César Cui — der unbekannte Fünfte


  • César Cui (Gemälde von Ilja Repin, 1890)


    Vorweg: Der Titel bezieht sich natürlich auf die "Gruppe der Fünf", auch bekannt als das sog. "mächtige Häuflein", also fünf der prägendsten russischen Komponisten in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts, die die nationalrussische Musik in der Nachfolge Michail Glinkas (1804—1857) förderten und die ich noch einmal auflisten möchte:


    - Mili Balakirew (1836—1910)
    - Alexander Borodin (1833—1887)
    - César Cui (1835—1918)
    - Modest Mussorgsky (1839—1881)
    - Nikolai Rimsky-Korsakow (1844—1908)


    Vier der fünf Genannten haben hier im Forum seit langem eigene Threads. Zwei von ihnen, Mussorgsky und Rimsky-Korsakow, gehören wohl zudem zu den bekanntesten russischen Komponisten überhaupt. Doch wer war eigentlich César Cui? Ohne Frage dürfte er der große Unbekannte unter diesen Fünf sein. Bereits sein Name lässt erst einmal nicht unbedingt auf einen Russen schließen. Zeit also, dem nachzugehen.


    César Cui (russ. Цезарь Антонович Кюи bzw. Zesar Antonowitsch Kjui) wurde am 6. (jul)./18. (greg.) Jänner 1835 in Vilnius, Litauen, geboren und starb am 13. März 1918 in Petrograd. Neben seiner Tätigkeit als Komponist wurde er besonders als Musikkritiker und General (Generalleutnant der Pioniere) berühmt.


    Er war Sohn eines französischen Offiziers, der nach dem Rückzug Napoleons aus Moskau in Russland geblieben war. Seine Mutter war Litauerin, was seinen Geburtsort erklärt. Er erhielt schon im Alter von zehn Jahren Musikunterricht. 1851 trat er in die St. Petersburger Ingenieurschule ein, um 1855 an die dortigen militärische ingenieurtechnische Universität zu wechseln, wo er bis 1857 Befestigungswesen studierte. Danach wurde er Dozent an der Ingenieursakademie und 1878 auch Professor. Er brachte es bis zum Generalleutnant (1906).


    1856 traf er auf Mili Balakirew, der ihm als musikalische Inspiration diente. Gemeinsam mit diesem war er das Gründungsmitglied des "mächtigen Häufleins". 1857 schloss sich ihnen Mussorgsky an, 1861 Rimsky-Korsakow und 1862 schließlich Borodin. Er tat sich insbesondere als Musikkritiker hervor und verteidigte dabei vehement die Ästhetik der "Gruppe der Fünf". Allerdings distanzierte er sich im späteren Leben von der Gruppe und schrieb z. T. gar heftige Verrisse ihrer Werke (darunter Mussorgskys "Boris Godunow").



    Ab den 1880er Jahren widmete sich Cui vermehrt französischen Opernstoffen. Mit seinen Schriften prägte er das französische Bild vom Musikleben in Russland ganz wesentlich.


    Am Ende seines langen Lebens wurde dem ab 1916 erblindeten Cui als letztem Überlebenden der legendären "Gruppe der Fünf" eine kultartige Verehrung zuteil. Als einziges Mitglied des "mächtigen Häufleins" erlebte er noch die Oktoberrevolution. Er starb im Frühjahr 1918 mit 83 Jahren und wurde auf dem Tichwin-Friedhof in St. Petersburg begraben.



    César Cui (1913)


    Interessanterweise ist der von ihm lange Zeit propagierte ästhetische Stil des "mächtigen Häufleins" in seinen eigenen Werken nur selten feststellbar. Er selbst schrieb dazu:


    "Ein russisches Opernsujet würde mir überhaupt nicht passen. Obwohl Russe, bin ich halb von französischer, halb von litauischer Abstammung und habe den Sinn für russische Musik nicht in meinen Adern [...] Deshalb sind alle Sujets meiner Opern, mit Ausnahme meiner ersten Oper 'Der Gefangene im Kaukasus', ausländisch und werden es auch bleiben."


    Bereits zu Lebzeiten hielt man César Cui kompositorisch für das mit Abstand schwächste Mitglied der "Gruppe der Fünf". Seine eigentliche Bedeutung erlangte er vor allen Dingen als wirkungsmächtiger Musikkritiker mit nicht unerheblicher schriftstellerischer Begabung.


    Als einziges Mitglied des "mächtigen Häufleins" widmete sich César Cui weder Symphonien noch symphonischen Dichtungen oder Solokonzerten. Das Kunstlied dominiert sein Œuvre bei weitem. Daneben schrieb er Klavier- und Kammermusik sowie einige wenige Orchesterwerke. Zudem widmete er sich bis kurz vor seinem Tod der Komposition von Opern. 1913 komponierte er eine "Kantate zum 300-jährigen Jubiläum der Romanow-Dynastie".


    Liste der Opern von César Cui:


    - "Der Gefangene im Kaukasus" (1857/58, rev. 1881/82 u. 1885)
    - "Der Sohn des Mandarin" (1859)
    - "William Ratcliff" (1861—1868)
    - "Mlada" (Gemeinschaftswerk der "Gruppe der Fünf"), I. Akt (1872)
    - "Angelo" (1871—1875)
    - "Le Flibustier" (1888/89)
    - "Der Sarazene" (1896—1898)
    - "Das Gelage während der Pest" (1900)
    - "Mademoiselle Fifi" (1902/03)
    - "Der Schnee-Bogatyr", Kinderoper (1905)
    - "Mateo Falcone" (1906/07)
    - "Die Hauptmannstochter" (1907—1909)
    - "Rotkäppchen", Kinderoper (1911)
    - "Der gestiefelte Kater", Kinderoper (1913)
    - "Iwan der Narr", Kinderoper (1913)


    Aufnahmetechnisch sieht es leider ziemlich düster aus. Verglichen mit den vier anderen des "mächtigen Häufleins" ist Cui sicherlich am schlechtesten diskographisch erfasst.



    Sein bekanntestes Orchesterwerk ist wohl "Tarantelle", das Franz Liszt auch für Klavier bearbeitete. Auf der letztgenannten CD ist es enthalten, wenn auch nicht auf dem Cover ersichtlich.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões