalls verdient großen Beifall. Der Kritik aus den „Westfälischen Nachrichten“ kann ich grundsätzlich nur zustimmen:
http://www.wn.de/Welt/Kultur/2…-Der-Teufel-macht-Theater
und freue mich schon auf die Aufführung von Händels Alcina wie auch die bevorstehende Premiere des Freischütz.
Schöne Grüße
Holger