Alexander Glasunow: Symphonie Nr. 5 B-Dur Op. 55 "Heroische"

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    Alexander Glasunow im Jahre der Komposition (1895)


    Die fünfte Symphonie von Alexander Glasunow entstand zwischen April und Oktober 1895. Nach der dreisätzigen Dritten kehrte der Komponist zur Viersätzigkeit zurück. Sie gilt als die bekannteste Symphonie Glasunows und nicht wenigen als sein Meisterwerk.


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    Titelblatt der ersten Edition der Partitur, M. P. Belaieff, Leipzig (1896)


    Die vier Sätze im Einzelnen:


    I. Moderato maestoso - Allegro
    II. Scherzo. Moderato
    III. Andante
    IV. Allegro maestoso


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    Widmungsträger Sergei Tanejew


    Die Fünfte ist dem russischen Komponisten und Pianisten Sergei Tanejew (1856—1915) gewidmet. Die Uraufführung fand am 17. November 1896 in Sankt Petersburg durch Glasunows eigener Leitung statt.


    Eine Leipziger Zeitung nannte das Werk "sehr tiefgründig" und "funkelnd"; das Scherzo musste bei der Aufführung wiederholt werden. Glasunow selbst stufte die Fünfte als ein "architektonisches Gedicht" ein.


    Glasunows Tochter meinte später, die Fünfte sei die in Amerika populärste Symphonie ihres Vaters. Tatsächlich handelt es sich um die bis heute am häufigsten aufgeführte seiner Symphonien.



    Als Hörbeispiel diente wiederum die Einspielung des Sowjetischen Staatsorchesters unter Jewgeni Swetlanow aus dem Jahre 1989 für Melodiya.


    Die postulierte heroische Grundstimmung wird bereits im klangschwelgerischen Kopfsatz (11:22) deutlich, der an die wagnerische Leitmotiv denken lässt. Das mendelssohnartige Scherzo (5:19) zeigt sich als leichtgewichtiges Gegenstück. Der langsame dritte Satz (10:07) erinnert durch stellenweise bedrohliches Blech wieder an Wagner. Im Finale (6:22) schließlich herrscht heitere Feierlichkeit vor. Die Ausgelassenheit darf wohl als waschechter Glasunow bezeichnet werden. Der Beiname des Werkes dürfte sich vor allem auf diesen Satz beziehen. Die Coda klingt pompös und effektvoll aus, wie man es von Glasunow kennt.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões


  • Neben dem Beinamen "Heroische" tragt die Sinfonie gelegentlich auch den Titel "Wagnerische".
    Erschreckend düster und gleichzeitig bedrohlich empfand ich die ersten Takte. Gleichzeitig empfand ich eine abgründige Tiefe und eine kaum verhohlene Neigung zum Bombast. Fanfarenklänge gemischt mit feurigen Orchestertönen, die dann quasi plötzlich friedlicheren Tönen weichen. Alles in allem indes sehr Plakativ und effektvoll. Der zweite munter dahinhüpfende Satz (Scherzo) ist eine IMO eine Glanzleistung, welche die Gesamtstimmung der Sinfonie aufhellt und gleichzeitig einen hohen Wiedererkennungswert aufweist. Meiner Meinung nach kann sich hier Glasunow problemlos mit Tschaikowsky auf Augenhöhe stellen. Eher getragen aber voll Kraft tritt der dritte Satz (andante) anfangs auf, die Idylle wird aber gegen Satzmitte durch einige schneidende Fanfarenstöße jäh unterbrochen um anschliessend fortzusetzen, ein Vorgang der sich wiederholt. Harmonisch klingt der Satz aus. Wie ein Militärmarsch, voll Schwung und Feuer, so tritt der 4. Satz auf die Bildfläche. Trotz einiger Auflockerungen bleibt der Satz drängend, angriffslustig, beinahe kriegerisch, siegesgewiss, triumphierend. Und im allgemeinen Taumel endet das Werk eindrucksvoll - bombastisch.


    Ich habe die Aufnahme mit der bei Brilliant lizensierten Einspielung des Tschaikowsky Symphony Orchestra unter Vladimir Fedosejew (nur mehr als GA erhältlich - aber spottbillig) und bin damit rundum zufrieden. Seit 16 Oktober 2016 ist eine PRAGA Aufnahme mit einer Wiederveröffentlichung einer alten Einspielung der Leningrader Philharmoniker unter Mravinsky am Markt. Wider Erwarten kann meine Fedosejew Aufnahme hier locker mithalten..


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Joseph schreibt, dass ihn die heroische Grundstimmung an Wagner erinnere. Der Gedanke kam mir auch, als ich die ersten basslastigen Unisono-Klänge des Kopfsatzes hörte. Ich habe überlegt, wo mir jene abwärts schreitenden Töne schon mal untergekommen sind, konnte mir diese Frage aber nicht beantworten, weiß die Antwort auch immer noch nicht. Ist aber auch unwichtig. Wichtig ist mir dagegen, den Eindruck klangschwelgerischen (Joseph) Bombastes (Alfred) zu bestätigen, der mir aber nie als reiner Selbstzweck vorkam, sondern den Satz logisch-fortschreitend entwickelt.


    Den zweiten Satz, ein moderates Scherzo, empfand ich, darin wieder Joseph und Alfred zustimmend, bei Herrn Mendelssohn abgeguckt - schöne Grüße an den Sommernachtstraum. Was übrigens nicht nur hinsichtlich der Melodik gilt, sondern auch der Instrumentation. Was aber keine Kritik sein soll, denn Glazunov bleibt er selber, wird nicht zu Mendelssohn - als Eklektizismus kommt mir das keinesfalls vor, eher als Reminiszenz (wobei ich nicht weiß, ob der Komponist das auch so gesehen hat - es ist mein Höreindruck).


    Auch bezüglich des dritten Satzes, einem Andante, vermag ich keine anderen Empfindungen niederzuschreiben, als beide Vorschreiber sie geäußert haben. Die Musik wirkt auf mich - bis zum Auftreten der bedrohlichen Blechbläser, die wieder an Wagner gemahnen - beruhigend und freundlich.


    Der Schlusssatz, Allegro maestoso überschrieben, ist genau das: Majestätisch, feierlich, manchmal militärisch auftrumpfend. In jedem Fall höre ich durchgehend anfeuernde und, wie im ersten Satz, Musik des Triumphes. Der Titel "Heroische", von dem mir nicht bekannt ist, wer ihn der Sinfonie gegeben hat, ist jedenfalls verständlich.


    Insgesamt eine mich ansprechende Aufnahme.


    :hello:

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    MUSIKWANDERER