Ulli: Unverzichtbare Klassikaufnahmen

  • Präambel


    Ich stimme in den Kanon mit ein, werde mich bei meinen Angaben
    allerdings eher auf Seltenheiten oder Kostbarkeiten, insbesondere
    hinsichtlich unbekannter Opern und Komponisten des ausgehenden
    18. und beginnenden 19. Jahrhunderts beschränken.


    Dabei wird Wolfgang Amadé Mozart vermutlich relativ wenig erwähnt
    bleiben. Wem allerdings die Zeit Mozarts gefällt und einige Werke im
    Schaffen dieses Künstlers "vermisst" [wie z.B. eine größere Anzahl an
    Sinfonien im Tongeschlecht moll], der wird hier zu gegebener Zeit
    fündig werden.


    Ich nehme mir gar nichts vor.


    Avec mes compliments
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Allem Geschwafel zum Trotz beginne ich heute mit einer Auswahl der Opern von Wolfgang Amadé Mozart, die mir sehr am Herzen liegen. Von Auswahl kann ich hier lediglich hinsichtlich der Wahl des Werkes sprechen, denn unumstösslich gibt es hier in meiner kleinen Welt nur ein Ensemble, welches mich absolut beglückt:


    Das Orchester und der Chor des Drottningholm Slottsteater auf der "Königinneninsel" nahe Stockholm/Schweden unter der Leitung des seeligen ARNOLD ÖSTMAN.


    Östman hat auch mit der Auswahl der Acteure keine Fehler begangen, indem er Größen der 1980er und 1990er Jahre mit bedauerlicher Weise recht unbekannten Talenten schwedischen Blutes kunstvoll mischte:



    Il dissoluto Punito ossia:
    IL DON GIOVANNI


    Don Giovanni · Håkan Hagegård
    Leporello · Gilles Cachenmaille
    Donna Anna · Arleen Augér
    Donna Elvira · Della Jones
    Don Ottavio · Nico van de Meel
    Zerlina · Barbara Bonney
    Masetto · Bryn Terfel
    Il Commendatore · Kristinn Sigmundsson


    Arleen Augér und Barbara Bonney gehören mit Sicherheit zu den erwähnten "Größen", Håkan Hagegård und Kristinn Sigmundsson zu den unbedingt entdeckenswerten Stimmen Schwedens.


    * * *



    DIE ZAUBERFLÖTE


    Tamino · Kurt Streit
    Pamina · Barbara Bonney
    Königin der Nacht · Sumi Jo
    Papageno · Gilles Cachemaille
    Sarastro · Kristinn Sigmundsson


    Aus Erfahrung gut: Barbara Bonney. Ebenso bekannt Kurt Streit als "Unterstützung" von deutschsprachiger Seite.


    In beiden Opern wurden die Rollen mit Gilles Cachemaille und Kristinn Sigmundsson wunderbar besetzt. Und auch Sumi Jo als Königin der Nacht ist keineswegs zu unterschätzen: Hier singen "die Strahlen der Sonne".


    * * *


    Die Einspielung der NOZZE DI FIGARO ist beinahe noch grandioser als beide vorgenannten Opern zusammen; kein Wunder, wenn sich die Interpreten der obigen Aufnahmen auch noch zusammentun:



    LE NOZZE DI FIGARO


    Il Conte · Håkan Hagegård
    La Contessa · Arleen Augér
    Susanne · Barbara Bonney
    Figaro ·Petteri Salomaa
    Cherubino · Alicia Nafé
    Marcellina · Della Jones
    Bartolo · Carlos Feller
    Basilio · Edoardo Gimenez
    Don Curzio · Francis Egerton
    Barbarina · Nancy Argenta
    Antonio · Enzo Florimo


    Wer den Klang von authentischen Instrumenten ohne Übertreibungen mag und sich dabei noch vorstellen kann, dass die Aufnahmen in einem der wenigen übriggebliebenen authentischen Rokokotheatern Europas gemacht wurden, der ist mit Arnold Östman und den Seinen bestens bedient.


    Zu den hier genannten Mozart-Opern gibt es auch in regelmäßig wiederkehrenden Abständen Fernsehübertragungen der jeweiligen Aufzeichnungen aus dem Drottningholms Slottsteater, darunter auch Cosí fan tutte und Idomeneo, sowie Die Entführung aus dem Serail.

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Zugegeben, die Mozart-Opern benötigte ich nur zum "Brückenschlag" :stumm:


    Wenn man die Zeit im Rokoko-Theater zu Drottningholm um 224 Jahre zurückdreht, so wird man feststellen, dass dort Joseph Martin Kraus [1756-1792] tätig war. Vom deutschen Vaterlande enttäuscht folgte er 1778 dem Rufe König Gustavs III. von Schweden und versuchte dort sein Glück. Der König verfasste gelegentlich selbst Libretti. Nach einem Entwurf des vielbeschäftigten Mannes verfasste der Hofdichter Johan Henrik Kellgren das Libretto zu der von Kraus vertonten Oper:



    PROSERPIN


    Proserpin · Anna Eklund-Tarantino
    Ceres · Hillevi Martinpelto
    Cyane · Susanne Rydén
    Atis · Stephen Smith
    Pluto · Lars Arvidson
    Jupiter · Peter Mattei
    Mercurius · Jan Strömberg
    En Bacchant/En Faun · Johan Christensson


    Stockholms Kammarorkester och Kör
    Mark Tatlow


    Zwar wurde die Oper nicht im Rokokotheater auf der Königinneninsel [Drottningholm] uraufgeführt, sondern am 11.03.1781 im Schloßtheater zu Ulriksdahl [ :] ], aber Kraus durfte seine Uraufführung selbst dirigieren, obwohl er eigentlich primär im Königlichen Schloßtheater auf dem Festland bzw. in Drottningholm beschäftigt war. Die Oper war ein Riesenerfolg.


    Die Musik ist wahrhaft "königlich": bezaubernd, bestimmend, glänzend, fordernd und versöhnlich zu gleich. Wer ein wenig die Sinfonien von Kraus kennt, hat eine geringfügige Vorahnung dessen, was ihn erwarten wird. Phönomenal ist, dass Joseph Martin Kraus in der Kürze der Zeit die Schwedische Sprache in solch einer Perfektion beherrschte, dass er die Reize der Sprache vollständig ausnutzen und dieses Wunderwerk vollbringen konnte!


    Ich glaube, ich darf behaupten, dass diese CD die in unserem Hause die meistgespielte CD ist - eine der wenigen, die ich mit meiner Frau gemeinsam anhöre.


    Mark Tatlow, den ich im Frühjahr 2005 live in Drottningholm erlebte, ist ein absolut würdiger - aber nicht unmittelbarer - Nachfolger Östmans und wird voraussichtlcih nach Abschluß der Saison 2006 Drottningholm wieder verlassen, was sehr zu bedauern ist.


    Eine Inhaltsangabe zu dieser wahrhaft wunderbaren Schöpfung kann hier nachgelesen werden:


    KRAUS Joseph Martin [1756-1792]: PROSERPIN

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Rein zufällig sind wir ja nun bei Joseph Martin Kraus angelangt.


    Kraus ist eigentlich zumeist bekannt durch sein sinfonisches Schaffen, welches sogar Joseph Haydn zu überaus lobenden Äußerungen veranlasste. Näheres über das Leben Kraus' kann hier erfahren werden:


    Joseph Martin KRAUS [1756-1792] [Allgemeiner Thread über den Komponisten, beinhaltet auch qualifizierte CD-Empfehlungen].


    Kraus komponierte weitaus weniger Sinfonien als z.B. Joseph Haydn oder Wolfgang Mozart, aber in diesen wenigen Sinfonien drückt er eigentlich alles aus. Am bekanntesten sind die Sinfonien c-moll, welche er Joseph Haydn gewidmet hat sowie die Sinfonie funêbre, welche ebenfalls in c-moll steht und anlässlich der Ermordung Gustavs III. im Frühjahr 1792 - ein Dreivierteljahr vor Kraus eigenem Tod - komponiert wurde. Überhaupt scheint das Tongeschlecht moll bei Kraus einiges entlockt zu haben: So gibt es noch eine Sinfonie in e-moll, dem Fürstenhaus Thurn-und-Taxis zu Regensburg gewidmet [und auch dort im Original befindlich] sowie eine Ausnahmeerscheinung: Eine Sinfonie in cis-moll. Jene Sinfonie ist angeblich neben einer weiteren - mir leider nicht bekannten - Sinfonie die einzige in dieser Tonart, welche im Europa des 18. Jahrhunderts je komponiert worden ist. Sie ist zugleich Urahnin der Joseph Haydn gewidmeten c-moll-Sinfonie und wurde zu diesem Zwecke umgearbeitet. Die cis-moll-Sinfonie jedoch ist sehr viel heller, versöhnlicher und meine absolute Favoritin:



    SINFONIEN I


    Sinfonie Es-Dur VB 144
    Sinfonie C-Dur VB 139
    Sinfonie c-moll VB 142


    Ouvertüre zu "Olympia" VB 29



    SINFONIEN II


    Sinfonie C-Dur VB 138 mit obligater Violine
    Sinfonie F-Dur VB 130
    Sinfonie A-Dur VB 128
    Sinfonia buffa VB 129 [Ersteinspielung]



    SINFONIEN III


    Sinfonia cis-moll VB 140
    Sinfonia c-moll VB 148
    Sinfonia e-moll VB 141


    Ouverture d-moll VB 147


    Swedish Chamber Orchestra
    PETTER SUNDKVIST


    Die Kraus'schen Sinfonien sind allesamt eine lohnenswerte Ergänzung für jeden, der den "Mozarthorizont" erweitern möchte und ein Augenmerk auf moll-lastige Werke legt.


    Die NAXOS-Serie ist äußerst preisgünstig, wunderbar transparent, auf historischen Instrumenten gespielt und bietet zudem "Heimvorteil".


    Die Einspielungen von Concerto Köln sind für mich derzeit verzichtbar - wenn auch schwerlich [Ich hoffe, ich bekomme sie bald geschenkt!]. Ein qualitativer Unterschied auf musikalischem Niveau zu den oben gezeigten Aufnahmen wird kaum aufzeigbar sein: Letztlich ist es Geschmacksache.

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • So, zurück zur Oper im Kreise Mozarts:


    Der folgende Mensch hat aber auch einfach alles von seinem Vater geerbt: Musikalität bis zum Abwinken, Schöpferreichtum, den Namen… nur den Bekanntheitsgrad noch nicht so ganz: Für den jungen Mozart waren diese Opern garantiert unverzichtbares Vorbild:


    JOHANN CHRISTIAN BACH [1735-1782]



    LA CLEMENZA DI SCIPIONE


    Arsinda · Linda Perillo
    Idalba · Christine Wolff
    Luceio ·Jörg Waschinski
    Scipione · Markus Schäfer
    Marzio · Hans Jörg Mammel


    Rheinische Kantorei · Das kleine Konzert
    HERMANN MAX




    ENDIMIONE


    Diana · Vasiljka Jezovsek
    Nice · Ann Monoyios
    Amore · Jörg Waschinski
    Endimione · Jörg Hering


    VokalEnsemble Köln · Cappella Coloniensis
    BRUNO WEIL


    Den Oberhauptforianer habe ich mit diesen beiden Opern bereits angesteckt, wie ich just entdeckte. Wem Mozarts Mithridate und/oder Lucio Silla ans Herz gewachsen ist, dem werden auch diese beiden zum verwechseln ähnlichen Werke des von Mozart sehr geschätzten Zeitgenossen unbedingt gefallen. Bemerkenswert, dass sich Jörg Waschinski in beiden Fällen als männlicher Sopran die Ehre gibt.


    Beide Opern [Endimione ist eigentlich eine ‚Serenata’] beinhalten mitreißende Seria-Arien, beeindruckende Szenen und Chöre zum Hinwegschmelzen.


    [...] der kapellmeister Bach wird auch bald hier seyn - ich gaube er wird eine opera schreiben - die franzosen sind und bleiben halt Eseln, sie können nichts - sie müssen zuflucht zu fremden nehmen. [...]


    [W. A. Mozart: Brief an den Vater, Paris 9. Juli 1778]

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Johann Christian Bach war nicht nur ein "Opernmacher", er soll auch angeblich erstmals die Klarinette im Orchester verwendet haben:



    Johann Christian Bach [1735-1782]


    Sinfonien op. 9
    in B-Dur op. 9/21 Nr. 1
    in Es-Dur op. 9/21 Nr. 2
    in B-Dur op. 9/21 Nr. 3


    The Hanover Band
    Anthony Halstead


    Die Sinfonien B-Dur op. 9/21 Nr. 1 und Es-Dur op. 9/21 Nr. 2 liegen hier in einer Ersteinspielung unter Verwendung der im Original vorgesehenen Klarinetten vor, vergleichsweise ist auch jeweils die Version ohne Klarinetten enthalten. Es ist ganz klar erhörbar, welch wundervolle Effekte die Klarinette hier hervorruft.


    * * *


    Wolfgang Amadeus Mozart nebst Gemahlin und Adlatus/Schüler Franz Xaver Süßmayr halten sich in der Zeit vom 28. August bis Mitte September 1791 in Prag auf. Anlass sind die Krönungsfeierlichkeiten Leopolds II. Zu diesem Anlass komponierte Mozart die Festoper La Clemenza di Tito, Franz Xaver Süßmayr unterstützte ihn beim Komponieren der Rezitative zur Oper. Offensichtlich hatte Süßmayr aber neben den "Hilfsarbeiten" noch ein wenig Zeit und komponierte dort in Prag, wie sich am verwendeten Papier erkennen lässt, ein Konzert für Bassettklarinette in D-Dur, SmWV 501:



    Franz Xaver Süßmayr [1766-1803]


    Konzertsatz für Bassettklarinette D-Dur


    Thea King, Bassettklarinette
    English Chamber Orchestra
    Leopold Hager


    Ebenfalls in Prag anwesend war der Klarinettist Anton Stadler, dem Mozart bereits sein Klarinettenquintett und das Klarinettenkonzert A-Dur KV 622 auf den Leib schrieb. Es liegt also sehr nahe, dass auch das Süßmayrsche Werk für Anton Stadler gedacht ist. Leider ist von diesem Konzert nur der erste Satz, und dieser fragmentarisch, erhalten geblieben. Eine kürzlich aufgefundene Konzertanzeige beweist aber, dass das vollständige Werk 1794 in Riga von Anton Stadler gespielt wurde. Die vorstehende Einspielung wurde durch eine Rekonstruktion des ersten Satzes durch Michael Freyhan möglich.


    Es wundert nicht, dass hier fast ebenso süße Melodien wie im Mozartischen Pendant die Ohren spitz werden lassen, das Bassettinstrument wird noch ein wenig mehr im Tonumfang ausgereizt, als dies bei Mozart der Fall gewesen ist. Besonders liebe ich die tiefen, warmen, sarastrohaften Töne dieses wiederentdeckten Instrumentes. Beim genauen Hinhören lassen sich gar einige Anspielungen an die Oper La Clemenza di Tito heraushören, sicher kein Zufall.


    Um dem Schattendasein Franz Xaver Süßmayrs ein wenig Licht zu geben, habe ich diesen Artikel verfasst:


    Dolcevillico - Franz Xaver Süßmayr


    * * *


    Die von Hyperion Records aufgelegte CD enthält zudem noch zwei wunderbare Werke des Komponisten Franz Wilhelm Tausch [1762-1817], die nicht verheimlicht werden sollen:


    Franz Wilhelm Tausch [1762-1817]


    Konzert Nr. 1 in B-Dur für zwei Klarinetten op. 27
    Konzert Nr. 2 in B-Dur für zwei Klarinetten op. 26


    Thea King u. Nicholas Bucknall, Klarinetten
    English Chamber Orchestra
    Leopold Hager


    Der in Heidelberg geborene Komponist war einer der ersten großen Klarinettenvirtuosen, bereits im zarten Alter von 6 Jahren erhielt er ersten Unterricht bei seinem Vater Jacob Tausch. Mit 8 Jahren bereits wurde er im Mannheimer Orchester als Violinist und Klarinettist aufgenommen. Wolfgang Mozart dürfte Tausch 1777 in Mannheim gehört haben, jedenfalls berichtet er seinem Vater in einem Brief über den herrlichen Effekt der Klarinette.


    Die Doppelkonzerte spielte Tausch offenbar mit seinem eigenen Sohn Friedrich Wilhelm Tausch. Die Werke sind vermutlich gegen Ende des 18. Jahrhunderts entstanden, man nimmt an 1797.


    Die "Klarinette im Doppelpack" ist nochmal etwas ganz besonderes.


    * * *


    Als besonders bemerkenswert sind die von Antonio Rosetti [1750-1792] komponierten Konzerte für Klarinette. Der Böhme Rosetti, eigentlich Franz Anton Rössler [Rösler, Rößler] machte sich die Perfektion seiner böhmischen Holzbläser zu Nutze und komponierte eine große Menge an Literatur für Oboe/n, Hörner, Fagott und Klarinette.



    Antonio Rosetti [1750-1792]


    Konzert für Klarinette und Orchester Nr. 1 Es-Dur
    Konzert für Klarinette und Orchester Nr. 2 Es-Dur
    Konzert für 2 Hörner und Orchester F-Dur


    Dieter Klöcker, Klarinette
    Klaus Wallendorf u. Sarah Willis, Horn


    SWR-Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg
    Holger Schröter-Seebeck


    Neben dem bereits im 18. Jahrhundert sehr beliebten ersten Klarinettenkonzert wurde hier erstmals das zweite Klarinettenkonzert eingespielt. Die Melodien sind süß, der Klang der Klarinette wird von warm bis schrill sehr schön ausgenutzt.

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • […] H: kaplm: schweizer ist ein guter, brafer, ehrlicher Mann. Trocken, und glatt wie unser haydn nur das die sprache feiner ist. In der zukünftigen opera sind sehr schöne sachen, und ich bezweifle gar nicht das sie gewis reusirn wird. Die alceste hat sehr gefallen, und ist doch halb nicht so schön, wie die Rosamunde. Freylich hat das viell beygetragen, weil es daß erste teütsche singspiell war. Nun macht es, NB: auf die gemüther, die nur durch die neüheit hingerissen werden, lange den eindruck nicht mehr. H: wieland, der die Poesie gemacht hat, wird auch den winter hierher=kommen, den möchte ich wohl kennen! […]


    [Wolfgang Amadeus Mozart an seinen Vater aus Mannheim den 3.t Decem:bre 1777]


    Das erste Deutsche Singspiel stammt also von ANTON SCHWEITZER [1735-1787], heißt im Tarnmantel noch ALCESTE und den Text dazu [die „Poesie“] schrieb niemand anderes als CHRISTOPH MARTIN WIELAND [1733-1813], der rund 10 Jahre später mit seiner Märchenedition „Dschinnistan“ die Stoffvorlagen zum „Stein der Weisen“, „Der wohltätige Derwisch“, „Der Spiegel von Arkadien“ und schlussendlich zu „Die Zauberflöte“ liefern sollte. Oh ja, Du wirst ihn noch kennen lernen!


    Den jungen Mozart hat dieses Singspiel fasziniert. Er hat sogar berechtigte Angst davor bekommen, wenn Franz Edler von Heufeld über Leopold ausrichten lässt: Wegen des Benda und Schweizers darf dero Sohn ganz außer allen Sorgen seyn. […] Sie haben hier den Ruhm nicht, wie draußen. [Wien, 23. Januar 1778]. Und Der Vater beruhigt den Sohn [27. August 1778]: Wenn ist Gluck – wenn ist Piccini – wenn sind alle die Leute hervor gekommen? – Gluck wird 60 Jahre auf dem Hals haben und es sind erst 26 oder 27 Jahre, daß man angefangen hat von ihm zu reden, und du willst daß itzt das französische Publikum […] von Deiner Compositionswissenschaft schon sollen überzeugt seyn […].


    Mozart selbst begegnet seinen Konkurrenten mit Selbstironie, wovon er noch nichts weiß: Eine aria hat sie, wo man aus dem Ritornell was gutes schliessen könnte, die singstimme ist aber alla schweizer, als wenn die hund bellen wollten [..] [11. September 1778]. Er dürfte sich doch entfernt an die Arien der Parthenia „Er flucht dem Tageslicht in seinem Schmerz“ oder „O, der ist nicht vom Schicksal ganz verlassen“ aus Schweitzers Alceste erinnert haben, als er die mittlerweile zum Charakteristikum der Zauberflöte mutierte Arie der Königin der Nacht komponierte... Auch Teile von "Martern aller Arten" aus der Entführung aus dem Serail werden markant bellend vorweggenommen. Auch Johann Wolfgang von Goethe war nicht verlegen um nette Worte: […] ein Geklingle mit Ihren Stimmen machten als die Vögel und zuletzt mit traurigem Gekrächz verschwanden. […] Ich bin darüber weggegangen wie man von einer verstimmten Zither wegweicht. Naja, in seiner Gedächtnisrede auf Wieland [1813] überwog dann bei Goethe eher die Pietät - oder doch Bewunderung, wenn er von Wieland als „einem der größten Menschen der Zeit“ spricht?


    Die Kurzrezension des musikalischen Experten aus seinem Brief vom 18. Dezember 1778 an den Vater:


    […]Nun wird zu München die trauerige Alceste vom schweizer aufgeführt! - - das beste /: nebst einigen anfängen, mittelpaßagen, und schlüsse einiger arien :/ ist der anfang des Recitativ: O jugendzeit! – und dieß hat erst der Raaf [Mozarts erster Idomeneo] gut gemacht; er hat es dem hartig /: der die Rolle des admet spiellt :/ Puncktirt, und dadurch die wahre Expression hineingebracht; - das schlechteste aber, /: nebst den stärckesten theil der opera :/ ist ganz gewiss die ouvertüre […]


    Die Ouvertüre ist nicht weniger schlecht, als eine Händelsche. Noch ganz dem barocken Seriastil verhaftet, auch die Arien und ausladenden Rezitative. Etwas befremdlich ist es in der Tat, dabei die Deutsche Sprache zu vernehmen – womöglich der Grund für Goethes Annahme, es handele sich dabei um Gekrächze; doch die Musik ist ganz wunderbar und die Uraufführung am 28. Mai 1773 in Weimar war ein mutiger und erfolgreicher erster Schritt zur Entwicklung des Deutschen Singspieles – die „Oper“ erfreute sich größter Beliebtheit: 25 Aufführungen in Weimar, danach häufig in Dresden, Leipzig, Schwetzingen, Mannheim, Frankfurt, Köln, Danzig, München, Berlin, Hamburg, Prag, Kassel…


    ANTON SCHWEITZER [1735-1787]


    ALCESTE


    Singspiel in 5 Akten von Christoph Martin Wieland


    Alceste – Ursula Targler, Sopran
    Parthenia – Sylvia Koke, Sopran
    Admet – Christian Voigt, Tenor
    Herkules – Christoph Johannes Wendel, Baß


    Opernchor des Theaters Erfurt
    Philharmonisches Orchester Erfurt


    Stephan E. Wehr

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Die Morichetti hatte in Paris "Die liebestolle Nina" gegeben; da sie darin einen großen Erfolg erzielt hatte, namentlich in der Wahnsinnszene, bat sie imch um eine ähnliche. Vergebens stelle ich ihr vor, daß das Sujet dies nicht gestatte, daß solche Einschaltungen, die man sich höchstens in Italien gefallen ließe, wo das Libretto nur als Anhängsel betrachtet würde, dessen ganzer Verdienst darin bestand, die Musik zu heben [...]


    So schreibt Lorenzo Da Ponte in "Mein abenteuerliches Leben" und trifft damit bereits eine Kernaussage über:



    GIOVANNI PAISIELLO [1740-1816]


    Nina
    o sia: La Pazza per Amore


    Nina, Jeanne Marie Bima
    Susanna, Gloria Banditelli
    Lindoro, William Matteuzzi
    Conte, Natale De Carolis
    Giorgio, Alfonso Antoniozzi


    Hungarian Chamber Chorus
    Concentus Hungaricus


    Hans Ludwig Hirsch


    Es handelt sich um ein dramma giocoso in zwei Akten. gespickt mit grandiosen Chören, phänomenalen Arien und einem spektakulären Verkettungsfinale des ersten Aktes. Auf dieses Finale ist sogar Antonio Salieris Aussage über Mozarts "Non piú andrai..." anwendbar: "Diese Arie ist mehr wert als eine ganze Oper"!


    * * *


    Leopold Mozart berichtet seiner Tochter Nannerl am 24. Februar 1787 von einem Besuch im Theater in München, wo er u.a. den „Barbier von Seviglia“ mit der „vortrefflichen Musik des Paisiello“ hörte. Diese Oper ist nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Oper von Gioacchino Rossini. Rossini holte sich sogar die Genehmigung von Paisiello ein, um ein Pendant zu dessen Oper komponieren zu dürfen. Die Anhänger Paisiellos beschworen bei der Uraufführung von Rossisis „Barbiere“ im Jahre 1816 einen Skandal herauf und kurz darauf verstarb Rossini – man könnte meinen, er habe sich von seinem würdigen Nachfolger zurückziehen wollen: In der Tat ist der „Barbier von Seviglia“ heute unmittelbar mit Gioacchino Rossini verbunden. Nach einiger Zeit der Vergessenheit, ist die Oper Paisiellos heute zum Glück wieder etwas bekannter geworden:



    GIOVANNI PAISIELLO [1740-1816]


    Il Barbiere di Siviglia


    Il conte Almaviva, Patrizio Saudelli
    Rosina, Marina Ivanova
    Bartolo, Giancarlo Tosi
    Figaro, Gianpiero Ruggeri
    Don Basilio, Ezio Maria Tisi
    Giovinetta, Mojca Vedernjak
    Svegliato, Christian Tschelebiew
    Un notaio, Guido Boesi
    Alcade, Klaudiusz Kaplon


    Putbus Festival Orchestra
    Putbus Festival Chorus


    Wilhelm Keitel


    * * *


    Um auf das Label ARTS zurück zu kommen:



    Giovanni Paisiello [1740-1816]


    LA SERVA PADRONA


    Intermezzo in due parti di G. A. Federico


    Serpina - Jeanne Marie Bima, Soprano
    Uberto - Petteri Salomaa, Bass


    Münchener Rundfunktorchester
    Hans Ludwig Hirsch


    "Obwohl" es sich lediglich um ein Zwei-Personen-Stück handelt, steht diese Operette buffette dem Barbiere an Witz und Spitzigkeit und der Nina an grandiosen Verkettungsfinali um nichts nach. Die Rezitative sind sehr lebensnah, die Melodien süß wie Honig.


    Entfachte doch Pergolesis Serva padrona in Paris den Buffonistenstreit, so hat Paisiello doch das Libretto von Federico nicht ganz 1:1 übernommen, sondern liess - vermutlich von Pasquale Mililotti - Texterweiterungen, Einschübe und Umstellungen vornehmen.


    Mit Jeanne-Marie Bima wurde eine liebenswerte Serpina ausgewählt, bereits durch herausragende Leistungen in der Nina bekannt. Und Petteri Salomaa ist eingereiht bei den "Unverzichtbaren Klassikaufnahmen" als Figaro in der legendären Östman-Einspielung der Nozze di Figaro von Mozart.

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Das "abenteuerliche Leben" geht weiter:


    Martini beklagte sich über meine Faulheit, ihm einen Stoff zu liefern; gleichzeitig ließ mich die Storace durch die Kaiserin um ein Libretto für ihren Bruder bitten. [Anna Selina Storace, genannt "Nancy", 1765-1817, erste Susanna in W. A. Mozarts "Le Nozze di Figaro", deren Bruder Stephen Storace, 1762-1796, Komponist] Die Gelegenheit war also günstig. Ich nahm das für Storace bestimmte Sujet aus einer Shakespearschen Komödie, während ich zugleich Martini aufsuchte und ihm das Versprechen abnahm, niemand auf der Welt davon zu sagen, daß ich etwas für ihn schrieb. [..] Um ihm sowie der Gesandtin von Spanien angenehm zu sein, gedachte ich, einen Stoff aus der spanischen Geschichte zu wählen. Diese Idee gefiel Martini und dem Kaiser ungemein, welchen letztern ich in das Geheimnis gezogen hatte und der mich mit seiner Billigung zu ermutigen geruhte. [...] Endlich fand ich ein Sujet, das mir vollständig gefiel. Es war von Calderon und führte den Titel "Der Mond der Sierra". Ich entwarf mein Stück und gab ihm den Titel



    VICENTE MARTÍN Y SOLER


    UNA COSA RARA


    dramma giocoso in due atti di LORENZO DA PONTE


    ISABELLA - Cinzia Forte
    GIOVANNI - Luigi Petroni
    CORRADO - Luca Dordolo
    LILLA - Rechele Stanisci
    GHITA - Yolanda Auyanet
    LUBINO - Lorenzo Regazzo
    TITA - Bruno de Simone
    LISARGO - Pietro Vultaggio


    ORCHESTRA E CHORO DEL TEATRO LA FENICE
    GIANCARLO ANDRETTA


    Live Recording: Orviet, Teatro Mancinelli, 17.09.1999


    Die cosa rara ist eine phänomenales Meisterwerk des Duos Da Ponte/Martini. Bekanntermassen "zitiert" Wolfgang Mozart aus dem Finale des zweiten Aktes in seiner Oper Don Giovanni, wenn Leporello singt: "Bravi, cosa rara!" - Zitieren ist fast schon untertrieben, es sind mehrere Minuten Musik, die Mozart hier einfach vom Kollegen entwendet. Die cosa rara ist ein fast unbegreifliches Verwirrspiel um Liebe und Tugend, phanstastisch in Musik gesetzt und ebenso lobenswert aufgeführt.


    Eine Inhaltsangabe zu diesem Meisterwerk gibt es hier: MARTÍN Y SOLER, Vicente: UNA COSA RARA



    Einige Tage waren verflossen, als Federici mir im Namen des Direktors den Befehl überbrachte, zwei Dramen zu schreiben: das eine, eine Opera buffa, wozu Martini, der gegenwärtig in London war, die Musik komponieren sollte, während ich die andere, auf sein Geheiß, dem Maestro Francesco Bianchi übergab und in welcher ich die ernste Rolle einer Primadonna für die Banti schreiben sollte. Es war eine kritische Frage. Ich mußte mich vollständig neutral halten, und selbst dieses Mittel konnte mich retten.


    "Ein Unglück für dich", sagte die Banti zu mir, "wenn die Morichelli eine bessere Rolle als ich in der Martinischen Oper hat!" Über diese letztere sagte sie nicht; aber ihre hingeworfenen Redensarten und ihre Beharrlichkeit, mich bei jeder Gelegenheit an meine beiden Opern zu erinnern, in denen sie zu Wien einen wahren Triumph gefeiert hatte, entschleierten mir ziemlich klar die Gedanken, die sie um Schilde führte. Nicht ohne Schrecken ging ich an die aufgabe.


    Ich wählte zwei Sujets, die von den beiden Maestri gebilligt wurden, was mir ein wenig Mut machte. In drei Wochen war "La capricciosa corretta" in Martinins Händen, der, da er bei mir wohnte, nicht allein durch seine unerschütterliche, gute Laune meine Begeisterung wach erhielt [...]


    Diese Äußerung Lorenzo Da Pontes führte offenbar zu der irrigen Annahme, Martín y Soler [Martini genannt] habe die Oper in drei Wochen komponiert:



    VICENTE MARTÍN Y SOLER


    LA CAPRICCIOSA CORRETTA


    Opera buffa in due atti di LORENZO DA PONTE


    Fiuta - Josep Miquel Ramon
    Donna Ciprigna - Marguerite Krull
    Lelio - Yves Saelens
    Bonario - Enrique Baquerizo
    Don Giglio - Carlos Marin
    Isabella - Katia Velletaz
    Cilia - Raffaella Milanesi
    Valerio - Emiliano Gonzales-Toro


    Les talentes lyriques - Christophe Rousset


    Die Oper wurde, sicher nicht ganz zufällig [Rache für den Diebstahl?], am 27. Januar 1794 in London mit einem Riesenerfolg uraufgeführt und trägt zudem noch den Untertitel La scoula dei maritati. Beneidenswerte Musik, auch noch nach Mozarts Tode, fast unglaublich. Das Emsemble spielt und singt gigantisch!


    Beide hier vorgestellten Opern ergänzen die Trilogie der Da-Ponte-Opern Mozarts uneingeschränkt. Dem Ersthörer wird es schwer fallen zu entscheiden, ob er sich akustisch im Figaro, Don Giovanni oder in der Cosí fan tutte aufhält.


    Die Zitate entstammen aus: Lorenzo da Ponte, Mein abenteuerliches Leben, Diogenes Verlag, aus dem Italienischen von Eduard Burckhardt.

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Nur wenige Wochen vor der Uraufführung des grandiosen Dramma giocoso Don Giovanni o sia: Il dissoluto Punito am 29. Oktober 1787 aus den Federn der Herren Mozart und Da Ponte wurde am 5. Februar desselben Jahres bereits ein Don Giovanni in Venedig uraufgeführt. Der Stoff des ruchlosen Übeltäters fand vielfach das Interesse von Komponisten und Theaterleuten, es sind mindestens acht Opern mit diesem Titel aus der Zeit der „Klassik“ überliefert. Das Werk aber von Giuseppe Gazzaniga [Komponist] und Giovanni Bertati [Librettist] spielt eine besondere Rolle: Denn Lorenzo Da Ponte, auf dem Höhepunkt seines Schaffens angelangt, kannte Giuseppe Gazzaniga recht gut und hatte mit Ihm bereits ein Jahr zuvor eine Comedia mit dem Titel Il finto cieco [Der verstellte Blinde] herausgebracht, welche am 20. Februar 1786 im Hoftheater zu Wien uraufgeführt wurde.


    Da Ponte: Ich dachte noch bei mir über die Wahl des Sujets nach, die ich zwei so entgegengesetzten Talenten wie Martini und Mozart übergeben wollte, als ich einen Befehl der Intendanz empfing, wonach ich ein Drama für Gazzaniga, einen ganz guten, aber aus der Mode gekommenen Komponisten, schreiben sollte. Um mich so schnell als möglich dieser langweiligen Aufgabe zu entledigen, wählte ich eine französische Komödie: den Verstellten Blinden. In wenigen Tagen entwarf ich ein Stück, das weder durch den Text, noch durch die Musik einen Erfolg erzielte. Es wurde drei Mal aufgeführt, dann aber vom Theater zurückgezogen […]


    Und von Bertati hielt er auch nichts: Er war kein geborener Poet und konnte kein Italienisch – komisch, denn Bertatis Libretto zum Don Giovanni fesselte ihn: Da Ponte war ein geschickter Theatermann und für ihn war es ein Leichtes, sich das Libretto für „seinen“ Don Giovanni zu besorgen, welches er zeitgleich nebst dem Libretto zu L’arbore di Diana für Vicente Martín y Soler und Tarare für Antonio Salieri schrieb. Und auch Mozart gefiel das Gesamtwerk so gut, dass er ganze Phasen von der Musik Gazzanigas übernahm.


    Das Bertatische Libretto übertrifft Da Pontes Werk an Witzigkeit, es leidet ein wenig durch den Mangel an dramatischen Momenten – sie fliegen nahezu belanglos vorbei. Gazzanigas Musik ist mehr als angemessen, orientiert sich [jedoch] an dem Libretto. Die Ouvertüre beginnt markant mit dem „Don-Giovanni-Motiv“ und deutet trotz ihrer Spitzigkeit bereits auf das kommende Unheil hin. Die wichtigen musikalischen Aspekte im Don Giovanni hat Gazzaniga „erfunden“: Der erste [und in diesem Fall einzige, weil letzte] Auftritt der Donna Anna wird durch das gleiche Motiv wie bei Mozart angekündigt, der Hochzeitschor für Maturina und Biagio ist thematisch dem Mozarts zum Verwechseln ähnlich, die Friedhofsszene und der spätere Auftritt des Comturs sind musikalisch nahezu identisch gestaltet!


    Daher: Ganz gut und leider aus der Mode gekommen:



    Giuseppe Gazzaniga [1745-1813]


    DON GIOVANNI
    O sia: Il Convitato di Pietra


    Donna Elvira: Maria Luisa Giorgetti, Soprano
    Donna Anna: Luciana Ticinelli, Soprano
    Donna Ximenia: Maria Minetto, Mezzosoprano
    Maturina: Maria Grazia Ferracini, Soprano
    Don Giovanni: Fernando Jacopucci, Tenor
    Duca Ottavio: Rodolfo Malacarne, Tenor
    Lanterna: Adriano Malacarne, Tenor
    Pasquariello: James Loomis, Bass
    Il Commendatore: Alfonso Nanni, Bass
    Biagio: Laerte Malaguti, Bariton


    Coro e Orchestra della Radiotelevisione
    della Svizzera Italiana


    HERBERT HANDT

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Die Oper Andromeda e Perseo von Michael Haydn wurde am 14. März 1787 im Salzburger Hoftheater uraufgeführt.


    Hieronymus Graf Colloredo, Erzbishof von Salzburg, beauftragte Michael Haydn mit der Komposition der Oper anlässlich des 15. Jahrestages seiner Amtsübernahme. Zu dieser Zeit war die Opera seria bereits fast vollständig aus der Mode gekommen und das Deutsche Singspiel war auf dem Vormarsch. Nichtsdestotrotz wurden italienische Texte weiterhin vertont: Im selben Jahr, in dem Andromeda komponiert wurde, hat Wolfgang amadeus Mozart seinen Don Giovanni auf die Bühne gebracht, fünf Jahre nach der Premiere der Entführung aus dem Serail. Auch Michael Haydn komponierte vor Andromeda zwei Singspiele: [1] Abels Tod, deutsches Singspiel in zwei Akten, UA 03. September 1778 und [2] Der englische Patriot, deutsches Singspiel in drei Akten, UA etwa 1780 in Lambach. Nach der Komposition der Andromeda schuf er noch ein weiteres Singspiel Die kleine Ährenleserin, ein Aufzug, komponiert im Sommer 1788.


    Andromeda e Perseo allerdings ist eine wahrhafte Opera seria, welche dem konservativen Geschmack des Erzbischofs entsprach. Die Arien entsprechen der so genannten Sonatenform und haben die übliche Länge eines Sinfoniesatzes. Den Sängerinnen und im Besonderen den Sängern [Kastraten] wird technisch einiges abverlangt. Michael Haydn stand z.B. neben seiner Ehefrau Maria Magdalena geb. Lipp auch der Kastrat Francesco Ceccarelli zur Verfügung.


    Das Libretto zu Andromeda e Perseo schrieb Giambattista Varesco, oberster Kaplan Salzburgs. Er schuf auch die Libretti zu W. A. Mozarts Idomeneo und L’Oca del Cairo, welche unvollendet blieb. Das Libretto basiert auf Corneilles Tragödie Andromède und verwendet Passagen aus Ovids Metamorphosen. Ich Gegensatz jedoch zu den Quellen, in welchen die Rivalität zwischen Perseus und Phineus zum Tod des letztgenannten führt, gibt Varesco der Story ein glückliches Ende: Perseus, Sieger über Phineus, vergibt dem Widersacher.


    Im Werk jagt eine unvergleichliche Arie die nächste, besonders überirdisch sind die Chöre mitten im ersten Akt, welcher mit einem phänomenalen Terzett [Perseo, Andromeda, Fineo] endet. Auch mitten im zweiten Akt gibt es einen schönen Chor und das Werk endet ganz erwartungsgemäß mit einem solchen. Den Chören wohnt allesamt Krausscher Geist inne, das macht die ganze Angelegenheit höchst interessant.


    Auch Wolfgang Amadeus Mozart nahm sich des Andromeda-Stoffes an und komponierte eine Arie dazu: Die Texte entstammen hier jedoch der Feder Vittorio Amedeo Cigna-Santis, dem Librettisten Giovanni Paisiellos: Ah, lo previdi und Ah, t’invola agl’occhi miei KV 272.



    Michael Haydn [1733-1806]


    ANDROMEDA E PERSEO
    Dramma per musica
    Libretto di Giambattista Varesco


    Andromeda: Beatrix Fodor
    Cefeo: Bence Asztalos
    Fineo: Tibor Szappanos
    Perseo: Gabriella Gál


    Coro misto della Scuola Superiore Dániel Berzsenyi
    Savaria Symphony Orchestra


    TAMÁS PÁL

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Unverzichtbar sind für mich in jedem Falle auch die beiden erhältlichen Vorgängeropern der Zauberflöte. Sie wurden derselben Stoffvorlage aus Christoph Martin Wielands "Dschinnistan" entnommen und ein halbes resp. ein Jahr vor der Zauberflöte uraufgeführt. Librettist beider Opern ist Emanuel Schikaneder, der wusste, wie er sein Publikum verwöhnen konnte.


    Als wahrlich noch weitestgehend unentdeckte Konkurrenz kann an erster Stelle die am 11. September 1790 uraufgeführte Oper



    Der Stein der Weisen
    oder: Die Zauberinsel


    gelten. Mozarts Anteil an der Musik dieser Märchen- oder Zauberoper ist noch reichlich ungeklärt, aber sicherlich weitreichender, als man derzeit nachweisen kann. Stoff und Musik weisen stark auf Die Zauberflöte hin, die Handlung ist ein wenig komplexer und nicht ganz so durchschaubar gestaltet. Dafür beinhaltet sie jede Menge unerwarteter Effekte und Wendungen.


    Zu der Oper gibt es bereits eine Inhaltsangabe im Tamino-Opernführer:


    MOZART, Henneberg, Schack, Gerl, Schikaneder: DER STEIN DER WEISEN


    sowie einen den Hintergrund beleuchtenden allgemeinen Thread:


    Die Zauberinsel oder: Der Stein der Weisen [z.T. Mozart]


    * * *


    Nicht ganz so gediegen konkurrenzfähig, aber nicht minder schön ist das im März 1791 uraufgeführte dreiaktige Singspiel



    Der wohltätige Derwisch
    Singspiel in drei Akten


    Hier ist Mozarts Anteil nicht nachweisbar, vermutlich auch nicht vorhanden. In jedem Fall aber wird Mozart auch dieses Werk gekannt und geschätzt haben, denn daraus sind einige effektvolle Basspartien als Sarastro in Die Zauberflöte eingegangen.


    Auch hierzu gibt es bereits eine Synopsis im Tamino-Opernführer:


    SCHIKANEDER, Emanuel: Der wohltätige Derwisch


    Beide Einspielungen sind ganz einzigartig vom Boston Barock Ensemble mit hervorragenden Solisten unter der Leitung von Martin Pearlman zu haben.


    Entdeckenswert - dann Unverzichtbar...

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Josef Myslivecek wird als der beste böhmische Opernkomponist vor Bedrich Smetana gehandelt: zu Recht!


    Was dieser Zwillingssohn eines böhmischen Müllerehepaares an wahnsinnigem Melodienreichtum hervorzaubert, ist unfassbar! Was er aus einer wahrlich klassischen Opera seria macht! Unglaublich! Und diese Musiker:



    Josef Myslivecek [1737-1781]
    IL BELLEROFONTE
    Opera seria in tre atti


    Bellerofonte - Celina Lindsleyová
    Argene - Gladys Mayová
    Ariobate - Douglas Ahlstedt
    Atamante - Raul Giménez
    Briseide - Krisztina Lakiová
    Diomedes - Stefan Margita


    Frantisek Langweil - Frech horn [solo]
    Frantisek Xaver Thuri - Cembalo
    Frantisek Posta - Violone
    Czech Philharmonic Choir
    Prague Chamver Orchestra
    ZOLTAN PRESKÓ


    :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:


    Josef Myslivecek hat es geschafft, die langwierige und verzwickte Geschichte der griechischen Mythologie in Herzklopfen verursachende Musik zu bannen. Die Opera seria ganz klassisch: Nur zu Beginn und Ende der Oper ein Chor, dazwischen Profilierungsarien für Castraten und Tenöre, lediglich zwei davon im Tongeschlecht moll [lieder, obwohl stofflich mehr drin gewesen wäre], ewig lange Rezitative, die hier zweckdienlich verkürzt wurden.


    Opera-Seria-Fans, die diese Oper nicht besitzen, werden mit einer Freiheitsstrafe nicht unter 1.000 Postings geahndet.


    Syopsis der Oper:
    MYSLIVECEK, Josef [1737-1781]: IL BELLEROFONTE


    Zu Leben und Werk des Komponisten:
    Mozart und seine Zeitgenossen: MYSLIVECEK, Josef [1737-1781]

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Joseph Haydns letzte vollendete Oper ist „Armida“ – danach bekam er im Zuge seiner Londonreise den Auftrag zur Komposition einer neuen Oper: sie blieb unvollendet und zu seinen Lebzeiten unaufgeführt. Hier in London erhielt Joseph Haydn den Titel "Dr. mus." ! Geplant war eine Aufführung der neuen Oper am 31. Mai 1791 zusammen mit Giovanni Paisiellos Pirro. Schuld an dem Desaster ist Georg III., er untersagte kurzfristig die Eröffnung des neuen Opernhauses, da er das erst kurz zuvor eröffnete Pantheon Theater [Februar 1791] gefährdet sah. So endet die Oper Don-Giovanni-haft mit Orpheus Tod in d-moll.


    Haydns Biograph G. A. Griesinger schreibt, Haydn hätte, anstatt der vielen Quartetten, Sonaten und Symphonien, mehr Musik für den Gesang schreiben sollen, denn er hätte einer der ersten Opernschreiber werden können.


    Naja, ich möchte eigentlich auf nichts von Haydn verzichten – aber auch nicht auf:



    JOSEPH HAYDN
    L’anima del filosofo ossia:
    Orfeo ed Euridice


    Dramma per musica


    Euridice & Genio: Cecilia Bartoli
    Orfeo: Uwe Heilmann
    Creonte: Ildebrando d’Arcangelo
    Pluto: Andrea Silvestrelli


    Chor und Orchester der
    ACADEMY OF ANCIENT MUSIC


    Chirstopher Hogwood


    Trotz des ‘altbackenen’ – aber bewährten! – Stoffes ist die Oper ‘modern’, keine herkömmliche Opera seria also: Der Chor ist nicht mehr nur Eckpfeiler, sondern wird in das Geschehen integriert. Sie ist aber musikalisch nicht so ‚anders’ wie Mozarts La clemenza di Tito, die fast zeitgleich komponiert wurde. Allein schon die Ouvertüre ist gespickt mit Haydns Witz, die obligatorische langsame Einleitung in c-moll darf nicht fehlen und dann geht das Feuerwerk in C-Dur los! Haydn zitiert in der Ouvertüre das „Dona nobis pacem“-Motiv aus Mozarts „Krönungsmesse“ und verwendet es auch als Leitmotiv einer Arie: Ein weiteres Indiz, dass es sich um keine klassische Seria handelt, in der musikalische Motive sich nicht wiederholen durften.


    Man kann das Werk, so wie es ist, als [musikalisch] vollendet betrachten. Insofern gebe ich den sehnsüchtigen Gedanken Griesingers Recht…

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Carl Ditters von Dittersdorf [1739-1799] spielte als zweiter Violinist neben Joseph Haydn [1. Violine], Wolfgang Amadeus Mozart [Viola] und Vanhall oder gelegentlich Giovanni Paisiello [Violoncello] in gemütlicher Quartettrunde. Mozart schätze Dittersdorf sehr.


    Carl Ditters von Dittersdorf war einer der ersten Komponisten, der Sinfonien zu vorgegebenen programmatischen Themen schrieb.


    Dazu gehören zum Beispiel folgende Sinfonien:



    Sinfonia in a-moll
    Il delirio delli compositori


    Sinfonie in D-Dur
    Cambattimento delle passioni umani


    Sinfonia in A-Dur
    Sinfonia nazionale nel gusto di cinque nazioni



    In Sinfonien des Tongeschlechts Moll mit Tiefgründigkeit und Ausdruckskraft sah man damals auf den oberen Ebenen versteckten revolutionären Aufruhr – Sinfonien in moll waren also nicht gerne gesehen und daher auch wenig vertreten. In den moll-Sinfonien der bekannteren Meister wie Mozart und Haydn sah man unter musikwissenschaftlichem Aspekt eine aufkeimende Lebenskrise der Komponisten – Dittersdorf wusste es besser: Es war eine Mode. Und daraus machte er eine Parodie.


    Die D-Dur-Sinfonie beispielsweise handelt von der „Schlacht der menschlichen Leidenschaften“ – so haben die einzelnen Sätze die Überschrift:


    I. Il Superbo [Der Stolze]
    II. Il Humile [Der Demütige]
    III.1 Il Matto [Der Wahnsinnige]
    III.2 Il Amante [Der Liebende]
    IV. Il Contento [Der Zufriedene]
    V. Il Costante [Der Standhafte]
    VI. Il Maliconico [Der Melancholische]
    VII. Il Vivace [Der Lebhafte]


    Musikalisch sehr schön beschrieben.


    Der Gipfel der Parodie ist die Sinfonie in A-Dur, welche von den Eigentümlichkeiten der verschiedenen Nationen handelt:


    I. Tedesco
    II. Italiano
    III. Inglese
    IV.1 Francesco
    IV.2 Turco
    V.Finale


    Dittersdorf nimmt hier die Kompositionsstile der einzelnen Nationen aufs Korn: Bevor es jedoch von der allgemeinen Lustigkeit ins Nervtötende übergeht, ist die Parodie zu Ende. Das "Italiano" z. B. ist solch ein Fall: Der Satz beginnt mit einer Fülle von [italinischen] Eröffnungsfloskeln - man fragt sich, wann es endlich wirklich losgeht...


    :D


    Dittersdorf war Einfallsreich: So komponierte er auch 12 Sinfonien zu „Ovids Metamorphosen“; sechs davon haben [leider] nur als vierhändige Klavierversion überlebt. Hier sind die anderen sechs:



    Sinfonia Nr. 1 C-Dur
    Die vier Weltalter


    Sinfonia Nr. 2 D-Dur
    Der Sturz Phätons


    Sinfonia Nr. 3 G-Dur
    Die Verwandlung Aktäons in einen Hirsch


    Sinfonia Nr. 4 F-Dur
    Die Rettung der Andromeda durch Perseus


    Sinfonia Nr. 5 in A-Dur
    Die Verwandlung der lykischen Bauern in Frösche


    Sinfonia Nr. 6 in D-Dur
    Die Versteinerung des Pineus und seiner Freunde


    In der F-Dur-Sinfonie Nr. 4 begegnet uns in einem Oboensolo fast Ravels Bolero, man traut seinen Ohren kaum. Man könnte diese „gelehrt“ wirkenden Werke auch als „Opern ohne Gesang“ oder „Ballette ohne Tänze“ bezeichnen. Ganz im Gegenteil zu dem vernichtenden Urteil eines zum Glück bereits imperfekten Mozartverehrs, der meinte: „Dittersdorfs Sinfonien […] sind als lächerliche Verirrungen mit gänzlichem Vergessen zu bestrafen“, finde ich sie sehr amüsant und unterhaltsam.

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Der Bruder des „Großen“ hatte sehr viel früher beruflichen Erfolg und sein Werk ist nahezu unbekannt. Daher: zurück zu Michael Haydn:


    Sein Œuvre beinhaltet u.a. ein Violinkonzert in B-Dur. Die Tonart ist für Violinkonzerte dieser Zeit eher selten. Das Konzert entstand 15 Jahre vor der Mozart-Quintologie [oder Septologie, je nach Glauben]. Das Werk wurde am 20. Dezember 1760 vollendet und weist bereits alle Merkmale eines phantastischen Violinkonzertes auf: Zwischen Solo und Tutti findet ein deutlicher „Wettstreit“ statt, der Mittelsatz – würde ich sagen – übertrifft sogar fast noch die Mozartischen an Kantabilität. Zudem – sollte er es, was sich nicht beweisen lässt – für sich selbst komponiert haben: Er war ein absoluter Virtuose!


    Hier ist es drauf:



    Das Label gibt es nicht mehr, was sehr zu bedauern ist. Aber vereinzelt ist diese CD noch erhältlich, ich habe sie im vergangenen halben Jahr erworben. Darauf ist auch ein früheres Violinkonzert des Bruders Joseph Haydn, 1761 komponiert. Es steht in A-Dur [ohne ‚alla turca’] und könnte allmählich das ‚Schülerkonzert’ G-Dur ablösen, wie ich finde.


    Michael Haydn komponierte jede Menge Sinfonien. Der Erzsalzburger verarbeitete Mannheimer und Wiener Eindrücke darin – er komponierte nach neustem Kenntnisstand 41 Sinfonien. Die Besetzung ist manchmal minimal [nur, um nicht als Streichquartett durchzugehen]: 2 Oboen, 2 Hörner, Streicher mit Baßverstärkung durch das Fagott. Viele der Sinfonien sind in Salzburg komponiert und in der folgenden Edition kann man eine schöne „Steigerung“ erleben:



    Sinfonie Nr. 21 in D-Dur [vor 1778]
    Sinfonie Nr. 30 in D-Dur [1774]
    Sinfonie Nr. 31 in F-dur [1783/85]
    Sinfonie Nr. 32 in D-dur [1786]



    Sinfonie Nr. 33 in D-Dur [1758/60]
    Sinfonie Nr. 23 in F-Dur [1779]
    Sinfonie Nr. 1C in Es-Dur [1760]
    Sinfonie Nr. 22 in D-Dur [1778/80]



    Sinfonie Nr. 34 in Es-Dur [1788]
    Sinfonie Nr. 35 in G-Dur [1788]
    Sinfonie Nr. 36 in B-Dur [1788]
    Sinfonie Nr. 37 in D-Dur [1788]
    Sinfonie Nr. 38 in F-Dur [1788]
    Sinfonie Nr. 39 in C-Dur [1788]


    Die Zählung der Sinfonien ist ein wenig wirr, tut hier aber nicht zur Sache. Die letzten Sinfonien sind alle größer besetzt, verlangen Flöten und Oboen, teilweise doppelt besetzte Fagotte sowie zusätzliche Trompeten. Das macht die Sache schmackhaft.


    Eingespielt hat diese Sinfonien die Deutsche Kammerakademie Neuss unter Leitung von Johannes Goritzki. Die Werke wirken allesamt spritzig, sind voller Lebensfreude und elegant, kurz: hinreißend mitreißend!


    Einfach grandios ist die Nr. 39 in C-Dur – quasi die „Jupiter-Sinfonie“ Michael Haydns. Nicht nur, dass das Andante mit jenem des Mozartischen Pendant durchaus mithalten kann, das Finale ist ebenfalls durch ein hochlöbliches Fugato geprägt, die Tonart selbst braucht nicht weiter erwähnt zu werden.


    Sicher sind die Sinfonien allesamt nicht mit jenen Mozarts zu vergleichen – aber wo sind sich Geschwister schon ähnlich?

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Abbé Georg Joseph Vogler [1749-1814]
    Requiem Es-Dur [1809]


    Das Requiem Es-Dur besteht aus 27 einzelnen Vokalteilen und ist damit neben Verdis Werk sicher eine der ausführlichsten Vertonungen des Requiemtextes:


    Introitus
    01 Requiem aeternam
    02 Te decet I
    03 Te decet II
    04 Kyrie


    Sequenz
    05 Dies irae
    06 Quantus tremor
    07 Tuba mirum
    08 Mors stupebit
    09 Ingemisco
    10 Qui Mariam
    11 Lacrymosa
    12 Huic ergo parce


    Offertorium
    13 Domine Jesu Christe
    14 Quam olim Abrahae


    Sanctus
    15 Sanctus
    16 Pleni sunt coeli
    17 Osanna
    18 Benedictus
    19 Osanna


    Agnus Dei
    20 Agnus Dei I
    21 Agnus Dei II
    22 Lux aeterna


    Libera me
    23 Libera me
    24 Dum veneris
    25 Dies illa
    26 Quando coeli
    27 Requiem aeternam


    Im Vergleich dazu hat die Gossecsche Grand messe des morts 24 Nummern, Mozarts Requiem lediglich 14, Joseph Martin Kraus begnügt sich mit 11. Obwohl manche Vokalnummern nicht einmal eine halbe Minute andauern, ist das Werk recht lang – eine Stunde, mithin immer noch weitaus kürzer als Gossec. Obwohl zwischen der Komposition Gossecs [1760] und der Voglers [1809] fast 50 Jahre liegen, erscheint Voglers Werk im Vergleich eher zurückhaltend. Anders ausgedrückt geht Vogler mit der Thematik eher zurückhaltend um, nicht so extrovertiert wie Gossec. Während Gossec mit Es-Dur die Feierlichkeit heraufbeschwört, sucht Vogler in der gleichen Tonart die Ruhe und Empfindsamkeit.


    Eigentlich hatte Vogler bereits 1776 mit der Komposition de Werkes begonnen – jedenfalls greift er während der Konzeption des Werkes in den Jahren 1807 bis 1809 auf diese alten Entwürfe zurück. Daraus ergibt sich zwangsläufig eine Vielschichtigkeit – ein eleganter, manchmal jedoch markanter Stilmix.


    Das Werk beginnt mit einem tiefen Klarinettensolo „Es ist soweit“ - und soll womöglich auf die von Mozart verwendeten Bassetthörner anspielen. Überhaupt breitet sich von Beginn an eine wohlige und angenehme Ruhe und Sicherheit aus, keinesfalls dämonisch, nur bittend. Das Tedecet I ist weitaus bewegter: über einer lebhaften Bassfigur schwebt der Chor mit lieblichem Hymnus. Sehr fordernd hingegen das Tedecet II – ein kurzes Fugato. Flehend und harmonisch kühn die Rufe „Kyrie, Kyrie, Kyrie eleison“. Nach einer ekstatischen Pause auf D7 – geht es nahezu tänzerisch, aber verklärt – nicht weniger harmonisch kühn zu. Das Dies irae hat beinahe Dimensionen von Verdi – nur, dass es rhythmisch harmloser ist. Fanfare: Quantus tremor, übergehend in die triolischen Koloraturen des Baßsolo im Tuba mirum. Düster folgt das Mors stupebit, geprägt von Synkopen und wie Schreie wirkenden Einwürfen des geteilten Chores. Gesangssolisten prägen das selige Ingemisco, welches sogleich in das Qui Mariam [Chor] übergeht – fast ein Sprechchor, gewisse Ähnlichkeiten mit Orffs „Carmina Burana“. Von klagenden Holzbläsern werden die Solisten im kurzen Lacrymosa begleitet, das schon gleich wieder in ein hymnisches Huic ergo übergeht. Das Offertorium beginnt mit einem wohligen und wiegenden Domine Jesu Christe, es steht dem Mozartschen recht nah, wenn auch nicht wirklich. Mit „gregorianischen“ Einschüben findet das wiederum erstaunlich ruhige Quam olim statt – Gregorianische Choräle schätze Vogler ja sehr. Ganz leise und sinnlich kommt wie von Ferne das Sanctus daher, wie eine aufgehende Sonne – die schnell aufsteigt und ihre ganze Leuchtkraft warm und freundlich ausbreitet. Entsprechend Pleni sunt coeli mit der ganzen Herrlichkeit musikalischer Ausdruckskraft: Die Sonne überstrahlt vorbehaltlos alles! Das Osanna ist der entsprechende Dank für diese Herrlichkeit! Mitreißend – möge es nie enden. Ein wichtiger Ruhepunkt nach all dem Glanz und Gloria findet sich im solistischen, sehr andächtig lobenden Benedictus. Zum Glück wird das Osanna obligatorisch wiederholt! Welche Seligkeit! Ein Violoncello Solo leitet den fünften Teil, das Agnus Dei ein, welches mich ein wenig an Mozarts Ave Verum zu erinnern vermag. Gebundene Noten in allen Stimmen des Chores machen das Agnus I spannend – es löst sich im Agnus II, das – anfänglich verhalten – leicht fordernd wird, sich dann aber doch wieder einfängt. Mit der Fuge des Lux aeterna könnte das Werk eigentlich beendet sein, so sanft wie hier die Seele ausgehaucht wird: doch da kommt opernhaft dramatisch sich zuspitzend das Libera me daher. Im Dum veneris wiederholt sich das fanfarenhafte Quantus tremor mit Baßsolo und auch das Dies irae wird wiederholt, allerdings und zwei Drittel verkürzt. Ebenso aufbrausend wie ebenso kurz das Quando coeli und jetzt endlich schließt sich der Kreis mit der Reprise des Requiem aeternam, nimmt noch eine unerwarte dramatische Wendung á la Mozart. [jetzt erst!] und erstirbt…


    Dieses Werk schwebt wahrlich zwischen Himmel und Erde –wenn ich auch nicht annähernd so begeistert bin, wie von Gossec oder dem ganz anders gestalteten Mozartwerk: Ich liebe es immer mehr! Diese Höhen und Tiefen sind einfach wunderbar.



    Abbé Georg Joseph Vogler
    REQUIEM ES-DUR


    Chor der Staatlichen Musikhochschule Mannheim
    Kurpfälzisches Kammerorchester
    Sabine Goertz, Sopran
    Barbara R. Grabowski, Alt
    Christoph Wittmann, Tenor
    Rudolf Piernay, Bass


    GERALD KEGELMANN




    Link: Leben und Werk des Komponisten Abbé Vogler

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • […] M:r Goßec, den sie kennen müssen, hat, nachdem er meinen Ersten Chor gesehen hat, zu M:r le gros gesagt / ich war nicht dabey / daß er Charmant sey, und gewis einen guten Effect machen wird. daß die wörter so gut arangirt seyen, und überhaupts fortreflich gesetz sey. er ist ein sehr guter freünd, und sehr trockner Mann. […]
    [W. A. Mozart, Paris, 5. April 1778]


    Auf den trockenen Mann namens François-Joseph Gossec [1734-1829] traf W. A. Mozart unweigerlich während seines Parisaufenthaltes 1778. Zu dieser Zeit war Joseph Legros [auch Le Gros] seit gerade einem Jahr Direktor der Concert spiriuels, nachdem er als Inhaber einer hohen Tenorstimme vom aktiven Bühnenleben zurückziehen musste – er war zu dick geworden. Legros behielt das Amt des Direktors bis 1791 inne, danach wurden die Concert spirituels wegrationalisiert. Über Gossec muß wohl der Kontakt zu Legros intensiviert worden sein. Legros war es dann auch, dem Mozarts ursprünglicher 2. Satz der so genannten „Pariser“-Sinfonie nicht gefiel, weshalb Mozart einen Alternativsatz komponierte. Die Sinfonie [KV 297] wurde Anfang Juli 1778 während eines Concert spirituel uraufgeführt. Der Erfolg war groß, so dass die Sinfonie auf im Folgejahr 1779 weiterhin auf dem Programm stand. Mit den übrigen Werken [Sinfonia Concertante, Konzert für Flöte und Harfe, einigen Balletten] musste Mozart jedoch den eingefleischten Größen von Paris den Rückzug antreten. Sofern er dies nicht freiwillig tat, wurde mit allerlei Intrigen nachgeholfen.


    François-Joseph Gossec gehört zweifelsohne zu den zu Recht bedeutendsten Komponisten im Paris des 18. Jahrhunderts. Seine Grand messe des morts aus dem Jahre 1760, die auch Mozart bekannt gewesen sein dürfte, machte ihn quasi über Nacht berühmt. Er führte es auf eigene Kosten im Jakobinerkloster in der rue Saint-Jacques auf. Concerto Köln hat diese faszinierende Messe im vergangenen Jahr u.a. in Bonn großartig aufgeführt. Sollte das Werk mit Concerto Köln einmal auf Tonträger erscheinen, so ist es unbedingt empfehlenswert. Daneben komponierte Gossec Opern und viele Ballette [seit 1774 war er Direktor der Pariser Oper], sowie Sinfonien:



    FRANÇOIS-JOSEPH GOSSEC [1734-1829]


    Sinfonia à più stromenti c-moll [1762]
    Symphonie à grand orchestre “La Chasse” [1774/1786]
    Symphonie Concertante du ballet de “Mirza” [1784]
    Symphonie à 17 parties [1809]


    CONCERTO KÖLN


    Diese Einspielung verschafft einen groben Überblick über die wunderbare - keineswegs trockene! – Musik Gossecs.


    Zu Leben und Werk des Komponisten:


    Mozart und seine Zeitgenossen - Jean Francois Gossec 1734-1829 - Symphoniker des 18. Jahrhunderts

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)


  • CD 1


    Joseph Martin Kraus [1756-1792]
    Sinfonia da chiesa


    Concerto Köln · Werner Erhard


    Musik: *****
    Interpretation: ****
    [auf der entsprechenden Concerto-Köln-CD ist eine bessere Einspielung]


    Johann Gottlieb Naumann [1741-1801]
    Klavierkonzert B-Dur


    Christine Schornsheim, Hammerflügel J. A. Stein, Augsburg 1788
    Berliner Barock-Compagney


    Musik: ***
    Interpretation: **


    Antonio Salieri [1750-1825]
    Sinfonia in Re La Venezia


    Budapest Strings · Béla Bánfalvi


    Musik: ****
    Interpretation: ****


    Antonio Rosetti [1750-1792]
    Hornkonzert Es-Dur [1779]


    Andrew Joy, Horn
    Kölner Rundfunkorchester · Johannes Goritzki


    Musik: *****
    Interpretation: ****


    Carl Ditters von Dittersdorf [1739-1799]
    Symphonie La Prise de la Bastille


    Concerto Köln · Werner Erhardt


    Musik: *****
    Interpretation: *****


    CD 2


    Christoph Willibald Gluck [1714-1787]
    Ouvertüre zu Orfeo ed Euridice


    Kammerorchester “Carl Philipp Emanuel Bach” · Hartmut Haehnchen


    Musik: ***
    Interpretation: ****


    Johann Georg Albrechtsberger [1736-1809]
    Harfenkonzert C-Dur


    Andrea Vigh, Harfe
    Budapest Strings · Béla Bánfalvi


    Musik: *****
    Interpretation: *****


    Luigi Boccherini [1743-1805]
    Streichquartett Nr. 19 D-Dur op. 15 Nr. 1 [G 177]


    Petersen Quartett


    Musik: ***
    Interpretation: ****


    Giuseppe Ferlendis [1755-1802]
    Oboenkonzert F-Dur


    Burkhard Glaetzner, Oboe
    Kammerorchester “Carl Philipp Emanuel Bach” · Hartmut Haehnchen


    Musik: *****
    Interpretation: *****


    Johann Baptist Vahnhal [1739-1813]
    Sinfonie g-moll


    Capella Coloniensis · Hans-Martin Linde


    Musik: *****
    Interpretation: *****


    CD 3


    Johann Christan Bach [1735-1782]
    Ouverture zu La Clemenza di Scipione


    Capella Coloniensis · Hans-Martin Linde


    Musik: *****
    Interpretation: **


    Giovanni Paisiello [1740-1816]
    Klavierkonzert C-Dur


    Maria Luisa Tanzini, Hammerklavier
    Capella Coloniensis · Gabriele Ferro


    Musik: ****
    Interpretation: ****


    François-Joseph Gossec [1734-1829]
    Sinfonie B-Dur


    Capella Coloniensis · Hans-Martin Linde


    Musik: ****
    Interpretation: ****


    Johann Baptist Wendling [1723-1797]
    Konzert für Flauto traverso G-Dur


    Martin Sandhoff, Flauto traverso
    [mittlerweile Mitglied und künstlerischer Leiter des Concerto Köln!]
    Neue Hofkapelle München · Christoph Hammer


    Musik: ****
    Interpretation: *****


    Carl Stamitz [1745-1801]
    Orchesterquartett G-Dur
    Capella Coloniensis · Ulf Björlin


    Musik: ****
    Interpretation: *****


    Summa summarum: Wenn auch einige mir wichtige Komponisten wie Kozeluch, Myslivecek, Michael Haydn, Martín y Soler, Eybler, Süßmayr, Brunetti, Eberlin usw. sowie Opernarien und – Ensembles fehlen, so ist doch die Musik treffsicher ausgewählt und als Kennenlern- und auch Liebhaber-Ausgabe zur Musik des mittleren 18.Jahrhunderts sehr zum empfehlen: Die Unterschiedlichen Stile der einzelnen Komponisten sind durchaus hör- und schätzbar. Diese CD-Box inspiriert, viele Ausflugsziele zu den jeweiligen Komponisten der „Mozartzeit“ aufzusuchen.


    Bewertungsmethode: Frei Schnautze, maximal *****

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Kein Wunder, dass der junge Mozart in Aloysia verliebt war – ich verdenke es ihm nicht!



    [timg]http://upload.wikimedia.org/wi…r_as_Zemire.jpg;c;200;249[/timg]
    Aloysia Lange geb. Weber
    [1760-1839]


    Die damals etwa 25jährige Jugendliebe, spätere Schwägerin Mozarts und Ehefrau des berühmten Malers des so genannten „Lange-Bildes“ muß einen Stimmumfang von h bis g3 gehabt haben – wer verliebt sich nicht in solch ein Wunder? Erstaunlich ist es nur, dass Mozart – der auch für Aloysia [damals noch Weber] Arien komponierte – diesen Stimmumfang niemals ausnutzte.


    Ich hab die M:me Lang /: Weber :/ in ‚Azor und Zemire’ gesehen, und in der Pillgrimmschafft v Mekka, sie sang beydsmahl und spielte vortrefflich. [Leopold Mozart an seine Tochter, Wienn den 2. April 1785].


    Leopold Mozart geht – warum nur? – weniger auf den außerordentlichen Stimmumfang ein, als dass er uns berichtet, dass die 1771 von André Modeste Ernest Grétry [1741-1813] komponierte Oper ZEMIRE ET AZOR auch noch 14 Jahre nach ihrer Entstehung offenbar recht präsent auf den damaligen Bühnen war – neben Gluck.



    André Modeste Ernest Grétry [1741-1813]
    ZEMIRE ET AZOR
    Comedie Ballet en 4 actes


    Zemire: Mady Mesplé
    Azor: Roland Bufkens
    Sander: Jean van Gorp
    Lisbé: Sabine Louis
    Fatmé: Suzanne Simonka
    Ali: Jean Claude Orliac


    Chœurs et Orchestre de Chambre de la RTB
    Edgard Doeux


    Als Höhepunkt darf sicher Zemires Air "La Fauvette" [es singt Mady Mesplé] gelten - quasi ein Duell der Sopranistin [falls man sie nicht als Akrobatin bezeichnen sollte] mit der Soloflöte. Mir kommt das ganze vor wie eine Parodie auf die Koloraturarien - nicht zu toppen das schön lang gehaltene g ''' [einen Ton höher als die Königin der Nacht] am Schluß der Arie, die darauf quasi hinarbeitet. Mit welcher Leichtigkeit Mesplé das singt! Wenn da keine Gläser und Scheiben reihenweise springen, dann hilft nichts mehr...


    Die Aufnahme ist insgesamt ganz herausragend!

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Soweit derzeit bekannt, komponierte Joseph Martin Kraus 10 Streichquartette: Die sechs Streichquartette B-Dur [Bratschenquartett], g-moll [Fugenquartett], D-Dur [Abschiedquartett], C-Dur [Frühlingsquartett], A-Dur und G-Dur. Diese meint Kraus vermutlich in seinem Brief vom Dezember 1777, in dem er berichtet, er habe 6 Quartro à 2 Violins, alte è Violoncello fertiggestellt. Die genannten 6 Quartette sind erstmals 1783/84 als Opus I beim Verlag Hummel im Druck erschienen und wurden dem schwedischen König Gustav III. gewidmet. Die Werkbeinamen der ersten vier Quartette wurden von Adolf Hoffmann für dessen Edition 1959/60 beigefügt und sind eigentlich recht treffend.


    Aus Kraus Studienzeit [1773-1777] existieren drei Streichquartette: E-Dur, c-moll und C-Dur; hinzu kommt ein derzeit zeitlich offenbar nicht zuordenbarens 2sätziges Quartett in f-moll.


    Leider gibt es keine Gesamteinspielung aller 10 Streichquartette, daher muss man sich die erhältlichen Werke zusammenstückeln – aber auch das hat seinen Reiz.


    Am unverfänglichsten scheint mir das C-Dur-Quartett zu sein, welches Hoffmann auch passend Frühlings-Quartett taufte. Es ist dreisätzig und sehr einfach verständlich und lebensfroh, wobei die langsamen Sätze [hier: Adagio] bei Kraus stets sehr ausdrucksvoll sind. Der erste Satz hat bereits seinen Reiz darin, dass die Schlußfloskel der ersten Melodiegruppe gleich dem Beginn der zweiten Melodiegruppe ist. Das Werk endet mit einem spritzigen Scherzo.


    Dicht gefolgt von dessen Vitalität ist das Quartett in G-Dur, ebenfalls dreisätzig – markant hier der Mittelsatz: Ein Scozzese, das ist ein schottisch angehauchter Satz durch Verwendung von leeren Quinten als Dudelsackimitat; eigentlich ganz im Sinne von Joseph Haydns Sinfonie ‚L’Ours’ - wie das damals die Mode war. Dem dritten Satz ist in der Manier von Mozarts g-moll-Quintett KV 516 eine Largo-Einleitung vorangestellt, die sehr wehmütig ist, sich dann aber in einem folgenden Allegro assai völlig auflöst – welch ein Glück!


    Das B-Dur-Quartett ist – tonartlich bedingt – schon etwas anspruchsvoller: Ich würde es am ehesten bereits Mozarts viel später entstandenen Preußischen Quartetten zureihen. Kennzeichnend ist der Mittelsatz, ein Largo in g-moll. Ansonsten ist das Werk zwar insgesamt fröhlich, aber dennoch verhalten und nachdenklich.


    Das D-Dur-Quartett ist eines der herausragendsten Kammermusikwerke dieser Zeit, das ich kenne. Auch dieses Quartett ist nur dreisätzig gehalten, ganz besonders markant ist der dritte Satz, der mit einem Offbeat beginnt und mit einer Dauer von knapp über 7 ½ Minuten für kraussche Verhältnisse relativ lang ist. Üblicher Weise gehen die Finalsätze kaum über die 3-Minuten-Marke hinaus. Auch dieses Werk würde ich ohne Skrupel den Preußischen Quartetten des Kollegen Mozart beireihen.


    Das Quartett in f-moll ist insofern bereits auffallend, da es aus lediglich zwei Sätzen, einem sphärischen Andante di molto und einem eher nichtssagenden Allegretto besteht und dem Hörer insgesamt nur knappe 7 Minuten an Aufmerksamkeit abverlangt. Mir kommt das Werk sehr unvollständig und unausgereift vor.


    Grandios aber ist wieder das zu Recht so genannte Fugenquartett in g-moll: Ein langes Andante commodo eröffnet mit tiefgründiger Musik und plätschert keineswegs ‚bequem’ daher, denn der Satz enthält auch bereits das Charakteristikum – das großartige Fugato über ein frei schwebendes Thema: Eine zeitliche und komponistenbezogene Einordnung dieses Satzes wäre mir definitiv nicht möglich gewesen! Es folgt eine Romance – eine Beschreibung erübrigt sich wohl und dann, um wieder dem Eigenwillen von Kraus zu entsprechen, ein äußerst kurzer Satz im Tempo di Minuetto, nicht einmal 2 Minuten, ganz abrupt ist das Werk vorbei!


    Ganz ohne Zweifel handelt es sich bei allen Werken um äußerst kunstvoll gestaltete Musik der ersten Güte!


    Ich habe mir folgende Einspielungen zugelegt und werde diese nach reiflicher Überlegung sicherlich noch um einiges erweitern, da das eingangs erwähnte Quartett in A-Dur beispielsweise, sowie auch die Werke der Studienzeit, noch nicht in meinem Besitz sind:



    Streichquartette
    B-Dur op. I Nr. 2
    f-moll, ohne Opuszahl
    C-Dur, op. I Nr. 5
    g-moll, op. I Nr. 3
    D-Dur, op. I Nr. 4


    Joseph-Martin-Kraus-Quartett [Mitglieder des Concerto Köln]
    Werner Ehrhard und Jörg Buschhaus, Violine
    Antje Sabinski, Viola - Gerhart Darmstadt, Violoncello



    Streichquartette
    C-Dur, op. I Nr. 5
    B-Dur, op. I Nr. 2
    D-Dur, op. I Nr. 4
    G-Dur, op. I Nr. 6


    Lysell Quartet
    Bernt Lysell und Per Sandklet, Violine
    Thomas Sundkvist, Viola - Mikael Sjögren, Violoncello


    Das Lysell-Quartett spielt ganz ausgezeichnet in der Manier der Quatuor festetics auf höchstem technischem Niveau, hingegen ist die Einspielung des JMK-Quartetts sehr durchwachsen: Nicht gefallen mir die Interpretationen der Quartette B- und C-Dur, ganz besonders hingegen das g-moll und D-Dur-Quartett, denn beide vertragen das hektisch-aggressive Spiel der Kölner Soloconcertanten sehr gut.


    Beide CDs sind - trotz der größtenteils doppelten Werke - unbedingt zur Vervollständigung einer Kammermusiksammlung Pflicht!

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Nachdem Joseph Martin Kraus Vater, Bernhard Kraus wegen Amtsmissbrauchs angeklagt und seines Amtes enthoben worden war, musste Joseph Martin Kraus sein Studium der Rechtswissenschaften in Erfurt abbrechen, da dem Vater die finanziellen Mittel fortan fehlten. So kehrte Kraus vorübergehend in seine Heimatstadt Buchen im Odenwald zurück und komponierte dort 1776 das Oratorium Der Tod Jesu.



    Den Text dazu verfasste der literarisch Gebildete selbst. Er entschied sich für ein System, welches jenem von Pietro Metastasio [vertont u.a. von Joseph Myslivecek und Giovanni Paisiello] entsprach und teilte das Werk in zwei Teile: Teil 1 erzählt die eigentliche Leidensgeschichte Jesu, während sich Teil 2 mit ‚Kommentaren’ befasst.


    Die Tonart ist d-moll. Die Introduktion beginnt denn auch mit einem musikalischen Thema, welches dem Agnus Dei des Requiems KV 626 von W. A. Mozart [bzw. F. X. Süßmayr] sehr ähnelt. Die Introduktion ist typische Krausmusik. Nach dem langsamen Teil folgt ein schnellerer im typischen Strum- und Drangstil, markant ist hier ein sehr hohes Hornsolo, wie es auch in der Symphonie funêbre und der Sinfonie e-moll zu finden ist.


    Es folgt ein eindringliches Alt-Rezitativ zu den Worten Kommt! Geliebte, zur Schädelstätte, zu dem Orte, wo unser Heiland blutig sein Opfer ward. Die folgende Sopranarie Er starb, um uns von ewigem Tod zu retten steht in g-moll und ist musikalisch vergleichbar mit Mozarts Arie Traurigkeit aus der Entführung aus dem Serail, nur dass hier nicht die Bläsersoli eingesetzt werden. Nach einem weiteren Alt-Rezitativ folgt ein Duett zwischen Alt und Baß, was ungewöhnlich im Sinne von selten ist. Das Duett Weine, Sünder, weine! steht in d-moll und ist wirklich grandios! Der gewählte ¾-Takt wirkt beinahe selbstzynisch.


    Sehr stark an Johann Sebastian Bach angelehnt ist der Choral Jesus ruft dir, o Sünder mein, wiederum in d-moll. Es überwiegt aber die zentrale Tonart F-Dur, sehr warm und weich. Im Anschluß folgt das eigentliche Kernstück des Werkes, das Rezitativ Ja, man schleppte ihn vor den Richter. Das Wort-/Tonverhältnis ist mehr als genial, überhaupt sind alle Rezitative mit Streichern und Orgel begleitet und haben somit Bühnencharakter.


    Die beiden Teile des Oratoriums werden durch ein Intermezzo in Es-Dur getrennt. Das ist die versöhnliche Tonart von Joseph Martin Kraus. Zunächst stellt sich das Intermezzo als Balletteinlage mit Streicherpizzicati dar, es geht aber in einen nachdenklich Teil über und bereitet damit auf den kommentierenden 2. Teil des Werkes vor.


    Dieser beginnt mit dem Chor Der Rächer kommt – quasi dem Dies irae des Werkes. Der Satz ist ähnlich jenen des Krausschen Requiems sehr abgehackt und direkt, seriahaft. Er steht selbstverständlich in g-moll und verwendet thematisches Material aus Vanhalls c-moll-Sinfonie und wird unter Verwendung von Trompeten und Pauken zu einem mächtigen und ebenfalls zentralen Bestandteil des Oratoriums.


    Der Chor wird abgelöst von einem Rezitativ und einer folgenden Alt-Arie Sei ewig mir gesegnet. Der Choral O Traurigkeit, o Herzeleid könnte fast aus Brahms Requiem stammen, wenn man es nicht besser wüsste. Den Abschluß bereitet ein Rezitativ, gefolgt von einer Baßarie Wenn einst die Ungewitter vor. Das musikalische Material ist hier absolut identisch mit der Ariette J’en suis encore tremblant aus dem 3. Akt der Oper Zémire et Azor von André Modeste Ernest Grètry [1741-1813], ich war hier sehr erstaunt! In der Manier eines sehr innigen und ruhigen Dona nobis pacem schließt das Oratorium eher unauffällig mit dem Schlußchor Erbarme Dich unser.


    Die Einspielung enthält noch die Festkantate Kom! Din herdestaf att bära aus dem Jahre 1790. Die Beschreibung „Festkantate“ sagt eigentlich alles. Das Werk kann als Sinfonie mit Gesang dargestellt werden. Das Werk ist dreiteilig, wobei der zweite in den dritten Teil nahtlos übergeht. Bertil van Boer beschreibt es als „Lullys Prachtstil“ – das kann ich nicht nachvollziehen, aber es ist grandios! Das Schlußduett S/B [der 3. Teil also] erinnert ein wenig an die bekannte Sinfonia per la chiesa.


    Mit enthalten sind auch zwei Teile eines Te Deums, die Kraus unabhängig voneinander 1788 [Miserere nostri, VB 13] und 1785 [In te Domine speravi] komponierte. Es handelt sich dabei um sehr feierliche Musik eines Katholiken, der im protestantischen Schweden lebte. Die Musik ist unüberhörbar eine Hommage an Georg Friedrich Händel, zu dessen 100. Geburtstag Kraus 1785 nach London reiste, um an den Feierlichkeiten teilzunehmen. Der Messias grüßt höflichst.


    Die vorliegende Live-Einspielung wurde am 27.03.1998 in der Stadtkirche St. Oswald in Buchen/Odenwald aufgezeichnet, wo zu Kraus Ehren das Oratorium ‚Der Tod Jesu’ alljährlich aufgeführt wird.



    Ausführende sind:


    Ada Gunnars, Sopran
    Helene Schneiderman, Alt
    Hernan Iturralde, Baß


    Philharmonia Chor Stuttgart
    Stuttgarter Kammerorchester
    HELMUT WOLF


    Fazit: unverzichtbar!

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • [align=center]Drei Trios von Leopold Antonín Kozeluch [1747-1818]



    Die CD enthält drei Trios in der klassischen Klaviertriobesetzung: Violine, Klavier und Violoncello. Von Kozeluch selbst wurden sie noch als Trois Sonates pour le Clavecin ou Piano avec accompagnement du Violon et Violoncelle bezeichnet. Die beiden Streichinstrumente haben aber keineswegs nur begeleitende Funktion, sie haben ganz selbständige obligate Parts. Enthalten sind die Trios [Sonaten] g-moll [P.IX:15], A-Dur [P.IX:14] und e-moll [P.IX:18].


    Mich wundert es nicht, dass einst einige Klaviertrios von Kozeluch [z.B. das Trio in D-Dur KV Anh. C 22.01, welches hier nicht enthalten ist] einem gewissen Herrn Mozart unterschoben wurden:


    Das Anfangsthema des Klaviertrios g-moll ist quasi identisch mit dem 2. Hauptthema des Allegroteils [ebenfalls g-moll] aus Mozarts Violinsonate G-Dur/g-moll KV 379 [373a]. Der dritte Satz ist thematisch sehr eng mit dem Hauptthema des ersten Satzes von Beethovens Klaviersonate d-moll op. 31 Nr. 2 „Sturmsonate“ verbunden – und so klingt dieser Satz auch: stürmisch! Das A-Dur-Trio beginnt wie die „kleine deutsche Kantate“ KV 619 – wer diese nicht kennt, wird einige Takte später Passagen aus Mozarts Klavierkonzert C-Dur KV 503, 1. Satz, hören.


    Fazit: Mozarts Klaviertrios haben Zuwachs bekommen, der sich nicht verstecken darf!


    Das Trio 1790, bestehend aus Harald Hoeren [Fortepiano], Matthias Fischer [Violine] und Philipp Bosbach [Violoncello] spielt diese liebevoll ausgewählten Werke Kozeluchs mehr als nur mit Herz. Als Streichinstrumente werden historische Originalinstrumente verwendet: Eine Violine aus der Manufaktur Leopold Widhalm [Nürnberg, c1800], ein Violoncello aus Süddeutschland c1640. Das Fortepiano ist ein klangschöner Nachbau nach Michael Rosenberger c1795 und wurde von Derek Adlam 1979 erbaut.


    Eine saugut eingespielte Interpretation! Der derzeitige Schleuderpreis von 4,99 € ist – von dem hässlichen Cover einmal abgesehen – mehr als unwürdig für diese phantastische Leistung!


    Unverzichtbar!

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Es wird Zeit, dass ich ein paar Worte über das Label ARCANA und das Ensemble Quatuor festeics verliere:


    Beim Label ARACANA handelt es sich um ein französisches Label: Inhaber bzw. Herausgeber sind Charlotte & Michel Bernstein, die mit sehr viel Liebe und Kenntnis Werke und Interpreten aussuchen, diese optisch herausragend edieren und offenbar eine Vorliebe für das Ensemble Quatuor festetics haben. Das Ensemble besteht aus


    István Kertész, Violine • Erika Petöfi, Violine • Péter Ligeti, Viola • Reszö Pertorini, Violoncello


    Es wird auf historischen Instrumenten gespielt:


    Kertész bespielt eine Violine école milanese aus dem 18. Jahrhundert, Erika Petöfi eine Violine aus der Manufaktur Matthias Thier, Wien 1770, die Bratsche ist ein Instrument von Matthias Albanus, gebaut in Bolzano 1651 und Pertorinis Violoncello stammt aus dem 17. Jahrhundert, [unbekannter] französischer Herkunft. Die Stimmung ist a1 = 421 Hz.


    Das Ensemble spielt äußerst frisch, Kertész ist meine große Liebe im Violinspiel. Für mich kommt niemand an seinen singenden Ton heran. Bisher habe ich mir folgende Editionen leisten können:



    Joseph Haydn [1732-1809]
    Les Quatuors opus 9


    Quartett d-moll op. 9/IV, Hob. III: 22
    Quartett C-Dur op. 9/I, Hob. III: 19
    Quartett G-Dur op. 9/III, Hob. III: 21
    Quartett B-Dur op. 9/II, Hob. III: 20
    Quartett B-Dur op. 9/V, Hob. III: 23
    Quartett A-Dur op. 9/VI, Hob. III: 24



    Joseph Haydn [1732-1809]
    Les Quatuors Œuvres 75, 76, 77


    Quartett G-Dur op. 76/I, Hob. III: 75
    Quartett D-moll op. 76/II, Hob. III:76
    Quartett B-Dur op. 76/IV, Hob. III: 78
    Quartett C-Dur op. 76/III, Hob. III: 77
    Quartett D-Dur op. 76/V, Hob. III:79
    Quartett Es-Dur op. 76/VI, Hob. III:80
    Quartett G-Dur op. 77/I, Hob. III: 81
    Quartett F-Dur op. 77/II, Hob. III. 82
    Quartett D-Dur op. 103, Hob. III: 83


    Da gefällt mir auch das abgelutschte "Kaiser-Quartett" wieder...




    Wolfgang Amadeus Mozart [1756-1791]
    Les derniers Quatuors


    Quartett D-Dur KV 499
    Quartett B-Bur KV 589
    Quartett D-Fur KV 575
    Quartett F-Dur KV 590




    Wolfgang Amadeus Mozart [1756-1791]
    Les Quatuors pour le pianoforte
    Violon, alte & violoncelle


    Quartett g-moll KV 478
    Quartett Es-Dur KV 493


    Erika Petöfi darf hier zu Gunsten von Paul Badura-Skoda, der auf einem Pianoforte von Johann Schantz, Wien c1790 spielt, nicht mitspielen.





    Franz Schubert [1797-1828]
    Grand Quintuor en ut


    Es ist Das Streichquintett C-Dur, D 956. Da Verstärkung benötigt wird, nahmen die festetics Wieland Kujiken als weiteren Cellisten mit in den Götterrat auf…


    Ich kann die aufgeführten Ausgaben uneingeschränkt empfehlen – besser geht’s kaum: So muß Kammermusik des 18. und frühen 19. Jahrhunderts für mich klingen! Vielleicht finden auch die noch-nicht-Kammermusikfreunde Gefallen daran – ich bin mir fast sicher.


    Nicht ganz klar ist mir die Politik des Labels: Manche Kassetten sind problemlos – teils zum Schleuderpreis - zu erhalten, andere wiederum nur über Umwege, z.T. gebraucht [wie neu] über Subunternehmer. Interessanter Weise erzielen Haydns op. 9 bei amazon.de bereits einen Preis von knapp über 100 € [?]. Die Mozartischen Klavierquartette gibt es derzeit bei jpc im Angebot für lediglich 8,99 € - zugreifen! - mit verstümmeltem Booklet. Was soll's? Die notwendigen Informationen gibt's eh hier.


    Ich werde jedenfalls versuchen, alle festetics-Ausgaben zu erhaschen – natürlich muß der Preis im grünen bereich sein.


    Warum empfehle ich das eigentlich so selbstlos und ohne Profit? Aus Überzeugung! ...und um Euch eine Freude zu machen!


    Cordialement
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)


  • Joseph Martin Kraus
    Sorgemusik över Gustav III


    Hillevi Martinpelto, Sopran I
    Christina Högman, Sopran II
    Claes-Håkan Ahnsjö, Tenor
    Thomas Lander, Bariton


    Uppsala akademiska kammarkör
    Drottningholms barockensemble
    Stefan Parkman


    Joseph Martin Kraus komponierte diese Trauermusiken anlässlich des am 16. März 1792 durch einen Schuß während eines Maskenballes tödlich verletzten und am 29. März 1792 verstorbenen Schwedischen Königs Gustav III.



    [Warnungsbrief an Gustav III., der ihn vor dem Attentat retten sollte]


    Die Trauermusik besteht in zwei Werken für unterschiedliche Zwecke, die Kraus, der bei den Proben von seinen Gefühlen überwältigt vor dem Dirigentenpult in Ohnmacht gefallen war, selbst dirigierte:


    I. Bisättnungsmusik


    Es handelt sich um die später so genannte Sinfonie funébre in c-moll VB 148, bestehend aus den vier Sätzen:


    I. Andante mesto
    II. Larghetto
    III. Chorale
    IV. Adagio


    Diese Sinfonie funébre wurde während der Aufbahrung des Leichnams Gustavs III. gespielt.


    In dieser Einspielung mit dem Drottningholms barockensemble erfährt man viele Detailarbeit in der Dynamik, auch ganz herausragend bei den Pauken zu erhören, die in dieser Einspielung besonders schön zur Geltung kommen. Die Einspielung dauert hier knapp 19 Minuten und ist damit die längste – nicht aber die langweiligste – die ich je hörte.


    II. Begravingskantat


    Die „eigentliche“ Trauerkantete für Chor, Solisten und Orchester in d-moll war für die Beisetzung gedacht. Den Text verfasste der Hofsekretär Gustavs III. - Carl Gustav af Leopold [1756-1829]. Das Werk besteht in zwei Teilen:


    Parte primo
    I Introduzione
    II Coro Himmelka makter!
    III Recitativo, Arie con Coro Bestörta menighet och fäder
    IV Aria, Sopran I På tronens höjd tyrannen skryter
    V Duo, Sopran II & Tenor Han är ej mer
    VIa Recitativo Sopran I Beundrad han den spira burit
    VIb Aria con Coro, Tenor Fälld är han
    VII Aria, Sopran II Ditt liv en kedja var
    VIII Coro O skulder av blod över suckande länder!


    Parte seconda
    IX Indruduzione
    X Quartetto con Coro Dygder, snille, bördens ära
    XI Aria, Sopran II O hamn av hjälte
    XII Coro Kungars Gud!


    Die Ouvertüre des ersten Parts ist nichts anderes, als die Ouvertüre d-moll VB 147. Nach der bekannten Ouvertüre folgt sogleich ein schmerzlicher Chor, in dem Schweden über den Verlust des Königs klagt. Es folgen Rezitative, Arien [mit Chor] und ein Duett, welche die Eigenschaften des Königs preisen. In der Tenorarie Nr. 3 fällt auf einmal völlig überraschend anschwellend der Chor ein: Grandios! Der erste aus acht Nummern bestehende Teil endet mit einer tollen Chorfuge und verhallt im Nichts.


    Der zweite Teil besteht lediglich aus vier Nummern, beginnend wiederum mit einer Introduktion, einem der warmherzigsten Stücke von Kraus, das ich je hörte. Danach folgt ein grandioses Solistenquartett, welches [wenn man einen Vergleich haben mag] jedem aus Mozarts Oper Idomeneo [Nr. 21] um nichts nachsteht – es weist sogar melodische Parallelen auf. Offensichtlich mochte Kraus diese Mozartoper. Nach einer ausgedehnten Sopranarie endet die insgesamt 45 Minuten andauernde Trauerkantate mit einem wundervollen Chor, quasi ein "Dies irae".


    Das Werk ist sehr dramatisch und aufgewühlt: der Grundtenor entspricht vielleicht in etwa der Szene des Raubes der Proserpina aus der Oper 'Proserpin', nur ist es länger als diese Szene :D Man kann sich anhand dieser Musik durchaus gut vorstellen, wie sehr Kraus unter dem Tod des Königs gelitten haben muss.


    Diese Musik ist so wunderbar! Eigentlich eine Art „schwedisches Requiem“ :D und man könnte auch beinahe sagen, dass Kraus es für sich selbst schrieb – denn etwas mehr als ein halbes Jahr später als sein Anlassgeber starb er selbst.


    Da möchte man schon gerne ein ermordeter König sein, wenn man solche Musik gewidmet bekommt - gekrönt bin ich ja schon... namentlich jedenfalls.


    ;(


    Die Einspielung ist - wie von Musica Sveciae gewohnt - ganz hervorragend: Historische Originalinstrumente, tolles Blech, sonnorer Chor...


    ...unverzichtbar von der ersten Sekunde an!


    Zu beziehen ist diese CD derzeit offenbar nur über den Svensk Music Shop [Kreditkarte erforderlich!]. Der Service war blitzschnell und perfekt!




    Cordialement
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Banner Trailer Gelbe Rose

  • Joseph Martin Kraus
    Arie e Cantate


    Barbara Bonney, Sopran
    Claes-Håkan Ahnsjö, Tenor


    Karin Johnsson-Hazell, Clavier
    Åsa Åkerberg & Olof Larsson, Celli


    The Drottningholm Court Theatre Orchestra
    Thomas Schuback


    Eigentlich mag ich keine “Häppchenmusik” – aber um an ausgefallene, selten zu hörende Musik von Kraus zu gelangen, kommt man an dieser wunderbaren Einspielung nicht vorbei. Die Auswahl scheint mir äußerst trefflich gelungen:


    Aus der Oper Proserpin
    1 Ouvertüre
    2 Arie [Sopran] Ack hvad behag et hjerta njuter


    Arienauswahl I
    3 Arie [Tenor] Misero pargoletto
    4 Duett [Sopran, Tenor] Non temer
    5 Arie [Tenor] Du temps, qui détruit tout
    6 Arie [Sopran] Son pietosa


    Aus der Kantate “Zum Geburtstage des Königs”
    7 Ouvertüre
    8 Rezitativ [Sopran]
    9 Arie [Sopran] mit obligatem Klavier Töne leise, goldne Saite


    Arienauswahl II
    10 Arie [Tenor] mit zwei Solocelli Sentimi, non partir!
    11 Arie [Sopran] Innocente donzelletta
    12 Duett [Sopran, Tenor] Se non ti moro al lato


    Da die Ouvertüre zur Oper Proserpin normalerweise unmittelbar in den Eröffnungschor der Oper geht, hat man einen „Konzertschluß“ – bestehend in der banalsten Kadenz, die man sich vorstellen kann – hinzugefügt: zwei Akkorde, die nach der quirligen Ouvertüre sehr plump wirken und den Genuß abrupt beenden. Hier wäre etwas mehr Feingefühl und Liebe angebracht gewesen!


    Was folgt, ist dafür umso wunderbarer: Barbara Bonney singt die Arie der Proserpina aus Szene 6 der Oper, bevor die Schöne von Pluto der Oberwelt entrissen wird. Der eigentlich integrierte Chor wurde hier geschickt und nicht bemerkbar eliminiert.


    Im Anschluß singt Ahnsjö die etwas düstere Tenorarie Misero pargoletto. Als Text wählte Kraus die Szene V aus dem 3. Akt von Pietro Metastasios Demofoonte aus. Es ist eine losgelöste Konzertarie, wie auch das folgende zauberhafte Duett Non temer, non son più Amante, dem Abschiednehmen und Liebesschwüren von Demetrio und Berenice aus Metastasios Antigono [2. Akt, Szene 12]. Was für ein großartiges Duo sind Bonney und Ahnsjö! Man glaubt ihnen sofort jedes Wort!


    Die folgende Tenor-Arie Du temps, qui détruit tout erinnert in den ersten Takten sehr deutlich an „Der Vogelfänger bin ich ja“ – die Arie ist aber wesentlich besinnlicher und vermutlich bereits während Kraus Parisaufenthalt zwischen 1784 und 1786 komponiert worden. Der Dichter des französischen Textes ist nicht bekannt.


    Wiederum aus Metastasios Fundus, diesmal aus La Nitteti [3. Akt, Szene 9], stammt der Text der nächsten Arie Son pietosa, e sono Amante, wieder bezaubernd gesungen von Barbara Bonney, die bei Koloraturen nicht die geringste Schwierigkeit zu haben scheint, „es läuft wie Öhl“ – hätte Mozart gesagt.


    Was folgt, sind grandiose Ausschnitte aus der Festkantate „Zum Geburtstage des Königs“, komponiert im November 1782 in Wismar, was den deutschen Text erklärt, obwohl Wismar zu dieser Zeit [1632-1903] zu Schweden gehörte. Die Ouvertüre ist nach einer kurzen langsamen Einleitung natürlich sehr festlich beschwingt und im Stile des Hauptsatzes einer typischen Sturm- und Drang-Sinfonie gehalten. Trompeten und Pauken gehören zur Festlichkeit selbstverständlich dazu! Das Rezitativ erinnert ein wenig an die Proklamationen in Mozart Freimaurermusik. Aus dieser Kantate wird noch die Sopran-Arie Töne leise, goldne Saite vorgestellt, eine lyrische Canzonette mit Begleitung eines Soloklaviers, dessen Klang und Funktion haarscharf an jenem einer Harfe vorbeirauscht. Der Text zu dieser Festkantate stammt von Christoph Heinrich Gröning, den Kraus aus seiner Göttinger Studienzeit kannte: Gröning wurde [offenbar dichtender] Rechtsanwalt.


    Vermutlich 1783 in Venedig komponierte Kraus zwei Arien für den berühmten italienischen Tenor Ansai. Eine davon war bereits die og. Arie Misero pargoletto, die zweite ist Sentimi, non partir! auf einen Text von Gaetano Roccaforte, der u.a. für Anfossi und Jommelli als Librettist agierte. Den Text entnahm Kraus Roccafrotes Libretto zu dessen Oper Antigono, welche Kraus vermutlich 1783 in Venedig hörte. Die Arie wird, was ungewöhnlich ist, gleich von zwei Solocelli untermalt.


    Wiederum von einem heute nicht mehr eruierbaren Autor stammt der Text zur Sopranarie Innocente donzelletta. Der Gesang einer verlassenen jungen Dame erinnert an die dem Liebeswahn verfallene Nina aus Paisiellos gleichnamiger Oper. Komponiert wurde die Arie Anfang 1784 in Rom.


    Zum Abschluß der musikalischen Reise durch Kraus Gesangsœuvre darf nochmals einen gehaltvollen Duett von Barbara Bonney und Claes-Håkan Ahnsjö gelauscht werden: Se non ti moro al lato – Farnaspe und Emirena entdecken ihre Zuneigung in Metastasios Adriano in Siria [1. Akt, 15. Szene], komponiert im Mai 1787.


    Kraus Europareise Mitte der 1780er Jahre führte bei zu einem ausgewogenen stile mista, bestehend aus französischen, italienischen deutschen und schwedischen Stilelementen. Das macht die Sache sehr farbenfroh und abwechslungsreich!


    Die Einspielung zeigt sehr schön, dass Kraus nicht „nur“ der moll-lastige Düsterling ist, sondern auch ganz entzückende und dezent mit Koloraturen gespickte Gesangsstücke komponieren konnte, wobei die notwendige Dramatik niemals auf der Strecke bleibt.


    Die Interpretation ist natürlich erstklassig!


    Zu beziehen ist auch diese CD offenbar nur über den Svensk Music Shop.

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Aus der Reihe „Klingendes Museum“, einer wirklich empfehlenswerten Edition des Staatlichen Instituts für Musikforschung Preußischer Kulturbesitz, habe ich mir die Ausgabe Beethoven im Original zugelegt:





    Also, wie ein Museum klingt das sicher nicht, sondern sehr lebhaft und erfrischend! Und das Schuppanzigh-Quartett, welches im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts u.a. einige von Schuberts Quartetten uraufführte, spielt mir so höchst zufrieden stellend, dass ich erwäge, die Einspielung in meine Unverzichtbaren aufzunehmen.


    Wer spielt wirklich?
    Ich sage doch: Das Schuppanzigh-Quartett. Aber natürlich nicht jenes oben erwähnte, sondern ein wahrhaft sehr lebendiges Ensemble:


    Anton Steck, Violinstudium bei Wolfgang Jahn in Karlsruhe und Reinhard Goebel in der Hoogeschool voor de Kunsten in Amsterdam. Der erste Violinist bespielt ein italienisches Instrument, anonymer Meisterschaft aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Steck ist außerdem Premier Violon Solo des französischen Barockorchesters Le Musiciens du Louvre, welches Mark Minkowski leitet.


    Christoph Mayers, vielleicht eher als Chordirigent bekannt, lernte bei Albert Gutner, Prof. Otto Rechner und Franzjosef Mayer, hauptsächlich aber bei Ruth Nielen Wagner, die evtl. als Assistentin Tibor Vagas bekannt sein dürfte. Er bespielt ein aus dem süddeutschen Raum stammendes Instrument, ebenfalls anonymen Herstellers und ebenfalls vermutlich in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts gebaut.


    Die Bratsche wird von Janes Oldham gespielt. Als Stipendiatin der Royal School of Music in London studierte sie bei Jaroslav Vanacek und Carl Pini, später an der Musikhochschule Rheinland in Aachen bei Hariolf Schlichtig. Die von ihr liebkoste Viola ist ein Instrument Johann Anton Gedlers, aus Füssen stammend und Ende des 18. Jahrhunderts entstanden.


    Als Fundament ist Antje Geusen auf einem italiensischen Violoncello, wiederum vom berühmtesten Instrumentenbauer und Komponisten des 16. bis 20. Jahrunderts – hier um 1700 – hergestellt. Die Cellistin dürfte jenen bekannt sein, die Aufnahmen mit dem Ensemble Das kleine Konzert unter Hermann Max schätzen, denn dort spielt sie mit. Zuvor aber hat sie bei Prof. Markus Nykios und Lidewij Scheifes, im Anschluß daran an der Akademie voor oude Muziek in Amsterdam bei Hidemi Suzuki [hier besonders Barockcello] studiert.


    Die Mitglieder des Schuppanzigh-Quartetts sind zugleich die Stimmführer des 1996 gegründeten Brockorchesters des Kölner Bach-Vereins [booklet]. Die Instrumente stammen mit einiger Wahrscheinlichkeit aus dem Besitz Ludwig van Beethovens, jedenfalls sind dort teilweise rote Lacksigel mit den Initialen LvB angebracht, deren Echtheit nicht angezweifelt wird. Die Instrumente befinden sich in Beethovens Geburtshaus in Bonn, wo sie sich nach einigen Auswärtsaufenthalten 1893 wieder einfanden. Gelegentlich hat Joseph Joachim mit seinen Mitstreitern diese Instrumente bespielt, was einen ganz besonderen Reiz ausmacht.


    Die Instrumente wurden einmalig für diese gelungene Einspielung aufbereitet! Anton Steck beschreibt im umfangreichen [und dreisprachigen] Booklet ohne die mittlerweile obligaten Schreibfehler rührend die Arbeit mit den Instrumenten und gibt einen vortrefflichen Überblick über die Besonderheiten solch alter Originalinstrumente. Besonders dem Violoncello darf man offenbar großen Dank sagen, da es für Projekte dieser Art eigentlich nicht mehr verwendet werden sollte – es hat aber überlebt!



    Was wird gespielt?


    Beethoven. Und zwar das Streichquartett c-moll op. 18 Nr. 4 sowie das Streichquartett C-Dur op. 59 Nr. 3.



    Streichquartett c-moll op. 18 Nr. 4


    In den Jahren 1798 bis 1800 komponierte Beethoven die sechs Streichquartette op. 18 [Nr. 1 bis 6], welche er dem neben Fürst Carl Lichnowski in seinem Leben wichtigsten Mäzenen widmete: Fürst Franz Joseph Lobkowitz [1772-1816].



    Das Werk ist viersätzig und sogleich auffallend ist, dass ihm definitiv ein langsamer Satz fehlt:


    I Allegro, ma non tanto
    II Scherzo. Andante scherzoso, quasi Allegretto
    III Menuetto. Allegretto
    IV Allegro


    Der erste Satz erklingt zunächst sehr mozartisch. Beethoven lässt sich erst in den kadenzierenden c-moll-Akkorden enttarnen! Dieses c-moll klingt gar nicht düster und schwer, wie man es von Beethoven erwarten würde: Vielmehr erklingt hier ein forscher, manches Mal wirscher junger Mann heraus, dem anzumerken ist, dass er künftig keinesfalls Nachbars Junge bleiben wird. Wer meint, hier neben Mozarts Klaviersonate c-moll KV 457 ein wenig Haydn herauszuhören, irrt sicher nicht, wird aber noch eines Besseren belehrt. Die in der gleichen Tonart stehende Violinsonate op. 30 Nr. 2 kündigt bereits ihr Kommen an, Sehr schön wird im zweiten Thema das Violoncello in höheren Lagen exponiert.


    Der langsame Satz fehlt nicht wirklich, jedenfalls vermisse ich keinen. Beethoven scheint selbst darüber gegrübelt zu haben, wie sonst ließe sich die Satzbezeichnung II erklären? Ein Scherzo! Ja, schon, aber eigentlich nur ein scherzhaftes Andante, mithin ein Allegretto, denn es folgt ja ein Menuett. Der 2. Satz ist kanonisch durchwoben, was mir sehr gut gefällt und steht in C-Dur. Zwischendurch klingt es wie ein typisches Menuett, so wie Mozart sie Anfang 1790 komponierte, dann wieder schweift Beethoven durch synkopische Betonungen in eine andere Welt ab.


    Das Menuett steht wieder in der Grundtonart, lebt von Synkopen, arhythmischen Aktenten, Chromatik. Es ist kurz, das Trio leuchtet zwischen der nun doch [endlich] düsteren Harmonik heraus.


    Im vierten Satz nun wird Haydn wahrhaft heranzitiert. Nicht aber platt und einfallslos, das wäre eines solchen Vorbildes sicher auch nicht würdig! Es erklingt gleich zu Beginn – ganz harmlos – das Rondo all’ Ongarese aus Haydns G-Dur-Klaviertrio Hob. XV:25. Nur eben nicht in G-Dur, sondern in c-moll. Es hat damit eine irre Wirkung auf mich, steht zwischen Haydns Witz und dem wirschen Beethoven, ziemlich konfus dieser Satz, der auch rondohafte Züge aufweist. Besonders bemerkenswert ist in diesem Satz das rezitativische Bratschensolo, nachdem man eigentlich eine Wendung annimmt, die aber nur für einen Augenblick stattfindet.


    Insgesamt schätze ich sehr, dass alle mitwirkenden Instrumente sich solistisch hervortun dürfen und somit nicht nur Begleitfunktion ausüben, denn diese Zeit ist ja längst vorbei.


    Ich bin von dieser Einspielung wirklich sehr angetan, ehrlich gesagt gefällt mir aber das nachfolgende op. 59 Nr. 3 noch einmal eine deutliche Spur besser: Diese himmlische Einleitung allein schon, da glaubt man, Mozarts Dissonanzenquartett sei schon alles Menschenmögliche gewesen…



    Streichquartett C-Dur op. 59 Nr. 3


    Man bemerkt den deutlichen Zeitsprung von 41 Opusnummern. Die drei Quartette op. 59 hat Beethoven in den Jahren 1805/1806 komponiert und dem Grafen Andreas Kyrillowitsch Rasumowsky [1752-1836] gewidmet, dessen Vorliebe der Gattung Streichquartett galt. Michael Ladenburger schreibt, das Quartett Nr. 3 zähle zu den bedeutendsten Werken Beethovens. Jedenfals berichtete die Leipziger Allgemeine Zeitung am 27. Februar 1807: Sie [die drei Quartette op. 59] sind tief gedacht und trefflich gearbeitet, aber nicht allgemein fasslich – das 3te aus C dur etwa ausgenommen, welches durch Eigenthümlichkeit, Melodie und harmonische Kraft jeden gebildeten Musikfreund gewinnen muß.


    Das Werk ist ebenfalls viersätzig


    I Introduzione. Andante con moto/Allegro vivace
    II Andante con moto quasi Allegretto
    III Menuetto. Grazioso
    IV Allegro molto


    Die himmlische Introduzione beginnt ziemlich “schräg“ und ist auch für meinen Geschmack viel zu kurz, sie gibt lediglich einen schmerzlichen Vorgeschmack auf das Kommende. Das folgende Allegro vivace ist wirklich sehr spritzig und wird zeitweilig von den Dissonanzen des ersten Satzes unterbrochen. Insgesamt ist der Satz musikalisch so gestaltet, wie ich Beethoven in mir abgespeichert habe.


    Gleiches trifft auf den zunächst seltsam anmutenden 2ten Satz zu. Der steht in a-moll und beginnt mit einem einzelnen Pizzikatoton im Violoncello. Das 6/8-Thema erinnert mich an Schuberts a-moll-Sonate [Finale], nur ist Beethoven etwas bedächtiger, nicht aber behutsamer, mit dem Thema umgegangen. Der Mittelteil ist besonders rührend und melancholisch und kommt wieder der Introduzione sehr nahe.


    Das Menuett, ein formales Überbleibsel aus dem gerade vergangenen 18. Jahrhundert, ist energisch, aber Tanzen würde ich darauf nicht wollen. Es geht – und das ist die Besonderheit! – unmittelbar in den grandiosesten Streichquartetttsatz des jungen 19. Jahrhunderts über! Es ist für mich gar nicht nachvollziehbar, wie man in einem solchen Affenzahn diese vierstimmige typisch beethovensche Fugatos spielen kann [der Satz dauert runde 5 Minuten] und dabei dem Zuhörer dennoch jede einzelne Note wie eine glitzernde Wasserperle auf dem Silbertablett präsentiert!


    So, fertig!


    Die Einpsielung ist auch "im Original" von ARS MUSICA erhältlich, lediglich ein paar Mark teurer:


    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Im Jahre 1730, gerade als Pietro Metastasio [1698-1782] sich in Wien niederließ, schrieb er das Libretto zur Leidensgeschichte


    La Passione di Nostro Signore Gesù Cristo



    Das Libretto erfreute sich großer Beliebtheit und wurde von etlichen Komponisten des 18. Jahrunderts vertont:


    1730 von Antonio Caldara [1670-1736]

    1768 von Niccolo Jommelli [1714-1774]


    1773 von Joseph Myslivecek [1737-1781]


    1776 von Antonio Salieri [1750-1825]


    1783 von Giovanni Paisiello [1740-1816]


    sowie von


    Gottlob Harrer [1703-1755]
    Joseph Schuster [1748-1812]
    Francesco Morlacchi [1774-1841]


    Das sind die, die ich auf die Schnelle gefunden habe. Zuvor hatte auch Alessandro Scarlatti 1708 ein Oratorium selben Titels komponiert. Das Libretto aber kann hier schwerlich von Metastasio stammen. Es gibt noch verschiedene Vertonungen des Stoffes, z.B. Joseph Haydns Sieben letzte Worte oder Ludwig van Beethovens Christus am Ölberge, um die geht es hier aber nicht. Mozart hat sich übrigens dezent zurückgehalten.


    Metastasios Dichtung ist – wie sollte es anders sein – in Italienischer Sprache. Als Mitwirkende der azione sacrale hat er Pietro [Simon/Petrus], Maddalena [Maria Magdalena], Giuseppe d’Arimatea [Joseph von Arimatäa] und Giovanni [Johannes] auserwählt. Es handelt sich quasi um einen Augenzeugenbericht. Das Oratorium hat zwei Teile. Pietro, als erster Jünger, entlockt die Leidensgeschichte durch Befragung der drei übrigen. Norbert Bolín schreibt, dass der zweite Teil des Oratoriums als Folge von Reflexionen gestaltet ist, die den Untergang der Ungläubigen im Allgemeinen und der am Tod Jesu Schuldigen im Besonderen, die Verheißung der Auferstehung und den Glauben zum Inhalt haben. Der Chor wird hier – ganz im Sinne der Opera seria – als Kommentator eingesetzt.


    Meine Entdeckungsreise beginnt mit:



    Joseph Myslivecek [1737-1781]
    La Passione di Nostro Signore Gesú Cristo


    Maddalena: Sophie Karthäuser [Sopran]
    Pietro: Jörg Waschinski [Sopran]
    Giovanni: Yvonne Berg [Alt]
    Giuseppe d’Arimatea: Andreas Karasiak [Tenor]


    Chorus Musicus Köln
    Das Neue Orchester
    CHRISTOPH SPERING


    Auf eine merkwürdige Introduktion [Ouverture] folgen grandiose Seria-Arien und superbe, wirklich himmlische [!] Chöre. Das Wort-Musik-Verhältnis scheint mir aber besonders in den Chören sehr professionell ausgeprägt. Atemberaubend ist die Stelle am Ende des ersten Teils: "Pensaci e trema!" - Denke daran und zittere! Eine Ermahnung an die Sterblichen, den Tod des Erlösers dankbar - aber nicht überheblich! - umzusetzen.


    Christoph Spering scheint eine Serie der Passiones auflegen zu wollen: Den Anfang machte er 2004 mit Antonio Salieris Vertonung, es folgte 2005 diese von Myslivecek - welche wird die nächste sein?

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Durch einen mehr als glücklichen Zufall erreichte mich jüngst ein Geschenk – quasi von der Lombardenkönigin persönlich. Voilá:



    Rodelinda: Simone Kermes
    Bertarido: Marijana Mijanovic
    Grimoaldo: Steve Davislim
    Eduige: Sonia Prina
    Unulfo: Marie-Nicole Lemieux
    Garibaldo: Vito Priante


    Il Complesso Barocco
    ALAN CURTIS


    Alles Namen, die man sich merken sollte. Die sechs Solisten sind allesamt relativ jung, d.h. etwa 10 bis 12 Jahre „im Geschäft“, so es denn eines ist. Simone Kermes lernte ich anlässlich ein paar Arien von Kraus kennen und schätzen, nun sandte sie mir diese Händel-Oper, die ich überdies sehr schätze und welche ich bereits durch die Münchener Produktion unter Leitung von Ivor Bolton kennenlernte. Besonders zu erwähnen sind neben der Königin die bewegenden und großartigen Stimmen von Sonia Pirna [Alt], Steve Davislim, einem Gösta-Winbergh-Schüler [Tenor] und dem Baß-Bariton Vito Priante. Kermes selbst übrigens studierte u.a. bei der kürzlich verstorbenen Elisabeth Schwarzkopf, aber auch bei Dietrich Fischer-Dieskau.


    Zwar hatte ich den Namen Alan Curtis schon einmal im Zusammenhang mit musikwissenschaftlichen Texten vernommen, als Dirigenten kannte ich ihn bisher nicht. Sein Ensemble Il Complesso Barocco gründete er 1992. Curtis darf als Pionier bei der Wiederentdeckung alter Meister gelten, umso erfreulicher, dass er sich hier einem ziemlich „normalen“ Komponisten gewidmet hat. Selbstverständlich ist das Spiel auf Originalinstrumenten [die leider im Booklet nicht näher bezeichnet werden], auch an einer Theorbe mangelt es natürlich nicht. Es klingt aber alles eher ganz normal, nicht abgefahren, nicht hektisch, wenn auch manches Mal durchaus zügig. Bewegende Momente sind unbedingt das Duett am Schluß des zweiten Aktes Io t’abbraccio [Rodelinda/Bertarido], womit auch Marijana Mijanovic absolut lobend erwähnt ist: Ein großartiges Duett. Mijanovic als Bertarido [Alt] hat ihren Bravourauftritt im 3. Akt in der Arie Se fiera belva ha cinto. Überhaupt ist diese Oper sehr „altlastig“, was mich fasziniert.


    Im Vergleich zu Bolton wirkt diese Einspielung etwas steriler, da es sich um eine konzertante Einspielung handelt. Insgesamt wirkt die Einspielung eher sakral, Bolton hingegen etwas weltlicher. Das macht aber garnichts, da ohnehin der 'Messisas' gelegentlich vorbeischaut... Die Aufnahme ist jung, wie die Exekutive und wurde im September 2005 im Sala Olimpia in Palazzo Doria Pamphilj in San Marino al Cimio gemacht. Ich mag eher etwas mehr Action, hörbare Handlung, jedenfalls bei den Rezitativen, die hier sehr secco wirken.


    Die Arien hingegen sind alle ausnahmslos wunderbar gesungen, sehr ausbalanciert, feurig oder melancholisch, was eben gerade angesagt ist.


    Als Besonderheit wird Unulfos Arie Sono i colpi della sorte, welche kurz vor Schluß des ersten Aktes zu hören ist, in der Urform als e-moll Arie dargeboten. Die war mir unbekannt. Als Bonustrack wird sie in der D-Dur-Variante [völlig neu komponiert] zum Schluß angehängt. Diese "Jubelversion" ist auch bei Bolton zu hören. Dummerweise erklärt Curtis die übrigen Alternativfassungen als vernachlässigenswert, was er auch genau so umsetzt... aber: was man hat, hat man!


    Rundum sehr lohnenswert!


    :jubel: :jubel: :jubel:


    Viele Grüße
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Ein klarer Fall für meine "Unverzichtbaren"



    Franz Anton Hoffmeister [1754-1812]
    Streichquartette op. 14


    Quartett Nr. 1 F-Dur
    Quartett Nr. 2 B-Dur
    Quartett Nr. 3 d-moll


    Aviv Quartet
    Sergey Ostrovsky, Violine
    Evgenia Epshtein, Violine
    Shuli Waterman, Viola
    Iris Jortner, Violoncello


    Ich bin sehr begeistert! Sowohl von den Werken selbst, als auch von den Leistungen des mir bis heute gänzlich unbekannten Aviv Quartet. Die 1786 komponierten Werke stehen tatsächlich in ihrer "Machart" zwischen Haydns op. 76 und Mozarts "Preußischen" Quartetten. Die beiden ersten Quartette sind nur dreisätzig, aber das tut nichts zur Sache, die musikalische Qualität ist beeindruckend. Hoffmeister war einer der beiden ersten Verleger Wiens [neben Artaria] und aus seinem Verlag ging später nach einem Zusammenschluß mit einem Berufskollegen in Leipzig der heute noch existente Verlag C. F. Peters hervor.


    Sehr erfreulich ist beispielsweise der dritte Satz des F-Dur-Quartetts, das sehr in der Manier eines typischen Sinfonie-Finales von Haydn steht. Ein auftaktiges, sprunghaftes Thema wird regelrecht seziert und mal ohne, dann wieder mit Auftakt wiederholt, erhält dämonische Wendungen und mal führt der Auftakt überraschender Weise in ganz andere Gefilde. Das B-Dur-Quartett erinnert mich im ersten Satz an eines der Quartette von Joseph Martin Kraus [G-Dur op. 1 Nr. 6]. Ein ebenfalls sehr fröhliches, manchmal hingegen nachdenkliches Werk, das besonders markant durch die lautstarken offbeats im Finale auffällt.


    Als "Krönung" wartet Hoffmeister mit einem d-moll-Quartett auf, dessen Bedeutung durch seine viersätzigkeit etwas erhöht wird. Er beginnt mit einem von Seufzern durchzogenen Vivace, es folgt ein rührseliges Adagio cantabile, wiederum mit thematischer Anlehnung an Haydn. Das Menuett, ein Allegretto hat sizilianohafte Züge; es steht im sanften D-Dur und hat ein besonders schönes und zerbrechlich wirkendes Trio in moll. Mit einem im frz. Stil stehenden Presto [es beginnt wie das Finale von Mozarts Pariser Sinfonie zum Ohrenspitzen leise, um dann auszubrechen] endet op. 14 Nr. 3 triumphierend.


    Die Bookletautorin Dianne James kritisiert einen Mangel an Tiefe in den Werken. Ich glaube, die wäre hier einfach Fehl am Platz - mir geht hier nichts ab.


    Eine großartige Ergänzung zu den Wiener Klassikern, die nur hoffen lässt, dass die Serie genau so fortgesetzt wird.


    Viele Grüße
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose