Tanzmusik des 15., 16. und 17. Jahrhunderts

  • Eigentlich wollte ich nur eine CD vorstellen, welche Tanzmusikl von Gasparo Zanetti (1626? - 1645?) enthält. die Zuordnung ist hier schwierig, klingt doch alles sehr nach Renaissance, ist Zeitlich aber - ähnlich wie bei Praetorius - schon eher dem Barock zuzuordnen. Das Problem der Klassifizierung ist ein schwieriges, daher habe ich mich hier dafür entschieden, keine solche zu versuchen, sondern den entsprechenden Kreis größer zu fassen. Es gab ein paar ältere Threads zum Thema Tanzmusik aus Renaissance und Barock, damals noch streng getrennt - und oft falsch zugeordnet. Einerseits dadurch, dass etliche der damals schreibenden Mitglieder nicht mehr mit uns sind und andrerseits dadurch, daß etliche der damals vorgestellten und empfohlenen Aufnahmen gestrichen wurden, bietet sich der Neustart dieses Themas geradezu an. Nicht alle der gestrichenen Aufnahmen sind übrigens für den heutigen Hörer verloren, manchmal wurden sie mit einer neuen Bestellnummer, einem neuen Preis und in neuer Aufmachung wieder aufgelegt.


    Heute will ich mich einem Komponisten des siebzehnten Jahrhunderts widmen, über den wir nicht mal exakte Lebensdaten wissen. Ja wir wissen nicht mal ob alle hier angebotenen Tanzstücke von Zanetti selbst sind, den manche klingen eher nach Renaissance, als nach frühem Barock. Publiziert wurde die Sammlung 1645. Und genau aus diesem Dilemma heraus habe ich diese CD (eine "Premier Recording" Aufnahme aus 2002 für Claves) als erste in diesem neuen Thread ausgewählt. Zanettis Sammlung stellt in gewisser Weise das italienische Gegenstück zur Sammlung "Terpsichore" von Praetorius dar. Meiner Einschätzung nach sehr hörenswerte, eingängige Stücke, derzeit bei jpc zum "Claves" Abverkaufspreis zu haben. Es spielt das Ensemble "Musica Antiqua Provence

    Hier kurz ein Sample, welches über jene von jpc hinausgeht.....



    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Pierre Attaingnant (* um 1494; † um 1552 in Paris) war weniger als Komponist bedeutend, denn als Musikverleger und Musiknotendrucker. Ein von ihm erfundenes Notendrucksystem vereinfachte den Druck der Noten und machte eine größere Produktion möglich, wenngleich die Drucke systembedingt oft unsauber und ungenau ausfielen.
    Bekannt ist er vor allem durch seine Veröffentlichungen von Chancons französischer Zeitgenossen und auch von Sammlungen mit Tänzen, sogenannter "Tantzbücher" wie sie auf der hier gezeigten CD enthalten sind. Wem die Sammlung "Terpsichore" des Michael Praetorius gefällt, der könnte auch hier auf seine Kosten kommen.....

    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich habe heute den Threadtitel erweitert, er werden nun auch Tänze des 15. Jahrhunderts mit einbezogen. Was im ersten Moment als gewagt und eher unsystematisch erscheint (und es in der Tat auch ist) ist lediglich eine pragmatische Entscheidung, welche damit leben muß, daß gerade in diesem Bereich die Auswahl auf CDs oft recht großzügig vorgenommen wird, da werden die Jahrhunderte und oft auch die Länder wild durcheinander gewürfelt, die "Highligths eben. Dazu kommt, daß vieles unbestimmten Ursprungs ist, Herr "Anonym" war offensichtlich ein vielbeschäftigter Komponist im Zeitraum der Renaissance bis zum Frühbarock.


    Nun aber zur heutigen CD-Vorstellung: "la dance a la cour des ducs de Bourgogne" (Der Tanz am Hofe der Herzöge von Burgund) Enthalten sind hier Tänze und teilweise auch Chansons aus diversen Sammlungen des 15. und 16. Jahrhunderts (bz. Buxheimer Orgelbuch, Codex Lucchese, Glogauer Liederbuch, Sammlung P. Attaignant) sowie auch Werke, die betimmten Autoren zugeordnet werden können. G. Dufay, J. des Pres, Thomas Stöltzer. etc. etc..... Es ist dies eine CD die rundum zu begeistern vermag, angefangen von den teilweise recht eingängigen Melodien, den interessant kingenden historischen Instrumenten, der einfühlsamen Interpretation und - last but not least der analogen Tontechnik, die das alles unverfärbt, räumlich und sehr effektvoll eingefangen hat. Ich glaube es ist dies meine liebste CD mit Musik aus dieser Epoche...

    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Auf Grund des großen Interesses, hier noch mal Pierre Attaignant. ;)
    Nein - der Anlass zu diesem Artikel ist ein anderer. Ich habe heute erneut einzelne Stücke dieser CD gehört und auch wieder ein wenig im Booklet nachgelesen, Dabei habe ich Details gefunden, die beim Ersthören einfach untergegangen sind, man wilr erst allmählich mit den Werken und dem Unfeld ihrer Zeit vertraut. Wobei speziel bei dieser CD der Klang in der Tan NICHT gewöhnungsbedürfig ist, was natürlich auch eine Frage der Auswahl sein mag. Und an auswahl war da in der Tag genügend vorhanden. Sieben Bände umfasst die Sammlung von Tänzen, teils aus aristokratischem Umfeld, teils eher volkstümlich. Daneben gibt es zahlreiche Liedkompositionen. Einen Teil der Veröffentlichungen besorgte die Witwe nach dem Tod von Attaingnant ( vermutlich um1552). Die letzte Veröffentlichung stammt von 1557. 1558 gab die Witwe das Geschäft endgültig auf.
    Wie schon beschrieben stammen die Werke der Sammlung aus den unterschiedlichsten Quellen und Ländern (einen Urheberschutz gab es damals noch nicht), Teilweise anonym, teilweise mit Namen von Komponisten versehen. Befasst man sich näher mit diesem Theme eröffnet sich eine völlig andere Welt, Wer kenn schon Namen wie Claudin de Sermisy ? WIKIPEDIA kennt ihn, bei youtube finden wir Klangbeispiele, auf unserer CD gibt es einige Stücke von ihm. Eine ihn gewidmete Einzel CD fand ich indes nicht. Pierre Sandrin (Ca 1490-1561) ist ebenfalls mit zwei Titeln auf der CD vertreten. Der Name - so sagt WIKIPEDIA, ist ein Pseudonym, entnommen einer Figur der Commedia dell' Arte. Das verwundert nicht, wenn man den eigentlichen Beruf kennt, er war ursprünglich Schauspieler und hieß mit bürgerlichem Namen Pierre Regnault. Aber das sind ja nur Stabkörnchen in einem bunten Mikrokosmos.
    Kommen wir zum Preis der CD. Er ist mit 27.99 Euro recht üppig angesetzt. Andrerseits muß hier die relativ kleine Klientel und daraus resultierende Auflage ins Kalkül gezogen werden, Es gab intensive Recherche und ausserdem nusste einige seltnen Instrumente nachgebaut werden. Über das wissenschaftliche Ergebnis mögen Fachleute urteilen, das klangliche ist indes superb, damit meine ich musikalischer UND Aufnahmetechnischer Gesamteindruc. Für ernstafte Liebhaber dieser Epoche ein MUSS !


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Das Coverbild hat der Grafiker passend ausgewählt, denn der französische Verleger Pierre Atteignant (1494-1552) hat durch den Notendruck für die Verbreitung der Musik gesorgt. Ohne seine geschäftliche Tätigkeit wären viele Werke nicht überliefert. 50 Notensammlungen mit Chansons hat er veröffentlicht. Von jeder Sammlung hatte er 1000 Exemplare und mehr gedruckt. Auch Musiknoten mit Tänzen hat er unter die Leute gebracht.


    Der Lautenist Hopkinson Smith hat Preludes, Chansons und Tänze eingespielt, die Pierre Atteignant verlegt hat..


    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Lieber Alfred Schmidt


    Wenn du dir diese CD mit Tänzen aus Ungarn, die das Clemencic Consort eingespielt hat, besorgst, wirst du es nicht bereuen. Allerdings wirst du nur antiquarisch fündig werden.


    Aber Vorsicht: Der einleitende Ötödik Tancz hat Ohrwurm-Qualität.



    "Wer das Geräusch einer Bombarde bisher nur mit dem Donner des gleichnamigen mittelalterlichen Belagerungsgeschützes in Verbindung bringt, dem bietet diese Schallplatte die Möglichkeit, seine Hörerfahrung nachhaltig zu bereichern. Denn neben diesem Rohrblattinstrument, besser bekannt als Pommer, wartet das Clemencic-Consort mit einer großen Familie historischer, glücklicherweise nicht vergessener Tonwerkzeuge auf. Zu weiteren Blasinstrumenten wie Naturtrompete und Flöten mischen sich kleine Tasten-Instrumente wie Regal und Clavecin (Orgel)positiv und diverses Schlagwerk.

    Sein Programm rekrutiert das Ensemble vorwiegend aus zwei slawischen Codices und dem Leutschauer Virginalbuch – Musiksammlungen, die zur Mitte des 17. Jahrhunderts in Ungarn entstanden. Die Quellen enthalten seit der Renaissance bekannte Tanzsätze für den höfischen Gebrauch, aber auch kirchliche und weltliche Lieder. Da die meisten dieser Stücke als Particell, also nur mit notierter Melodie- und einer Basslinie überliefert sind, besticht die reichhaltige Instrumentierung des Clemencic-Consorts umso mehr. Wie in der historischen Aufführungspraxis durchaus üblich, wird jeder Satz durch wechselnde Instrumentierung und hinzugefügte Binnenstimmen in ein feingliedriges Stimmengerüst gehüllt. Bei aller Werktreue vertrauten die Produzenten dieser Schallplatte auf modernste Analogtechnik und erzielten ein Klangbild auf höchstem Niveau."


    Aufnahmequalität vom Feinsten


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    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928