Beethoven, Klaviersonate Nr. 3 C-dur op. 2 Nr. 3 CD-Rezensionen und Vergleiche (2016)

  • Einführungstext zur Sonate Nr. 3 C-dur op. 2 Nr. 3


    Diese Sonate ist die dritte unter op. 2 und trägt im Gegensatz zu den ersten beiden orchestrale Züge, obwohl es natürlich auch echte Klaviermusik ist.
    Auch diese Sonate wurde von Beethoven bereits 1795 vollendet.
    Beethoven widmete sie ebenfalls Joseph Haydn und sie hat auch vier Sätze, und sie ist wie folgt aufgebaut:


    1. Satz: Allegro con brio, C-dur, 4/4-Takt, 257 Takte (m. Wh. der Exposition + 90) 347 Takte,
    2. Satz: Adagio, E-dur, 2/4-Takt, 82 Takte
    3. Satz: Scherzo, Allegro, C-dur, 3/4-Takt, 128 Takte (m. Wh. + 136) 264 Takte,
    4. Satz: Allegro Assai, C-dur, 6/8-Takt 312 Takte
    Gesamt mit WH: 1005 Takte


    Somit gehört sie taktmäßig zu den längsten Sonaten Beethovens, aber auch, wie wir noch sehen werden. zeitmäßig zu den längsten, wenn der Pianist, wie es gehört, die Wiederholungen spielt. Deswegen werde ich es auch bei dieser Sonate negativ bewerten, wenn ein Pianist die Wiederholungen, die ja hier nur den ersten Satz (Exposition) und das Scherzo (normale Wiederholungen) betrifft, auslässt.


    Aufbau der einzelnen Sätze:


    1. Satz: Allegro con brio
    Exposition:
    Hauptthema: 1. Phase, Takt 1 bis 12
    Hauptthema: 2. Phase: Takt 13 bis 26 (also Hauptsatz: Takt 1 bis 26)


    2. Thema (Seitenthema): plötzliche Sechstaktigkeit:
    Phase 1, Takt 27 bis 32 g-moll, c-moll, d-moll
    Phase 2: Takt 33 bis 38 d-moll, g-moll, a-moll
    Phase 3, Takt 39 bis 44,
    Übergang: Takt 45 bis 46
    Zweite Hälfte des Seitenthemas:
    Takt 47 bis 76
    Schlussgruppe: Takt 77 bis 90
    Durchführung (besteht aus zwei Zentren):
    Einleitung durch modulierende Anknüpfung an die Expositions-Schlussgruppe: Takt 91 bis 96
    erstes Durchführungszentrum: Takt 97 bis 108 (endet mit dem Calando)
    zweites Zentrum: ab Takt 109 mit der Wiederkehr des Themas
    Reprise: ab Takt 139
    Coda: 1. Phase ab Takt 218
    Coda, 2. Phase ab Takt 232


    2. Satz: Adagio


    Haupttonart in E-dur
    Teil a: Takt 1 bis 10
    Teil b: Takt 11 bis 42
    Teil a' (mit integriertem Tel b) Takt 43 bis 76)
    Coda: Takt 77 bis 82
    die ersten 6 Takte haben Fragecharakter, und die nächsten 4 Takt halten die Antworten parat.
    Der zweite Teil ab Takt 1 bildet den Kontrast und ist rein formal immer gleich, ein ruhiger, fließender Teil mit Begleitcharakter; Die anscheinend gleiche Wiederholung des Thementeils weicht aber doch an zwei Stellen ab, in denen das Grundmotiv im Fortissimo erscheint.


    3. Satz: Scherzo: Allegro


    Im Gegensatz zum Scherzo in Sonate Nr. 2 op. 2 Nr. 2, handelt es sich hier um ein "echtes" Scherzo, was sich auch in einem höheren Tempo äußert.
    Im Thema knüpft Beethoven an die letzten 6 Takte aus dem Hauptsatz des Kopfsatzes an. Das Allegro besteht aus zwei Teilen Nr, 1Takt 1 bis 16 und Nr. 2, Takt 17 bis 64, wobei man dem ersten Teil auch Expositions- und dem zweiten, längeren Teil durchführungsartige (Takt 17 bis 38) und ab Takt 40 mit Auftakt 55 bis reprisenartige uns Takt 56 bis 64 codaartige Züge zumessen könnte. Beide Teile werden wiederholt.
    Das Trio (Takt 65 bis 104) ist ebenfalls zweiteilig, Teil 1 Takt 65 bis 72 und Teil 2 viermal so lang bis Takt 104.
    Nach dem Pausentakt 105 wird das Allegro Da Capo wiederholt und dann die eigentliche Coda ab Takt 106 bis 128 angeschlossen, die in großen dynamischen Gegensätzen die unterschwellige Dramatik dieses Scherzos und die visionäre Kraft Beethovens schon zu diesem frühen Zeitpunkt betont.


    4. Satz: Allegro Assai


    Das Finale ist eine Mischform zwischen Rondo und Sonatenform. Es steht, wie öfter bei Beethoven in strahlendem Licht dar und hat die dramatischen Auseinandersetzungen des voraufgegangenen Geschehens hinter sich gelassen und präferiert hier Virtuosität und Spielfreude. Ähnliches hatten wir ja auch von der Sonate Nr. 11 gesagt.
    Da hier die strengen Wiederholungsvorschriften eines originalen Sonatensatzes fehlen, ergibt sich eine zeitliche Abfolge von mehreren Satzteilen hintereinander, die man wie folgt einteilen könnte, wobei natürlich inhaltliche Wieerholungen vorkommen, sie folgen nur im Notenbild hintereinander. Insgesamt haben wir hier also eine Dreiteilung:


    I:


    Hauptsatz........................Seitensatz.................Hauptsatz
    Takt 1 - 28.......................Takt 29 - 68..............Takt 69 - 102
    3teilig (A-B-A)..................C D(Dominante).......A mit neuer Fortsetzung
    ........................................C D..........................durchführungsartig
    Takt 69 bis 102
    ........................................Rückleitung ............
    .......................................Takt 55 bis 68.........
    II:
    ........................................Mittelteil
    ........................................Takt 103 bis 180
    ........................................3teilig, mit Wiederholung
    ........................................des 2. und 3. Teils (Subdominante)
    ........................................Takt 147 bis 180
    III:
    Hauptsatz........................Seitensatz................Coda
    Takt 181 - 217.................Takt 218 - 253..........Takt 253 - 312
    3teilig..............................reprisenartig.............schlussmäßig umgestalteter
    .......................................(Tonika).....................Hauptsatz


    Literatur: siehe Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Klaviersonate_Nr._3_(Beethoven)
    sowie Uhde, Jürgen, S. 89 bis 117


    Ich wünsche viel Freude mit dem Anhören dieser Sonate sowie mit der Lektüre der Hörberichte in diesem Thread, außerdem keinerlei Zurückhaltung zu schriftlichen Äußerungen an dieser Stelle, sei es in Form von Kommentaren und Meinungsäußerungen oder in Form von eigenen Berichten.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Beethoven, Sonate Nr. 3 C-dur op. 2 Nr. 3
    Arthur Rubinstein, Klavier
    AD: 24. 1. 1963
    Spielzeiten: 10:27 - 7:47 - 3:40 - 4:53 --- 26:47 min.


    Als ich an diese Sonate ging, habe ich zunächst den Einführungstext mit Hilfe von Jürgen Uhdes Standardwerk erstellt und dann überlegt, wessen Einspielung ich als Erste vorstellen würde. Bisher habe ich oft Arrau gewählt, aber diesmal wollte ich mir besonders sicher sein und habe deswegen aufmerksam den Abschnitt aus Joachim Kaisers Standardwerk gelesen, weil ich dachte: der muss es ja wissen. Und dann habe ich zu einem Pianisten gegriffen, der nicht als Beethovenpianist par excellence gilt, aber als Pianist par excellence, und alles was ich bisher von ihm von Beethoven gehört habe, hat mich restlos überzeugt. Nebenbei ist er sicherlich ein Beethoven-Klavierkonzerte-Pianist par excellence, denn er hat als nur einer von zwei Pianisten drei Gesamtaufnahmen der fünf Klavierkonzerte vorgelegt (der andere war Brendel).
    Und so entschloss ich mich, zunächst die New Yorker Studio-Aufnahme (s. o.) zu besprechen, und am Ende dieses Durchganges die sieben Wochen später entstandene Londoner Aufnahme (17. 3. 1963), und ich war mir sicher, dass meine Wahl richtig ist.
    Wenn Rubinstein anhebt, öffnet sich sogleich ein weiter Vorhang und gibt den Blick (das Ohr) frei auf eine weite, kristallklare musikalische Landschaft von wahrhaft symphonischen Zuschnitt. Dabei empfindet er m. E. dieses Allegro con brio durchaus als einen sehr diesseitigen, naturgegebenen und auch durchaus ausgedehnten Satz, der ja mit der Wiederholung der Exposition 347 Takte umfasst, und da habe ich schon im Vorfeld gesehen, welchen Pianisten alle die Wiederholung auslassen.
    Rubinstein macht zudem auch hier schon vom ersten Takt an deutlich, welches überragende Klangempfinden und welchen rhythmischen Sinn.
    Auch dynamisch ist das schon im Hauptsatz einfach überragend, seine Sforzandi, z. b. der Takt 20 mit der aufsteigenden Bassfigur, sind eine Offenbarung. Der leichte Stimmungsumschwung ins latent melancholische (Moll: g-d-d-g-a) im Seitenthema ab Takt 27 vollzieht sich bei ihm auf ganz natürliche Weise, und so erreicht er in der dritten Phase des Seitenthemas ohne Bruch die Forte-Sequenz, die zur zweiten Hälfte des ausgedehnten Seitenthemas führt. Hier im dolce lässt er es wieder wunderbar fließen.
    Zwei Dinge möchte ich an dieser Stelle unbedingt einflechten, die eigentlich bei Rubinstein selbstverständlich sind, aber längst nicht bei jedem anderen Pianisten: das ist einerseits sein ungeheuer transparentes Spiel, selbst bei einer 53 Jahre alten Aufnahme und zum anderen seine dynamische Sorgfalt, mit der er jeder aber auch wirklicher Regung im dynamischen Ablauf nachspürt. Stellvertretend dafür seien der große Akzent Takt 51 bis 53 und der folgende Takt 59/60 genannt, der in die bruchlos angeschlossene "zweite Hälfte" der zweiten Hälfte, die Sechzehntelsequenz mit der anschließende Viertel-Staccatosequenz führt. Das klingt so, dass man keine Fragen mehr hat. Auch die dynamisch sehr kontrastreiche Schlussgruppe spielt er mit äußerster Konsequenz und wiederholt natürlich die Exposition. Solche Fragen stellen sich bei Pianisten mit der tiefen Ernsthaftigkeit eines Rubinstein oder Arrau einfach nicht.
    Ganz logisch vollzieht sich auch die Wendung in die Durchführung, die er durch einige anfängliche Trillerfiguren im pp dann in eine weitere kurze Kette von Fortetrillern leitet, die zum ersten hochdynamischen Durchführungszentrum führt. Auch das spielt er grandios, wie er die erregenden Sechzehntelfiguren über den tief orgelnden Bassoktav-Akkorden auf- und ab laufen lässt. Und gerade auch in diesem Durchführungszentrum flicht Rubinstein, nach dem Calando in der zweiten Hälfte ab Takt 109, kunstvoll, jedoch ganz natürlich ineinander. Grandios ist diese zweite Hälfte auch durch die dichte Anhäufung von dynamischen Spitzen in den zahlreich Sforzandi, strukturiert durch Fortissimo-Akkorde. In der Endphase der Durchführung lässt uns Rubinstein dann kurz wieder durchatmen, bevor er ab Takt 135 mit einem sehr hellen ff-Akkord durch eine dichte Reihe von kecken Sforzandi in die Reprise führt.
    In dieser hat Beethoven ein weitere Überraschung für uns parat, fast wie eine Erweiterung der Durchführung anmutend, nämlich eine faszinierende Synkopenkette ab Takt 147 bis 154, in der der große Rhythmiker Rubinstein ganz in seinem Element ist, bevor er die bekannten Elemente aus der Exposition in der Reprise mit der gleichen Clareté spielt wie in der Exposition. Auch hier fallen wieder die wunderbar nachgezeichneten dynamischen Auf- und Abwärtsbewegungen in einem großen Legatozusammenhang auf, die dann über die schon bekannte Sechzehntelsequenz in die hochdynamische Schlussgruppe führen. Und diese geht geradewegs in eine "neue Erfindung" Beethovens hinein, eine zweiteilige Coda, deren erste Phase in kühnen, glissandierenden Bögen über zahlreichen tiefen Achteltriolen aufgebaut ist und an deren Ende eine kleine auskomponierte Kadenz steht (Takt 232 - siehe Joachim Kaiser, S. 69), bevor die zweite Phase der Coda mit dem neuerlich einsetzenden Thema beginnt- grandios komponiert und ebenso grandios gespielt, auch dieser zweite, dynamisch wieder hochstehende und doch anders strukturierte Abschluss!
    Ein herausragend gespielter Kopfsatz!


    Vom ersten Ton an wird deutlich, welche große Bedeutung und musikalische Tiefe dieser Satz hat und Rubinstein ihm beimisst. Er spielt klar und natürlich wie immer, und dennoch hat man das Gefühl, dass er und seine Zuhörer auf der Stuhlkante sitzen.
    Nach dem intimen Teil a in E-dur wendet sich das Blatt in Takt 11 in Moll, bevor es sich in Takt 17 wieder auflöst. Schon dieser Beginn zeigt, dass dieser Satz alles anders als harmlos ist. Hier scheinen zwei Strömungen gegeneinander zu kämpfen, die sich irgendwann Bahn brechen müssen. Und das ist schon in Takt 26 der Fall, wo das "Unheil" in e-moll und Fortissimo über uns hereinbricht. Rubinstein spielt das atemberaubend, immer streng zwischen Fortissimo und Piano changierend und unerbittlich vorwärts schreitend, und das hält vor bis zum Takt 42, ein wahrhaft erratischer Block in dieser frühen Beethoven-Sonate.


    Der quasi reprisenhafte zweite Teil des Adagios ab Takt 43 hat den verdunkelten Tel integriert, das Fortissimo erscheint aber nur kurz, dann geht es in E-dur weiter, scheinbar unbeirrt bis zum Ende, bevor noch einmal kurz in Takt 71/72, ein Fortissimo für Unsicherheit sorgt, bevor sich eine kurze Coda mit wundervollen Portato-Noten anschließt.
    Ein grandioser langsamer Satz, kongenial von Arthur Rubinstein vorgetragen.


    Auch im Scherzo bleibt sich Rubinstein seiner rhythmischen Sorgfalt treu und betont die Staccati sehr exakt. Da gibt es kein Abweichen von der rhythmischen, temporalen oder dynamischen Linie.
    Im Trio macht er einen sehr deutlichen Unterschied zwischen dem vorhergehenden Staccato und dem nun herrschenden Non-Legato. Natürlich schließt er das Scherzo Da Capo an, dem, wie könnte es bei Beethoven auch anders sein, schon in der dritten Sonate etwas Neues auftaucht: eine Coda im Scherzo! Und was für eine: wieder typisch beethovensch, beginnend mit einem Doppel-Fortissimo-Oktavschlag, dann ein 20-taktiger Schluss, der sich in der grandiosen Rubinsteinschen Lesart nahezu ins Pianopianissimo verflüchtigt. - Absolut genial!!!


    Und weiter geht es im Finale, dem Allegro assai, einem ausgedehnten dreiteiligen Satz mit Sonatensatz-Strukturen (siehe Einführungstext).
    Und wieder ist Rubinstein in seinem Element. Mit unnachahmlicher Leichtigkeit steigt er die Sexten-Achtel des Themas im Hauptsatz empor, wiederum die Staccati in dem richtigen Maße betonend. Hier hat Beethoven auch trotz des Allegro assai wieder einen sehr behänden Satz komponiert, den Rubinstein auch dementsprechend zielgerichtet vorträgt. Auch der rhythmisch und dynamisch kunstvolle Seitensatz findet in Rubinsteins Interpretation die kongeniale Wiedergabe. Am Ende des Seitensatzes herrscht schon wieder der Staccatomodus, der ansatzlos in die Rückleitung führt. Im Gegensatz zum Hauptsatz hat Beethoven hier Forte- und Fortissimo-Sequenzen eingebaut, die den dynamisch-dramatischen Furor, auch in der Interpretation Rubinsteins, anheizen. Welch ein unglaublicher Übergang dann zum Mittelteil, wo es über Dezimakkorde zu Oktavsprüngen geht, und das alles im Pianissimo. Das ist eine geniale Stelle, die es so vorher bei Beethoven noch nicht gegeben hat und die unvermutet im Mittelteil des Finales in eine wunderbare Dolcestelle führt. Entspannung macht sich breit, während unterschwellig immer noch der lebhafte Staccato-Non-Legato-Rhythmus herrscht. Durch eine einfache Wendung (Takt 147) verdunkelt Beethoven das Geschehen vorübergehend und lässt die Achtelintervalle über den Bassoktaven au- und ablaufen, bevor wir in Takt 181 den reprisenhaften Hauptsatz wieder erreicht haben. Das alles ist aber trotz zwischenzeitlicher Verdunklungen m. E. ein sehr positiver, diesseitiger Satz. Dies kommt auch im weiteren Verlauf musikalisch zum Ausdruck.
    Schließlich geht das musikalische Geschehen dieser ausgedehnten, aber nichts destoweniger musikalisch dichten Sonate in eine ausgedehnte und äußerst kunstvolle Coda über (Takt 254 mit Auftakt bis Takt 312).
    Ich wundere mich nun nach der ersten intensiven Beschäftigungsphase mit dieser Sonate überhaupt nicht mehr, dass sie auch bei vielen Pianisten so beliebt ist.


    Hier haben wir, wie ich finde, sogleich eine referenzwürdige Einspielung.



    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • ...aber diesmal wollte ich mir besonders sicher sein und habe deswegen aufmerksam den Abschnitt aus Joachim Kaisers Standardwerk gelesen, weil ich dachte: der muss es ja wissen.


    Warum muss er es wissen?


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Zitat

    zweiterbass: Warum muss er es wissen?


    Lieber zweiterbass,


    ich habe schon oft in Joachim Kaisers Werk "Beethovens 32 Klaviersonaten und ihre Interpreten" für mich wertvolle Hinweise zum Verständnis der Sonaten und vor allem zur Beurteilung der Interpretationen gewonnen, und so fand ich das, was er hier über Rubinstein gesagt hat, schon in den Texten über andere Sonaten und in deren Interpretation durch Rubinstein bestätigt. Deshalb habe ich das gesagt.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Beethoven, Sonate Nr. 3 C-dur op. 2 Nr. 3
    Claudio Arrau, Klavier
    AD: 1964
    Spielzeiten: 10:45 - 10:14 - 3:16 - 5:38 --- 29:53 min.


    Claudio Arrau spielt den Kopfsatz nur geringfügig langsamer als Rubinstein ein Jahr zuvor und mit ähnlich klarem Klang und rhythmisch-dynamischem Kontrastreichtum.
    Auch er vollzieht im Seitenthema in der ersten Hälfte den Rhythmuswechsel unvermittelt hin zu den Achtel-Legatobögen und bringt in der zweiten Hälfte des Seitenthemas im Dolce sein Instrument zum Singen. Im letzten Viertel des Seitenthemas, in der Sechzehntelsequenz, spielt er eine veritable dynamische Steigerung, beginnend mit dem Crescendo ab Takt 59 bis hin zur Schlussgruppe, ab Takt 78 mit Auftakt. Auch die Schlussgruppe spielt er sehr kontrastreich, entsprechend der Partitur. Das gefällt mir ähnlich ausnehmend wie bei Rubinstein. Natürlich wiederholt auch Arrau die Exposition.
    Auch hier kann man die Aufwärtsbewegung im Bass in Takt 20 als bemerkenswerte Schlüsselstelle und die leichte Stimmungsschwankung in der ersten Hälfte des Seitenthemas hervorheben.
    Das "Hineinfühlen" in die hochdynamische Durchführung im p/pp und dann in den Fortetrillern gestaltet auch er sehr eindrucksvoll, und das erste Durchführungszentrum bedeutet noch eine ausdrucksmäßige (und natürlich auch dynamische) Steigerung. Das hier in das zweite Zentrum überleitende Calando spielt er m. E. noch etwas präziser als Rubinstein, und das zweite Zentrum mit seinen großen dynamischen Kontrasten spielt er auch grandios, ebenso die Endphase der Durchführung mit den wiederum tastenden p-Figuren bis hin zum gebrochenen ff-Akkord in Takt 135 auf der Eins und den anschließenden präszisen Sforzandi bis hin zur Reprise.
    herausragend dort auch die Synkopensequenz (Takt 147 bis 154). Auch die anschließenden Elemente der der Exposition entsprechenden Reprise spielt er mit wachem präzise den dynamischen und rhythmischen Verläufen der Partitur folgenden Geist. Sehr anrührend gestaltet er wiederum das Dolce, auch hier die kleinsten dynamischen Akzente gewissenhaft beachtend. Ebenso konsequent schlie0t er die Schlussgruppe an, hier mit der neuerlichen Synkopensequenz und den anschließenden Achteltriolen (ab Takt 207) mit den kontrastierenden ff-Oktaven im Tiefbass. Auch die erste Phase der eigentümlichen Coda mit den Glissandobögen, die er sehr geheimnisvoll spielt, und dann die Minikadenz (Takt 232- grandios!
    Auch die hochrhythmische zweite Hälfte der Coda mit den neuerlichen Synkopen spielt er atemberaubend!
    Dieser Kopfsatz ist von ähnlicher Qualität wie derjenige Rubinsteins!


    Im Adagio erleben wir einen großen temporalen Unterschied zwischen Arrau und Rubinstein. Arrau ist zweieinhalb Minuten langsamer. Er geht mit großer Ruhe und Gemessenheit daran, zum Kern dieses Adagios vorzudringen. Wer mich kennt, weiß, dass ich solche "langsam gespielten" langsamen Sätze liebe, solange sie nur gut gespielt sind, und das ist hier bei Arrau, wie ich finde, zutiefst der Fall.
    Vor allem im Teil B, der in Moll beginnt und einen kräftigeren melancholischen Überzug erhält als bei Rubinstein, und wo Arraus Klangbild durchaus kräftig diesseitig ist, tritt dies besonders wirksam zu Tage, und die Auflösung nach Dur spielt Arrau grandios! Großartig auch seine Seufzer-Einwürfe (Takt 19 bis 24. Beinahe archaisch brechen dann in Takt 26f die ff-Akkorde hervor, nach Art eines (Mahlerschen) Konduktes, und nach einem kurzen Beruhigungstakt (28) nochmal in Takt 29f und Takt 31f, bevor dieser Moll-Abschnitt in den Abwärtsoktaven und in oktavierten Seufzern (Takt 37 bis 42) ausläuft. Ich weiß nicht, welche Lesart intensiver ist. Auf mich wirken beide, Rubinstein und Arrau, ungeheuer stark und zeigen, dass hier doch ein erheblicher zeitlicher Spielraum besteht, sofern die notwendige Ernsthaftigkeit damit verbunden ist.
    Und so kommt Arrau etwas später, aber genauso bestimmt und bestimmend, an der Reprise an und spielt diese mit der gleichen Gelassenheit und auch Bestimmtheit wie zuvor den ersten Teil. Auch den wieerholten, hier integrierten Teil B mit den geheimnisvollen Seufzern spielt Arrau wieder im ganz großen, unerschütterlichen Bogen, hin zum neuerlichen Thema in der hohen Oktave ab Takt 68, und er hält die Spannung in diesem langsamen Tempo eisern durch bis zur kurzen Coda mit dem herrlichen Portato, die Arrau grandios zu einer kurzen dynamischen Steigerung führt hin zum Subito forte-pianissimo-Schluss-- herrlich!


    Den temporalen Gegensatz zwischen den beiden Binnensätzen steigert Arrau noch dadurch, dass er im Allegro doch merkbar schneller ist als Rubinstein. Doch wie wir später noch sehen werden, ist Gulda nochmals um Einiges schneller. Dabei handelt es sich doch lediglich um ein Allegro, das, wie ich finde, Arrau in genügendem Tempo und gleichzeitig diesseitig und "auf Zug" spielt, bar jeder Harmlosigkeit und jedes rein Spielerischen. Das hat Zug nach vorne, ja man könnte schon fast von "Sturm und Drang" sprechen. Auch rhythmisch spielt Arrau das herausragend.
    Und im zweiten Teil des Allegro spielt Arrau die mittlere Achtel i den Takten 34 und 35 so prägnant kurz, wie ich sie m. E. bei Rubinstein nicht gehört habe- welch ein mitreißender Rhythmus! Das hat schon, in der zweiten Hälfte des Allegro noch mehr als in der ersten, etwas ganz stark Drängendes, weist in dieser Lesart weit in Beethovens späte Gedankenwelt voraus.
    Das Trio empfinde ich schon als romantischen Walzer, wie ihn vielleicht Chopin nicht besser hätte komponieren können. Nach diesem ebenfalls stetig voran eilenden Trio spielt Arrau selbstverständlich das Scherzo Allegro Da Capo. Was vor allem hier zu Tage tritt, ist die konstante Bewegung, die Arrau einzig und allein aus der Partitur ableitet, die hier das "echte" Scherzo ausmacht und die sicherlich nicht allen so gelingen wird. Der geniale Kunstgriff Beethovens, die Coda durch die Wiederholung der ff-Doppeloktave anzuschließen, kommt auch bei Arrau sehr eindrucksvoll zum Tragen. und die morendoartig verdämmernde Coda ist auch bei Arrau ein Traum.
    Welch ein herausragender Satz!


    Arrau hat meiner Ansicht nach auch im Finale, "Allegro assai", in dem er rund eine Minute langsamer ist als Rubinstein, die richtige Tempowahl getroffen, denn im Gegensatz zu "Allegro" = schnell heißt ja "Allegro assai" ziemlich schnell, also etwas langsamer.
    Trotz des etwas langsameren Tempos mangelt es Arrau nicht an konstantem Vorwärtsdrang, aber alles ist, ähnlich wie im Adagio, etwas ruhiger und gelassener. Auch der Seitensatz bleibt in dem konzipierten Fluss, ebenso die Sechzehntelbewegungen und die Achtel und umgekehrt. Auch die Dynamiksprünge in der Rückleitung geschehen fließend. Hier wird wieder schön deutlich, wie Arrau stets die Gesamtbewegung im Fokus hat und auch die Oktavsprünge und die Ausdehnung über mehrere Oktaven in der Rückleitung in die gleiche Form bringt und in den Achtelintervallen ab Takt 96, denen in der Begleitung die Viertel- und Achtel-Staccati gegenüberstehen, lässt er die Rückleitung kunstvolle an den Mittelteil im Dolce anknüpfen, in dem er das Thema wundervoll variiert, auch mal zwischendurch leicht ins Moll abgleitend, und ganz selbstverständlich und bruchlos wieder in den reprisenförmigen Hauptsatz hinübergleitend. Ich finde, für diesen permanenten Auf- und Umbau der musikalischen Formen hat Beethoven genau das temporale Mittel der Wahl genannt und Arrau es klug umgesetzt.
    Auch die leicht geänderten dynamischen Strukturen gibt er ganz natürlich wieder, ebenso die rhythmischen Strukturen, auch im Seitensatz ab Takt 218. Und mit der kunstvollen und hochvirtuosen Coda ab Takt 254 mit Auftakt setzt Arrau einen würdigen Schlusspunkt und zaubert so ganz nebenbei noch ein atemberaubendes Calando und anschließendes Rallentando aus dem Hut.


    Ich finde, dass Arrau hier mit einem etwas anderen Tempo-Konzept doch auch zu einem referenzwürdigen Ergebnis gekommen ist.


    Lieb Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Beethoven, Sonate Nr. 3 C-dur op. 2 Nr. 3
    Claudio Arrau, Klavier
    AD: 1986
    Spielzeiten: 11:44 - 9:46 - 3:25 - 5:57 --- 30:52 min


    Claudio Arrau legt in dieser späten Aufnahme, (er ist zu diesem Zeitpunkt 83 Jahre alt!), den bisher langsamsten Kopfsatz vor (siehe Zeitangaben), die aber nichts destoweniger immer noch den inneren Schwung aufweist und gegenüber der früheren Aufnahme noch einmal einen klareren und glänzenden Klang aufweist und dynamisch einen diesseitigen Klang. Er mag in den Sechzehnteln ab Takt 13 vielleicht nicht an das Fortissimo heranreichen, ist aber im dynamischen Gesamteindruck sehr schlüssig. Auch rhythmisch lässt seine Aufnahme, wie ich finde, keine Wünsche offen, so lässt er schon die erste Hälfte des Seitenthemas schön fließen, und der leicht melancholisch gefärbte singende Ton verwandelt sich in der zweiten Hälfte in ein veritables "Dolce", dass regelrecht strahlt, und in dem er die Bögen wunderbar aussingt. Auch rhythmisch gelingt der Übergang vom Legato (Takt 47 bis 60) ins Non-Legato und ab Takt 69 in Staccato ganz fließend natürlich. Auch dynamisch greift er beherzt zu, desgleichen in der kontrastreichen Schlussgruppe. Natürlich wiederholt er die Exposition, eine Bemerkung die sich bei Arrau eigentlich erübrigt. Bei der Wiederholung ist mir wieder einmal aufgegangen, wie selbstverständlich er die Sforzandi herausarbeitet, ein Umstand, den man nicht bei jedem Pianisten feststellen kann. Auch die kleinen Akzente, z. B. in Takt 30/31 und 37/38 entgehen ihm keineswegs.
    Bei Arraus Spiel erhält das Wort "Wahrhaftigkeit" eine ganz eigene Bedeutung. Arraus Spiel ist im besten Sinne wahrhaftig.
    Auch in der Durchführungseinleitung nimmt er die feinen dynamischen Abstufungen: p - pp - pp - f hin zum ff im ersten Zentrum sehr aufmerksam wahr. Dieses gestaltet er kraftvoll mit fein strukturierenden Glockenschlägen im Bass und läuft schön am Ende des 1. Zentrums im Calando aus. Bei ihm ist das "Calando" wirklich vorbildlich langsamer und leiser werdend. Das müsste doch eigentlich jedem Pianisten gelingen, der dieses Sonate spielt, aber ich werde aufmerksam verfolgen, ob dem wirklich so ist. In der früheren Aufnahme hat Arrau in dieser Hinsicht schon Rubinstein übertroffen, hier noch deutlicher. Auch das zweite Durchführungszentrum mit seinem diesmal rhythmisch-dynamischen Schwerpunkt spielt er unglaublich und führt im der Endphase der Durchführung in neuerlichem rhythmischen Spitzenspiel über die kompakte Sforzandokette in die Reprise hinein.
    Hier erweist er sich nach dem Thema in der Synkopensequenz als weiser und nimmermüder Altmeister wiederum als wahrhaftiger Sachwalter Beethovens. Allein in diesen acht Takten (147 bis 154) ist der ganze Kosmos des "Größten Rhythmikers aller Zeiten" in komprimierter Form abgebildet und kongenial wiedergegeben. In gleicher souveräner Manier lässt er die weiteren Elemente wie Seitenthema 1 (melancholisch) und Seitenthema 2 (dolce) und Schlussgruppe an unserem Ohr vorbeiziehen. Dabei wird auch das kleinste Rinforzando (Takt 213f) nicht vergessen.
    Auch die erste Phase der Coda (Takt 218 ff.) wird durch Arraus bedachtsames Tempo wunderbar klar strukturiert. Man weiß genau , wo er in den Bögen das Tempo merklich anzieht und ins Glissando kommt. und nach der Fermate in Takt 232 auf der Eins die Minikadenz in einem großen temporalen Sprung spielt und dann den zweiten Teil der Coda mit dem Thema anschließt- grandios wie der ganze Satz!


    Im Adagio ist Arrau hier eine halbe Minute schneller als 22 Jahre zuvor, wodurch sich jedoch das temporale Gefälle zum Kopfsatz noch erhöht. Vielleicht ist das ja die Quintessenz eines weiteren Vierteljahrhunderts der Beschäftigung Arraus mit dieser Sonate.
    Jedenfalls ist diese Adagio von Anfang an sehr intensiv und öffnet einen Blick in die ungeheuren musikalischen Tiefen dieses Wunderwerks. Vielleicht ist der Eindruck der diesem Satz innewohnenden Ruhe und inneren Stabilität ja dur dieses größere temporale Gefälle noch intensiver. Bei Rubinstein ist dieses temporale Gefälle ja noch ungleich größer, weshalb bei ihm das Spannungsmoment auch noch stärker erscheint.
    Der Teil b (ab Takt 11) erscheint mir vollends unglaublich. Das geht mir durch und durch. Das ist reine Himmelsmusik.
    Zu Beginn meiner Reise durch Beethovens Sonatenkosmos hätte mich solch ein Notenbild noch erschreckt, doch jetzt führe ich mich bereits bei der dritten Fahrt durch diese Partitur zu Hause, und sehe doch bei derartiger Interpretation immer wieder neue Einzelheiten, Teilchen der Struktur- wunderbar. Auch der Wechsel vom pp in ff (Takt 26) wirkt hier nicht erschreckend, sondern ganz natürlich. Arraus Fortissimo ist auch nicht brutal kraftvoll, sondern nur kraftvoll. Auch die immer wieder erfolgte Rückführung ins Piano unterbricht den Fluss nicht, sondern verdeutlicht das Atmen dieser Musik. Arraus Ruhe ermöglicht diese Kraftentfaltung, ohne Schrecken zu verbreiten. Noch eines bewirkt diese herausragende Interpretation Arraus bei mir: die seit über drei Jahren immer weiter steigende Bewunderung, wie ein junger Mann wie Beethoven solche Wunderwerke in sich spürte und in Noten fassen und sie der Mitwelt zeigen konnte. Und da ist ja kein einziges Werk dabei, das etwa nicht vorzeigbar oder bewundernswert wäre.
    Im reprisenförmigen, formal verkürzten Teil a'(mit integriertem Teil b), also quasi dem reprisenförmigen Teil, bleibt dieser Eindruck von der Ruhe mit innerer (dynamischer) Bewegung erhalten. Auch hier setzt Arrau die Partitur genau um , wie er z. B. nach den beiden ff-Takten 53 und 54 den langen Akzent in den beiden folgenden Takten genau umsetzt und mit dem Sforzando (Takt 57) und den p-pp (Takt 58) den nächsten dynamischen Bogen wunderbar wiedergibt. Und immer wieder diese wunderbaren Seufzer-Motive- es wäre vielleicht einmal interessant zu untersuchen, welche leibseelischen Äußerungen alle in den Klaviersonaten Beethovens zu erkennen sind.
    Zunächst einmal ist am Ende dieses unglaublichen Adagios zu erkennen, wie uns Arrau durch eine kleine Temporückung auf das Ende des Satzes vorbereitet. In den Takten 66 und 67 ist dies wunderbar zu hören. Und dann dieses kleine, aber doch so wichtige Synkopengebilde in den Takten 69 und 70. Ich bin jetzt schon ganz gespannt darauf, ob dieses Gebilde bei Gulda krachend zusammenbricht oder nicht. Denn bei diesem Satz ist genügend Zeit so wichtig wie das tägliche Brot.
    Auch der ff-Takt 72 mit Auftakt und anschließendem gebrochenen Akkord fügt sich nahtlos in den Ablauf ein.
    Und die wundersame Portato-Coda beendet einen herausragenden Satz.


    Wieso habe ich bei Arrau immer das Gefühl: dieses Tempo ist genau richtig. Das erinnert mich an einen Ausspruch Furtwänglers, der unter all meinen Beiträgen steht als einer von zwei Aussprüchen über das Tempo (der andere ist von Mozart): "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das Richtige".
    Arrau ist hier etwas langsamer als in seiner ersten Aufnahme, aber immer noch deutlich schneller als Rubinstein. Da es sich hier um ein Allegro handelt und nicht um ein Allegretto, haben sicherlich, wie eigentlich immer, beide Recht.
    Arrau trägt hier natürlich auch den rhythmischen Kontrasten von Anfang an Rechnung. Aber auch die dynamischen Verläufe finden wie immer bei ihm genaueste Beachtung. Auch das rhythmisch fließendere Trio spielt Arrau in einem wunderbaren Dreier-Takt. Das könnte man ohne viel Fantasie ohne Weiteres unter "Wiener Walzer" einordnen. Das Scherzo schließt Arrau natürlich auch hier Da Capo an. Auch die Wiederholung der beiden ff-Takte als Brücker zur Coda integriert Arrau wunderbar, ebenso wie die wundersame Coda im Stile eines Morendo.
    Ebenfalls ein herausragender Satz!


    Im Finale Allegro assai setzt Arrau sein Spiel auf höchstem Niveau fort und ist hier nur unwesentlich langsamer als 22 Jahre zuvor, wohl natürlich wesentlich langsamer als Rubinstein, aber ich hatte ja schon darauf hingewiesen, dass das "Allegro assai" nicht zu den schnelleren "Allegros" gehört.
    Des Weiteren demonstriert Arrau auch hier wieder, wie man Staccati und Legato-Passagen aufs Natürlichste miteinander verquickt. Selbstverständlich stimmt auch der dynamische Bogen. Auch im Seitensatz lässt Arrau das muntere Geschehen weiter fließen. Auch das leichte Abschweifen des Seitensatzes ins Moll weiß er organisch in den Ablauf zu integrieren.
    In der Rückleitung ab Takt 69 nimmt er das Thema wieder auf und zeichnet die rhythmischen Variationen dieses Zwischenteils sehr aufmerksam nach, vor allem die Achtelintervalle ab Takt 96 sind wieder vom Feinsten.
    Dem Dolce-Mittelteil verleiht Arrau Würde und Gewicht, das sich in den Achtel-Intervallen des Diskants ab Takt 111 wieder verflüchtigt. Wunderbar auch die Wiederholung ab Takt 143, die dann durch einen Oktavwechsel und eine leichte Molleintrübung eine neue Variation hervorbringt. Das geschieht alles bei Arrau so natürlich. Auch die melodischen Variationen fließen natürlich in das Geschehen ein. Die beinahe unaufhörlich Kette der Achtelintervalle lässt Arrau unaufhaltsam in die Reprise fließend, natürlich mit dem Hauptsatz beginnend.
    Die Reprise gestalte Arrau mit der gleichen Präzision und mit der gleichen Musizierfreude wie die Exposition und mit der gleichen dynamisch-rhythmischen Aufmerksamkeit, und nach dem weiter variierenden Seitensatz gelangt er zu der Coda, die durch die unnachahmlichen Trillerketten besticht, die Beethoven keiner nachmacht.
    Außerdem hält diese Coda noch zwei dynamisch-rhythmische "Kleinigkeiten" bereit, das Calando (Takt 298 bis 300) und das Rallentando (Takt 302 bis 305), das niemand, wie ich glaube, so aufmerksam spielt und ihm so große Bedeutung beimisst wie Claudio Arrau, dem der Komponistenwille heilig ist.


    Ich möchte diese Aufnahme noch ein wenig höher einordnen als die beiden zuvor.



    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Vielen Dank für diese wunderbar ausführliche Besprechung, liebe Willi! Das macht Lust aufs Nachhören und ich werde heute Abend dazu auch in die Noten schauen. Grundsätzlich habe ich zu den späten Arrau-Beethoven-Aufnahmen ein etwas zwiespältiges Verhältnis. Der Klang ist des Flügels ist überragend, es gibt wenige Aufnahmen mit vergleichbarer Sonorität über alle Lagen hinweg. Leuchtend, warm und intensiv. Und ich liebe Arraus atmendes und in die Tiefe der Musik vordringendes Spiel. Die Komplexität einer Partitur verwandelt sich bei ihm in Ausdruck. Aber bei seiner letzten Beethoven-Reihe finde ich doch, dass ein kleines bisschen der Zug und auch die Strenge fehlt. Mit seinen zuweilen langsamen Tempi hingegen habe ich kein Problem, eigentlich finde ich sie immer richtig (bis auf wenige Ausnahmen wie bei den Symphonischen Etüden von Schumann). Und es gibt ja auch viele Sätze, da ist Arrau sehr schnell (Finalsatz op 106!).


    Viele Grüße,
    Christian

  • Zitat

    Christian B.: Und es gibt ja auch viele Sätze, da ist Arrau sehr schnell (Finalsatz op 106!).


    Wobei du beachten musst, lieber Christian, dass Arrau keine späte Hammerklavieronate mehr vorgelegt hat. Die Hammerklaviersonate aus dieser Box:


    stammt, ebenso wie die Mondscheinsonate aus dem Jahr 1963, op. 106 vom September und op. 27, 2 vom Juni. Sie sind original aus folgender Box:


    Ich habe gerade die Boxen von Hans Richter-Haaser und Michael Korstick am Rechner liegen, und da sieht es so aus, dass Arrau gerade mal eine halbe Minute über den beiden anderen liegt Das ist für ihn in der Tat schnell:
    Arrau:.............. 11:40
    Korstick:.......... 11:09
    Richter-Haaser: 11:06
    Viel interessanter wird, wenn wir in absehbarer Zeit uns op. 106 zur Brust nehmen, die Diskussion um die Dauer des Adagio sostenuto werden. Und es wird eine lange Geschichte werden, ich habe zur Zeit in meinem Bestand 57mal die Hammerklaviersonate.
    Auffällig ist auch im Falle unserer Sonate Nr. 3, dass er in seiner späten Aufnahme im Adagio eine halbe Minuten schneller ist als in seiner früheren. Ich sprach das ja zu Beginn des Abschnitts über das Adagio an.


    Liebe Grüße und in Erwartung eines kurzen (oder auch längeren) Statements nach dem Hören


    Willi :D

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi,


    ich habe mir jetzt gestern Abend noch den ersten Satz in Arraus später Einspielung angehört. Meines Erachtens spielt er bereits das erste Thema zu langsam und auch nicht als ein Motiv. In den Noten ist unter den vier Sechzehnteln ja ein Bogen, dann folgen zwei Achtel mit Punkt. Arrau spielt aber auch die Sechzehntel so, dass sie nicht eine Figur sind - so macht das Rubinstein -, sondern so, dass man jeden Ton einzeln hört. Dadurch verliert dieses Motiv alles Spielerische, das doch ein wichtiger Bestandteil dieser Sonate ist. Er trifft für mich den Charakter der Musik hier nicht, das erste Thema ist zu abgehackt. Auch im weiteren Verlauf sind dann die virtuosen Passagen, in denen Beethoven zeigt, was er kann, teilweise zu gebremst. Da fehlt mir der Fluss und auch das Stürmische, das den frühen Beethoven doch auszeichnet. Ich werde mir noch seine ältere Aufnahme anhören und bin gespannt, ob er da das erste Thema auch schon so eigentümlich hölzern gestaltet.


    Viele Grüße und ich hoffe, Du hast den Zahnarzt gut überstanden!
    Christian

  • Noch eine Ergänzung zu Arrau: In der 1964er-Aufnahmen spielt Arrau das Thema im ersten Satz auch sehr genau, aber es ist hier mehr eine Bewegung und wirkt dadurch organischer. Sein Spiel ist im weiteren Verlauf bis zum Seitenthema wunderbar vollgriffig - herrlich, wie er die Triller am Ende leicht beschleunigt und förmlich rausschleudert! In der späten Aufnahme verzögert Arrau im Seitenthema dann ein wenig den Vorschlag, das ist 1964 ebenfalls flüssiger und beiläufiger und wirkt für mich nicht so gewollt. Überhaupt fällt auf, dass Arrau 1986 die Vorschläge geradezu überdeutlich ausführt, so dass sie beinahe den musikalischen Fluss stören. Die 1964er-Aufnahme finde ich fulminant - was für eine energetische Durchführung! Eine wirklich exemplarische Aufnahme des ersten Satzes. Wie schon an anderer Stelle gesagt, ist es ein Jammer, dass Universal diese Aufnahmen niemals remastered hat, ich bin mir sicher, dass da klanglich noch mehr rauszuholen wäre.


    Viele Grüße,
    Christian

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  • Lieber Christian,


    vielen Dank für dein Ergänzung zu der 1964er-Aufnahme. Ich will noch einmal das Alter ins Spiel bringen, und zwar sowohl des Pianisten, als auch des Rezipienten. Ich hätte in deinem Alter wahrscheinlich auch einen anderen Temposchwerpunkt gewählt. Aber nun bin ich nur 13 Jahre jünger, als Arrau bei seiner späten Aufnahme war. Rubinstein war dagegen noch 7 Jahre jünger als Arrau bei seiner Aufnahme. Er war erst 76 :D .
    Nein im Ernst: Ich finde aus meiner Sicht nicht, dass bei Arrau das Motiv auseinanderfällt, sondern er spielt es halt sehr deutlich in seiner inneren Verlangsamung: Halbe-Sechzehntel-Achtel-Viertel und in seiner rhythmischen Wandlung: Non Legato-Legato-Staccato. Ich finde überhaupt, dass Arrau sehr gewissenhaft ist in seiner rhythmischen Gestaltung, ebenso wie in seiner Dynamik und in seiner Tempogestaltung.
    Insofern finde ich wohl, dass er sich in diesen 22 Jahren weiterentwickelt hat, zwar auch in eine philosophische Sphäre, wie sie ja auch dem späten Brendel nachgesagt wurde, aber warum sollte das bei Arrau falsch sein?
    Brendel ist übrigens auch dafür bekannt, ähnlich wie Wand bei Bruckner oder eben Arrau, dass er durchgehend feste temporale Vorstellungen hatte. Mal schauen, wie sich das hier darstellt. Er ist ja bald an der Reihe, und in seinen drei Einspielungen ist er im Kopfsatz ganze 14 Sekunden auseinander, im langsamen Satz ganze 37 Sekunden, Arrau 30 Sekunden.
    Arrau schrieb übrigens in einem Beethoven-Aufsatz aus dem Jahre 1970 zum langsamen Satz: "So weist der langsame Satz der Soante Nr. 3 schon ganz am Anfang von Beethovens musikalischer Entwicklung auf die leidenschaftlichen Tiefen der späten langsamen Sätze hin" (Joachim Kaiser, S. 74 unten). Und ich finde, diese leidenschaftlichen Tiefen sind im bedachtsamen Tempo eines Claudio Arrau tiefer als bei geradezu "hurtigen Adagios".
    Du hast natürlich jedes Recht der Welt, hier zu anderen Einsichten zukommen und hast natürlich sicherlich auch aus deiner Sicht Recht damit. Aber seien wir doch froh, dass das so ist, dass diese Sonate wie eigentlich jede Beethovens unterschiedliche temporale Deutungen zulässt und auch unterschiedlichen Ansichten dazu.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi, ich finde es ganz wunderbar, Dank Deiner tollen Besprechungen zum genauen Nachhören dieser Meisterwerke angeregt zu werden. Ich bin ein großer Arrau-Bewunderer, er gehört zu meinen Favoriten, auf die ich immer wieder zurückkomme. In diesem Fall ziehe ich ganz einfach seine ältere Aufnahme vor. Mir ist bekannt, dass er die Hammerklaviersonate nicht noch einmal digital aufgenommen hat, aber wusstest Du, dass es, versteckt in der Box THE LISZT LEGACY eine zweite, etwas ältere Aufnahme von ihm gibt (natürlich sind die Anlagen gleich)? Darüber werden wir dann ja zu reden haben, wenn wir zu dieser Sonate kommen. Gegen langsame Tempi habe ich überhaupt nichts, ist für mich keine Frage des Alters, mal abgesehen davon, dass ich so jung auch nicht mehr bin. Das Tempo muss halt organisch stimmig sein und sollte keinen gewollten Konzept unterliegen (das stört mich bei Korstick etwas).


    Viele Grüße,
    Christian


  • Beethoven, Sonate Nr. 3 C-dur op. 2 Nr. 3
    Vladimir Ashkenazy, Klavier
    AD: 1974
    Spielzeiten: 9:58 - 8:32 - 3:13 - 5:04 --- 26:47 min.


    Vladimir Ashkenazy beginnt den Hauptsatz mit enormem Brio, wobei vor allem sein Legatospiel zu loben ist, ohne jedoch die Wechsel mit Staccato und Non-Legato zu vernachlässigen, Sehr schön lässt er auch die Sforzandi aufscheinen. sie unterbrechen den Fluss nicht, sondern strukturieren ihn, und auch seine Fortissimopassage mit den Alerten Sechzehnteln ab Takt 13 ist ausreichen kraftvoll bis zum zweiten Fortissimo, hin zum Seitenthema.
    Und sein Seitenthema ist voll mozartinischer Leichtigkeit, so dass man fast vergessen mag, dass es in Moll steht und eigentlich melancholisch klänge. Und so ist denn auch der Schritt zur zweiten Hälfte, dem Dolce, gar nicht so groß, und hier darf er so recht in einem betörenden Legato schwelgen, das dann im letzten Viertel ab Takt 61 in eine mitreißende Non-Legatopassage mündet, die nicht nur von berstendem brio, sondern auch von großartiger Dynamik erfüllt ist. Mit einer großartigen rhythmisch wie dynamisch fesselnden Schlussgruppe rundet er die Exposition ab und wiederholt selbstverständlich diese grandios gespielte Exposition.
    Also, diese wesentlich schneller als von Arrau gespielte Version gefällt mir ebenfalls ausnehmend, wobei eben der Schwund und der temporale Impetus im Vordergrund stehen.
    Die Durchführung tut ein Übriges, nach der leisen und zarten Einleitung lässt er eine prachtvoll glockige Sequenz mit großen Kraftentfaltung im ersten Zentrum folgen, die in einem berührenden Calando zum zweiten Zentrum überleitet, das den Themenbeginn kunstvoll durchführt, eine Sequenz, in der Ashkenazy zeigt, wie viel er auch von Rhythmik versteht Das ist in Teilen eine wahre Staccato-Demonstration, und die Endphase der Durchführung führt er in kecken Wiederholungen der Thementeile zur Reprise hin.
    Hier ist auch seine Lesart der Synkopensequenz besonders hervorzuheben. Das ist hohe Klavierkunst, auch die zum Seitenthema führende Sechzehntelsequenz mit den eingestreuten Zweiunddreißigstel-Sextolen, das er nochmal mit der gleichen Leichtigkeit folgen lässt wie in der Exposition und nochmal ein ebenso grandioses Dolce anschließt. und dann eine berauschende Schlussgruppe.
    Und die erste Phase der dann folgenden Coda ist schier überwältigend, wie er sie aus einem mindestens Pianopianissimo langsam aufsteigen lässt und dann in den Takten 228 bis 232 kunstvoll crescendiert und acceleriert und dann die kurze Kadenz in Takt 232 folgen lässt zur 2, Phase der Coda hin die er hochrhythmisch in machtvollen Oktavwechseln ausklingen lässt.
    Eine herausragender Kopfsatz!


    Ashkenazy findet in seiner Tempogestaltung einen Mittelweg zwischen der 11 Jahre zuvor entstandenen Rubinsteinaufnahme und der 12 Jahre später entstanden späten Arrauaufnahme.
    Dynamisch beschreitet er einen anderen Weg. Er beginnt im tiefen Pianissimo und hebt erst in Takt 9 mit Auftakt die Stimme an, spielt die beiden letzten Takte in Teil a praktisch als Überleitung zum Teil b, der im Diskant durchgehend in Zweiunddreißigsteln gespielt wird. Auch dynamisch hebt er diesen Teil nicht nur auf Piano an, sondern bringt auch in den unterschiedlich oktavierten Begleitstimmen zusätzliche dynamische Bewegung hinein. Den Takt 25 sieht er wieder, wie die Takte 9/10 als Übergang, auch dynamisch, an und bereitet hier in der zweiten Takthälfte schon auf das eigentlich folgende Fortissimo vor, das aber in seinen dynamischen Gesamtkonzept "nur" ein Forte wird, was aber auf diese Weise in seinem lyrisch-leisen Konzept nicht aus dem Zusammenhang herausfällt. So ist das ebenfalls grandios gespielt und führt zu einer folgerichtig wieder "unerhört leisen" Reprise in verkürzter Form (Teil b in Teil a integriert). Doch diesmal gibt es nur zwei ff-Takte, und hier greift er dann auch beherzt zu, um dann wieder eine phänomenale pp-Passage anzuschließen, mit einer ganz entzückenden Vorschlagnoten-Sequenz (Takt 69 mit Auftakt bis Takt 70) und zwei rechtschaffenen ff-Takten Takt 72 mit Auftakt und wunderbarem anschließenden gebrochenen Akkord Takt 72 auf der Zwei- und seine Portato-Kurzcoda ist beinahe nicht mehr von dieser Welt.
    Man muss sich auf Ashkenazys unerhört poetisches Spiel einlassen, um auch diesen Satz herausragend zu finden. ich habe es getan.


    Im Allegro gibt er seine vornehme dynamische Zurückhaltung auf, und auch diesmal glaube ich, dass er richtig gehandelt hat.
    Hier klingt das männlich kraftvoll und darf es auch. und durch seine überragende Rhythmik weist der zweite Abschnitt des Allegros m. E. schon auf die romantische Kobold-Welt Mendelssohns voraus- welch ein überragender Einfall! Und das Trio- wieder männlich kraftvoll, konstant fließend in einem unaufhaltsamen Dreiertakt mit einem starken ff-Schlussabstieg, dem er dann das Scherzo Da Capo folgen lässt.
    Und auch hier ist der Übergang vom Da Capo zur Coda mit den ff-Doppelschlägen unglaublich und mündet in eine frappierende Morendo-Coda.


    Im abschließenden Allegro assai ist Ashkenazy etwas langsamer als Rubinstein, aber erheblich schneller als Arrau.
    Hier fällt im Hauptsatz sofort wieder seine unerhört präzise rhythmische Gestaltung im Zusammenspielt von Staccato un Legato auf, und auch dynamisch gefällt mir das über die Maßen. Auch der seitensatz, wo sich das Staccato ja in Non-Legato gewandelt hat und so mehr Fluss vorherrscht, allerdings auch mehr dynamische Abwechslung, trifft er das Geschehen wieder ganz hervorragend, das rhythmisch am Ende des Seitensatzes wieder zum Staccato zurückkehrt.
    Auch die Rückleitung mit ihren eigenwilligen musikalischen Formen in Rhythmik, Dynamik und Melodik fügt er nahtlos in den Ablauf ein und leitet zum Dolce-Mittelteil. In ihm wird das thematische Material wunderschön variiert, auch mal nach moll gewechselt, was Ashkenazys lyrischen Fähigkeiten wieder sehr entgegenkommt.
    Im reprisenförmigen Abschnitt ab Takt 181 stürzt sich Ashkenazy mit hörbarem Vergnügen wieder in die rhythmische Ambivalenz von Staccato und Legato und in die gesteigerte Dynamik, wobei sich die rhythmische Kurve im Seitensatz wieder etwas abbaut, der temporale Vorwärtsdrang und die Spiellust jedoch keinen Moment nachlässt und alles der hochvirtuosen Coda zustrebt, einer nochmaligen rhythmischen und dynamischen Überhöhung des Hauptsatzes mit den großartigen Trillern , den raffinierten Achtelintervallen, den ff-Oktav-Akkorden, den nochmaligen teilweise parallelen Trillern, Calando und Rallentando und Tempo I zum Schluss, alles, was das Herz begehrt, auf komprimierten Raum und von Beethoven selbstverständlich geliefert, von Ashkenazy kongenial umgesetzt.
    Eine herausragende Interpretation, die ich noch etwas höher ansiedeln möchte als die vorhergehenden.



    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Zitat

    Christian B: Lieber Willi, ich finde es ganz wunderbar, Dank Deiner tollen Besprechungen zum genauen Nachhören dieser Meisterwerke angeregt zu werden. Ich bin ein großer Arrau-Bewunderer, er gehört zu meinen Favoriten, auf die ich immer wieder zurückkomme. In diesem Fall ziehe ich ganz einfach seine ältere Aufnahme vor. Mir ist bekannt, dass er die Hammerklaviersonate nicht noch einmal digital aufgenommen hat, aber wusstest Du, dass es, versteckt in der Box THE LISZT LEGACY eine zweite, etwas ältere Aufnahme von ihm gibt (natürlich sind die Anlagen gleich)? Darüber werden wir dann ja zu reden haben, wenn wir zu dieser Sonate kommen. Gegen langsame Tempi habe ich überhaupt nichts, ist für mich keine Frage des Alters, mal abgesehen davon, dass ich so jung auch nicht mehr bin. Das Tempo muss halt organisch stimmig sein und sollte keinen gewollten Konzept unterliegen (das stört mich bei Korstick etwas).


    Lieber Christian,


    Ich habe gerade die List Legacy nachgeschaut, da sind ja mehrere Aufnahmen von Arrau drauf, Hammerklavier, Pathéique, Mondschein, Appassionata und Les Adieux. Ich glaube kaum, dass eine dabei ist, die ich noch nicht habe. Wenn du diese Box hast, sind darauf die Aufnahmedaten der Beethoven-Sonaten verzeichnet? ich könnte dann vergleichen, ob ich sie schon habe.


    Liebe Grüße


    Will

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Ich habe mir die Box jetzt doch bestellt, weil weiter unten stand, dass die Aufnahmen von Arrau bisher nicht veröffentlicht wurden, und außerdem ist ja noch Moissewitsch ebenfalls mit Beethoven vertreten und zwar Mondschein und Les Adieux (wie auch Arrau), dazu jede Menge Schumann und Alicia de Larrocha mit Grandaos und Mompou, dessen heutigen Protagonsiten Arcadi Volodos ich ja schon live mit Mompou erlebt habe, dazu weitere unbekannte Trouvaillen, ich denke die Sache lohnt sich.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Ich habe mir die Box jetzt doch bestellt, weil weiter unten stand, dass die Aufnahmen von Arrau bisher nicht veröffentlicht wurden, und außerdem ist ja noch Moissewitsch ebenfalls mit Beethoven vertreten und zwar Mondschein und Les Adieux (wie auch Arrau), dazu jede Menge Schumann und Alicia de Larrocha mit Grandaos und Mompou, dessen heutigen Protagonsiten Arcadi Volodos ich ja schon live mit Mompou erlebt habe, dazu weitere unbekannte Trouvaillen, ich denke die Sache lohnt sich.


    Liebe Grüße


    Willi :)


    Ja, die Aufnahmen von Arrau waren bislang unveröffentlicht und stammen aus einem Beethoven-Zyklus, der dann nicht vollendet wurde. Von der Anlage her sind die Interpretationen aber wie die späteren Aufnahmen. Ich finde, es ist eine tolle Box!


  • Beethoven, Sonate Nr. 3 C-dur op 2 Nr. 3
    Wilhelm Backhaus, Klavier
    AD: 4/1969
    Spielzeiten: 7:18 - 5:52 -3:01 - 5:18 --- 21:29 min.


    Wilhelm Backhaus spielt diese Sonate nur knapp drei Monate vor seinem Tod, und unter diesem Aspekt nötigt seine Leistung großen Respekt ab. Er zählt im Allegro con brio zu den Schnelleren, jedenfalls, wenn man die Tatsache außer Acht lässt, dass er ja die Exposition grundsätzlich nicht wiederholt, ist er nicht nur schneller als Rubinstein und vor allem Arrau, sondern auch noch schneller als Ashkenazy.
    Allerdings fallen mir auch hier einige Abweichungen im dynamischen Bereich auf. So fehlt mir in der zweiten ff-Passagen des Hauptsatzes Takt 25 gegenüber seinen Kollegen doch etwas an Kraft und hier und da (z. B. Takt 20 in der Begleitung) etwas die dynamische Kontur.
    Das Seitenthema gefällt mir sowohl in der ersten leicht melancholischen Hälfte als auch in der zweiten Hälfte im Dolce sowohl im Legato- als auch im Non-Legato-Teil sehr gut, auch in der dynamischen Gestaltung. Auch rhythmisch ist die Dreiteilung in der zweiten Hälfte: Legato-Nonlegato-Staccato m. E. prima gespielt.
    Auch die anspruchsvolle Schlussgruppemit ihren Trillerketten und Oktavwechseln spielt er sehr aufmerksam und dynamisch hochstehend.
    Leider wiederholt er wie gesagt die Exposition nicht. Sonst wäre er auf eine Satzzeit von 9:44 min. gekommen.
    In der Durchführung bereitet er das erste Zentrum, durch die vorgeschalteten Triller aufmerksam vor.
    Hier kommen die Forteschläge zum jeweiligen Taktbeginn sehr ordentlich, nur das Calando am Ende dieser Passage, das er korrekt decrescendiert, könnte noch mehr retardiert sein.
    Das zweite, dynamisch und rhythmisch sehr hochstehende Zentrum spielt er jedoch ausgezeichnet, und auch die Endphase der Durchführung gefällt mir rhythmisch wie dynamisch.
    In der Reprise spielt er die Elemente der Exposition noch einmal sehr aufmerksam, auch die neu hinzu gekommene Synkopensequenz (Takt 147 bis 154) sowie die beiden Hälften des Seitenthemas. und die vor allem die virtuose Schlussgruppe.
    Die 1. Phase der Coda leitet er mit einem kraftvollen Fortissimopiano ein und spielt anschließend sehr beeindruckende Arpeggien und schließt sie mit einem ebenso beeindruckenden Fortepiano ab, und spielt auch die abschließende Kurzkadenz ganz hervorragend. Ebenso gefällt mir die zweite Codahälfte mit ihren hochrhythmischen und dynamisch kontrastreichen Oktavakkorden in den Vierteln und anschließenden Oktavwechseln in den Sechzehnteln ganz ausnehmend.
    Ein im Großen und Ganzen beeindruckend gespielter Satz, der nur um 2:26 Minuten zu kurz ausgefallen ist!


    Das Adagio gefällt mir dagegen nicht. Es ist m. E. viel zu schnell gespielt, da scheint er Gulda nachzueifern, der die Sonate zwei Jahre vor ihm aufgenommen hat. Wenn man dagegen Rubinstein hört, der nochmal vier Jahre vor Gulda die hier besprochenen Aufnahme gemacht hat, glaubt man, in einer ganz anderen Welt zu sein. Hier bei Backhaus teilt sich mir die musikalische Tiefe, die dem Satz innewohnt und die Rubinstein zu einem äußerst tief reichenden und schönen Gesang entfaltet, nicht mit. Vor allem im Teil b (Zweiunddreißigstel) fehlt dieser Rubinsteinsche Zauber völlig. Hinzu kommen noch Temporückungen, die aus der Partitur(hier ab Takt 16) nicht zu erklären sind. Das klingt m. E. schon eher wie eine Etüde. Auch dynamisch kommen m. E. die ff-Passagen zu kurz
    Im reprisenförmigen Teil wird der Eindruck etwas abgemildert, aber dennoch ist das auch hier zu schnell. Rubinstein ist zwei Minuten langsamer, Ashkenazy fast drei und Arrau vier bzw. viereinhalb. Und sie nutzen diese Zeit. Auch hier im Reprisenteil (ab Takt 55) fällt die Zweiunddreißigstel-Passage wieder durch ihre, ja man möchte sagen, Hast und Eile auf. Das ist teilweise wirklich schön gespielt, nur im falschen Tempo.
    Am ehesten gefällt mir noch ganz am Schluss die wundersame Coda.


    Da gefällt mir das Scherzo schon besser, das auch temporal passt. Dennoch fällt mir auch hier eine Unregelmäßigkeit schon zu Beginn des zweiten Teils, etwa ab Takt 21, crescendiert, obwohl dort kein crescendo notiert ist. So ist er schon mitten in den Oktavgängen und nicht erst in Takt 27, beim Forte angelangt. Auch im weiteren Verlauf, zwischen Takt 49 und 55 fällt mir diese dynamische Ungenauigkeit auf.
    Das Trio mit seinem rauschenden Dreiertakt gefällt mir dagegen wieder viel besser. Da spielt er wunderbar geradeaus, rhythmisch, dynamisch- alles in Ordnung.
    Im Scherzo Da Capo sind wieder die gleichen dynamischen Ungenauigkeiten festzustellen wie zu Beginn, aber dann geschieht doch noch ein Wunder- die wundersame Coda, nach allem, was ich bisher gehört habe- wie von einem anderen Stern!


    Im Finale ist er langsamer als Ashkenazy und vor allem als Rubinstein, aber schneller als Arrau.
    Der Hauptsatz gefällt mir ausnehmend, rhythmisch wie dynamisch. Auch den Seitensatz spielt er sehr kontrastreich und mit fließenden Bögen und auch im Nonlegato fließend. Die Überleitung ist rhythmisch eine Delikatesse.
    Die hochvirtuose Rückleitung (Takt 70 bis 102) spielt er glänzend. Er hat es also pianistisch durchaus noch drauf. Im Mittelteil ab Takt 103 gerate ich regelrecht ins Schwärmen. Wie lässt er es da fließen, welche lyrischen Zeichen setzt er dort, und wie wunderbar variiert er das Thema durch die Oktaven und in Dur und Moll, und wie leichtfüßig nähert er sich der Reprise. Man möchte fast meinen, das sei eine ganz andere Aufnahme.
    Der Hauptsatz der Reprise, vor allem die Sechzehntel-Sequenz ab Takt 196, ist ebenfalls atemberaubend, auch der Seitensatz- unglaublich. Ich bin so erschüttert, dass ich einen Augenblick innehalten muss.
    Und dann die Coda- unglaublich! Wie kann es so etwas geben?


    Nach meinen Unterlagen war dies zusammen mit den Sonaten Nr. 14, 16, 24 und 27 die letzte Aufnahme vor seinem Tod, und deswegen enthalte ich mich hier jeder Wertung. Ich habe alles gesagt.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Beethoven, Sonate Nr. 3 C-dur op. 2 Nr. 3
    Paul Badura-Skoda, Klavier
    AD: 1969
    Spielzeiten: 9:31 - 6:47 - 3:17 - 5:03 --- 24:38 min.


    Paul Badura-Skoda ist im Kopfsatz noch einmal etwas schneller als Backhaus und somit der dritte, der unter 10 Minuten rauskommt.
    Allerdings ist sein Spiel schon in der Exposition rhythmisch prägnanter als das von Backhaus. Übrigens, beide Aufnahmen sind im gleichen Jahr entstanden.
    Badura-Skoda spielt auch dynamisch brillant und sehr transparent, außerdem mit fulminantem Brio, und seine Legato-Fähigkeiten schlagen sich schon im Seitenthema nieder, und das Dolce streicht er noch dadurch heraus, dass er dynamisch zurückgeht und das Legato noch weicher, fließender spielt.
    Das Crescendo ab Takt 59 spielt er m. E. bis hierhin vielleicht am markantesten. Im letzten Viertel des Seitenthemas zeigen sich auch seine rhythmischen Fähigkeiten in besonderer Weise. Und er schließt eine berauschende Schlussgruppe an. Und natürlich wiederholt er die Exposition, und hier fällt mir wieder auf, wie klar auch die teilweise dichte Begleitung aufscheint.
    Die Einleitung der Durchführung spielt er auch im gehörigen dynamischen Kontrast, und die Glockenschläge in den Bassoktav-Akkorden spielt er mit veritabler Kraft und führt das Geschehen in einem schönen Calando zurück.
    Das rhythmisch sehr anspruchsvolle zweite Durchführungszentrum spielt er mitreißend, ebenso wie die wundersame Endphase der Durchführung mit den absteigenden Sforzandi zum Schluss.
    Auch die Synkopensequenz nach der Themenwiederholung ist vom Feinsten, desgleichen nochmals das Seitenthema, in dem er besonders im Dolce das Klavier wieder zum beseligenden Singen bringt. Wie selbstverständlich er da die dynamischen Akzente einflicht und es fließen, fließen, fließen lässt!
    Im letzten Viertel des Seitenthemas erhöht er nochmals den dynamischen Druck, auch hier wieder jede dynamische Änderung, wie das Rinforzando in Takt 213, selbstverständlich beachtend. hier wird nichts eingeebnet.
    Und die erste Phase der Coda erhebt sich auch bei ihm nach dem massiven ffp-Schlag aus dunklen Pianissimo-Gründen und endet in einem ebensolchen massiven Schlag am Beginn von Takt 232 nach wunderbar ausgeführten Arpeggien. Auch bei ihm wirkt der temporale Kontrast durch die mit virtuoser Schnelligkeit ausgeführte Kurzkadenz in Takt 232 ungeheuerlich, und die zweite Phase der Coda führt er m. E. bisher am machtvollsten aus- grandios wie der ganze Satz!


    Im Adagio trübt sich das bisher so überaus positive Bild in meinen Augen etwas, weil er hier doch arg schnell ist, zwar eine knappe Minute langsamer als Backhaus und Gulda, aber eine Minuten schneller als Rubinstein, zwei Minuten schneller als Ashkenazy und drei Minuten schneller als Arrau. Davon abgesehen spielt er allerdings mit dennoch ausreichender Ruhe.
    Kritisch wird es nur in solchen Passagen wie dem Teil b (Zweiunddreißigstel). Da wird es dann temporal grenzwertig, ist der Adagio-Eindruck arg in Gefahr. Ausdrucksmäßig ist dies dennoch sehr starkes Spiel, und dynamisch schlägt besonders sein Mut zum Fortissimo eindrucksvoll zu Buche ab Takt 26.
    Die Seufzer-Charakteristik dieses ganzen Abschnitts im permanenten ff-p-Wechsel hat er jedenfalls sehr schön eingefangen. Dies bestätigt er auch im Reprisen-Teil ab Takt 43 (Teil a mit integriertem Teil b) auf eindrucksvolle Weise, und er spielt in den abermals massiven ff-Takten 53 und 54 die mittleren Staccato-Akkorde auch präzise so, wie es gehört. Nach der neuerlich etwas sehr schnellen Zweiunddreißigstel-Sequenz spielt er sehr schöne die Coda einleitende Vorschlagsnoten-Takte und dann eine traumhafte Coda. Das ist ja doch noch mal etwas ganz Anderes als das vorher Gehörte - noch einmal davongekommen!


    Im Scherzo ist er langsamer als Ashkenazy und Backhaus und nur etwas schneller als Rubinstein, spielt einen sehr diesseitigen, klaren Klang mit maximalem dynamischem Kontrast. Das ist auch klassisch geerdeter Klang, der nicht in die romantische Mendelssohn-Richtung geht.
    Und rhythmisch ist das ganz großartig gespielt. Auch das Trio spielt er glänzend mit ganz großem Bogen und kraftvollem sonoren Klang und Vorwärtsdrang, dynamisch eh' wieder an der Oberkante.
    Dann schließt er das Scherzo Da Capo an.
    Allerdings ist seine Coda nicht so morendo-haft wie die Ashkenazys, aber vergessen wir nicht, dass dessen ganzer dynamischer Ansatz lyrisch-zarter ist als der diesseitige Ansatz Badura-Skodas. Beide Ansätze haben m. E. ihre Berechtigung. Es kommt hier nur darauf an, wie gut es gespielt ist, und es ist in beiden Fällen unglaublich gut gespielt.


    Im Finale ist Badura-Skoda sozusagen zeitgleich mit Ashkenazy, also etwas langsamer als Rubinstein und schneller als Backhaus.
    Auch hier legt er wieder ein durchaus diesseitiges Piano vor, und auch rhythmisch ist das wieder auf höchstem Niveau. Nach dem rhythmisch-dynamisch sehr überzeugenden Hauptsatz schließt er einen ebenso überzeugenden, die Oktaven durchkreuzenden Seitendsatz vor, der alsbald mit einem kecken Staccato-Auf und-Ab in die Rückleitung führt. Dies hat es wiederum in sich, mit kühnen Sextgängen beginnend und dann in der Begleitung zu Oktavgängen wechselnd und schließlich in den rhythmisch äußerst überzeugenden Achtel-Intervallen ab Takt 96 (zum Teil in beiden Oktaven) in den lyrischen Dolce-Mittelteil (was man auch wieder als Seitenthema bezeichnen könnte) und was im Themenwechsel ungeheure Spielfreude offenbart, von Badura-Skoda unglaublich gespielt. Und weil das ganze so schön ist, wird es mehrfach wiederholt, wechselt die Oktave und auch mal das Tongeschlecht, und das alles in höchstem Fluss. Gerade in der Spielweise Badura-Skoda wirkt dieses feurige Spielstück besonders glänzend, wozu die häufigen Rhythmuswechsel in dieser präzisen Spielweise besonders beitragen. Sehr beeindruckend sind in diesem Reprisenteil wieder die Sechzehntelkaskaden ab Takt 196 und im Seitensatz die Achtelfiguren im Diskant, die nun ihrerseits von den Sechzehnteln im Bass umspielt werden, wobei man hier das Gefühl hat, dass es genau das richtige Tempo ist, das diesen typischen Spielcharakter so überzeugend darstellt.
    Und dann der umgewandelt Hauptsatz als kunstvolle Triller-Coda - an deren Ende er uns das Calando und das anschließende Rallentando vollendet als Schlussschmankerl serviert - herausragend.


    Ich habe das Gefühl, dass diese Interpretation derjenigen Ashkenazys in nichts nachgestanden hätte, wenn sich Badura-Skoda im Adagio etwas mehr Zeit gelassen hätte.



    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Beethoven, Sonate Nr. 3 C-dur op. 2 Nr. 3
    Daniel Barenboim, Klavier
    AD: 1966-69
    Spielzeiten: 10:34-8:58-2:58-5:18 --- 27:48 min.;


    Daniel Barenboim ist im Kopfsatz schneller als Arrau, aber langsamer als Ashkenazy und Badura-Skoda und nur etwas langsamer Als Rubinstein. Wenn Kaiser sagt, dass Barenboim im Adagio Beethovens Staccato-Vorschriften missachtet, so gilt das auf jeden Fall nicht für die Exposition im Kopfsatz.
    Dynamisch beginnt er ihn moderat in den ersten 12 Takten, erst mit Beginn der ff-Sequenz langt er kräftig zu. In der ersten Hälfte des Seitenthemas lässt er es schön fließen, auch hier die Staccati beachtend. In der zweiten Hälfte, im Dolce, bringt auch er sein Instrument in berührender Weise zum Singen und zeichnet den rhythmischen Verlauf: Legato-Non Legato-Staccato, wie ich finde durchaus aufmerksam nach. Auch die Schlussgruppe spielt er dynamisch und rhythmisch sehr kontrastreich.
    Natürlich wiederholt Barenboim auch die Exposition. Auch in den Legatopassagen beachtet er sehr aufmerksam die dynamischen An- und Abstiege. und spielt das letzte Viertel des Seitenthemas dynamisch sehr hochstehend.
    Die Durchführung leitet er dynamisch und rhythmisch sehr kontrastreich ein und gestaltet dann das 1. Zentrum sehr glockig und kraftvoll, schließt mit einem wunderbaren Calando ab. Im 2. Zentrum gestaltet er die rhythmischen Kontraste geradezu vorbildlich, wie ich finde. In der Endphase der Durchführung kommen noch hochdynamische Kontraste hinzu.
    Ein weiteres Paradebeispiel für seine sorgfältige Rhythmusbehandlung ist die Synkopensequenz. Auch das Seitenthema wiederholt er sehr partiturgetreu. Das Dolce ist wieder beseligender Gesang mit einer sich nahtlos anschließenden mitreißenden Schlussgruppe.
    Die erste Hälfte der Coda entwickelt er aus einem geheimnisvoll-dunklen Pianissimo, gleitet in moderate Arpeggien, der ganze Abschnitt eingeschlossen von zwei kraftvollen ffp-Akkorden und schließt eine virtuose temporal sehr kontrastreiche Kurzkadenz an, gefolgt von der 2. Phase der Coda in rhythmisch wiederums ehr eigenwilligen Gewand mit hochdynamischem und -rhythmischen Schluss.


    Im Adagio muss ich Kaiser Recht geben, da missachtet Barenboim in der Tat die Staccati im Thema in Takt 1, 2, 5 und 6 (vgl. Kaiser, S. 75 unten und 76 oben). Warum Barenboim dies tut, erschließt sich mir nicht. vielleicht ist es ja tatsächlich der Grund, den Kaiser annimmt.
    Dass Barenboim jedoch keine atmende Bewegung in diesem Satz erzeugt, wie Kaiser meint, vermag ich nicht zu erkennen. ich höre schon eine Bewegung, allerdings eine langsam atmende, wie es im Adagio gehört. Ich kann auch nicht sehen (hören), dass die einzelnen Phrasen sich isolieren.
    In den ff-p-Wechseln entwickelt Barenboim wieder kraftvolle Glockenschläge und fährt zwischendurch organisch ins p zurück.
    Im reprisenförmigen Teil verfährt Barenboim dann jedoch wieder wie vor, indem er die Staccati vermeidet, sondern die jeweils dritte und vierte Sechzehntel eher noch wie eine kleine Fermate spielt.
    Dafür sind die beiden Fortissimo-Takte wieder sehr machtvoll. Die Zweiunddreißigstel-Sequenz spielt er wieder sehr seelenvoll. Die kurze Vorschlagsnotenstelle (Takt 69/70) spielt er sehr schön, kraftvoll die ff-Akkorde in Takt 71 und 72. Er endet mit einer überirdischen Portato-Kurzcoda.
    Bis auf die rhythmischen Fragezeichen ein, wie ich finde, sehr gelungener kontrastreicher Satz!


    Im Scherzo Allegro weiß Barenboim die Staccati auch wieder zu schätzen. Das ist schneller als Ashkenazy, Badura-Skoda und vor allem als Rubinstein. und einfach mitreißend gespielt, und zwar in beiden Teilen des Allegros.
    Und im Trio erzeugt er einen großen rhythmischen Kontrast. In den Achteltriolen lässt er den Dreiertakt wunderbar wiegen. und wiederholt dann natürlich das Scherzo Da Capo. Der Codaanschluss ist grandios und erst die Coda selbst- welch ein Morendo!
    Ein herausragend gespielter Satz!


    Im Finale ist Barenboim etwas langsamer als Rubinstein, aber auf einer Höhe mit Ashkenazy und Badura-Skoda. Hier lässt er es schön hüpfen, schnurren und fließen, hier wechseln sich Staccato und Legato rasch ab, geht es dynamisch sehr kontrastreich zu. Im Seitensatz spielt er trotz des durchaus raschen Tempos die Sechzehntel im Diskant vor dem jeweils zweiten und dritten Sforzando, Takt 31, 33, 41 und 43 sehr aufmerksam. Nr. deswegen sind mir diese Schmankerl aufgefallen. Manches merkt man eben nicht sofort.
    Auch die Rückleitung, die durchaus durchführende Elemente aus Thementeilen enthält, spielt er auf hohem dynamischen und rhythmischen Niveau. Die abschließenden Achtel-Intervalle sind vom Feinsten. Den Dolce-Mittelteil mit zunächst 3/8-Themen-Akkorden im Diskant, die er sehr schön singen lässt, umspielt er in der Wiederholung, da das Thema im Bass ist, im Diskant mit hell funkelnden Achtelintervallen- wunderbar, und nach der Sforzandokette Takt 119 bi 126 spielt er auch die dritte Variation mit den Akkorden im Diskant und den Achtelintervallen im Bass- wunderbar, und in der nächsten Variation findet ein zweimaliger wechsel statt, der so organisch geschieht, dass es eine Freude ist.
    Am Ende dieser Variationenkette spielt Barenboim einen sehr kecken zweimaligen Anlauf im Staccato hin zum reprisenförmigen Hauptsatz. Auch hier geht er wieder mit jugendlich frischer dynamischer Verve zu Werke. Herrlich seine Sechzehntelkette Takt 197 mit Auftakt wieder in die Themenwiederholung hinein, bevor nach der absteigenden Oktavkette im Fortissimo der Seitensatz wiederholt wird. Hier fallen wieder die trillernden Sechzehntel (siehe oben) positiv auf, nur dass diesmal (Takt 219, 221, 229, 231, 233) ein Takt mehr diese Eigenart enthält, wieder ein Beispiel für die schier grenzenlose Spielfreude Beethovens (und Barenboims) in diesem Satz.
    Und dann diese fantastische Triller-Coda- fantastisch gespielt, bis hin zu dem Calando und Rallentando und dem letzten Fortissimo-Kehraus-Schwung!


    Eine doch zumeist grandiose Einspielung!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Beethoven, Sonate Nr. 3 C-dur op. 2 N3. 3
    Arturo Benedetti Michelangeli
    AD: Juni 1941
    Spielzeiten: 7:40-7:10-2:47-4:35 --- 22:12 min.;


    Arturo Benedetti Michelangeli beginnt diese 75 Jahre alte Aufnahme eher im Mezzoforte als im Piano. Dafür könnte das erste Sforzando in Takt 6 auffälliger sein. Die übrigen Sforzandi sind prägnanter und die dynamischen Verläufe dann bis zum Seitenthema auch in Ordnung. Man muss natürlich eingestehen, dass der Klang nicht berühmt ist.
    Den ersten, melancholischen Teil des Seitenthemas spielt er sehr ausdrucksstark und kontrastiert rhythmisch und dynamisch beim Eintritt in die Non Legato-Sechzehntelpassage ab Takt 39. Das anschließende Dolce ist sehr berührend, und ab Takt 61 tritt wieder der oben schon beschriebene Kontrast ein. Hier geht der Einundzwanzigjährige dynamisch voll zur Sache, ebenso in der Schlussgruppe.
    Temporal ist er allerdings zwar etwas schneller als Barenboim, aber langsamer als Ashkenazy und Badura-Skoda.
    Leider Gottes wiederholt auch er die Exposition nicht. Mit ihr käme der Kopfsatz auf 10:10 min.
    Er führt sehr schön in die Durchführung ein und spielt das erste Zentrum mit klangvollen Glockenschlägen. Das Calando am Ende des ersten Zentrums spielt er überragend. Auch das zweite Zentrum ist rhythmisch und dynamisch vom Feinsten, desgleichen die Endphase der Durchführung mit einer wunderbaren absteigenden Sforzandokette.
    In der Reprise spielt er auch eine exzellente Synkopensequenz. Das Seitenthema ist wieder rhythmisch und dynamisch sehr kontrastreich. Auch die neuerliche Schlussgruppe ist unwiderstehlich.
    Die erste Phase de Coda legt er dynamisch anders an als Einige vor ihm, nicht aus diesem pp heraus, sondern eher zwischen Piano und Mezzopiano, aber nichts desto weniger dunkel geheimnisvoll und dann in den letzten vier Takten der 1. Phase crescendierend und accelerierend- das ist schon ganz große Pianistik. Auch die Kurzkadenz ist atemberaubend, und, falls überhaupt möglich, erfährt der Satz in der Satz in der 2. Phase der Coda noch eine furiose rhythmisch-dynamische Steigerung.
    Der einzige Wermutstropfen in diesem ansonsten herausragenden Satz ist das Fehlen der Expositionswiederholung, und bei dem Einundzwanzigjährigen sind ja dafür keine gesundheitlichen Gründe ins Feld zu führen, denn diese Interpretation birst vor Kraft und Brio.


    m Adagio, in dem er nur etwas langsamer ist als Badura Skoda, aber weitaus schneller als Barenboim, Ashkenazy, ja sogar als Rubinstein, fällt auf, wie bei Barenboim, dass er die jeweils 3. und 4. Sechzehntel in den Takten 1, 3, 5, 6 usw. nicht staccato spielt, aber er strukturiert dynamisch durch kaum merkliche Bewegungen, wie ich finde, sehr schön. Der Teil b gerät natürlich in Gefahr, zu schnell zu sein, zumal ABM hier in der Tat auch eine temporale Rückung vornimmt, jedenfalls nehme ich das akustisch so wahr. Der Übergang in den ff-Abschnitt ist wieder kolossal beeindruckend. Allerdings spielt er die dritte ff-Stelle in Takt 32/22 nicht mehr im Fortissimo, sondern im Piano, warum auch immer.
    Im reprisenförmigen Teil a' mit integriertem Teil b imponieren wieder die massiven ff-Takte 53 und 54, allerdings ist dann auch wieder die Temporückung ab Takt 55 wieder, wie ich finde, auf des Messers Schneide. Das ist schon fast kein Adagio mehr, obwohl mir hier andererseits die dynamischen Bewegungen sehr gut gefallen. Die Vorschlagssequenz (Takt 69/70), obwohl auch in Zweiunddreißigsteln, ist deutlich langsamer als der vorhergehende Teil b und nebenbei auch atemberaubend gespielt. Die Coda ist wie vom anderen Stern, auch bedingt durch die Agogik, die er hier an den Tag legt.
    Abgesehen von den temporalen Fragen ist auch dieser Satz grandios gespielt.


    Das Scherzo sielt er unglaublich, dynamisch, und vor allem rhythmisch auf allerhöchstem Niveau und durch einen kleinen, aber feien Kunstgriff, ein Ritartando und kaum merkliches Diminuendo auf den Takten 37 und 38- überragend. Das Trio gestaltet er in diesem unglaublichen Dreierschwung weiter, dass es einem den Atem verschlägt. Auch das Da Capo mit dem famosen ff-Übergang zur Coda und die Gestaltung dieses Beethovenschen Geniestreichs gehört zu dem Besten hier bisher Gehörten.


    Im Finale ist ABM bisher der Schnellste. Auch dieser Satz ist ein wahres Wunder. In diesem Tempo diese Präzision und Klarheit, aber auch rhythmische und dynamische Gestaltung, das ist schon ganz große Gestaltungskunst, wie sie nur Wenigen in den Schoß fällt. ABM gehört dazu.
    Hauptsatz und Seitensatz bersten vor Spielfreude, und das Ganze auf höchstem virtuosen Niveau.
    Auch die hochvirtusoe Rückleitung spiel Benedetti Michelangeli, als wenn es nichts Außergewöhnliches wäre, dabei ist es genau das Gegenteil. Da hören sich z. B. die Achtel-Intervalle (Takt 96 bis 102) nochmal anders an als bei den Vorgängern.
    Auch der durchführungsähnliche Mittelteil, den er so fließend wie nur irgend möglich bei gleichzeitiger größter Klarheit spielt, zeugt von der Größe dieses Satzes und der Größe seines Interpreten.
    Fließend geht es auch in den neuerlichen, hier reprisenförmigen Hauptsatz. Höchst beeindruckend sind hier neben den permanenten Staccato-Oktaven auch die Legato-Sechzehntel ab Takt 197 mit Auftakt, samt nachfolgendem Seitensatz. Ebenso beeindruckend spielt ABM in der Folge die Sechzehntel in der Begleitung, immer mit einem inneren Schwung. So geht es in den wechselnden Achtel-Intervallen (ab Takt 235 der Coda zu.
    Hier vollbringt Arturo Benedetti Michelangeli eine letzte Großtat- die beseligenden Triller, die höchst wirksame Fermaten-Pausentakt 297 und die weiteren Fermaten und, die temporal und rhythmisch gegensätzlichen Calando und Rallentando, die er mit großer Ernsthaftigkeit und unendlicher musikalischer Tiefe spielt, schließlich die ultimativen ff-Oktavgänge- ganz herausragend!


    Ohne die temporalen Fragen im Adagio und mit Wiederholung der Exposition im Kopfsatz wäre dies sicherlich meine neue Referenz gewesen!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

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  • Beethoven, Sonate Nr. 3 C-dur op. 2 Nr. 3
    Alfred Brendel, Klavier
    AD: 1962
    Spielzeiten:10:26-7:48-3:17-5:30 --- 27:01 min.;


    Alfred Brendel spielt den Kopfsatz dieser seiner ersten Aufnahme etwa im Tempo Rubinsteins und Barenboims, die alle drei ungefähr gleichzeitig entstanden sein dürften, und er legt von vornherein Wert auf die dynamischen Verläufe und die rhythmischen Kontraste. Allerdings hätte er in der ff-Sequenz (ab Takt 13) noch etwas beherzter zupacken können. Ansonsten ist das schon sehr stark musiziert und auch klanglich sehr gut.
    Der erste Teil des Seitenthemas ist wunderbar fließend musiziert, mit leichtem melancholischen Überzug, im zweiten Teil gerät das Instrument im Dolce in ein beseligendes Singen, wobei der die dynamischen Regungen aufmerksam nachzeichnet und im letzten Viertel die dynamischen Ausschläge deutlich erhöht. Da nähert er sich doch schon Benedetti Michelangeli an. Auch die Schlussgruppe spielt er dynamisch sehr kontrastreich. Natürlich wiederholt Brendel die Exposition.
    Die Durchführung leitet er ebenfalls im pp ein und steigert dann in den Trillern auf Forte.
    Das 1. Zentrum gestaltet er auch mit klangvollen Glockenschlägen in der Begleitung und endet es mit einem behutsamen Calando.
    Das 2. Zentrum spielt auch er hochdynamisch und rhythmisch sehr prägnant. In der Endphase der Durchführung hätte er vielleicht den dynamischen Kulminationspunkt in Takt 125 noch etwas kraftvoller spielen können.
    In der Reprise besticht sein Spiel in der Synkopensequenz. Seitenthema und Dolce-Sequenz ziehen ebenso berührend an uns vorüber wie in der Exposition, die Schlussgruppe wieder mit der nötigen dynamischen Energie.
    Auch die Coda musiziert er fabelhaft, in der 1. Phase dunkel-geheimnisvoll mit schönem Crescendo und Accelerando sowie einer virtuosen Kurzkadenz, und in der 2. Phase nochmals mit der Bündelung aller rhythmischen und dynamischen Kräfte.
    Ein großartig gespielter Kopfsatz!


    Im zweiten Satz, Adagio, ist er temporal etwa bei Rubinstein, schneller als Barenboim und langsamer als ABM. Er spielt den Teil a sehr ausdrucksvoll, wobei kein Ausdruck von Hast und Eile entsteht. Auch in Teil b kann dieser Eindruck m. E. noch vermieden werden. Die Seufzer-Sequenz (Takt 19 bis 24) spielt er sehr anrührend.
    In der Fortissimo-Sequenz steht er an dynamischer Wucht ABM in Nichts nach und geht in den Takten 28, 31 und 34 sehr schön subito piano zurück. Er endet diesen Teil b dynamisch sehr schön verhauchend auf dem Akzent Takt 41/42.
    Den reprisenförmigen Teil a' mit integriertem Teil b beginnt er dynamisch sehr behutsam und steuert so die ff-Takte 53 und 54 an, die er, wie schon die vorherige ff-Sequenz, wieder sehr massiv spielt- ein höchster dynamsicher Kontrast. In der nachfolgenden Zweiunddreißigstel-Sequenz spielt er wieder bei klarer Tongebung eine sehr schöne Seufzerkette. Die dann folgende Phrase in der hohen Oktav, erst ohne, dann mit Vorschlägen, ist herausragend gespielt, auch mit gehörigem Kontrast in Takt 72 mit Auftakt. Er krönt seine pianistische Leistung in diesem Satz mit einer unglaublichen Portato-Coda, bei der ich kurz innehalten muss, so hat sie mich gefesselt.
    Ein grandios gespielter Satz.


    Brendels Allegro ist im besten Sinne ein Scherzo der "klassischen Mitte". Er will hier keine Mauern einreißen, sondern rhythmisch und dynamisch ein spielerisch bestechendes Scherzo spielen. Und das gelingt ihm, wie ich finde. Und dabei ist der dynamische Impetus trotz nicht ganz ohne. Und bei seinem mittleren Tempo im Scherzo braucht er auch im Trio keine Verrenkungen zu machen, was zu einem wunderbar ebenmäßigen Dreier führt. Natürlich spielt Brendel auch das Scherzo Da Capo.
    Wunderbar gerät auch der Übergang vom Ende des Scherzo über den dreimaligen ff-Doppelschlag in die Coda hinein, die wirklich in dieser Einspielung zu den großen Morendo-Codas gehört.
    Das klassisch-Normale kann, wie hier, bei entsprechendem Spiel auch zum Herausragenden werden.


    Im Finale ist Brendel langsamer als seine drei hier genannten Mitstreiter. Auch hier herrscht wieder klassisches Ebenmaß, spielt Brendel nichtsdestoweniger rhythmisch und dynamisch auf höchstem Niveau. Durch den zuvor gehörten Benedetti Michelangeli kann ich sagen, dass Brendel ihm in diesen Disziplinen durchaus nahe kommt.
    Im Seitensatz erzeugt Brendel einen ruhigen, feinen Fluss und einen Wohlklang in der Bassoktave. Und sehr überzeugend ist sein Staccatospiel. In der Rückleitung spielt er äußerst hochdynamisch und rhythmisch bestechend, sehr überzeugend hier seine Achtelintervalle ab Takt 96 hin zum Mittelteil mit dem einleitenden Dolce, in dem die Achtelintervalle in unglaublich berührender Weise die thematischen Oktavgänge in der tiefen Oktave umspielen. und so spielt er die noch mehrfach umgedrehten Sequenzen so fließend und in heiter pastoralem Ton, dass man auch diese Lesart als durchaus zutreffend bezeichnen kann. Es muss nicht "Bravour um jeden Preis" sein. Spielfreude und Spielwitz sind in diesem Finale durchaus auch erstrebenswert, und das alles klingt bei Brendel so schlüssig, wie er denn auch das ganze Geschehen wieder organisch zum reprisenförmigen Hauptsatz zurückführt. Herrlich wiederum im Hauptsatz die perlenden Sechzehntelkaskaden im Diskant, und im Anschluss daran lässt er wieder den anrührenden Seitensatz folgen. Dann die wundersame Coda:
    in diesem hochvirtuosen Gebilde stellt Brendel unter Beweis, dass er dieses Geschäft auch versteht, nur ist es bei ihm nicht Selbstzweck, sondern es fällt so mit.
    Mit einem zauberhaften Calando und Rallentando sowie einem kernigen Fortissimo-Schluss beendet Brendel eine Große Interpretation.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Beethoven, Sonate Nr. 3 C-dur op. 2 Nr. 3
    Alfred Brendel, Klavier
    AD: 1977
    Spielzeiten: 10:10-7:29-3:07-5;14 --- 26:00 min;


    Ich meine, dass Alfred Brendel in seiner zweiten Aufnahme dieser Sonate an Grundlautstärke etwas zugelegt hat, das kann natürlich auch der 15 Jahre jüngeren Aufnahmetechnik geschuldet sein. Jedenfalls ist er geringfügig schneller als 1962, natürlich damit auch schneller als Barenboim und nur geringfügig langsamer als Benedetti Michelangeli.
    Die dynamischen Verläufe zeichnet er sehr aufmerksam nach. Im Seitenthema besticht sein Vortrag auch durch das hohe Maß an rhythmischer Präzision, und in der zweiten Hälfte tönt im Dolce wieder anrührender Gesang, während im hochdynamischen Non-Legato (ab Takt 61) wieder rhythmische und eben dynamische Kontraste überzeugen, ebenso in der kontrastreichen Schlussgruppe. Selbstverständlich wiederholt Brendel die Exposition.
    Auch die Einleitung der Durchführung gestaltet in diesem tastend vorsichtigen Gestus, und nach der Trillerkaskade spielt er ein kraftvolles 1. Zentrum mit sonoren Glockenschlägen in der Tiefbassoktave und endet es mit einem grandiosen Calando. Im 2. Zentrum führt er die Thementeile kraftvoll und rhythmisch sehr akzentuiert durch, in der Endphase der Durchführung nochmals den Themenbeginn variierend.
    Am Beginn der Reprise gefällt mir seine anmutige Synkopensequenz ausnehmend, ebenso das Seitenthema in der ersten Hälfte in der hohen und der niedrigeren Oktave sowie im Anschluss der rhythmisch starke non-Legato-Abschnitt vor de, Dolce. Dieses ist wieder beseligender Gesang im Diskant wie im Bass. Nochmals sehr überzeugend gestaltet er auch die Schlussgruppe hin zur wundersamen Coda, im ersten Teil in den herrlich gespielten Arpeggien, dann der rhythmisch und temporal äußerst starke Kontrast in der Kurzkadenz.
    In der zweiten Phase spielt er eine feurige Variation des Hauptsatzes zum Schluss.
    Ein grandios gespielter Kopfsatz!


    Im Adagio, das geringfügig schneller ist als in seiner ersten Aufnahme, das er aber noch mit der notwendigen Ruhe spielt, gefällt mir sehr gut, dass er die Bögen in den Takten 3 und 4 zur Mitte hin dynamisch aufblühen lässt, ohne das Piano zu verlassen. Diese feinen Regungen hört man nicht bei Jedem.
    In Teil b bemerkt man zwar von Weitem die mögliche Gefahr, dass das ja mal zu schnell werden könnte, aber auch hier lässt er Ruhe walten und spielt geradeaus, die Musik regelmäßig atmen lassend und interessanterweise in den Takten 19 bis 24 die Zweiunddreißigstel, wie vorher die Sechzehntel in Takt 3 und 4, dynamisch über den Seufzern aufblühen lassend.
    In den ff- Takten ab Takt 26 entwickelt er hier allerdings nicht ganz die dynamische Wucht seiner ersten Aufnahme, aber ich denke, das ist auch so noch genug, und der Subito-Piano-Wechsel ist auch hier vorbildlich.
    Der Schluss dieses durchführend Teils b in den Takten 41 und 42 mit einem bestrickenden Decrescendo und einem gleichzeitigen Ritartando ist atemberaubend.
    In den Staccatoteilen des Themas spielt er so vorbildlich, dass Joachim Kaiser sicherlich seine Freude daran gehabt hätte.
    Die beiden Fortissimotakte 53 und 54 haben auch wieder die Massivität der ersten Aufnahme. Offenbar hat er hier ein Notwendigkeit gesehen, die beiden stellen dynamisch etwas unterschiedlich zu gewichten. Ich kann das durchaus nachvollziehen.
    Die dynamische Behandlung der Takt 55 bis 58 ist unglaublich . Durch die Anhebung am Ende von Takt 55 bleibt ihm Raum, von Takt 56 auf der Zwei an ständig zu decrescendieren- herausragend!
    Auch in den Takten 59 bis 64 lässt er die Seufzer, wie 40 Takte zuvor, wieder wunderbar dynamisch aufblühen. Ein weiterer Höhepunkt sind die T in der hohen Oktave- wunderbare Vorschlagsfiguren Takte 67 bis 70 und ein abermals massives Fortissimo und ein sehr rasch gespielter gebrochener Akkord im Takt 72 auf der Zwei. Und dann: eine überirdische Coda, wieder mit zwingend einleuchtenden dynamischen Bewegungen!
    Ein herausragender Satz, eben auch, weil er trotz des höheren Tempos das ruhige, musikalisch so tiefe Seelengemälde daraus gemalt hat.


    Das Scherzo spielt er etwas rascher als 15 Jahre zuvor, aber wesentlich schneller als Rubinstein und langsamer als ABM und Barenboim. Er spielt es rhythmisch und dynamisch vorbildlich, arbeitet auch im Allegro trotz des eckigeren Rhythmus den Dreier-Takt schön heraus und lässt die Sforzandi (diese Bezeichnung habe ich übrigens von Brendel übernommen) wunderbar einfließen. Man hat nirgendwo den Eindruck, dass etwas anders gespielt werden müsste.
    Im Trio steigert sich der Fluss noch, wird der Dreiertakt noch stärker, sind die Staccati trotzdem deutlich aus dem Fluss herauszuhören.
    Der Übergang vom Scherzo Da Capo zur Coda ist ins einer Massivität der ff-Schläge grandios und zwingend, das Schlussdecrescendo in der wundersamen Coda verliert sich nicht im Morendo, sondern behält bis zum letzten Takt 128 etwas Körper, eine andere, aber genauso schlüssige Lösung!
    Ebenfalls ein grandios gespielter Satz!


    Im Finale ist er zwar etwas langsamer als ABM und Rubinstein, aber geringfügig schneller als Barenboim und signifkant schneller als er selbst 15 Jahre zuvor.
    Rhythmisch und dynamisch ist der Satz wieder ein Gedicht. Vor allem in den Sforzandotakten mit 1/4 und anschließender 1/16 wird der Schwung wieder deutlich, den er der Sechzehntelnote mitgibt, fast wie in einem Triller. Wunderbar auch seine Wanderung durch die Oktaven in den Takten 45 bis 57, und wie immer bei Beethoven bemessen sich solche prägnanten Sequenzen in einem Vielfachen von 2 Takten.. Man findet nie, dass sich solche "Bausteine", wie sie sich beim "Architekten" Beethoven finden, aus 5 o der 7 oder einer ähnlichen Zahl von Takten bestehen.
    Wie fein rhythmisiert Brendel den Übergang zur thematischen Rückleitung in den Takten 63 bis 68.
    Hier geht es dynamisch so richtig zur Sache, und Brendel spielt das auch so, und selbst diese hochvirtuose Stelle spielt er so, als wäre sie das Normalste der Welt und führt nach den wunderbaren Achtelintervallen in den Dolce-Mittelteil, in dem diese Gegenüberstellung von Achtelintervallen und Dreiachtel-Oktavakkorden munter variiert wird, und diesen berührenden Mitteilteil lässt Brendel auch wunderbar aussingen.
    Einen Variationen-Mittelteil im Dolce am Platz einer sonstigen Durchführung, das erlebt man auch nicht alle Tage, bei Beethoven schon eher, wenn wir uns nur an die Sonate Nr. 2 erinnern.
    Im reprisenförmigen Hauptsatz legt Brendel noch einen dynamischen Gang zu, so dass ich die Oktavgänge ab Takt 189 im Bass jetzt durchaus im Fortissimo einordnen würde. Dies ist sicherlich eine Aufnahme, in der mich Brendel bisher am meisten überrascht hat, und nur im Positiven.
    Auch der Seitensatz überzeugt in seinem Fluss und in seinen dynamischen Bewegungen. Und dann ist da ja noch die Coda mit der "Trillerorgie und den reiseigen dynamischen Kontrasten sowie den temporalen Leckerbissen Calando und Rallentando, die Brendel auch kann!


    Ebenfalls eine herausragende Aufnahme!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi,


    Brendels 77er-Einspielung und vor allem die spätere Digitalaufnahme finde ich wunderbar! Immer lebendig und auch pointiert-überraschend, mit großem symphonischen Klang, nichts ist hier gewollt, alles entwickelt sich wie von selbst, aber oft anders als erwartet. Dabei ist Brendel in den Details nicht immer zwingend, so spielt bspw. Arrau in seiner frühen Philips-Aufnahme die Triller auf der ersten Seite mit deutlich mehr Zug, dagegen wirkt Brendel etwas schwerfällig. Aber insgesamt ist das eine wunderbare ausgewogene und (vor allem die Digitalaufnahme!) auch wunderbar klingende Aufnahme, an der man sich auch nach vielen Jahren nicht satthören kann und immer wieder etwas entdeckt.


    Viele Grüße,
    Christian

  • Danke für deine bestätigenden Worte, lieber Christian. Das Vergnügen die Digitalaunahme zu hören, werde ich dann heute Abend haben.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Beethoven, Sonate Nr. 3C-dur op. 2 Nr. 3
    Alfred Brendel, Klavier
    AD: 2/1994
    Spielzeiten: 10:22-7:17-3:12-5:38 --- 26:29 min.;


    Alfred Brendel kehrt in seiner jüngsten Aufnahme, entstanden 17 Jahre nach der mittleren, im Kopfsatz wieder zur Tempogestaltung der ältesten Aufnahme zurück, entstanden 32 Jahre vorher. Das ist eine Beobachtung, die ich schon bei verschiedenen anderen Sonaten gemacht habe, so als ob ihm seine ersten Entscheidungen in dieser Hinsicht letztlich doch überzeugt hätten. Das steht ganz im Gegensatz zu einer Äußerung, die er mal über seine ersten Sonatenaufnahmen gemacht hat und die mehr als selbstkritisch waren. Aber ich habe ja schon verschiedentlich gesagt, dass mir seine ersten Aufnahmen im Grunde genommen auch sehr gefallen haben.
    Und eine weitere Beobachtung habe ich bei den späten Aufnahmen schon des Öfteren gemacht: generell fährt er die Dynamik, z. B. hier in der ff-Sequenz ab Takt 13. etwas zurück. Das aht erst mal nichts mit den dynamischen Kontrasten zu tun. Klanglich ist diese Aufnahme natürlich noch einmal ein Schritt nach vorne, und rhythmisch ist das wiederum überzeugend.
    Sehr schön singt es auch wieder in der zweiten Hälfte des Seitenthemas im Dolce. Auch die Schlussgruppe kann, in dieser dynamisch etwas reduzierten Form, durchaus überzeugen.
    natürlich wiederholt Alfred Brendel auch hier die Exposition.
    Auch in dieser Durchführung speilt er nach der Einleitung ein klangvolles 1. Zentrum mit einem wiederum sehr berührenden Calando.
    Das 2. Zentrum ist wieder hochdynamisch und rhythmisch sehr prägnant, ebenso wie die auch wieder dynamisch sehr kontrastreiche Endphase der Durchführung.
    In der Reprise spielt er zu Beginn wiederum eine großartige Synkopensequenz und dann den Rest des Hauptsatzes, an den er wieder das berührende Seitenthema mit dem wieder sehr schön singenden Dolce und der rhythmisch überzeugenden Schlussgruppe, an die sich hier die wundersame zweiteilige Coda anschließt mit den wunderschönen Arpeggien und der stark kontrastierenden Sechzehntelkurzkadenz im ersten Teil und dem dynamisch kontrastreichen variierten Hauptsatz im zweiten Teil.
    Ein grandios gespielter erster Satz!


    Im Adagio ist er interessanterweise noch einmal wenige Sekunden schneller geworden, was sich aber auch hier nicht negativ niederschlagen sollte, aber ich weiß nicht, ob er das Stück mit weniger Tempo nicht doch noch tiefer hätte ausloten können. Dynamisch versieht er den Teil a wieder mit moderaten Bewegungen, lässt ihn stärker atmen. womit er auch in Teil b wieder die Seufzersequenz Takt 19 bis 24 weiter auflockert.
    In den ff-Takten ab Takt 26 erreicht er dann doch das Fortissimo, spielt jeweils dazwischen ein sauberes Subitopiano und versieht dann die oktavierte Sechzehntel-Abwärtsbewegung in Takt 35 mit mehr dynamischem Gewicht. Auch in dieser Aufnahme ist der Schluss des Teils b äußerst zauberhaft gespielt.
    Der durchführende Teil a mit integriertem Teil b hebt wieder mit reinem Gesang an, nach dem Thema unterbrochen von zwei veritablen ff-Takten 53 und 54. Die Zweiunddreißigstelsequenz versieht er wieder mit schönen dynamischen Wellenbewegungen und hält das Ganze in einem wunderbaren Fluss. Auch die hohe Oktave kurz vor der Coda spielt er wieder sehr berührend, auch vor allem die Vorschlagsnotensequenz, und die drei ff-Akkorde spielt er wieder wie schon zuvor, den letzten, gebrochenen Akkord mit einem unerhörten Drive, und die wundersame Kurzcoda ist wieder auf höchstem Niveau.


    Das Scherzo nimmt er, analog zum Kopfsatz, wieder etwa im Tempo von 1962. Er n immt den ersten Abschnitt leicht, aber verharmlost das Ganze nicht. Auch der zweite Abschnitt ist in rhythmischer Hinsicht und mit den dynamischen Kontrasten wieder eine Delikatesse.
    Auch in dieser Aufnahme kommt es zu einer temporalen Verdichtung des Dreiertaktes mit gehörigem Schwung innerhalb der einzelnen Achteltriolen- wunderbar! An dieses wunderbare Trio schließt er selbstverständlich das Scherzo Da Capo an.
    Auch der Übergang zur Coda mit den drei Doppel-ff-Akkorden ist großartig. Anders als in der 1977er Aufnahme geht er in dieser Coda wieder etwas mehr in Richtung Morendo- wie gesagt, auch grandios!


    Auch im Schlusssatz ist er temporal wieder auf dem Rückweg zu seiner frühen Aufnahme und sogar darüber hinaus. Es ist sehr schön, wenn man dies wegen der vorhandenen drei Gesamtaufnahmen lückenlos vergleichen kann und auch Unterschiede zu anderen Pianisten feststellen kann, die vielleicht die Richtung ihres Weges nicht oder anders korrigiert haben.
    Klanglich ist auch dieser Satz wieder eine Delikatesse und dadurch legt er im Verein mit dem etwas geringeren Tempo die Strukturen des Satzes wunderbar offen. Im Seitensatz ertönt wieder reiner Gesang, und der kurze Übergang ist wieder ein Lehrstück in Sachen Staccato.
    Wie schon mal erhöt Brendel auch in dieser Aufnahme die dynamische Messlatte, und zwar in der Rückleitung, wo er wieder ohne Weiteres ABM-Niveau erreicht. Auch rhythmisch und virtuos ist diese Passage außergewöhnlich, in der eine Struktur des durchführenden Mittelteils schon vorweggenommen wird, die Gegenüberstellung von Achtelintervallen und Oktavwechseln in achteln, Viertel oder Dreiachteln, die fortan in diesem Mittelteil munter die Oktaven wechseln.
    Dieser Dolceabschnitt ist wieder reinster Gesang, der wieder durch einen Staccatoübergang reinsten Wassers beendet wird.
    Im reprisenförmigen Hauptsatzverbindet Brendel wieder rhythmische Leichtigkeit mit dynamischer Kraft, gibt dem Satz sozusagen spielerisch Gewicht, bevor in der hohen Sechzehntelsequenz das Spielerische Vorrang erhält und im Seitensatz wieder Gelegenheit zum Gesang gegeben ist, immer in einer unverändert zielstrebigen Bewegung befindlich.
    Und in der phänomenalen Coda lässt sich Brendel auch diesmal die Gelegenheit nicht entgehen, die Aufgabe freudig zu lösen, die Beethoven ihm aufgegeben hat, und das sind ja keine Kleinigkeiten, Triller allerorten und Calando und Rallentando und Fortissimo-Schluss: alles grandios gelöst!


    Eine herausragende Aufnahme!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

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  • Beethoven, Sonate Nr. 3 C-dur op. 2 Nr. 3
    Rudolf Buchbinder, Klavier
    AD: 1980
    Spielzeiten: 9:28-6:45-3:05-4:48 --- 24:06 min.;


    Rudolf Buchbinder spielt in seiner ersten Gesamtaufnahme den Kopfsatz sehr rasch, schneller als alle anderen hier zum Vergleich herangezogenen, Arrau 1964, Benedetti Michelangeli 1941, Barenboim 1966/69 und Brendel 1994. Dynamisch lässt er es ruhig angehen, seigert aber ab der ff-Sequenz durchaus ins Kernige.
    Dennoch ist seine dynamische Anlage leicht, im Verein mit einer rhythmischen Souveränität, die in diesem Hauptsatz auf die Satzbezeichnung "con brio" abzielt. Spätestens im Seitenthema fällt auf, dass Buchbinder "früher ja auch einmal Mozart gespielt hat". Es wäre ja auch schlimm, wenn er das als Österreicher nicht getan hätte. Darüber hinaus bringt auch er im Dolce das Instrument zum Singen. Im letzten Viertel des Seitenthemas spielt er wieder dynamisch hochstehend und rhythmisch sehr prägnant.
    Auch die kontrastreiche Schlussgruppe spielt er sehr aufmerksam und dynamisch. Natürlich wiederholt auch er die Exposition. Bleibt noch zu erwähnen, dass er natürlich auch die vielfältigen dynamischen Bewegungen dieser Exposition sorgfältig nachzeichnet. Ich weiß nicht, ob er nicht die dynamischen Kurven im mitreißenden letzten Viertel des Seitenthemas in dieser Wiederholung nicht noch einmal steigert.
    Die Schlussgruppe spielt er genauso kontrastreich wie zu Beginn.
    In der Durchführung gelingt ihm nach einleitendem Tasten im ersten Zentrum auch ein weites Öffnen des dynamischen Spektrums mit klangvollen Glockenschlägen und einem allerdings etwas schnelleren Calando, als ich es bisher von den anderen Pianisten gehört habe. Dieses hier war etwas heruntergespielt.
    Die großen dynamischen Kontraste und den prägnanten Rhythmus des zweiten Zentrums spielt er allerdings herausragend und mündet in eine dynamisch wieder sehr kontrastierende Endphase der Durchführung.
    Auch die Synkopensequenz am Beginn der Reprise finde ich überragend, die dann in das Seitenthema einleitet. Dieses spielt er wieder sehr leicht und rhythmisch grandios und lässt natürlich auch im Dolce sein Klavier wieder singen.
    Im letzten Viertel des Seitenthemas wiederum spielt er mit großer dynamischer Konsequenz. und mündet dann in die zaubrische Coda ein, die rhythmisch und pianistisch noch einmal alles vom Pianisten abverlangt. Auch diese heikle Stelle spielt e souverän, und dann natürlich auch die wundersame kurze Kadenz Takt 232. Auch die zweite Phase der Coda spielt er überragend.


    Im Adagio ist Rudolf Buchbinder allerdings sehr schnell unterwegs, wesentlich schneller, als er es 31 Jahre später ins einer zweiten Gesamtaufnahme sein wird, gut unter 7 Minuten. Das schlägt vor allem in Teil b zu Buche, in den Zweiunddreißigsteln. Das ist dann in der Tat eher ein Andante. Selbst in den Seufzer-Takten ist dieser Eindruck nicht zu vermeiden. Obwohl das dynamisch ausgezeichnet gespielt ist, bleibt die rasch fortschreitende Bewegung unverändert erhalten.
    Auch das andernorts am Ende des Teils b festzustellenden Decrescendo/Diminuendo (Takt 42) ist hier nicht festzustellen.
    Der gleiche Eindruck herrscht auch im reprisenförmigen Teil a' mit integriertem Teil b vor. Die Coda ist, weil auf niedrigerem temporalen Niveau, wieder etwas überzeugender.


    Im temporal wieder wesentlich überzeugenderem Scherzo, ist auch rhythmisch und dynamisch alles im Lot. Sowohl im ersten als auch im zweiten Teil stimmen die Fortgänge.
    Auch im Trio bleibt er bei dem einmal ein geschlagenen Tempo und stellt den hier stärker wiegenden Dreiertakt wunderbar heraus. Natürlich wiederholt auch er das Scherzo D Capo.
    Auch ihm gelingt der Übergang vom Da Capo zur Coda mit den drei ff-Doppelakkorden ganz außergewöhnlich, und die Coda führt er dynamisch fein zurück, wenn auch nicht in ein Morendo.
    Der Eindruck im Scherzo ist m. E. wesentlich stärker als im Adagio.


    Im Finale ist er schneller als Barenboim, Brendel und Arrau und nur unwesentlich langsamer als ABM und Rubinstein. Seine spielerische Leichtigkeit ist hier wieder sehr stark zu spüren. Im Seitensatz ist das ein Auf- und Abschweben, und eine rhythmisch angetriebenen Vorwärtsbewegung, die in dem Übergang zur Rückleitung noch an Leichtigkeit des Seins gewinnt. Die Staccati sind dort geradezu atemberaubend.
    In der virtuosen Rückleitung ist seine Ausführung geradezu angetrieben von einer von innen heraus kommenden Bewegung. Das ist schon pianistisch grandios.
    Im Dolce-Mittelteil waltet denn eine verhalten entspannte Ruhepause, wenn man so will, in der die Sforzandi organisch in den Fortgang einfließen und die musikalischen Figuren in Ruhe die
    Oktaven wechseln. In der Rückkehr zum reprisenförmigen Hauptsatz zieht er das Tempo wieder geringfügig an, desgleichen die dynamische Kurv in den Oktavgängen der Begleitung. Die huschenden
    Sechzehntel in er hohen Oktave sind vom Feinsten.
    Auch den Seitensatz mit den auf- un d abstrebenden Achtelfiguren spielt er großartig und immer im Vorwärtsgang direkt in die unglaubliche Trillercoda hinein:
    mit den größten Kontrast schafft Buchbinder am Ende der Triller-Coda im Calando und noch mehr im Rallentando- atemberaubend, einschließlich des ff-Schlusses!


    Eine große Aufnahme, der etwas mehr Zeit im Adagio wirklich gut getan hätte.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
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  • Ich hatte heute schon vorweggenommeme Bescherung. Diese Box war angekommen:



    Ich habe dann eine "Probehörstizung mit unserer 3. Sonate gemacht. Die Bescherung bestand aus zwei Teilen. Zum einen musste ich feststellen, dass ich einen großen Teil dieser Aufnahmen noch gar nicht hatte, auch diese von der Dritten noch nicht: Leningrad, 31. 5. 1960 live.
    Der zweite Teil der Bescherung bestand darin, dass ich glaubte, eine ganz neue Sonate zu hören (und dabei habe ich schon ein Dutzend Aufnahmen rezensiert). Dies soll auch keine Rezension sein, nur soviel: Richter hat mir gezeigt, was man aus dieser Sonate machen kann, wenn man, wie er, die eingetretenen Pfade verlässt. Er steckt die dynamischen Kontraste gnadenlos weit ab. Er spielt einen langsamen Satz (Adagio) schnell, ohne dass es schnell klingt, weil er dort mit grenzenloser Ruhe zu Werke geht, gleichzeitig aber in den Fortissmo-Sequenzen dazwischen fährt, als wolle er die Saaldecke zum Einsturz bringen. Und nichts klingt übertrieben, weil er es so spielt, wie er es spielt. Fast möchte man dei Wand'sche Regel zitieren: "So, und nicht anders". Aber so weit will ich nicht gehen. Dabei sind die temporalen Gegensätze zwischen Kopfsatz und Adagio bei weitem nicht so groß wie diejenigen von Scherzo und Finale. Das Scherzo ist ischerlich der "normalste" von allen Sätzen, aber nur im Tempo, nicht in der Dynamik. Da ist nichts normal in dieser Aufnahme. Und das Finale ist schier iunglaublich. Das ist fast ungezügelte Spielfreude, gleichzeitig kontrollierter unwiderstehlicher Vorwärtsdrang bis hin zum Drama, das schnellste und vor allem das mitreißendste Fianle, dass ich bisher gehört habe, und ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendeine Pianist das noch toppen könnte.
    Aber ich werde nach diesem Ausblick natürlich warten, bis Richter (mit nun drei Aufnahmen) an der Reihe ist.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Bei dieser Aufnahme scheint es sich ja wirklich um eine bisher unveröffentlichte zu handeln! Laut trovar.com hat Richter die Sonate in Leningrad 6/1960 eingespielt. Die nächste Aufnahme ist dann vom Oktober aus der Carnegie Hall (Doremi). Willi, geht denn aus dem Booklet hervor, bei welchen Aufnahmen es sich um Erstveröffentlichungen handelt? Das würde mich interessieren, um Doppelungen zu vermeiden.


    Viele Grüße,
    Christian


    - folgende Ergänzung, habe ich gerade noch bei jpc gefunden:
    "Diese frühen Interpretationen (des damals freilich schon 32jährigen) der
    Beethoven-Sonaten Nr. 8 »Pathétique«, Nr. 9, Nr. 10 und Nr. 12 sind
    bisher noch nie auf offiziellen Tonträgern erschienen. Freilich darf man
    an diese diskografischen Sensationen – Richters Spiel ist wahrhaft
    furchtlos, hier nun wirklich strotzend vor Selbstvertrauen – nicht
    moderne Hifi-Ansprüche stellen.
    ... In dieser Edition sind neben den genannten
    »antiken« Moskauer Mitschnitten auch solche aus Leningrad vom 31. Mai
    und 7. Juni 1960 sowie aus Moskau vom Heiligabend 1964 erstmals
    zugänglich gemacht: Die Dokumente mit den Beethoven-Sonaten Nr. 3, Nr.
    7, Nr. 18, Nr. 22 und Nr. 23 (diese auch im Studio 1960) zeigen zudem
    den Interpreten während einer wichtigen Zäsur in seinem Leben."


    Da führt wohl kein Weg vorbei an dieser Box ;)

  • Lieber Christian,


    ich werde dir morgen auf deine Frage antworten, wenn ich die Nachwehen meines morgigen Implantatseingriffs überstanden habe, denn gleich später werde ich mich auf den Weg nach Köln machen, um das erste Konzert mit dem Hagen-Quartett zu genießen, das die Haydn- Quartette Nr. 1, 3 und 5 aus dem op. 76 aufführt (einschließlich Kaiserquartett).


    Liebe Grüße


    Willi :)

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    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi,


    ich bin inzwischen wieder daheim und habe mit Freude diesen so schön gestarteten Thread gelesen! :D Ich wünsche Dir, dass die Zähne im "Gehege" mit Homer gesprochen ruhig bleiben und Du das Hagen-Quartett genießen kannst! Morgen werde ich mich hier einmischen mit einem Start-Beitrag zu ABMs früher EMI-Italiana-Aufnahme von 1941. :hello:


    (Kaum irgendwo kann man so unverschämt günstig und gut Urlaub machen (einschließlich kulinarischer Freunden) wie in Bulgarien. Aber das gehört nicht hierher.)


    Herzlich grüßend
    Holger

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